Beiträge von Hannibal

    Manchesmal in der Subura wurde ihm eine dubiose Aura nachgesagt, womöglich lag es daran, dass ihm die Leute eher misstrauten. Hannibal zuckte mit der Schulter. " Na, vielleicht möchtest Du die Statue behalten. Als Erinnerung an Deine Heimat." Was vielleicht dann doch keine so gute Idee war, aber Hannibal hatte die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen gerne an vertrauten Dingen fest hielten. Und was war dem am Nächsten als die eigene Religion? Als römischer Sklave und unfrei geboren war das für Hannibal anders. Der Cultus sah nichts für Sklaven vor, scherte sich nicht um den Besitz der Römer. Und Hannibal konnte sich weder den germanischen, dakischen, keltischen oder anderen Sklaven aus der Fremde in ihrem Glauben anschließen. Von je her waren er und die Sklaven seiner Linie davon mehr abgeschottet gewesen, mal von denen abgesehen, die zu ihren Eltern Kontakt hatten, die das frische Blut in die Linie geschwemmt hatten. Aber Hannibal hatte seine Mutter nie kennen gelernt. Hannibal trat etwas unruhig von einem Bein auf das Andere und war nicht unfroh, dass Fiona weiter ihrer Neugier freien Lauf ließ. Und ihn so von unliebsamen Gedanken ablenkte. Hannibal schüttelte den Kopf. " Nein, nicht mit meinem Herrn. Aber die Subura ist nicht zu verachten. Iulius Caesar, der Göttliche, hat schließlich hier gelebt."


    Langsam setzte Hannibal den Weg fort, weg von den spielenden Kindern. " Ich bin damals in einige Schwierigkeiten gekommen und bin abgetaucht, um die Flavier nicht damit zu belasten. Damals war noch Sica der Verwalter der Flavier, nicht Sciurus. Sciurus war Sicas Speichellecker. Diese widerliche kleine Ratte." Hannibal verzog das Gesicht. Oh, wie er Sciurus hasste. Besonders seitdem er das Vorbild von Dido war umso mehr. Er seufzte leise. " Sica wirst Du nicht mehr kennen lernen. Er ist bei Flavius Felix vor einigen Monaten verstorben. In der Zeit habe ich einige Monate in der Subura gelebt und dort gearbeitet, während mein Herr in Germanien und dann in Mantua in der Legion gedient hat." Während Hannibal darüber redete, befand er, dass es damals keine schlechte Zeit gewesen war. Er war so frei gewesen wie noch nie in seinem Leben. Was jetzt wohl wieder vorbei war. Es sei denn, seine Hoffnung würde sich noch wahr machen. Ahnte er doch nicht, wie bald sich das zerschlagen würde. Zerstreut sah er auf als er die Frage von Fiona vernahm. " Hm...ich weiß es nicht." , meinte er. " Es kommt natürlich darauf an, wie lange sie noch turteln. Die Beiden." Noch strahlte die Sonne, noch war das Wetter mild. " Was würdest Du denn noch gerne sehen wollen von Rom?"

    Es fielen da einige sehr ungute Schlagwörter, die Decius sofort aufhorchen liessen. Das war natürlich 'Mord' in Kombination mit 'Senator'. Zudem in einem Atemzug mit seinem Namen genannt. Augenblicklich brach der kalte Schweiß aus allen Poren von Decius hervor. Nur mit Mühe unterdrückte der Mann aus der Subura einen entsetzen Ausdruck. Sicherlich. Er hatte viel in seinem Leben auf dem Kerbholz. Aber so einen Mord, oder gar Auftragsmord hatte er selber noch nie ausgeführt. Und das eine Mal, wo es beinahe dazu gekommen wäre, hatte Fortuna es verhindert. Indem das Opfer zuvor abgereist und dann sang und klanglos in Hispania verstorben war. Decius war einen schnellen Blick über seine Schulter und schien zu erwägen, es Caius Culter gleich zu machen und hinter ihm her zu springen. Seine Hand an der Tür zitterte bereits und wollte die Tür wirklich zuschlagen. Aber das war sein Heim und seine Frau nur auf dem Markt. Decius seuftzte leise und verwarf die Fluchtpläne sofort wieder. Er setzte ein augenscheinlich ahnungsloses, freundliches Lächeln auf. Als Hochstapler konnte er das binnen kurzer Zeit natürlich glaubwürdig imitieren. Er war schließlich Profi. "Decius? Oh, da habt ihr ihn aber gerade verpasst. Das tut mir aber leid. Er ist auf den Markt gegangen. Zum Bäcker Frusius, vielleicht probiert ihr es dort?" Er zuckte mit der Schulter. "Ausserdem glaube ich nicht, dass er euch in dieser Hinsicht wirklich behilflich sein kann."

    " Komm' schon, Decius, Du musst das Zeug nehmen, es ist ganz heiße Ware und ich kenne niemanden, der das so gut verticken kann wie Du in der Stadt, Du bekommst auch die Hälfte Anteil, statt einem Drittel wie bisher. " Gestatten vorzustellen, Caius Culter, Mörder, Dieb, Gelegenheitsschmuggler, ein Mann der nicht feinen Sorte, der schnell mit seinem Messer war. Ihm gegenüber an einem großen und runden Holztisch Decius, aus der Familie der Lenia, seine Frau, Lenia Fabula, war immerhin nicht zu Hause, worüber Decius ganz froh war als er in das narbige Gesicht des Verbrechers sah. Vor ihm ausgebreitet lag kostbarer Schmuck und eine kleine Larenstatue aus Onyx gefertigt. Der schwarze Glanz war hypnotisch und Decius seufzte. Das würde ihm bestimmt gut Geld bringen. " Also gut, aber ich nehme sieben von zehn Anteilen. "" Sieben? Ich bitte Dich Decius, über fünf ist nichts zu machen. " " Nicht unter sechs! " "Also gut... " Decius lehnte sich zufrieden zurück und dachte bereits über die möglichen Abnehmer nach, die er auf dem Schwarzmarkt von Rom ansprechen würde. " Können wir dann endlich zu den eigentlichen Geschäften kommen? " Ah, werter Leser, man möge es verzeihen, es war noch jemand Drittes im Raum, Lucius Drubius Cleptus, ein Ganove durch und durch, der sich ab und an auch Heiratsschwindler betätigte, aber sonst gerne jede krumme Tour veranstaltete, die ihm aussichtsreich erschien. Gerade vor vier Tagen aus dem Carcer ausgebrochen und auf der Flucht vor dem Gesetz, die ihm eine empfindliche Strafe auf gebrummt hätte.


