Beiträge von Lucius Aelius Claudianus Marcellus

    Marcellus hatte sich an diesem Tag von seinen Sklaven zur Regia des Cultus Deorum bringen lassen. Während diese draußen warteten und auf die Sänfte acht gaben, machte er sich im Inneren der Regia auf die Suche nach den Verwaltungsofficien. Hier im religiösen Zentrum des Reiches war es gar nicht so einfach sich zu Recht zu finden. Überall rannten Priester oder andere Mitglieder des Cultus Deorum herum und gingen ihrer täglichen Arbeitsroutine nach. Einige waren wohl höhere Persönlichkeiten, andere wiederum weniger wichtige Mitglieder des Cultes. Hin und wieder sah man auch einige Zivilisten oder Magistrate, die teilweise ebenso hilflos schienen, wie er selbst. Schließlich wies ihm ein Priester den Weg zur Anmeldung und er ließ sich beim Scriba des Rex Sacrorum melden. Geduldig wartete er darauf, dass er vorgelassen wurde und sah sich interessiert in der Wartehalle um.

    Marcellus nickte und verbeugte sich leicht vor der Augusta, im so zusätzlich die Worte seines Dankes zu unterstreichen.


    “Ich danke dir Drusilla für deine netten Worte und auch für dein Angebot. Ich werde mich wohl einmal umhören und dann meine Entscheidung treffen. Sollte ich deine Hilfe oder deinen Rat benötigen, so lasse ich es dich wissen.“


    Doch er wollte seine Zeit hier bei Drusilla nicht mit derlei Fragen vergeuden. Statt dessen trat wieder ein Lächeln in sein Gesicht und er sah sie musternd an.


    “Hast du all die Jahre eigentlich irgendwann einmal an mich gedacht?“

    Der Patrizier beobachtete jeden ihrer wunderschönen Gesichtszüge, als sie zu lächeln begann. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass er hier vor „seiner“ Drusilla, der jetzigen Kaiserin des römischen Reiches stand und mit ihr plauderte, als wäre über die Jahre nichts passiert. Auf ihre Frage hin, hielt er einen Augenblick inne und dachte nach bevor er ihr antwortete.


    "Um ehrlich zu sein… Ich weiß es noch nicht. In erster Linie bin ich zurückgekommen um die Familie zu unterstützen, nicht um Karriere zu machen. Andererseits neigen sich meine Geldreserven den Ende zu und ich sollte mir wohl wirklich ernsthafte Gedanken machen, wie mein Leben hier in Rom weitergeht.“


    Wirklich viel kam da für einen Patrizier in seiner Position nicht in Frage. Entweder er entschied sich für einen Einstieg in die Politik oder für die Religion. Eventuell kam auch noch ein höherer Verwaltungsposten in Frage. Vielleicht sogar am Kaiserhof? So konnte er zumindest Drusilla nahe sein. Er strich diese Gedanken jedoch wieder beiseite. Später hatte er noch genügend Zeit um sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Fragend sah er wieder zur Kaiserin.


    “Hast du einen Vorschlag für mich?“

    Auch Marcellus war mit dem Ausgang dieser Besprechung sehr zufrieden und nickte anerkennend. Obwohl er in seinem älteren Neffe Vesuvianus mehr Veranlagungen der Claudier sah, so wollte er dem letzten Willen seines Bruders – für den Moment - nicht anzweifeln und seinem jüngeren Neffen Vitulus auch weiterhin als Pater Gentis unterstützen. Sollte er es jedoch nicht schaffen die Situation in den Griff zu bekommen, so wären vielleicht andere, drastischere Maßnahmen notwendig um die Geschicke der Familie wieder in eine andere Bahn zu lenken. Marcellus warf allen in der Runde einen flüchtigen Blick zu.


    "Dann haben wir wohl für den Moment alles besprochen.“


    Dann richtete er seinen Blick auf Vitulus.


    "Solltest du meine Hilfe brauchen, so stehe ich dir gerne mit Rat und Tat zur Seite Neffe.“


    Es war bestimmt keine schlechte Idee Vitulus seine Hilfe anzubieten. Ob er sie annahm oder nicht, lag nun ganz bei ihm.

    Ziemlich angespannt hatte Marcellus das bisherige Gespräch mitverfolgt und wollte sich zuerst anhören, was die jungen Familienmitglieder zu sagen hatte. Zum letzten kurzen Vortrag von seinem Neffen Vesuvianus war wohl nichts mehr hinzuzufügen. Gespannt sah er zu Vitulus wund wartete auf seine Antwort.

