Beiträge von Caius Iulius Constantius

    Innerlich atmete Constantius auf, als Sabina bestätigte, dass sie das richtige Ziel erreicht hatten. Wie oft war er schon vor der falschen Casa gestanden. In manchen Gegenden Roms kannte er sich immer noch zu schlecht aus, vermochte die nächste Gasse nicht von der übernächsten zu unterscheiden. Doch diesmal hatte die Götter und ihre Wegbeschreibung sie an das richtige Ziel geführt.


    „Ich bezweifle, dass man mir mein Lauftraining erlassen würde, selbst wenn ich jeden Tag so nett umgelaufen werden würde. Obwohl es wenigstens die Eintönigkeit des Dienstes auflockern würde.“
    Er antwortete auf ihre Worte hin mit einem Lächeln. Trat an ihre Seite und blickte zu ihr auf.


    „Da du aber die einzige Frau bist, die mich so nett umgerannt hat, werde ich wohl sowieso weiterhin meine Runden um den Exerzierplatz drehen müssen. Doch für alle Fälle, werde ich von nun an einen Karren in meiner Nähe parken lassen. Wer weiß ob man ihn nicht nochmals benötigt.“


    Wieder reichte er ihr seine Hand, um ihr beim Absteigen vom Wagen behilflich zu sein. Mit aller Vorsicht und der gebührenden Höflichkeit half er ihr vom Wagen.


    „Ich und Rom hoffen ebenfalls, dass du noch eine Weile in Rom bleiben wirst. Es war mir eine Ehre und eine Freude dich kennen lernen zu dürfen. Auch wenn ich nicht verhindern konnte, dass du dich verletzt. Ich hoffe auf den Tag, da dein Weg dich vielleicht an meinem Wachposten vorbeiführt.“

    Die letzten Tage waren sehr ereignisreich und anstrengend. Ich bitte deshalb um Entschuldigung, weil meine Antworten im IR etwas langsam im Moment erfolgen. Es wird wohl leider noch bis Montag oder Dienstag so bleiben. Danach sollten aber die Antworten wieder sprudeln. Alle, die nun etwas warten müssen, bitte ich um Nachsicht.

    Constantius schüttelte sachte den Kopf und lächelte leicht in das Zwielicht seines Zimmers hinein.
    „Nein liebe Helena. Ich möchte nicht, dass du ihr einen Ehemann suchst. Ganz und gar nicht. Ich hatte vielmehr gefragt, ob du einen Sklaven kennst, der der Aufgabe gewachsen wäre, Livilla zu beschützen und von weiteren Gefahren fernzuhalten. Aber da du mich gerade an Milius erinnert hast, hast du meine Frage ja auch schon beantwortet. Ich werde morgen ein ernstes Gespräch mit ihm führen. Er ist ein herausragender Schütze und dazu noch ein helles Köpfchen. Er erscheint mir wahrlich wie die perfekte Wahl. Ich frage mich, warum ich nicht selbst daran gedacht habe.“
    Er verstärkte kurz den sachten Griff seiner Arme, die schützend um Helena gelegt waren und entließ sie daraufhin wieder aus seinen Armen.


    „Über ihre Zukunft wird alleine Numerianus entscheiden. Es ist nicht unsere Aufgabe und wird es nie sein. Was meine Aufgabe ist, ist dafür Sorge zu tragen, dass ihr in Rom kein Leid zustößt. Und diese Aufgabe werde ich erfüllen. Und mir gefällt deine Idee. Ich werde mit ihr zum Sklavenmarkt gehen und eine Leibsklavin für sie erstehen. Ich denke eine Vertraute, in den Stunden, wenn uns die Pflicht bindet, kann nicht schaden.


    Er seufzte leicht und spähte zu dem Fenster, dass lediglich die Schwärze der Nacht offenbarte.


    „Helena. Ich bitte dich nun zu Bett zu gehen. Du hast einen weiteren schweren Tag vor dir.“
    In einer ruhigen und dennoch fließenden Bewegung, erhob er sich von seinem eigenen Bett. Stand zunächst regungslos vor seiner Schwester und strich ihr doch einmal sanft über die Wange.