    Doch noch ehe die Drei zu ihrer Besprechung kamen, klopfte es energisch gegen die Tür. Und mal ehrlich zu sein und unter uns, das Klopfen eines Urbaners und eines Gesetzeshüters hatte immer eine bestimmte Art, eine Nuance, die jeder Verbrecher, jeder Dieb und Mörder sofort witterte. Natürlich die Drei auch, sie wechselten wissende Blicke. Caius Culter, als Dieb geschult, sprang als erstes auf und hechtete zum nächsten Fenster, um mit einem Satz nach draußen zu verschwinden. Ein Blumentopf polterte und fiel mit einem lauten Krachen in den Innenhof herunter, was mit Sicherheit auch bis zu der Tür zu vernehmen war. Lucius Cleptus wiederum erhob sich mehr gemächlich, sah sich in dem Raum und und eilte zu einem Schrank, um sich dort hinein zu verkriechen. Decius wischte eilig den Schmuck vom Tisch in einen Leinensack, wobei ein kleiner goldener Anhänger unter den Tisch kullerte. Den Sack in eine Kiste geworfen, wandte sich Decius erst dann der Tür zu. Mit missmutigem Gesicht öffnete er die Tür einen Spalt und starrte in den düsteren Gang. " Ja? ", fragte er unwirsch.

    Einige Kinder spielten mit kirschgroßen Tonmurmeln, die sie über die Pflastersteine springen ließen und in einer Mulde am Rand versenken wollten, darin lag eine große, rot bemalte Tonmurmel, die alle Kinder zu treffen versuchten, um all die anderen Tonkleinode, die für die Kinder von großem Wert waren, zu gewinnen. Nur mit einem Blick streifte Hannibal all die Kinder und dachte für einen Moment daran, wie wohl die Zukunft von den Jungen und Mädchen aussehen würde. Würden sie eines Tages vielleicht als Soldaten dienen, weil man dort ein gutes Auskommen hatten? Endeten manche von ihnen als Wäscherinnen oder in den Färbegassen, aus den es immer intensiv nach der Färberei roch? Womöglich würde das eine oder andere Kind auch niemals die erwachsenen Jahre erleben. Hannibal schüttelte über den Gedanken den Kopf und sah wieder zu der Keltin. Fragen über Fragen schossen aus ihrem Mund und er war etwas überrascht über ihre Verwunderung ihres Ausfluges wegen. Hatte sie nur die Tempel oder irgendwelche pompösen Plätze sehen wollen? Dafür musste sie nur der Herrschaft hinter her laufen, diese bevorzugten eher die strahlenden Seiten der Stadt. Doch noch ehe er selber auf die Fragen antwortete, konterte er mit einer Eigenen. Wenn auch der harmlosen Sorte. "Hat die Göttin eine große Bedeutung in Deinem Land?"


    Hannibal blieb auch stehen, da Fiona wohl danach verlangte. Eine Murmel kullerte über den Boden, viel zu weit an der Mulde vorbei, und stieß gegen sein Schuhwerk. Sie war blau angemalt, aber an vielen Stellen schien schon der braungebrannte Ton hervor. Hannibal bückte sich und hob die kleine Murmel auf. Drehte sie dabei in zwischen seinen Fingern hin und her. Er zuckte mit der Schulter. Was sollte er da schon groß erklären? "Die Statue ist von Decius, er hat sie gekauft von einem... nun... hm..." Sollte er sagen, dass es sehr wahrscheinlich Diebesgut war? Lieber nicht, Fiona schien jetzt schon irritiert zu sein. "... Zwischenhändler. Decius hat einige Bereiche, womit er sein Auskommen verdient. Neben den Wetten." Fiona war ja nicht auf den Kopf gefallen, im Gegenteil. Sie schien ihm recht clever zu sein. Vielleicht würde sie auch selber zu den richtigen Schlüssen kommen. "Ich habe einige Zeit lang in diesem Viertel gelebt. In der Subura. Ich mag es irgendwie. Hier lebt zwar auch sehr viel Abschaum, aber auch viele Leute, denen man die Sympathie kaum entziehen kann. Aber sie sind ein eigenes Völkchen, das selten Aussenseiter an sich heran lässt. Vielleicht habe ich Dich deswegen mitgenommen. Die normalen Menschen der Stadt lernt man nicht so einfach kennen, wenn man nicht schon einen Fuss in ihrer Haustür hat."


    Ein Junge kam heran gerannt und starrte wortlos zu Hannibal hoch. Der reichte die Murmel an ihn weiter und sah noch zu, wie er wieder zu den Anderen stieß, ehe er sich abermals Fiona zu wandte. "Ich wollte Dir ein bisschen die Stadt zeigen, jene Seiten, die Du mit Sicherheit als Sklavin einer Patrizierin nicht so einfach kennen lernen wirst." Hannibal zuckte mit der Schulter. Er sah schon ein, dass es vielleicht keine so gute Idee gewesen war, dabei hatte er die Keltin doch anders eingeschätzt. Aber Hannibal war schon immer eher schlecht in seiner Menschenkenntnis gewesen, was oft in einem Fiasko geendet hat. Einen Daumen in den Ledergürtel verhakt, schlenderte Hannibal nun weiter, vorbei an den schäbigen Insulae und auf eine der großen Hauptstrassen zu, die sie wieder zurück zum Park führen würde. "Sollen wir zurück kehren?"

    Einem Fische ähnlich öffnete sich Hannibals Mund. Er wollte Aristides widersprechen, denn das war wirklich kein Unfug, was er erzählte. Doch kein Ton kam über seine Lippen. Denn gerade als er seinen Widerspruch äussern wollte, da fuhr es auf ihn hernieder. Das Verhängnis, die Wucht der Worte, die jegliche Hoffnung zerstörte, die Hannibal nun schon seit zwei Dekaden mit sich trug. Denn eines Tages, so das Versprechen, würde er seine Freiheit erlangen. Und diesen Tag hat er schon lange herbei gehofft. In den letzten Jahren immer mehr. Fassungslos starrte er Aristides hinter her als dieser verschwand. Starr und wie betäubt stand er inmitten des Atriums. Erst als ihm schwarze Punkte vor den Augen tanzten, merkte Hannibal, dass er das Atmen vergessen hatte. Schmerzhaft zog es durch seine Lungen als die Luft dort wieder hinein strömte. Jeglicher Zukunftsglaube schwand mit diesem Atemzug. Und machte dem schwarzen Wesen in ihm genügen Platz. Langsam kletterte diese Kreatur auf den Sprossen von seiner Seelenleiter hinauf und klammerte sich an die brüchigen Wände seines Geistes. Düster und grimmig glomm es in seinen Augen, als er in den Gang starrte, der Aristides verschluckt hatte. Das würde er noch bereuen, dafür würde Hannibal schon sorgen. Die alte Freundschaft, sie schmolz dahin. Die Loyalität, die er noch gegenüber ihm und den Flaviern verspürte, sie wurde mit einem hämischen Lachen von jener Kreatur zerfetzt. Von den Klauen zerrissen und in den Seelenäther geworfen. Hannibal drehte sich um und ging steif zurück zur Sklavenunterkunft, während es hinter seiner Stirn bereits arbeitete.