    Natürlich war es für Marcellus sehr beeindruckend zum ersten Mal auf den Spuren seiner Vorfahren durch den Palast zu wandeln. Noch dazu durch Räume, die den meisten Sterblichen verschlossen blieben. Er ließ sich jedoch seine Bewunderung nicht anmerken sondern folgte Drusilla in ihre privaten Gemächer. Dort angekommen, nahm er auf dem ihm angebotenen Platz nieder und sah zu ihr.


    "Da gibt es wohl nicht viel zu erzählen. Mein Leben verlief wesentlich weniger aufregend als deines, wie du dir sicher vorstellen kannst. Ich bin in Achaia geblieben und habe mich dort den Studien zugewandt… habe viel über Religion, Wissenschaft und Philosophie gelernt und habe es mir weitestgehend gut gehen lassen.“


    Als er so erzählte viel Marcellus auf, das seine Beschreibung eigentlich genau das Gegenteil von Drusillas jetzigem Mann enthielt. Wieder eine Bestätigung, dass Drusilla wohl den richtigen Weg gewählt hatte, als sie mit Iulianus fort ging.

    Die beiden letzten Sätze der Kaiserin klangen für den Patrizier wie eine Erlösung. Er atmete tief durch und sah sie an. Alleine diese Worte aus ihren Mund zu vernehmen, gab ihm nun die letzte Bestätigung richtig gehandelt zu haben.


    "Ich danke dir Drusilla! Es bedeutet mir sehr viel, dass du mich wieder sehen möchtest. Dann werde ich mich vorerst wieder zurückziehen wenn du erlaubst und dich in den nächsten Tagen wieder aufsuchen. Du musst mir nur sagen wann und wo. Ich werde da sein.“


    Wie gerne wäre er hier geblieben, doch es war ihm klar, dass er sie nicht gleich so überfallen konnte. Er hatte doch nicht einmal damit gerechnet, dass sie einem weiteren Treffen zustimmen würde und so war alleine diese Tatsache schon ein Anlass der Freude. Aber Marcellus nahm sich fest vor in den nächsten Tagen wieder vorbeizukommen und wartete gespannt, was Drusilla zu seinem Vorschlag sagte.

    Ein ziemlich verächtlicher Blick traf Donatus. Natürlich hatte er mit allem Recht, was er hier sagte…. mit fast allem! Aber wer war dieser Mann, dass er sich erdreiste, Marcellus ins Wort zu fallen und sich ungebeten in diese Diskussion einzumischen. Der Patrizier fixierte ihn und sein blick wurde tadelnd.


    „Weißt du eigentlich was du da sprichst? Du wirfst Vitulus vor ein Klient des Kaiser zu sein?! Wir können froh sein, dass uns der Kaiser diese Gnade gewährt hat, so wie unsere Familie dasteht! Und dann möchte ich dir noch etwas sagen mein Freund….. alleine dafür, dass du deinem Pater Gentis in den Rücken fällst und hier, vor den Augen anderer Familienmitglieder, seine Absetzung forderst, gehörst du aus der Familie verstoßen und fortgetrieben. Und jetzt hüte deine Zunge und schweig Still!“

    "Ich musste dich einfach sehen Drusilla!“


    Alleine sein Blick hätte den Umstand seines Kommens in diesen Moment verraten, wenn er ihn nicht auch noch zusätzlich ausgesprochen hätte. Seine schmachtenden und sehnsuchtsvollen Augen verrieten auch gleichzeitig die Angst die nun in ihm aufstieg. Vielleicht hätte er nicht kommen sollen. Vielleicht würde dies alles nur noch schwerer machen als es ohnehin schon war. Sowohl für ihn, als auch für Drusilla, die bestimmt anderes zu tun hatte, als sich mit einer alten Liebelei auseinander zu setzen. Doch nun war es schon egal und er spann seine Gedanken laut weiter.


    "Und ich dachte, dass wir uns vielleicht......... auch wieder öfter sehen können. Nun wo ich hier in Rom bin."

    Leicht irritiert sah Marcellus seinen Neffen an. Konnte er es wirklich nicht erkennen oder verschloss er absichtlich seine Augen vor der Realität?


    „Ich stimme deinem Bruder zu. Es wird Zeit einen Familienrat einzuberufen, in dem grundsätzliche Dinge geklärt werden müssen und ihn dem es vielleicht auch erforderlich ist, dass du härter durchgreifst, als du es vielleicht bisher getan hast.“


    Der Blick des Patriziers wurde eindringlicher bevor er weiter sprach.


