Beiträge von Lucius Aelius Claudianus Marcellus

    Der Sklave öffnete die Türe und ließ Marcellus den Vortritt, der den Raum betrat und anschließend wieder wartete, bis sein Sklave nachgekommen war und seinen Herren dem Magister Domus Augusti vorstellen konnte. Mit einer tiefen Verneigung grüßte der Sklave den Magister, während Marcellus nur aufrecht da stand und sein Gegenüber arrogant ansah. Anscheinend war auch er einer dieser Plebejer, über die er sich eben noch Gedanken gemacht hatte.


    „Salve! Mein Herr, der edle Patrizier Lucius Claudius Marcellus wünscht die Kaiserin zu sprechen!“

    Als das richtige Büro gefunden war, klopfte der Leibsklave des Patriziers an der Türe und wartete gespannt auf eine Reaktion aus dem Inneren des Raumes. Sein Herr sah sich in der Zwischenzeit wieder anteilslos im Palast um und sinnierte darüber nach, dass es angeblich keinen einzigen Posten im Palast gab, der nur für Patrizier vorgesehen war. Angeblich umgab sich der Kaiser nur mit Plebejern! Eigentlich eine Schande – sowohl für die Patrizier, als auch für den Kaiser, der selbst einem Adelsgeschlecht abstammte. Es waren wirklich nicht gerade die besten Zeiten für den Adel – ob der Kaiser oder der Senat daran die Schuld trug, war nicht so eindeutig zu sagen, aber es war wahrlich eine Schande!

    Der Sklave nickte der Wache dankend zu und wartete dann auf seinen Herrn, der bestimmt jedes Wort mitgehört hatte…. Auch wenn er einen anderen Eindruck vermittelte. Als die Palastwachen den Weg frei gaben, schritt Marcellus, diese völlig ignorierend und erhobenen Hauptes in das Palastinnere, stets gefolgt von seinem Leibsklaven, der sich sofort darum bemühte, den richtigen Weg zum Officium des Magister Domus Augusti zu finden.

    Verständnislos schüttelte der Patrizier den Kopf. Und einem solchen Weib sollte er Respekt entgegen bringen? Warum wunderte er sich eigentlich noch über den Lebenswandel seiner Familienmitglieder? Patrizier zu sein oder sogar, wie in seinem Fall, einer kaiserlichen Familie zu entstammen, schien heut zu Tage ohnehin nichts mehr Wert zu sein. Was bot das heutige System einen Patrizier noch? Mit Steuerfreiheit und einer Hand voll, nur für Patrizier zugelassenen Rängen im Cultus Deorum speiste man sie ab und hoffte, sie würden den Mund halten. Und das kam nun dabei raus! Hier konnte Marcellus sehen, welches Ansehen ein Mitglied einer Gentes Maiores in Roma noch genoss.


    „Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen Rector! Einen schönen Tag noch!“


    Während er sich umdrehte deutete er den Sklaven die Türe zu öffnen und verließ erhobenen Hauptes das Officium.

    War diese Frau von allen guten Geistern verlassen? Was glaubte sie eigentlich? Vor gut vierzig Jahren war es ein Claudier der noch auf dem Thron saß! Auch wenn er gerade diesen, nicht unbedingt als bestes Beispiel hernehmen wollte. Nero hatte den Claudiern sehr viel an Ruhm und Macht gekostet. Aber wie dem auch war, damals hätte sie ihren Kopf verloren, wenn sie so mit einem Claudier gesprochen hätte. Marcellus blickte sie arrogant an.


    „Meinen Respekt muss man sich erst verdienen werter Rector! Man bekommt ihn nicht wegen seines Titels. Und was ihr für mich tun könnt, dass habt ihr mir ja bereits gesagt. So wie es aussieht… nichts! Außer ein gesonderter Platz im nächsten Cursus.“

    Verwundert sah Marcellus seinem Neffen Vitulus nach, als dieser sich auf die Kline legte. Mehr als ein `Salve, schön euch zu sehen´ hatte er nicht zu sagen? Hatte er seinen Onkel übersehen? Er war locker um die zwanzig Jahre nicht mehr in Roma gewesen und dies war dann nun die Begrüßung und freundliche Aufnahme durch den Pater Gentis? Leicht irritiert versuchte er die passenden Worte zu finden.