    Einem trügerischem See glich Hannibal in jenem Moment. Äußerlich wirkte das Gewässer ruhig, dennoch strömte das Wasser schnell, zahlreiche Bewohner verursachten große Turbulenzen, Algen und Schlick ließen es unten trüb werden. Wie ein wilder Fischschwarm schossen diverse Gedanken und Emfpindungen durch Hannibal als er die Reaktion von Faustus über sich ergehen liess. Er hatte nicht mit dieser Heftigkeit gerechnet, aber durchaus mit seinem Zorn. Dennoch war Hannibal etwas erschüttert. Auch von dem, was er dahinter vermutete. Konnte sich Faustus nicht denken, dass er vor seinem Herrn nicht frei sprechen würde. Die einzige Regung auf der spiegelglatten Oberfläche waren das Auseinanderweichen seiner Lippen als er tief Atem holte und mit seiner Beherrschung kämpfen musste. Als ihm all die Worte wie ein Orkan entgegen strudelten und ihn schier zu ersticken drohten. Immer noch enttäuscht und betroffen sah Hannibal Faustus hinter her. Und schwieg. So schwieg er erstmal mit seinem Herrn und Hannibal hätte sich gerne noch länger darin versenkt. In Gedanken vertieft. Doch da Aristides nun mal niemand der nachdenklichen Sorte war, ließ auch eine Reaktion nicht lange auf sich warten.


    "Sagen?" Verwirrt sah Hannibal zu Aristides. Kopfschüttelnd kniff der Sklave die Lippen zusammen. Sicherlich, er hatte schon viele dumme Sachen getan. Aber so viel hat er auch wieder nicht verbockt und fühlte sich zu Unrecht verdächtigt. Was Hannibal jedoch erschreckte, war der Ausdruck. In den Augen seines Herrn, einen, den er bisher selten erlebt hatte. Hannibal schwieg. Am liebsten hätte er das fortgesetzt und sich einer Antwort entzogen. Einer, die er kaum mit Sicherheit beantworten konnte. "Ich weiß es nicht. " , gab er schließlich zu. Heiser und trocken war seine Stimme bei der Antwort. "Aber es ist nicht wie früher. Wirklich nicht. Außerdem glaube ich kaum, dass Faustus es wirklich ernst meint." Auch darüber war sich Hannibal nicht sicher, aber wie konnte Faustus wirklich solche Gefühle hegen, wenn er ihn doch im Grunde kaum kannte.


    Dennoch hatte der Besuch von Faustus noch etwas anderes angeregt. Einen Trotz und der Zorn, den er Aristides schon seit längerem gegenüber verspürte. All das kam zur Oberfläche hoch. "Du müsstest Dir darüber keine Sorgen machen, Marcus, wenn Du endlich Dein Versprechen einlösen würdest. Es ist schon lange fällig, sehr lange. Das weißt Du genau! " Der Ärger war jetzt in Hannibals Augen deutlich zu sehen und er richtete seine Schultern etwas auf.

    Finster war der Blick der eifersüchtigen Ehefrau, flehend und schmeichlerisch der von Decius und ein wenig gequält von Hannibal, Fiona bekam auch prompt ein schiefes Lächeln von ihm zu sehen als sie zu ihm blickte. Er zuckte leicht mit der Schulter. Gut, er war es gewöhnt. Dieses Milieu und wunderte sich schon seit langem über gar nichts mehr in der Subura. Das Rattenbeissen hatte Hannibal schon einige Male erlebt, es war immer wieder eine recht kurzweilige Unterhaltung, die die Menschen in diesem Viertel dann boten, sowohl mit der Veranstaltung an sich, dann aber auch der kindlichen Freude bis hin zu dem verbissenen Kampfwettgeist, der sie beherrschte. Doch ein Blick auf Fiona genügte, damit Hannibal weiss, dass das wohl nichts für die Sklavin war. Darum nickte er bei ihren Worten. "Das tut mir leid, Decius, aber wir müssen bald wieder zurück." Decius zog eine verstimmte Schnute und brummte leise etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Während wiederum Fabulas Augen den feindseligen Ausdruck verloren und ihre frühere 'Herzlichkeit' zurück kehrte. "Na, das macht doch nichts!" Das versicherte die Frau anstelle ihres Mannes. "Aber ich bin eigentlich wegen etwas anderem hier, Decius, hast Du vielleicht einen Moment?" Decius zögerte, nickte dann schließlich. "Wenn Du uns ganz kurz entschuldigst?" Hannibal lächelte zu Fiona und erhob sich. Beide Männer verschwanden. Fabula legte den Lappen weg, mit dem sie eben noch einen Teller geputzt hat und nahm am Tisch Platz. Lächelnd und mit unverhohlener Neugier sah die Römerin die keltische Sklavin an. Man sah ihr an, dass sie aus allen Nähten platzte, vor ungestellter Fragen. Doch es dauerte gar nicht mal so lange, da kehrten die beiden Männer zurück. Hannibal trug etwas in seinen Händen, was in Leinen eingepackt war. "Wir können gehen, Fiona. Damit wir nicht am Ende noch von den Vigilen gesucht werden." Hannibal klopfte Decius kurz auf die Schulter. "Ich danke Dir, Decius." Der nickte und lächelte noch mal Fiona freundlich zu, was bei Fabula wieder einen düsteren Blick erntete.


    Decius geleitete beide trotz der unsichtbaren Blitze aus den Ehefrauaugen bis zur Tür. "Vale, Fiona, mögen die Götter mit Dir sein.", verabschiedete sich Decius von der Keltin und wandte sich Hannibal zu. "Bis demnächst. Und übrigens, Hannibal, Du solltest was gegen die Gerüchte tun. Das tut Deinem Ruf gar nicht gut." Verwirrt runzelte Hannibal die Stirn. "Gerüchte?" Decius sah zu Fiona und räusperte sich verlegen. "Du weisst schon. Das wegen den [SIZE=7]Kleidern[/SIZE]." Die Irritation war noch kurz bei Hannibal zu sehen, wich dann jedoch einer erstaunten Verlegenheit. "Ah. Ja, das. Ja, danke, Decius. Vale." Jetzt hatte Hannibal es wohl eilig, hinaus zu kommen. Er trat über die Stufen hinunter auf die Strasse und an die frische Luft. Wenn man die Luft in der Subura frisch nennen konnte. Hannibals Nasenflügel erbebten als er die Luft in sich hinein sog. Er schlenderte die Strasse entlang. Wieder in die Richtung, die sie zu dem Park und somit den Herrschaften führen würde. "Ich habe etwas für Dich, Fiona. Decius ist in vielerlei Hinsicht begabt, auch an außergewöhnliche Gegenstände zu kommen. Vielleicht sagt Dir das hier etwas?" Hannibal wickelte den Gegenstand aus und reichte Fiona eine Statuette. Sie war etwas höher als eine Männerhand, aus einem dunklen Stein gemeisselt und von eher filigraner Natur. Eine ernst schauende Frau stellte sie dar. Sie trug einen Helm, Speer, Schild und Rüstung. Liebevoll war die Statue bemalt, sogar die Augen waren in einer bläulichen Färbung dar gestellt. Keltische Symbole waren in den Sockel gekratzt, die jedoch schon verblasst waren. Als ob oft Fingerspitzen über den Namen gerieben haben. Man konnte lediglich ein B R (Lücke) G A (Lücke) T (Lücke) A erkennen. "Kommt das aus Deinem Land?"