    „Es kann nicht sein, dass ein Mitglied unseres Hauses als Probatus in einer Auxaliaeinheit beginnt. Wenn er sich schon für das Militär entscheidet, dann soll er wenigstens einer Legio beitreten, aber nicht zwischen wilden Germanen leben. Des Weiteren kann es nicht sein, dass ein Mitglied unseres Hauses Klient bei den Flaviern wird. Du selbst bist ein Klient des Kaisers! Wir haben es nicht nötig bei einer anderen Familie eine Klientenschaft einzugehen und schon gar nicht, bei anderen Patriziern. Es ist auch nicht wirklich üblich einen Plebejer in eine patrizische Familie aufzunehmen. Schon gar nicht in eine Gentes Maiores. Alleine diese Punkte fordern einen Familienrat, um alle Anderen wieder auf den richtigen Weg zu bringen.“

    Es viel Marcellus sehr schwer dem traurigen Blick der Kaiserin stand zu halten und als ihr Tränen in die Augen traten, hätte er sie am liebsten in den Arm genommen. Doch sie war die Kaiserin und es war schon schlimm genug überhaupt ihre Hand zu halten. Um sie vielleicht doch etwas aufzumuntern trat ein kleines Lächeln in sein Gesicht.


    “Ich kann dir versichern… die Götter haben nichts damit zu tun. Lediglich meine beschämende Familie. Aber wie auch immer…. nun bin ich hier und habe vor auch einige Zeit hier zu bleiben.“


    Als er ihr so in die Augen sah, und sich dieser unglaubliche Augenblick mit alten Erinnerungen vermischte, fühlte er tief in seinem Herzen Gefühle ausbrechen, die er dort lange verschlossen hatte. Sie hatte immer noch diese völlig einnehmende Aura, der man sich einfach nicht entziehen konnte. Ihr Blick war so stolz und anmutig und doch hatte er etwas Verletzliches und Flehendes an sich. Marcellus hätte in diesem Moment alles dafür gegeben um nicht in der Aula Regia zu sein und nicht der Kaiserin, sondern einfach nur Drusilla gegenüber zu stehen. Doch es war so und selbst die Götter konnten es nicht ändern. Wie gerne hätte er ihr von seinen Gefühlen erzählt, berichtet was in ihm gerade vorging, seine Gedanken mit ihr geteilt. Doch es schien alles so weit weg und doch irgendwie auch ganz nah.

    Von einen Tag auf den anderen verließ. Marcellus war klar, warum sie nicht weiter sprechen konnte. Aber das alles war Vergangenheit! Viel zu lange her um sich darüber Gedanken zu machen oder gar den Kopf zu zerbrechen was passiert wäre wenn die Dinge anders verlaufen wären. Für Drusilla war es so bestimmt am besten gewesen. Sie war heute die Kaiserin des römischen Reiches und Marcellus hätte nie zugelassen, dass sie wegen einer kleinen Liebelei zwischen zwei jungen Menschen darauf verzichtet hätte. Eigentlich waren sie damals nicht einmal ein richtiges Paar oder sonst irgendetwas in der Art gewesen. Nur zwei junge Menschen aus patrizischem Hause, die befreundet waren und sich einige Zeit das Bett miteinander teilten….. und dies auch nur im geheimen. Aber dennoch war es wohl die schönste Zeit in seinem Leben gewesen - bis zu dem Zeitpunkt als Iulianus kam. Damals noch Legat, übte er eine unglaubliche Anziehung auf sie aus und so beschloss sie bei ihm zu bleiben und mit ihm nach Rom zu gehen. Und das war das letzte Mal, wo Marcellus sie gesehen hatte.


    Er riss sich wieder aus seinen Gedanken und sah, wie ihr Blick traurig auf den Boden fiel und auch ihre Hand wieder langsam nach unten sank. Ohne viel nachzudenken und völlig unerwartet ging er den letzten Schritt auf sie zu und griff nach ihrer Hand. In diesem Moment wurde ihm erst bewusst was er hier tat. Er stand mitten in der Aula Regia und griff nach der Hand der Kaiserin. Er musste wohl von allen guten Geistern verlassen worden sein, doch nun war es geschehen. Er spürte ihre sanfte Hand in seiner und würde sie nun bestimmt nicht mehr los lassen.


    „Nicht Drusilla! Es ist zu lange her um sich darüber noch Gedanken zu machen oder sich zu entschuldigen. Du hast die richtige Entscheidung getroffen. Sie dich nur an! Du bist Kaiserin!.... Und du bist wunderschön!“


    Der letzte Satz war ihm irgendwie heraus gerutscht und er schluckte etwas verlegen und hoffte, sie würde wieder zu ihn aufsehen.

    Drusillas Worte waren beruhigend für den Patrizier und man konnte erkennen, dass ein großer Teil seiner Nervosität und Anspannung mit einem Schlag wich. Der Kaiser hatte also nichts davon erfahren…. warum auch..…. es geschah ja bevor die beiden…..bevor Drusilla Kaiserin wurde und Griechenland mit ihm verließ, während Marcellus mit seinen Erinnerungen zurück blieb.