    “Ich danke dir für die Willkommensworte Neffe! Aber lassen wir das einmal beiseite. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass ihr anscheinend alle den Lebenswandel und die Erziehung der Plebejer angenommen habt und nicht mehr wisst, wie sich ein Patrizier zu benehmen hat. Wie dem auch sei….. Ich bin aus Achaia zurück nach Rom gekommen, weil mich, seit dem Tod deines Vaters, immer wieder besorgniserregende Meldungen aus unserer Familie erreicht haben. Auch wenn ich lange nicht hier war, so habe ich mich dennoch immer genauestens über unsere Gens unterrichten lassen. Ich denke es ist an der Zeit durchzugreifen, bevor die Gens Claudia endgültig zum Gespött des ganzen Reiches wird.“


    Mit einem äußerst ernsten Blick fixierten Marcellus Augen seinen Neffen, während er auf eine erste Reaktion wartete.

    Marcellus ärgerte sich maßlos über die Überheblichkeit dieser Frau, lies sich jedoch nichts anmerken. Was bildete sie sich eigentlich ein? Sie sollte dankbar sein, dass er überhaupt mit ihr sprach! Er - ein Patrizier! Mit stoischer Mine und einem ziemlich herablassenden Blick ging er einen Schritt auf Adria zu und fixierte sie mit seinen kalten Augen.


    „Ich glaube wir haben uns nicht verstanden! Ich bin Lucius Claudius Marcellus! Ein Patrizier aus dem edlen Geschlecht der Claudier! Einer Gentes Maiores! Seit Jahrhunderten gehört meine Familie dem Adel an und geht zurück auf die Gründugsväter Roms! Wir sind der Grund, warum du heute überhaupt hier sitzen und Rector spielen kannst…. Und du willst mir meinen Wunsch verweigern, einen gesonderten Kurs abzulegen?“


    Seine Worte klangen von Satz zu Satz härter und arroganter. Er konnte nicht verstehen, wie dieses Weibstück sich erdreisten konnte ihn mit seinem Anliegen zurück zu weisen.

    Nun konnte der Patrizier die Überraschung in seinem Gesicht nicht mehr verstecken und riss die Augen auf. Hatte er richtig verstanden? Er lies die Worte noch einmal kurz auf sich wirken ehe er antwortete.


    “Es gibt also keine eigenen Kurse für Patrizier? Das ist doch ein schlechter Scherz? Du verlangst doch nicht etwa, dass ich den Kurs gemeinsam mit dem gemeinen Pöbel ablege? Vielleicht sogar noch im selben Raum?“


    Diese Überlegungen brachte ihn etwas aus der Ruhe, als er sie aussprach und man konnte sichtlich erkennen, dass er sich darüber ärgerte.

    Der Blick des Patriziers wanderte vom Fenster wieder zu Adria. Er konnte seine Überraschung nur sehr schwer verbergen und sofort wanderte eine Augenbraue nach oben, um die Frau noch einmal genauer zu mustern. Eine Frau als Rector? Er war wahrlich zu lange nicht mehr in Rom gewesen. Sein Sklave machte unterdessen in seiner tief gebückten Haltung einige Schritte zurück, um seinen Herrn vor zu lassen. Dieser blieb jedoch stehen wo er war und ergriff das Wort.


    „Ich grüße dich Aelia Adria! Ich bin hier um den Cursu Rei Vulgarium abzulegen.“

    Der Sklave öffnete seinen Herren die Türe und Marcellus trat ein. Er grüßte jedoch Adria nicht selbst, sondern wartete bis sein Leibsklave ebenfalls nachgetrottet war und ihn der Dame vorstellte. Der Sklave verneigte sich tief, während Marcellus sein Gegenüber musterte.


    „Salve! Mein Herr, der edle Patrizier Lucius Claudius Marcellus, wünscht mit dem Rector der Schule zu sprechen!“


    Sie war bestimmt nur die Vorzimmerdame des Rectors, also nicht der Mühe wert, mit ihr selbst zu sprechen, dachte sich Marcellus und sah aus dem Fenster.

