Stets hatte sich Constantius unwohl in größeren Gruppen von Menschen gefühlt. Fühlte sich wie auf einem schwankenden Floss in den unbarmherzigen, aufgewirbelten Fluten des Meeres. Doch hier, in der Villa Tiberia, war das Gefühl, dass ihn beschlich zwar nicht weniger unangenehm, doch unterschied es sich. Fühlte er sich in großen Mengen unsicher, da sein Wachinstinkt durch die vielen Eindrücke überfordert war, er die Kontrolle nicht erringen konnte, so war der Grund für sein derzeitiges Unbehagen, dass er sich unterlegen fühlte. Er war im Hause eines Patriziers, eines Tribuns. Hier war er nicht Caius Iulius Constantius, der Hausherr, der Sprössling des einst glorreichen Hauses der Iulier, ein Kind der Venus und Nachfahre des Gaius Iulus Caesars. Hier war er Caius Iulius Constantius, ein einfacher Miles der Cohortes Urbanae, der wenige Stunden zuvor, noch den Staub der Straßen Roms von seinen Stiefeln gewischt hatte. Ein Umstand, den die Anwesenheit Calvinas nur zu stark verdeutlichte.
„Ja wir kennen uns.“, er fügte eine kleine Pause ein, in der er abermals zu Calvina blickte.
„Mir war es vergönnt gewesen Tiberia Calvina nach ihrer Ankunft in Rom als Miles der Cohortes Urbanae zur Villa Tiberia zu eskortieren.“
Er spürte den sanften Druck der Hand seiner Schwester auf seinem Unterarm. Ihre Botschaft, ihre Nähe verliehen ihm Kraft. Ließen ihn einen Moment lang seine weichen Knie vergessen und beflügelten seine Stimme derart, dass der Rang des Miles mit so viel Stolz ausgesprochen wurde, als hätte sich gerade ein großer Feldherr vorgestellt.
Es war wohl der größte Moment der Anspannung gewesen. Denn nachdem klar gestellt war, dass es sich bei ihm im Grunde um ein einen einfachen, unbedeutenden Mann, wenn auch einen sehr stolzen, handelte, schien die Last von seinen Schulter zu weichen. Oder zumindest war es ihm nun leichter diese zu tragen, durch die Gewissheit, dass Helena bei ihm war….
„Helena..“, durchfuhr es Constantius und sein Blick suchte Vitalamacus. Es lag ein Ausdruck der Überraschung in den Augen des Iuliers, auch wenn sein Gesicht sonst nichts verriet. Einmal machte man vielleicht einen Fehler…Aber ein Tribun? Und dann ein zweites Mal? Es fügte sich ein weiteres Teil zu dem Haufen aus vielen Puzzleteilen hinzu. Ein Teil, das jedoch nicht in das Bild passen wollte. Einsam und unbemerkt, begann das Gedankenwerk des jungen Mannes zu arbeiten.
„Ich danke dir Titus Tiberius Flaccus. Ich danke dir für deine herzliche Begrüßung. Euer Haus ist überwältigend und ich bin dankbar es einmal gesehen zu haben. Es übertrifft die bescheidene Casa der Iulier noch, obwohl einst Imperatoren dort gewandelt sind“
Kurz blitze der Stolz in den Augen des jungen Mannes auf, gemischt mit einer Prise jungendlichen Übermuts. Diesen Patriziern würde er wenigstens ein paar Beulen in ihren Hochmut machen. Dies war vielleicht nicht sein Schlachtfeld und er war kein würdiger Gegner, doch zumindest war er kein leichter Gegner. Zu seinem Erstaunen lag am Ende seiner Gedanken sein Blick wieder auf Vitalamacus. Das Gedankenwerk des Iuliers hatte wohl unbewußt noch ein paar mehr Informationen über die Blicke des Gastgebers gefordert.
Doch da war noch mehr… Es war mehr ein Instinkt. Ein Instinkt, wie in viele Menschen aufwiesen, wenn ein Blick auf ihnen ruhte. Es war eher ein Gefühl als eine Gewissheit, doch reichte es aus um die Sklavin zu entdecken, die sich näherte. Sie war hübsch und anmutig und mit einem stolzen Blick gesegnet worden, so..gestand es sich Constantius ein, obwohl er deswegen fast verlegen den Blick wieder von ihr nehmen musste. Dankbar lächelnd nahm er einen Kelch mit gewässerten Wein entgegen. Wieso nur fühlte er sich der Sklavin näher als den hohen Gastgebern hier?