    „Ich werde dafür Sorge tragen, dass jeder in diesem Haus in Frieden schlafen kann. Niemanden wird etwas geschehen, solange ich hier wache. Und das zerbrochene Vertrauen wird sich in dieser Nacht auch nicht wieder herstellen lassen.“


    Die Hand, die eben noch über ihre Wange gestrichen war, öffnete sich und bot Helena nun eine Hilfe beim Aufstehen an.


    „Du willst doch sicherlich nicht, dass dein kleiner Bruder dich in dein Bett trägt.“

    Die Hitze war noch immer deutlich in den Gassen Roms zu spüren und schien förmlich von den gekalkten Wänden der Häuser noch verstärkt zu werden. Während sich die Menschenmassen durch diese unerbittliche Sommerwärme quälten und durch die schier endlose Anzahl von Menschen die Fortbewegungsgeschwindigkeit dieser Massen am ehesten mit der Fließgeschwindigkeit von zähen Sirup zu vergleichen war, war die Reise zur Casa Martinia nicht gerade erträglicher.


    Während Constantius neben dem Karren her schritt, dem scheinbar kein Römer freiwillig Platz machen wollte, blickte er immer wieder versichernd zu Sabina. Obwohl er inzwischen zu seinem gestrengen Blick wieder zurückgefunden hatte, der sich als vorteilhaft auf der Straße erwiesen hatte, musste er immer wieder Lächeln, sobald er zu ihr aufblickte. Er hätte wohl auch einfach so gelächelt, doch das Lächeln ihrerseits verstärkte das seine noch um ein Vielfaches.


    „Also ich meine ja auch immer, dass ich kein Lauftraining notwendig habe. Aber mein Princeps Prior sieht das ganz anders. Da heißt es schon einmal schnell…Miles Constantius…20 Runden..sofort!“, er senkte seine Stimme dabei zu einem tiefen Bass, um die Stimme seines Vorgesetzten zu imitieren, was ihm durch den Drang zum Lachen eher schlecht gelang. Jedoch schien ihn das wenig zu bekümmern, denn er lächelte erneut Sabina offenherzig an.
    „Aber er hat schon Recht. Immerhin muß ein Miles in der Lage sein schneller zu Laufen als jeder Eierdieb in Rom.“


    Ihren Weisungen folgend rumpelte der Karren unbeirrt durch die Straßen Roms. Hier und dort musste Constantius den einen oder anderen Passanten zur Seite bitten, ließ sich jedoch immer wieder zurückfallen, um die meiste Zeit des Weges an der Seite Sabinas zu marschieren.


    Auch wenn die Fahrt eine Ewigkeit zu dauern schien, hatten sie irgendwann das Ende erreicht. Jedenfalls war es das Ende ihrer Wegbeschreibung und abschätzend ließ Constantius seinen Blick über das Gebäude streichen, bevor er mehr zu sich selbst nickte und sich dann gen Sabina wandte.


    „Ich hoffe wir haben die richtige Casa erreicht.“

    Vor seinem geistigen Auge formte sich ein Bild eines überlasteten Karrens, der von einem Esel mit geweiteten Augen und sich überschlagenden Beinen schlingernd durch die holprigen Gassen Roms gezogen wurde. Und auf dem Karren standen sowohl Constantius als auch Sabina freudestrahlend, während hinter ihnen eine aufgebrachte Meute herlief. Eine verlockende Vorstellung.
    „Ich verspreche dir, wenn ich ein Renngespann gefunden habe, werde ich dir umgehend eine Nachricht zukommen lassen. Vielleicht fahren wir dann sogar ein Rennen gegeneinander“, erwiderte er erheitert auf ihre Worte hin.


    Ihre Schmerzen waren offensichtlich, als sie die Ladefläche des Karrens bestieg. Zu gerne hätte er sie einfach hinauf gehoben, ihr das schmerzvolle Kunststück erspart, doch verboten Sitte und Anstand eine derartige Annäherung. Und so beließ es Constantius zähneknirschend bei der einfachen Hilfestellung, die ein sorgenvoller Blick seinerseits begleitete.


