Beiträge von Lucius Aelius Claudianus Marcellus

    Langsam erhob sich Marcellus aus seinem Stuhl und lächelte den Präfekten freundlich an.


    "Gut. Ich werde ihn rechtzeitig informieren. Von meiner Seite aus gibt es auch nichts mehr zu besprechen. Ich danke dir und wünsche noch einen angenehmen Tag."


    Mit diesen Worten nickte der Iuridiculus dem Statthalter zu und zog sich wieder zurück.

    Marcellus hatte selbstverständlich mitgehört und als sein Sekretär sich fragend zu ihm umdrehte, gab er mit einer kurzen Handgeste zu verstehen, dass der Scriba Provincialis eintreten durfte. Während der Sekretär die Türe weiter auf machte und mit einer einladenden Handbewegung in den Raum deutete schob der Aelier seine Unterlagen beiseite und wartete auf den in bisher nicht bekannten Scriba. Selbstverständlich grüßte Marcellus den untergeordneten Beamten nicht zuerst, sondern wartete ab, dass dieser den weit über ihn stehenden Iuridiculus grüßte.

    Mehr oder weniger war Marcellus ja als Neffe des zukünftigen Kaisers in gewissen Maßen die Verkörperung Roms in Alexandria. Zumindest mehr wie die meisten anderen in dieser Provinz lebenden Römer – ausgenommen des Präfekten. Er nahm es jedoch zur Kenntnis ohne darauf einzugehen und nickte nur.


    "Gut, dann weiß ich nun Bescheid. Wenn das alles ist….?"

    Der Ianitor öffnete die Türe und musterte die Sklavin von oben bis unten. Sie war zwar gut gekleidet, aber dennoch konnte ein Sklave einen anderen Sklaven ziemlich eindeutig erkennen. Er selbst war mehr oder weniger schon Hausinventar und wurde von Iuridiculus zu Iuridiculus weitergegeben, so wie die meisten Haussklaven die in diesem Domus lebten. Daher kannte er das Mädchen und ihre Verbindung zum neuen Hausherrn nicht und trat dementsprechend forsch auf.


    "Ja? Du wünscht?"

    Familiäre Gründe also – das war eine Erklärung für diese plötzliche Reise nach Aegyptus. Marcellus war jedenfalls erfreut die junge Tiberierin wieder sehen zu können. Sie hatte bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen und aufgrund seiner Versetzung nach Aegyptus hatte er nicht so schnell mit einem Wiedersehen gerechnet. Er nickte der Sklavin daher zu und schloss den Vorhang. Er hatte gesagt was zu sagen war und sie wusste nun was sie zu tun hatte. Die Sänfte setzte sich wieder in Bewegung und Marcellus lehnte sich entspannt zurück.

    Also war sie wirklich die, für die Marcellus sie gehalten hatte. Im ersten Moment war er etwas verwirrt und wunderte sich, warum Sabina bei ihrem Treffen nichts über ihre Pläne nach Alexandria zu reisen gesagt hatte, doch gleich darauf wurde er wieder von der Sklavin angesprochen und antwortete ohne langes Zögern.


    "Natürlich! Richte ihr bitte aus das ich mich freuen würde sie wieder zu sehen. Ich wohne im Königsviertel. Es wäre erfreulich wenn sie mir eine Nachricht zukommen lassen könnte, wenn sie ebenfalls ein Treffen wünscht."

    Marcellus bereitete gerade mit seinem privaten Sekretär die Route seiner bevorstehenden Inspektionsreise vor. Der Scriba hatte in einige Vorschläge unterbreitet und der Iuridiculus hatte nun die Möglichkeit besondere Wünsche zu äußern. Als die beiden durch ein klopfen an der Türe unterbrochen wurden, sah Marcellus verärgert auf. Er mochte es nicht sonderlich mitten in einer Besprechung unterbrochen zu werden. Der Scriba eilte sofort zur Türe um sie zu öffnen.

    Eine eigene Eskorte war bestimmt nicht das schlechteste und Marcellus nahm diese Idee mit wohlwollen auf. Der Präfekt konnte sich bestimmt nicht leisten den Neffen des zukünftigen Kaisers in seiner Provinz zu verlieren.


    "Ich danke dir Praefectus! Dann werde ich wohl die Reise mit dem Schiff antreten. Vielleicht lässt sich da eine Übereinkunft mit der Classis treffen, die mir eines ihrer Flussschiffe zu Verfügung stellen könnte. Hast du irgendwelche besonderen Aufträge für mich oder kann ich die Inspektionsreise ganz nach meinem Gutdünken planen?"