    Desaströs. Dieser Art war das Ganze in dem Atrium. Hannibal, ganz angespannt, bemühte sich gleichmütig und ruhig zu wirken. Seine Fingernägel gruben sich in die Handballen und er wartete darauf, was Aristides ihm zu sagen hatte. Nur aus den Augenwinkeln erheischte er mal etwas von Faustus. Oh ihr Götter, lass ihn nicht wegen mir hier sein. Doch die Götter wollten mit Hannibal nicht sein, vielleicht lag es daran, dass auch Hannibal die Götter schon vor langer Zeit abgeschrieben hatte. Für einen kurzen Moment schloss Hannibal die Augen als er hörte, weswegen Faustus hier war. Um ihn frei zu kaufen. Hannibal empfand das als einen Schlag ins Gesicht. Ware, um die man feilschte. So empfand der Sklave das. Und er war enttäuscht. Doch es wurde schlimmer. Hannibal öffnete sofort wieder die Augen und sah starr in das Gesicht von Aristides. Düstere Gewitterwolken schienen ihn zu umranken. Hannibal hatte schon die Befürchtung, ein Blitz könnte ihn davon erschlagen. Er hat was gesagt? Hannibal sah jetzt doch zu Faustus. Mit einem fassungslosen Ausdruck in den braunen Augen. Mühsam sog Hannibal die Luft durch seine Nase und kämpfte weiter um seine Beherrschung. Nicht die Regungen zu offenbaren, die ihn wie ein Orkan aufwühlten. Zorn, Wut, Enttäuschung. Er fühlte sich von Faustus hintergangen und an seinen Herrn verraten. Der flavische Sklave löste seine Augen von Faustus und sah zu seinem Herrn.


    Die Frage, sie war aus einem ganz bestimmten Grund gefragt. Hannibal erkannte das sofort. Selbst wenn Hannibal mit sich haderte und immer noch darüber sich nicht schlüssig war, was genau er denn nun für Faustus empfand, so war die Antwort klar, die er geben musste. Hannibal holte Luft und suchte seine Stimme zu beruhigen. Dennoch war ein heiserer Ton in seiner Stimme als er leise meinte. "Nein."


    Doch werter Leser, die Verwirrung ist zu verstehen. Warum musste Hannibal das sagen, egal, was wirklich war? Darum wollen wir doch einen kleinen Rückblick wagen. Zu dem Anfang des ganzes Fiaskos. Es ist schon viele, viele Jahre her und trug sich einst in dem schönen Badeort Baiae zu:
    Der Horizont hatte die Sonne vor einer Hora verschluckt. In all den Häusern brannten die Öllampen. In vielen der vornehmen Villen wurde gespeist, gefeiert und sich der Lustbarkeit hingegeben. Die Hitze des Sommers drückte schwül auf das Städtchen. Dennoch vermochte die sanfte Brise von der Meeresbucht die Hitze zu mildern. Es war in der Villa Flavia. Lange Schatten zogen sich über den Boden und Hannibal lehnte dagegen. Zitternd, die Augen halb geschlossen. Die Tür ging auf und er hörte die Stimme zweier Männer. Sie lachten und klangen angetrunken. Sein Herr, Aristides, war auch dabei. Jung waren sie damals gewesen. Schritte näherten sich ihm, dann fiel ein Lichtschein auf ihn. "Ach, Hannibal, was machst Du...bei den Göttern, bist Du verletzt?" Hannibal sah auf. Immer noch kauerte er neben der Säule. Seine Hände waren blutig rot. Seine Tunika von Blut durchtränkt. "Nein. Sie sind tot!“ Er hörte wie Aristides mit jemand einige Worte wechselte, dann entfernten sich Schritte. "Wer?" "Sie, Romana...und ihr Buhler." "Was...?" Hannibal unterbrach ihn tonlos. "Ich habe sie getötet! Beide."


    ...nicht das einzige Mal, es paßierte zu oft. Darum hatte Hannibal vor vielen Jahren ein Versprechen gegeben. Eines, was er halten mußte. Doch wieder zurück. Tonlos war nun auch die Stimme von Hannibal, etwas heiser: "Nein, das tue ich nicht! " Er sprach das fester aus und sah nicht zu Faustus. Der ihn in diese Situation gebracht hatte.

    Dämmrig und muffig. Derart war es in der Sklavenunterkunft, dort, wo Hannibal in dem Augenblick saß, als der Sklave ihn fand. Hannibal hatte eine kleine Kiste geöffnet und drehte die Gegenstände in seiner Hand. Jene, die er schon seit Jahren darin aufbewahrte. Ab und an wanderte noch etwas neues dazu, nicht oft, aber manchmal. Er drehte eine goldblonde Haarsträhne in seinen Händen. Es war als ob ein Strahl der Sonne herab geblinzelt war und sich wohl dachte, auf der Erde bleiben zu wollen. Denn so hell leuchteten die Haare, die Hannibal in seiner Hand hielt und melancholisch anschaute. Er hob den Kopf als ihn der Sklave ansprach und nickte. Wenn er auch nicht wusste, was so dringend sein konnte um 'sofort' zu seinem Herrn zitiert zu werden. Hannibal erhob sich, legte die Dinge wieder in die Kiste, verschloss sie und stellte sie zurück. Gleichsam er 'sofort' kommen sollte, eilte sich Hannibal nicht sehr. Ruhig ging er durch die Gänge, vorbei an dem Treiben in der Küche. Wo schon die Essensgerüche für die Cena heraus drangen, die hektische Stimme des Kochs das Klappern der Töpfe übertönte und das Wehklagen eines Sklaven, der vom Koch geschlagen wurde. Auch vorbei an der Waschküche, wo Sklavenhände die Kleidung der Herrschaften von den schmutzigen Makeln befreiten. Und schließlich in jene Gänge, die nun schön anzusehen waren. Wo Bilder und Mosaike die Wände und Böden zierten. Dunkle Holztüren in luxuriöse Zimmer einluden. Bis hinein ins Herz des Hauses, dem Atrium.


    Nichts ahnend trat Hannibal in den Raum, der in der Mitte einen leuchtenden hellen Fleck aufwies. Da wo das Tageslicht durch die Öffnung im Dach hinein fiel. Seine Augen streiften die von Lampen umschmeichelten Ahnenmasken der Flavier. Dann erblickte er auch schon seinen Herrn. Der seltsam düster wirkte. Hannibal war etwas erstaunt. Ob etwas schlimmes vorgefallen war? Bei den Flaviern musste man doch immer mit Todesfällen rechnen und sein Herr nahm das stets sehr schwer. Doch der düstere Zug, der ihn schon fast zornig ansah, deutete er auf etwas anderes. Hannibal sah aus den Augenwinkeln eine Bewegung und folgte dieser mit dem Blick. Und erstarrte in seinem Schritt. Hannibal sog die Luft tief durch seine Nase ein, als er Faustus sah. Seine Nasenflügel blähten sich dabei auf und fielen wieder zurück. Was macht er hier? Und langsam begann Hannibal zu ahnen, warum Aristides derart finster aussah. " Herr?", fragte Hannibal und warf Serapio nur noch einen kurzen Seitenblick zu. War da nicht etwas in der Nacht gewesen als sie in der Stadt unterwegs waren? Irgendwas mit Hannibals Freiheit...aber Hannibal hatte das schon wieder vergessen. Es als eine Opium geschwängerte Idee eingeordnet, die genauso flüchtig wie der Rauch des Krautes war.