    Die Sänfte des Patriziers erreichte den Palatin und hielt an den Stufen des Palastes. Während einer der Sklaven herbeieilte um den Vorhang beiseite zu schieben und seinem Herren aus der Sänfte zu helfen, setzte Marcellus sich auf und sah sich um. Hier war er also – der Ort von dem bereits drei seiner Vorfahren das Römische Reich regiert hatten. Er seufzte theatralisch und stieg aus der Sänfte, den Blick auf die Stufen des Palastes gewandt. Was würde sie wohl sagen, wenn sie ihm nach all dieser Zeit wieder sah? Viele Jahre waren vergangen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Sie hatte sich damals wohl für den richtigen Mann entschieden und war mit ihm gegangen. Würde sie ihm überhaupt noch erkennen? Bestimmt würde sie das! Aber konnte er damit rechnen, dass sie ihm überhaupt sehen wollte? Viele Fragen schossen Marcellus durch den Kopf, während er die Stufen hinauf stieg. Oben angekommen, ging sein Leibsklave auf die Palastwache zu, während der Patrizier unbeteiligt die Umgebung betrachtete und die Wachen keines Blickes würdigte.


    „Mein Herr, der ehrenwerte Patrizier Lucius Claudius Marcellus wünscht eine Audienz bei der Kaiserin.“

    Auch über diesen Mann waren einige Informationen an Marcellus herangetragen worden. Der ehemalige Plebejer, der behauptete von den Claudiern abzustammen und in die Gens aufgenommen wurde. Musternd betrachtete er den Mann, als er mit seinem Neffen sprach und hielt sich zurück. Sichtlich erleichtert sah Marcellus seinen Leibsklaven herbeieilen, hatte er ja schon befürchtet, sich selbst vorstellen zu müssen. Der Sklave verbeugte sich tief vor dem Neuankömmling und begrüßte ihn.


    „Salve! Dies ist mein Herr, der ehrenwerte Patrizier Lucius Claudius Marcellus!“


    Zögerlich deutete der Sklave mit der Hand zu Marcellus, der sich völlig Anteilslos gab.

    Es war also wirklich wahr! Wie sehr hatte er gehofft, dass sich zumindest diese Information als falsch heraus stellte. Ein Claudier bei den Hilfstruppen! Wir mussten ja mittlerweile das Gespött der gesamten römischen Oberschicht sein. Wie konnte sich alles so entwickeln? Hatten die Götter unsere Gens bereits verlassen? Musste Marcellus sich selbst die Schuld daran geben, weil er nicht gleich nach dem Tod seines Bruders nach Rom gekommen war um die Geschicke der Gens zu lenken und das Zepter selbst in die Hand zu nehmen? Das die hälfte der Gens überhaupt keine Beschäftigung hatte war schon schlimm genug, aber eine solche Schmach - ein Familienmitglied bei den Hilfstruppen - war nicht einfach so hinzunehmen. Marcellus lehnte sich zurück und atmete tief durch.


    „Ich stimme dir zu Neffe! Wir müssen Vitulus dazu bewegen einen Familienrat einberufen. Und am besten so schnell wie möglich.“

    Aufmerksam lauschte Marcellus den Worten seines Neffen und schüttelte nur verständnislos den Kopf. Es war also doch schlimmer, als er es erwartet hatte. Plebejer, die hier ein und ausgingen, wo einst Kaiser gewandelt waren, adoptierte Straßenmädchen,… konnte es denn noch schlimmer werden. Ernst fuhr er mit dem Gespräch fort.


    „Ich habe auch gehört, dass ein Mitglied unserer Familie in einer Auxiliaeinheit in Germanien dient. Ist das war? Ein Patrizier! Ein CLAUDIER! Mitten unter halbwilden Germanen in einer Einheit, die sogar für einen Plebejer unter seiner Würde liegt! Ich kann es gar nicht glauben!“


    Er konnte dabei seine Erbostheit und seine Verständnislosigkeit nicht mehr zurückhalten und wurde etwas lauter.

    Ziemlich früh am Morgen hatte sich Marcellus in seiner Sänfte zur Schola Atheniansis bringen lassen, um sich über das aktuelle Kursangebot zu erkundigen. Auch wenn er nicht verstehen konnte, warum sich gebildete Patrizier wie die einfache Plebejer dieser Tortur unterziehen mussten, so war ihm klar, dass er doch den einen oder anderen Kurs nachholen musste um hier in Rom weiter zu kommen. Nach einigen Suchen, hatte er uns sein Leibsklave auch den Weg zu Officium des Rectors gefunden und der Sklave klopfte an.