    "Ja! Wir werden in den nächsten Tagen verreisen. Eine Schiffsfahrt entlang des Nils in Richtung Landeinwärts. Ich möchte das du alle Vorbereitungen triffst, die mir eine solche Reise so angenehm wie möglich gestaltet. Die Haussklaven sollen sich in der Zwischenzeit um den Domus kümmern. Ich erwarte das bei unserer Rückkehr alles fertig ist. Die Reise wird bestimmt einige Wochen in Anspruch nehmen. Lass also alles sorgfältig packen."

    Ob es Marcellus wirklich interessierte, was das einheimische Volk von Aegyptus dachte und welche Sorgen sie plagten war fraglich. Jedoch sah er es als Möglichkeit neue und vielleicht viel versprechende Kontakte in dieser Provinz zu knüpfen.


    "Eine Inspektionsreise – selbstverständlich. Ich natürlich verstehen, dass du in der jetzigen Lage hier unabkömmlich bist und werde die Reise also als alleiniger Vertreter Roms antreten. Ich würde dich jedoch darum bitten mich über Neuigkeiten aus Rom schnellstmöglich zu unterrichten. Du weißt natürlich das mir sehr daran liegt zu erfahren, was sich um den neuen Imperator, meinem Onkel, tut. Sofern die Vorbereitungen rasch durchführbar sind, werde ich die Reise in den nächsten Tagen angehen."

    Als die Sklavin direkt vor der Sänfte stand, schob Marcellus den Vorhang beiseite und betrachtete sie aus nächster Nähe. Ja, dass war eindeutig die Sklavin von Tiberia Sabina. Aber das war doch nicht möglich. Hatte die junge Patrizierin die Sklavin verkauft oder war sie vielleicht sogar selbst in Alexandria? Sollte das der Fall sein, dann fragte er sich, warum sie sich nicht bei ihm gemeldet hatte. Sie wusste doch, dass er hier in Alexandria wohnte. Ernst sah er die Sklavin an.


    "Bist du nicht die Sklavin von Tiberia Sabina?"

    Auf den Märkten war einiges los und die Sänfte des Iuridiculus tat sich schwer, bei diesem Menschenandrang vorwärts zu kommen. Marcellus, der schon leicht genervt immer wieder durch den dünnen Spalt zwischen den Vorhängen durchsah, ärgerte sich bereits maßlos über die Sänftenträger, die diesen Weg gewählt hatten. Wie konnte man in Alexandria nur über die Märkte laufen – und das zu den Marktzeiten! Irgendwann resignierte der Aelier und lehnte sich wieder zurück. Sein Blick ließ er weiter über das bunte Markttreiben schweifen, bis er schließlich vor einem der Stände auf ein ihm bekanntes Gesicht traf.


    "Halt!"


    Er setzte sich wieder auf und die Sänfte hielt an. Einer der Sklaven eilte sofort herbei um nachzusehen, was los war und warum sein Herr halten ließ. Marcellus befahl ihm, dass er dieses Mädchen dort herbringend sollte und deutete mit dem Finger auf Sahed. Der Sklave tat wie ihm geheißen und lief sofort los um das Mädchen zu holen.

    Marcellus musterte seine Sklavin als sie vor ihm trat. Die neue Umgebung tat ihr anscheinend gut, zumindest hatte er den Eindruck, dass sie seit ihrer Ankunft in Alexandria etwas aufgeblüht war. Ein Glück für sie, da er bereits auf der Überfahrt nach Alexandria mit dem Gedanken gespielt hatte, sie hier am örtlichen Sklavenmarkt wieder gewinnbringend zu verkaufen. Doch hier im neuen Domus des Aeliers konnte Lysandra nun unter Beweis stellen, dass sie doch zu etwas mehr zu gebrauchen war, als nur ein hübsches Gesicht neben ihrem Herrn zu sein. Marcellus fuhr sie schroff an


    "Wie gehen die Arbeiten hier im Domus voran? Wurden die Räume bereits so eingerichtet wie es meinen Vorstellungen entspricht? Sind die Arbeiten im zweiten Stock endlich beendet? Es kann doch nicht ewig dauern ein neues Mosaik legen zu lassen!"