    Verschwörerisch beugte sich Decius vor und er lächelte vergnügt. "Wetten? Nun, eben Wetten...Du weißt schon, bei Wagenrennen, Gladiatorenkämpfen, Hahnenkämpfe, solche Sachen halt. Ich bin nämlich ins ehrliche Geschäft eingestiegen." Decius nickte kräftig, wobei sich sein Doppelkinn etwas selbstständig machte und in die andere Richtung wackelte. "Ich war früher nämlich mal, wenn Hannibal Dir das noch nicht erzählt hat, ein...hm...wie würde ich das nennen..." Während Decius noch überlegte, warf Fabula mit säuerlicher Miene ein. "Trickbetrüger, sag es doch ruhig, mein Lieber. Und mit welchen Gestalten Du Dich da herum getrieben hast...nichts gegen Dich Hannibal...aber übles Gesock war das. Abschaum der Subura." Fabula nickte energisch und begann auch Fiona und Hannibal Kuchen aufzuschneiden und auf Teller zu legen. Mit einem freundlichen Lächeln schob sie Fiona das noch warme und duftende Stück entgegen.


    Decius schüttelte verärgert den Kopf. "Unsinn, meine Liebe, alles Männer mit einem Ehrenkodex. Mit anderen habe ich nie zusammengearbeitet. Nein." Er sah wieder zu Fiona und begann von dem Kuchen zu essen. "Also...*mampf*...ich...*schluckt* ...bin nun ins Wettgeschäft eingestiegen, die Verdienste da sind doch deutlich einträglicher und...ähm...sagen wir mal sicherer." Ein empörtes Schnauben von seiner Frau ignorierte er. "Und heute ist doch die Endrunde des Rattenbeißens. Ich dachte, ihr seid deswegen gekommen...etwa nicht?" Er sah fragend von Hannibal zu Fiona. Hannibal schüttelte den Kopf und betrachtete den Kuchen. Er mochte Süßigkeiten nicht sonderlich und tat nur der Höflichkeit wegen einen Bißen. "Aber egal...ihr müsst unbedingt mitkommen. Das wird ein Spaß werden und die Quoten stehen recht günstig für mich." Mit einer Handbewegung wischte er jegliche Einwände vom Tisch, noch ehe sie geäußert werden konnten. "Na, Fiona, was sagst Du? Kommst Du auch mit? Eine Glücksnymphe könnte ich noch gut gebrauchen." Oh! Decius' Augen weiteten sich, er hatte sich in seinem Vergnügen verplappert. Besorgt sah er zu seiner Frau auf, die ihn mit tödlichen Blicken strafte.



    Der Ianitor hatte dem kaum etwas entgegen zu setzen. Denn er war zudem noch darüber informiert worden. Also würde er die Tür wohl öffnen müssen. Seine Augen wanderten hinter den Sklaven und machte den Herrn schon ausfindig. Acanthus deutete einen Katzbuckel an. Mehr konnte man von ihm nicht erwarten. Aber dafür war er auch nicht an der Tür. Er war hier, weil er die meisten Schmeißfliegen verjagen konnte und nur die wichtigen Menschen hinein ließ. Macer gehörte zu der letzteren Sorte von Römern. Langsam schwang die Tür auf. "Dann möge der Herr bitte eintreten." Acanthus winkte einen Sklavenjunge heran. "Er wird denn Herrn zum Mahl führen." Was jener auch tat und voran lief. Dabei sah der Sklavenjunge immer mal wieder über seine Schulter, damit er den Besucher nicht verlor und dieser den Weg gar selber suchen musste.

    Leise ächzten die Bohlen des Fussbodens unter Hannibals Füßen, als er Fabula in den düsteren und herunter gekommenen Gang folgte, der doch herrlich mit dem Duft von frisch gebackenem Apfelkuchen gefüllt war. Aber Hannibal machte sich nicht viel aus süßen Speisen. Überhaupt war er eher ein Mensch, der aß, wenn er Hunger hatte und dabei keinen großen Wert darauf legte, ob das zu sich genommene auch kulinarisch deliziös war. Freundlichen Gesichtsausdrucks sah Hannibal zurück und knüpfte an dem Gespräch ihres Weges an. "Dennoch sind sie Sklaven, Fiona. Es gibt viele Sklaven hier in Rom, die genauso leben. Sie arbeiten und essen mit ihren Herrn, denn es sind bei weitem die Wenigsten dazu in der Lage, eigene Sklaventrakte zu stellen. Und Unfreiheit sind immer Ketten, die einen zwingen zu bleiben. Selbst wenn die einen es wollen, die Anderen aber nicht." Aber das war nun mal Realität. Und für Hannibal nie anders gewesen. "Vielleicht wird sich das alles eines Tages mal ändern." Was Hannibal nicht glaubte. Es würde immer die geben, die herrschten und die, die dienen mussten.


    Fabula derweil trat in einen großen Raum, der zwar liebevoll von ihr eingerichtet war, aber dennoch eher von bescheidener Art war. Einige bunte Tonperlen hingen an langen Lederbändern vor den Fenstern. Die Möbel waren aus dunklem und altem Holz, wirkten jedoch wie ein wahlloses Sammelsurium, da sie auch Stück für Stück von Fabula und Titus 'erworben' waren. An einem runden Tisch saß ein rundlicher Mann, mit Halbglatze und einem Doppelkinn, der gierig auf einen runden und dampfenden Apfelkuchen sah. "Sieh' mal, wer sich an die Tür verirrt hat." Fabula trat an den Tisch heran und Titus sah auf. Seine Augen weiteten sich überrascht. "Wenn das nicht Hannibal ist. Aha, zeigst Dich auch mal wieder...aber wer ist denn Deine hübsche Begleiterin!" Titus lächelte sofort als er Fiona sah und erhob sich. Fabulas Augen verengten sich und sie funkelte ihren Mann wütend und eifersüchtig an. "Das ist Fiona. Sie ist mit Hannibal zusammen!" War die Behauptung von Fabula, ein drohender Unterton schwang dabei mit. Titus schluckte und sah nervös zu seiner Frau. "Freut mich, Dich kennen zu lernen, Fiona. Seid ihr wegen den Wetten hier? Kommt, setzt euch, es gibt gleich Kuchen...nicht wahr, Liebchen?" Fabula grummelte leise und holte zwei weitere Tonteller. "Ihr habt Glück, wenn der Kuchen nicht wäre, wäre ich schon längst aufgebrochen. In einer Stunde fängt es an." Erwartungsvoll sah er Hannibal und Fiona an. Fragenden Ausdrucks nahm Hannibal Platz.