    Und auch wenn bereits einige Leute das Gespann, den Miles der Cohortes Urbanae, und die Senatorentochter ansahen, vermochte ein strenger, eindringlicher Blick des Iuliers, diese Leute recht schnell dazu veranlassen, ihres Weges zu ziehen.
    Ein Ernster Blick, der schnell wieder erweichen sollte, als Sabina ihm etwas ins Ohr flüsterte. Nur mit Mühe konnte er ein lautes Lachen verkneifen, während sich sein Blick auf den Fahrer des Gespanns legte.


    „Aber vielleicht tut mir das Laufen ganz gut. So kann ich mir heute Abend das Lauftraining ersparen und ich komme wieder in Form.“


    Scherzend klopfte er dabei auf seinen Bauch und lächelte unbefangen zu ihr hinauf.
    Einen Moment schien er lediglich ihren Anblick ihr Lächeln zu genießen. Vielleicht sogar einen Moment zu lang, als das es die Höflichkeit zugelassen hatte, weshalb sich sein Blick daraufhin auch einmal mehr verlegen gen Boden richten sollte.


    Langsam setze sich der Karren in Bewegung, während Constantius noch ohne Probleme direkt neben Sabina herlief. Immer wieder blickte er während der ersten Meter zu ihr herüber. Achtete sorgsam darauf, dass der Fahrer darauf achtete, dass der Karren nicht zu sehr rumpelte, um ihr zusätzliche Schmerzen zu ersparen. Nachdem sie wieder die Hauptstraße erreicht hatten, erhob er schließlich die Stimme.


    „Was ich von dir wissen möchte, als Erstes zumindest. Wo darf ich dich hinbringen?“
    Vielleicht war es nur die Sonne, doch gewannen seine Wangen wieder an Farbe, während er zu ihr blickte.
    „Ich kenne nämlich den Weg zur Casa Martinia nicht. Muß ich gestehen.“

    Constantius warf einen musternden Blick auf das Fuhrwerk, das Sabina den Heimweg erleichtern sollte. Es war nicht gerade das, was er sich erhofft hatte. Keine goldverzierte Sänfte, getragen von wohl gekleideten Sklaven. Nein es war ein altes Holzfuhrwerk, gezogen von einem Esel, der scheinbar apathisch bei der Hitze sein Schicksal erduldete. Der Besitzer des Fuhrwerks schien ebenfalls recht anteilnahmslos drein zu schauen. Ein frecher Geist, hätte wohl behauptet, dass Besitzer und Esel zumindest den gleichen Blick aufwiesen.
    Zumindest war der Blick des Besitzers nicht übellaunig. Was immer ihn dazu bewegte einen kleinen Umweg zu fahren, es schien ihn zumindest nicht zu verärgern. Entweder war er ein Freund der cohortes Urbanae, erhoffte es zu werden oder ihm war eine Belohnung in Form von Sesterzen versprochen worden.


    „Vielleicht werde ich ja mit diesem Karren später, wenn ich dich sicher Heim gebracht habe, ein kleines Wettrennen fahren können“.entgegnete er schmunzelnd, als er mit der Hand den gröbsten Dreck von der Ladefläche wischte. In kleinen Wolken wirbelte der Staub empor und dennoch schien eine hartnäckige Dreckschicht auf der Ladefläche liegen zu bleiben. Weshalb Constantius die Ladefläche auch einen Augenblick missfällig betrachtete, bevor er die Fibel seines Umhangs öffnete und diesen über einen Teil der Ladefläche legte. Erst dann nickte er leicht und trat wieder einen Schritt zurück.
    „Es wird leider keine bequeme Reise werden, Doch zumindest sollte deine Kleidung die Fahrt nun unbeschadet überstehen können.“


    Zurückhaltend bot er ihr seine Hand an, um ihr auf den Wagen zu helfen.