    Die letzte Frage des Präfekten überraschte den Aelier und ein lächeln trat ihn sein Gesicht. Das war tatsächlich eine hervorragende Idee, über die Marcellus bereits das eine oder andere Mal nachgedacht hatte.


    "Eine Reise in den Süden? Ja, ich denke das würde mich durchaus interessieren. Ich habe bereits einige Geschichten gehört, dass sogar schon Königin Cleopatra die Vorzüge einer Schiffsreise entlang des Nils des Öfteren als willkommene Abwechslung genossen hat. Sollte es also die Möglichkeit geben den Nil Flusseinwerts zu befahren, wäre ich selbstverständlich hoch erfreut dabei sein zu dürfen."

    Marcellus zog es vor bei dieser Gelegenheit nicht zu erwähnen, dass er bereits einen Strategos Alexandrinos bei sich zu Gast und diesem eher das Gegenteil von Fingerspitzengefühl vermittelt hatte. Soweit er jedoch erfahren hatte, war dieser nach den letzten Wahlen nicht mehr im Amt und daher konnte er es mit dem nächsten Strategen gleich von vorn herein so angehen, wie es der Präfekt wünschte – mit Fingerspitzengefühl. Er wusste natürlich auch über die Unabhängigkeit der Stadt Alexandria und ihrer eigenen kleinen Regierung, verstand aber nie wirklich, dass dies von einem so großen Imperium wie dem römischen Reich geduldet wurde. Doch daran war im Moment nichts zu ändern und daher musste er sich fügen.


    "Ich verstehe. Gibt es irgendetwas, worauf ich besonderes Augenmerk legen soll oder wo du dir meine Mitarbeit erwartest?"

    Marcellus merkte, dass sich sein Körper noch nicht ganz an das heiße und trockene Klima dieser Provinz gewöhnt hatte. Er war daher immer außerordentlich froh nach einem arbeitsreichen Tag in die kühlen und meist abgedunkelten Räume seines Domus zurück zu kehren. Soweit es möglich war, hatte er auch damit begonnen langwierige Schreibarbeiten in seinem privaten Officium hier im Haus zu erledigen. Heute hatte er jedoch den ganzen Tag in der Regia verbracht und war dementsprechend müde und auch ein wenig schlecht gelaunt, als er das Atrium betrat.


    "Lysandra! ............. Lysandra!"

    "Ich habe den Cursus Iuris abgelegt und bereits ein wenig praktische Erfahrung vor Gericht gesammelt. Auch in den provinzeigenen Gesetzen habe ich mich bereits etwas eingelesen. Soweit es mein Wissen und meine Erfahrung erlaubt, werde ich dir also in allen juristischen Fragen zur Seite stehen können.


    Wie sieht es mit der Sicherheit und der Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb der Provinz aus? Im Codex Universalis konnte ich leider lediglich unter der Lex Provincialis einen kurzen Vermerk über das Amt des Iuridiculus in den Provinzverwaltung finden. Dort steht geschrieben, dass er als Vorgesetzter der Regionarii agiert. Verhält sich dies in Aegyptus bei den Strategen ebenfalls so? Leider geht die Lex Aegypti nicht darauf ein."

    "Ich nehme an du wirst dann für die nächst höhere Ämterstufe kandidieren. Daher sollte ich das Gespräch mit deinem Nachfolger fortsetzen. Sollte es nicht so sein und du ein weiteres Mal Strategos werden, dann komme ich erneut auf dich zu. Vorerst danke ich dir jedenfalls, dass du dir heute Zeit genommen hast."


    Damit war die Unterredung von Seiten des Iuridiculus beendet. Er wartete nun, bis der Besucher sich erhob und verabschiedete.

    "Das höre ich gern, wie du dir bestimmt vorstellen kannst."


    Damit war das Thema für Marcellus auch schon abgetan. Er wollte sich nur kurz nach Neuigkeiten erkunden, die ihm selbst bisher noch nicht bekannt waren. Der Grund seines Kommens war jedoch ein ganz anderer und daher nahm die Einladung des Präfekten selbstverständlich an und setzte sich auf den angebotenen Stuhl.


    "Ich würde gern das Gespräch betreffend meines neuen Amtes fortsetzten. Es gibt da bestimmt einige offene Fragen, die wir beide klären sollten. Angefangen bei meinen Aufgaben, Befugnissen und Pflichten als Iuridiculus von Alexandria und Aegyptus."