    Pünktlich zur Essenszeit wollte sich Acanthus, der Ianitor der Porta Flaviae, erheben, um seinen Gesternbrei für den Abend einzunehmen. Acanthus war in mancher Hinsicht anspruchslos. Er konnte den ganzen Tag an der Tür warten und tat es schon seit Jahren. Aber wenn er einen leeren Magen hatte, wurde er unleidig. Doch ihm wurde ein Strich durch die Rechnung gemacht. Besuch kam und klopfte. Ausgerechnet zur Essenszeit. Ärgerlich zog Acanthus seine Augenbrauen zusammen. Da war etwas! Es fiel dem Ianitor wieder ein, auch die Flavier pflegten pünktlich ihr Essen einzunehmen. Der Ianitor trat zur Porta und öffnete diese. Sein grimmiger Blick, der vielleicht eine Nuance grimmiger als sonst war, fiel auf den Laufburschen. "Ja?"

    Es war nicht das erste Mal, dass ihn jemand zur Flucht überreden wollte. In der Villa in Baiae waren immer wieder Sklaven gewesen, die, ähnlich wie Cassim, schon die Freiheit gekostet hatten. Und vielen erging es so wie Cassim. Sie hatten den Drang, dort zurück zu kehren, wo sie wieder frei sein konnten. Ihr altes Leben fortführen. Bisher hatte das Hannibal jedoch kalt gelassen. Er war ein flavischer Sklave in der siebten Generation und bisher immer treu gewesen. Flucht? Wohin? Weder die Kelten, noch die Germanen hätten Hannibal überzeugen können mitzukommen. Auch nicht die Nubier, die wieder in den Süden der afrikanischen Provinzen zurück kehren wollten. Doch hier? Hier war es mit einem Mal anders. Natürlich lagen die üblichen Worte auf Hannibals Lippen. Eine Absage und ernüchternde Worte über eine Flucht. Wie viele Sklaven hatte er in Baiae am Kreuz enden sehen ihres Traumes wegen? Es waren zu viele gewesen. Gerade im Süden wurde keine Gnade gezeigt bei soetwas. " Ich..." Hannibal sprach ein Wort und verstummt. Er sah von dem Parther weg und auf eine flackernde Öllampe, die die Dunkelheit des Abends durchbrach. "Italia ist meine Heimat! Es ist nicht nur die Sklaverei, Cassim, die mich hier hält." Schatten wanderten über Hannibals Gesicht. " Es gibt ein paar Menschen hier in Italia, die mir viel bedeuten." Nadia, die er immer noch nicht aufgegeben hatte, dann Faustus, der ihm doch so überschwänglich seine Liebe gestanden hatte, aber auch die kleine Dido, die er unmöglich alleine zurück lassen würde. "Ich habe eine Tochter. Sie ist auch Sklavin bei den Flaviern, wie alle Kinder von uns flavischen Sklaven. Ich könnte sie nicht zurück lassen."


    Mit einem Mädchen zu fliehen, würde sich noch schwieriger gestalten. Mit Dido auf jeden Fall, die fanatisch den Flaviern diente und wohl nicht so einfach mitkommen und wahrscheinlich sogar ihre Flucht sabotieren würde. Moment mal, Hannibal ertappte sich selber schon dabei, tatsächlich ernsthaft über eine Flucht nachzudenken. Denn ganz unmöglich war so eine nicht, das wusste er. Es war einem Sklaven in der Vergangenheit von Hannibal auch gelungen. Es brauchte nur die richtigen Verbindungen und eine gute Organisation, zudem eine Portion Glück. Hannibal rieb sich die Knöchel seiner Hand und runzelte nachdenklich die Stirn. Drei Bande hielten Hannibal noch hier, die er noch nicht lösen konnte. " Du hast eine sehr überzeugende Art, Cassim." Hannibal grinste schief, was jedoch sofort wieder schwand und einem ernsten Ausdruck Platz machte. " Ich...ich muss darüber nachdenken. Parthia soll sehr schön sein, aber Italia ist meine Heimat, ich müsste viel aufgeben. Ich denke darüber nach und Du erholst Dich besser jetzt erstmal, so wirst Du sicherlich nicht fliehen können." Hannibal lächelte matt und erhob sich. Der Keim war jedoch in ihm gepflanzt. Zum ersten Mal in seinem Leben. "Wenn Du etwas brauchst, dann rufe die Sklavin von vorhin. Sie soll sich darum kümmern dann, so lange Du noch verletzt bist." Hannibal nickte Cassim zu und drehte sich um, doch noch ehe er die Sklavenunterkunft verliess, warf er noch mal einen nachdenklichen Blick auf Cassim. Eine Flucht? Weg von Italia und Rom? Einen Neuanfang wagen? Grübelnd wandte sich Hannibal um und ging.

    Gestehen wir es uns ein, werter Leser, Hannibal war im Grund seines Herzen doch zu sehr humorlos, ein wenig zu ernst und nicht immer für ein Späßchen zu haben. Auch hier und jetzt am Tiber war es ähnlich. Vielleicht auch, weil er einfach nicht genug auf der Feierlichkeit geraucht hatte. Das Lachen von Faustus blieb unbeantwortet. Hannibal sah den jungen Mann an und schaffte nur ein leichtes Lächeln zustande zu bringen. Ihm kroch die Kälte unter die Kleidung. Mit einem ärgerlichen Blick auf den davon schwimmenden Baumstamm zupfte er sich die Entengrütze aus dem Haar. Hannibal gab nur einen unbestimmten Laut von sich und sah in die Dunkelheit hinüber. Es war jedoch von der Strasse her ruhig, langsam schien sich auch die Stadt in einen Schlaf zurück zu ziehen. Selbst in den Gegenden, wo nachts am meisten Leben herrschte. Aber Hannibal wusste, wie sehr das täuschen konnte. Aber in ihrem jetzigen Aufzug würden sie bestimmt kein lohnendes Ziel für Mordgesindel sein. Immer noch dröhnte ihm der Kopf und der Boden schwankte unter seinen Füssen. "Ja, gehen wir!", murmelte Hannibal. Bis nach Hause? Bis zur Villa Flavia? "Du brauchst mich nicht so weit zu bringen." Denn er wollte nicht unbedingt, dass einer der Sklaven sie vielleicht sah und verpfiff.


    Ehe sich Hannibal versah, standen sie jedoch bereits im Villenviertel. Vielleicht lag es daran, dass seine Gedanken zusehends von einem grauen Teppich umhüllt wurden. Ab und an glomm es dunkel vor seinen Augen. Der Schlag auf dem Kopf schien doch nicht ohne gewesen zu sein. Hannibal blieb stehen und lehnte sich gegen die Mauer des flavischen Anwesens. Die Spitzen auf der Mauer zeichneten sich wie schwarze Pila gegen den Himmel ab. Wolken hatten das Firmament bedeckt. Eine Katze fauchte in der Ferne und schien sich mit einer Anderen zu streiten. Im Stall hinter der Mauer wieherte leise ein Pferd auf. Irgendwo hörte Hannibal auch Schritte im Garten der Villa Flavia. Es schienen wohl doch nicht alle zu schlafen. Ja dann...Hannibal, der für einen Augenblick lang die Augen geschlossen hatte ohne es zu merken, öffnete sie wieder und sah Faustus blinzelnd an. " Dann.", erwiderte er und lächelte schief. " Faustus, schöner Faustus!" Hannibal beugte sich nach vorne und griff nach dem Gürtel von Faustus, um diesen etwas näher an sich heran zu ziehen. Hannibal schlang einen Arm um die Taille von Faustus und küßte ihn, drückte ihn dabei fest gegen die Mauer. Erst viele verpasste Atemzüge später löste sich Hannibal von ihm. " Bis bald, schöner Faustus!" Hannibal zwinkerte Faustus zu und trat auf ein kleines Seitentörchen zu, das er mit einem Schlüssel öffnete. Das Metall quietschte leise als er das Törchen öffnete und hindurch trat. Dann verschluckte ihn die Dunkelheit des Gartens. Nur das Rasseln von einem Schlüssel war noch zu hören und anschließend das Knistern von Blättern. Ehe auch das verstummte.