    Natürlich hatte sich Marcellus einige Informationen über die Gens eingeholt, bevor er sich endgültig dazu entschlossen hatte Achaia den Rücken zu kehren und nach Rom zu kommen. Jedoch waren diese äußerst Oberflächlich gewesen und er wusste genau, dass nichts über Berichte aus erster Hand ging. Aus diesem Grund entschloss er sich auch, dieses interessante Gespräch weiter fort zu setzen und nahm ebenfalls auf einem der Korbsessel platz, die im Atrium für Gäste bereit standen.


    „Die Spitze des Eisberges meinst du! Erzähle mir mehr Neffe!“

    Mit großem Interesse hörte Marcellus seinen Neffen zu. Auch wenn er den Ausdruck „Schwung“ für einer patrizische Familie nicht gerade passend fand, hielt er sich zurück und lies Vesuvianus weiter ausführen. Zucht und Ordnung! Ja! Das hatte diese Gens bestimmt bitter nötig! Lauter junge Menschen, die keinerlei Vorbilder in der Familie hatten - da konnte nichts Gutes dabei heraus kommen. Seine Augenbraue wanderte beim letzten Satz seines Neffen jedoch wieder skeptisch nach oben und er versuchte sein leichtes Entsetzen hinter seinen ausdruckslosen Gesichtszügen zu verbergen. Hatte er sich verhört?


    „Jemand hat einen Plebejer in unsere ehrwürdige Gens adoptiert? Habe ich das Richtig verstanden? Einen PLEBEJER?“

    „Wir werden sehen. Einer eurer Haussklaven ist ja schon auf dem Weg um nach ihm zu sehen.“


    Constantius! Ja, das war einer von denen, die erst nach seiner Abreise nach Achaia auf die Welt gekommen waren. Aber er hatte sich natürlich auch über diesen informieren lassen und wusste, dass er ein kleiner unwichtiger Beamter am Kaiserhof war. Marcellus spürte wie seine Schläfen wieder zu pochen begannen und schob die Gedanken schnell beiseite um auf die letzte Frage seines Neffen einzugehen.


    „Da nimmst du völlig richtig an Neffe! Mit ein Grund, warum ich mir hier nicht gerne die Beine in den Bauch stehen möchte.“


    Er warf einen Blick zum Eingang und wunderte sich, dass die Sklaven sein Gepäck noch nicht herein gebracht hatten. Er deutete dem Sklaven neben ihm, dass er nachsehen sollte und richtete seinen Blick dann wieder auf seinen Neffen.


    „Wer wohnt sonst noch hier in der Villa?“

    Curia Italia, Vorsprache im Senat? Das klang eigentlich recht viel versprechend für einen kleinen Legionscenturio. Bestimmt kam ihm da seine Abstammung zu gute. Wie dem auch war - Vesuvianus sollte er im Auge behalten. Vielleicht war dieser ein wirklicher Ausreißer aus den restlichen Tunichtguten der Familie.


    „Auch ich kann mich nicht beklagen Neffe.“


    Das er in Wirklichkeit lieber in Achaia geblieben wäre und was ihm dazu bewogen hatte nach Rom zu kommen, wollte er noch nicht Preis geben. Etwas ungeduldig ließ er seinen Blick durch das Atrium schweifen, ehe er wieder seinen Neffen fixierte.


    „Lässt dein Bruder Vitulus seine Gäste immer so lange warten?“

    Natürlich konnte sich Marcellus nicht an seinen Neffen erinnern. Als er fort ging, waren seine Nichten und Neffen noch recht klein oder teilweise noch nicht einmal geboren und schon damals hatte er wenig Interesse für sie. Aber das ließ er sich natürlich nicht anmerken. Sein Sklave trat wieder zur Seite und ließ seinen Herrn den Vortritt, der nun einige Schritte auf Vesuvianus zuging.


    „Natürlich! Vesuvianus!“


    …der Centurio dachte er und hätte sich dabei am liebsten auf die Schläfen gegriffen um sie etwas zu massieren. Sichtlich nicht besonders erfreut über das Wiedersehen fuhr er fort.


    „Wie geht es dir und dem Rest der Gens?“


    Ob er das überhaupt so genau wissen wollte? Eigentlich war es ihm ziemlich egal, aber der gute Anstand gebietete eine solche Frage.