    „Ja! Es ist wirklich lange her! Du bist nun Kaiserin und ich…… nun ja… ich bin immer noch der, der ich auch schon früher war.“


    Er sah kurz zu Boden. Einerseits war er glücklich darüber sie wieder zu sehen, andererseits war es auch auf eine merkwürdige Art und weise unangenehm ihr gegenüberzustehen…. Hier, mitten in der Aula Regia.


    „Es tut mir Leid, dass ich dich so überfallen habe. Ich bin zu meiner Familie nach Rom gekommen und werde, so wie es aussieht, auch einige Zeit hier bleiben.“

    Als Marcellus die Kaiserin kommen sah, merkte er, wie sein Herz plötzlich wie wild zu schlagen begann und eine innere Anspannung in ihn hoch stieg. So gut er konnte, versuchte er die Nervosität jedoch hinter seiner ausdruckslosen Mimik zu verbergen. Als sie näher trat und seinen Namen nannte verbeugte er sich knapp. In diesem Moment hätte ihn fast der Herzschlag getroffen. Sie erkannte ihn also noch nach all diesen Jahren. Er wartete ab, bis dieser Plebejer den Saal verlassen hatte und richtete sich dann wieder auf.


    „Ich hoffe, ich bereite dir keine Probleme mit meinem kommen………. Drusilla?“


    Etwas unsicher versuchte er mit ihr Blickkontakt aufzunehmen, während sein Herz sich langsam wieder beruhigte.

    Schockiert riss der Patrizier die Augen auf. Bei allen Göttern! Was erlaubte sich dieser…… Nero? Nein! Bei diesem Thema sollte er lieber einlenken und nun doch nachgeben. Aber dennoch ärgerte ihm sichtlich diese maßlose Respektlosigkeit des Plebejers. Für Marcellus war dieses Gespräch jedenfalls hiermit beendet und er starrte wütend in die andere Richtung der Aula. Hoffentlich würde die Kaiserin bald kommen und ihn von diesem Mann befreien.

    So waren sie eben die Plebejer… einfach und dumm! Marcellus sah kurz in die andere Richtung und verdrehte genervt die Augen, bevor er wieder zu Quarto sah und selbst ein gekünsteltes und arrogantes Lächeln aufsetzte. So einfach ließ er den Plebejer nicht davon kommen und überlegte schon, was er zu ihm sagen könnte.


    “Sagt einmal mein geschätzter Magister! Ihr seit doch mit dem Caesar verwandt oder? Wie ist es eigentlich für einen einfachen Plebejer aus schlichten Verhältnissen, der plötzlich einen solchen Aufstieg erfahren hat und sogar im Palast wohnen darf? Wie geht ihr und eure Gens damit um?“

    Ausnahmsweise hatte Marcellus seinen Leibsklaven angewiesen vor der Aula Regia zu warten. Diesen Weg musste er alleine beschreiten und er hoffte, das auch der Magister wieder verschwand, bevor Drusilla in der Aula erschien. Er merkte, dass er nun von Minute zu Minute nervöser wurde, versuchte jedoch, sich seinem Begleiter gegenüber nichts anmerken zu lassen. Wie würde sie reagieren wenn sie ihn nach all den Jahren wieder sah? Wie lange war es überhaupt her? Zehn, Fünfzehn Jahre? Oder war es sogar schon länger? Sie war damals jedenfalls noch keine Kaiserin.... Es war nicht der passende Zeitpunkt um einen klaren Gedanken zu fassen und er konzentrierte sich eher darauf, was er denn zu ihr sagen würde. Zuvor jedoch musste er diesen Plebejer wieder loswerden. Als sie mitten in der Aula Regia zum stehen kamen wandte er sich an Quarto.


    „Ich Danke dir Magister!“

    Tief gebückt machte der Sklave einen Schritt zurück und lies nun seinen Herrn in den Vordergrund treten, der die Begrüßung des Magisters durch ein kurzes nicken erwiderte. Dies war also Aelius Quarto, der Bruder des Caesars. Marcellus hatte bereits von ihm gehört und auch davon, dass seine Familie hier in einem Trakt des Palastes wohnte. Wieder eine dieser unverständlichen Entscheidungen des Kaisers, eine Plebejergens im Palast wohnen zu lassen. Doch dies war nun nicht das Thema.


    „Es handelt sich um einen privaten Besuch. Drusil….“


    Der Patrizier räusperte sich.


    „…. die Kaiserin und ich sind alte Bekannte.“