    Irgendwo über ihnen klapperten hölzerne Fensterläden und nur einige Schritte neben ihnen wurde ein Nachttopf vom obersten Geschoss auf die Straße entleert. Hannibal machte einige Schritte zur Seite und betrachtete nachdenklich das Gesicht der Keltin. Er nickte langsam. "Natürlich verstehe ich das. Du hast auch jedes Recht so zu empfinden. Die Römer sind im Krieg natürlich kein freundlicher Feind, der die Feinde verschont. Aber ich kenne kein Volk, das keine Sklaven nimmt, wo es in Krieg und Besatzung durch zieht!" Aber nur zu Demonstrationszwecken, wie gut es ihnen im Grunde in der Villa ging, hatte Hannibal Fiona nicht in die Subura geführt. Ein Viertel, was er verachtete. Aber gleichzeitig auch mochte. Einige Freunde hatte er hier, die in dem Stadtviertel lebten und arbeiteten. Und er mochte sie immer noch. Mit all ihren Eigenheiten und Fehlern. "Aber Du hast Recht, Fiona. Und ich wünsche Dir, dass Du eines Tages wieder in Deine Heimat zurück kehren kannst." Was Hannibal auch meinte. Er mochte die Keltin jetzt schon. Sie hatte etwas ehrliches und auch mutiges an sich, was ihm gefiel. Einen weiten Bogen um den Abfall machend, ging Hannibal langsam weiter und bis zu einem herunter gekommenen Haus in der Subura.


    Aber, werter Leser, wahrscheinlich ist dem einen oder anderen jenes Haus noch durchaus bekannt. Wir möchten die kurze Beschreibung von vor längerer Zeit in Erinnerung rufen:
    Die schwarzen und leeren Fensterhöhlen der heruntergekommenen Insula, mitten in der Subura, starrten jeden vorbeikommenden Passanten wie mit finsteren Augen an. Gedrungen und geduckt wirkte das baufällige Gebäude wie eine Raubkatze. Doch die Blumentöpfe auf einem der oberen Fensterbretter durchbrach diese bedrohliche Stimmung wieder. Auch die buntgefärbten Gewänder, die daneben leicht im lauen Wind flatterten und von der Sonne langsam getrocknet wurden, verrieten die Insula nicht als ein kleines Verbrecherhauptquartier. Doch das war es! Hier traf sich so manch eine zwielichtige Gestalt, Hochstapler, Mörder und Halunke. Um genau zu sein, eigentlich trafen sich hier nur eine kleine Gruppe, die schon den ein oder anderen Clou zusammen getätigt hatten, den ein oder anderen Römer hereingelegt oder die Freiheiten des Gesetzes sehr stark gebogen und oftmals gebrochen hatten.


    Damals Hauptquartier einer kleinen Verbrechergruppe und Ausgangspunkt von einigen Streifzügen, schien das Haus heute doch freundlicher zu sein. Irgendjemand hatte sich erbarmt, die Fassade mit roter Farbe anzumalen. Mehr schlecht, als Recht, und noch mehr Blumen hängen in den Fensterlöchern und nahmen ein wenig von der sonst bedrohlichen Ausstrahlung des Hauses. Die guten, alten Zeiten dieses Hauses schienen ein wenig vorbei zu sein. "Ein Freund von mir wohnt hier!", erklärte Hannibal und trat zu der hölzernen Tür. Er klopfte drei Mal kräftig, einmal kurz und dann sachte. Schritte erklangen und die Tür wurde aufgemacht. Eine wohlbeleibte Frau mit einem Tuch auf dem Kopf sah zu Hannibal und Fiona. "Verschwindet, Pack...! Hier wird sowas nicht mehr getrieben...neein, was sehen meine alten Augen! Hannibal! Dich gibt es ja noch! Junge, Du bist noch dürrer geworden als früher!" Sie pickste mit ihrem Finger in Hannibals Schulter und lächelte breit. Dann sah sie zu Fiona. "Salve, junge Frau. Ich bin Fabula. Wie ist denn Dein Name, Kindchen? Aber kommt, tretet ein, tretet ein. Ich habe gerade einen Kuchen gebacken. Apfelkuchen!" Hannibal lächelte leicht und trat in den herunter gekommenen Gang hinein, der vom Geruch nach gebackenem Apfel durchströmt war. "Ist Decius zuhause?" "Sicher, Hannibal, sicher! Ist das Deine Freundin? Ehefrau? Schön ist sie, Hannibal, da hast Du ja endlich mal eine gute Partie gemacht!" Sie lächelte auch Fiona zu. "Auf den musst Du aber aufpassen, Liebchen. Der ist nicht gerade einer der guten Jungs! Jaja...treibt sich zuviel rum und dreht wohl immer noch zu viele krumme Dinger! Tsts! Aber kommt doch!" Leise vor sich hin glucksend marschierte Fabula voran. Hannibal beugte sich zu Fiona. "Entschuldige bitte, Fabula ist immer ein wenig eigen!"

    Lebst Du noch? Irgendwo aus der Ferne vernahm Hannibal die Frage, der noch übel mit dem elenden Stamm zu kämpfen hatte. Im Schwung war Hannibal mit dem Baum in das Wasser gerollt und unter ihm begraben worden. Das Holz stieß gegen seinen Kopf und hinterließ einen brennenden Schmerz. Im nächsten Augenblick verschluckten ihn die Fluten des Tibers. Willig, stinkend und dreckig. Mühsam konnte Hannibal den Stamm von sich weg schieben und tauchte wieder auf, heftig hustend und mit Sternen vor den Augen. Schlamm im Haar, brackiges Wasser unter sich, über sich und auch im Gesicht blinzelte Hannibal hoch in die Dunkelheit, die sich ihm recht verschwommen zeigte. Etwas Dickes und Glitschiges glitt an seiner Hand vorbei. Wohl einer jener fetten Tiberfische, die angeblich an der Cloaca besonders prächtig gediehen. Mit einem unterdrückten Stöhnen auf den Lippen ergriff er die Hand und ließ sich hoch helfen.


    Erneut meldete sich der brennende Schmerz an seinem Kopf und Hannibal hatte das Gefühl, dass der Boden ihm entfliehen wollte. Einen Augenblick hielt er sich mit einer Hand an der Schulter von Faustus fest und murmelte leise ein: "Oh!" Dieses Mal mit einer ganz anderen Betonung. Hannibal brauchte drei Atemzüge bis das Schwanken unter seinen Beinen aufhörte. Eine Berührung seiner Fingerspitzen an der Schläfe zeigte ihm eine rote Blutspur an seinen Fingern. "Hm!" Hannibal ließ die Hand auch nicht von der Schulter von Faustus sinken als er sich wieder standsicherer fühlte. "Danke." Ein schiefes Grinsen huschte über Hannibals Gesicht und er schüttelte mit Blick auf den Tiber kurz den Kopf. "Alles in Ordnung bei Dir?", fragte Hannibal und musterte Faustus. Bestimmt gab er selber, also Hannibal, ein genauso lausiges Bild ab. Wie ein vom Dreck übergossener Pudel sah Hannibal bestimmt aus. Die Kälte der Nacht kroch bereits klamm unter seine nassen Kleider. Der schlammige Geruch stieg ihm unangenehm in die Nase, zudem brummte ihm der Schädel. "Ich glaube, dem Tiber haben wir heute genug geopfert." Was für ein Pech aber auch. Hannibal sah in Richtung der Lichter in der Stadt und deutete mit dem Kinn darauf. "Sollen wir zurück kehren?"



    "Ja." Es bedurfte einen längeren Augenblick und Blick in das Gesicht des Besuchers, indem Arcanthus sah, dass jener wohl mit dieser einfachen Antwort nicht aufgeklärt war. Dabei hätte Acanthus am Liebsten schon wieder die Tür zu geworfen. "Er verweilt in Hispania.", fügte Acanthus darum an und hoffte, damit einen weiteren Plagegeist an der Tür los geworden zu sein. Wie doch im Grunde alle Besucher solche nervigen Ärgernisse waren, die die Ruhe und den Frieden hier störten. Abweisend starrte Acanthus den Mann an. Nur die eindringlichen Worte der Herrschaften, die Acanthus zu 'Höflichkeit' anhielten, verhinderten, dass Acanthus die Tür jetzt zu schlug.

    Ein Ast knackte leise unter den Füßen von Hannibal als dieser sein Gewicht verlagerte und noch mal in die Richtung der Herrschaften sah. Ein kleiner Ausflug konnte sicherlich nicht schaden. Die beiden Patrizier würden bestimmt noch die nächsten beiden Stunden herum turteln und sein Herr sich ausgiebig mit all den Speisen beschäftigen. "Sehr schön!" Mephistophelisch blitzte es noch einmal in den Augen des Sklaven ehe er auf einen Pfad deutete. "Dann komm, schöne Keltin, lass' uns die Stadt ein wenig unsicher machen!" Hannibal schob sich an einigem Gebüsch vorbei, die Zweige erzitterten und er erklomm den Pfad hinab. Hinab in Richtung der lebendigen und pulsierenden Stadt.

    Weit, weit Weg von den Märkten führte Hannibal die rothaarige Keltin und Sklavin des claudischen Haushaltes. Zielstrebig hatte er auf eine Straße zugehalten und war durch das Viertel vom Aventin geschlendert. Eine Zeit lang hatte man den Tiber sehen können, der sich zwischen Insulae und verwinkelten Gassenlabyrinthen hindurch schlängelte. Doch die wirklich tiefen Anteile des Aventin, wo es durchaus schon schlimm zugehen konnte, die hatte Hannibal gemieden. Denn im Aventin hatte er immer noch den ein oder anderen Kontrahenten, dem er zufällig auf der Straße begegnen konnte. Und darauf war Hannibal an jenem Tag nicht sonderlich aus. An schönen Stadthäusern und noch hübschen Gartenanlagen lief Hannibal vorbei. Und auf der Höhe noch mit einem Ausblick auf die vielen Dächer. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Das Gesicht entspannt und mit einem freundlichen Ausdruck belegt. "Rom ist schön und prächtig." , meinte Hannibal mit einem Seitenblick zu Fiona. Nachdenklich betrachtete Hannibal die Sklavin. Wahrscheinlich hatte sie bisher nur die Villen gesehen, in denen Epicharis verkehrte. Dann noch die Märkte, in denen die Waren wie aus einem Füllhorn des Reichtums hervor quollen. Aber Rom kennen gelernt, das hatte die Sklavin bestimmt noch nicht. Eigentlich die Tempel im Sinne, änderte Hannibal seinen Plan. Schlendernd, aber erneut zielstrebig, hielt er auf das Kolosseum zu.


    Dem flavischen Theater, das zwischen einigen anderen Bauten hervor ragte, warf Hannibal nur einen schnellen Blick zu und strebte in der Straße weiter. Auf ein Viertel zu, in dem Hannibal lange gelebt hat. Ein Viertel, was eine Zeit lang einen wichtigen Schatz beherbergte und in dem er diesen auch verlor. Sein Gesicht wurde etwas verschlossener als er die ersten Bauten sah, die ihm doch so sehr bekannt waren. Eine große Hauptstraße schritt Hannibal entlang ehe er mit Fiona sich in eine Seitengasse schlug. Und es war als ob die Nacht auf den Tag folgte, Schatten dem Licht, denn der Prunk und die edlen Häuser waren hier nicht mehr zu sehen. Eng gebaute Insulae, schmutzige Straßen, die Gerüche von Müll, Fäkalien und Mensch und Tier stiegen in die Nase, zudem von den zahlreichen Handwerkerwerkstätten, die es auch hier gab, vom Gerber in Tiberrichtung bis zum Färber mit den riesigen und intensiv riechenden Bottichen, in denen sie die Tücher tauchten. Einige Hühner flatterten auf, eine Ratte wurde von einem Mahl verscheucht und sie huschte in eine Lücke zwischen den Mauern.


    Hannibal sah an einer Insulae hinauf. "Rom ist nicht überall schön. Komm'. Hier im Viertel sollte man nicht zu lange verweilen. Das ist die Subura." Ein Viertel, was für die Betuchten schön verrucht war. In dem sie sich manchmal schlichen, um sich zu vergnügen. Aber es war nun mal auch ein Viertel, was für viele Menschen bittere Realität war. Wie am Aventin in den Elendsvierteln. Die Augen einer rundlichen Frau in einer einfachen, knie langen Tunika verfolgte die Beiden. Ein mageres Kind lehnte gegen eine schmutzig graue Wand und kaute auf einem Zweig herum. Einige Männer, die aussahen als ob sie die harte Arbeit gewöhnt waren, schritten an Hannibal vorbei. Ohne ihn zu beachten. In einer Nebenstraße lag ein Mann, von dem der Dunst des Weines säuerlich bis zu Hannibal zu riechen war. "Rom ist nicht überall schön!" , wiederholte Hannibal. "Die meisten Römer leben schlimmer als wir es tun." Zynisch hob sich ein Mundwinkel von Hannibal. Er beneidete nicht den im Suff liegenden Mann, aber viele hier um die Möglichkeit zu Wählen, gleichwohl ihre Wahl auch begrenzt war. "Dafür umso lebendiger als manch eine Villa in Rom."