    „Ich fürchte ich kann diesen ehrenvollen Platz an deiner Seite nicht einnehmen. So sehr ich es mir auch wünschte. Doch würde ich wphl im Carcer landen, wenn ein Vorgesetzter mich dabei beobachtet, wie ich anstatt auf meinen Füßen, auf einen Karren sitzend durch die Stadt fahre. Allerdings werde ich direkt neben dir herlaufen. Und da ich fürchte, dass wir nicht zu schnell vorankommen werden, darf ich darauf hoffen noch das eine oder andere von dir zu erfahren.“

    Das Glitzern in seinen Augen verkündete bereits seine Antwort auf ihre Frage, noch bevor es seine Worte konnten.
    „Manchmal wünschte ich mir, man könnte wieder so unbeschwert leben wie damals, als die Welt so groß und voller Wunder erschien. Als ich nach Rom kam, verspürte ich dieses Gefühl wieder. Die Welt schien noch größer und wundervoller zu sein, als ich es mir in meinen Träumen ausgemalt hatte. Doch gleichzeitig wirkt sie ernster und gefahrvoller, als noch vor 10 Jahren. Vielleicht ist gerade das der Grund warum ich als kleiner Junge meinen Vater nicht verstanden habe, warum er sich ständig so viele Sorgen und Gedanken gemacht hat.“


    Für einen Moment hatte seine Stimme einen ernsteren Tonfall angenommen. Unpassend zum Glanz in seinen Augen. Allerdings sollte dieses Missverhältnis durch seine folgenden, heiteren Worte wieder richtig gestellt werden.


    „Allerdings würde ich schon gerne wieder einen einfachen Karren zum Renngespann umfunktionieren. Vielleicht nicht in den Gassen Roms. Aber wer weiß, vielleicht finde ich ja noch einen in der Kaserne oder vor den Toren Roms. Mein Tribun wird mich dann noch fester in sein Herz schließen“


    Als sie schließlich vor ihm stand, den Schmerz verdecken wollte und ihn doch offenbarte, blickte Constantius die Gasse hinab. Wie würde er ihr den Weg nur erleichtern können. Tragen durfte er sie nicht. Erst in die heimische Casa zu eilen und die Sänfte herbringen zu lassen, würde eine Ewigkeit dauern. Er seufzte innerlich und der Gedanke an den vorhin erwähnten Ochsenkarren kam auf, als er ein entferntes Rumpeln vernahm.


    „Ich…Ich komme gleich zurück. Ich muss nur schnell etwas nachsehen“, sprach er zu ihr und setze sich bereits in Bewegung, bevor sie etwas erwidern konnte.


    Im schnellen Laufschritt eilte er die Gasse hinab, übergab ohne anzuhalten dem wartenden Sklaven den Kelch, den er zuvor noch entliehen hatte, und verschwand für einen Moment aus dem Blickfeld.
    Die Zeit verstrich und in dem Lärm Roms war nichts auffälliges zu vernehmen, schon gar nicht die Stimme des jungen Miles. Doch so urplötzlich, wie Constantius entschwunden war, tauchte er auch wieder auf. Schritt stolzen Schrittes neben einem einfachen und dennoch sauber aussehenden Marktkarren her.
    Schließlich erreichten Gespann und Constantius wieder die Stelle, an der Sabina immer noch wartete.


    „Es ist keine Sänfte..“, begann er entschuldigend zu ihr zu sprechen.
    „..doch eine Möglichkeit, wie du im Sitzen deine Casa erreichen kannst. Der werte Herr hat sich bereit erklärt seinen Wagen einen kleinen Umweg fahren zu lassen. Der Cohortes Urbanae zu liebe.“


    „und ich werde dir deine Eskorte sein, damit dir kein weiteres Leid mehr zustößt.“
    Er nickte ihr leicht zu. Versuchte ihr ein aufbauendes Lächeln zu schenken, was jedoch eine Spur von Verlegenheit enthielt. Verlegenheit über die unangemessene Beförderungsart

    Es war ein Moment, der sicherlich viele Worte hätte heraufbeschwören können. Es war ein Moment, der Constantius tief ergriff und ihn sprachlos machte. Weshalb er zunächst nichts erwidern konnte, trotz des bedeutsamen Ereignisses. Hatte seine Stimme alle Kraft eingebüßt, vermochte er auch mit seiner Hand nur behutsam die ihre zu drücken.
    Was wollte er ihr alles sagen. Das er niemals etwas zwischen sie kommen lassen würde? Das sie schon immer seinem Herzen am nächsten war und auch bleiben würde? Das er jederzeit und überall für sie einstehen würde? So viele Gedanken. So viele beutungsschwere Gedanken. Gedanken zu beutend, zu schwer um sie jetzt aussprechen zu können. Für einen Moment wirkte der junge Miles nicht wie ein Soldat Roms, sondern wie..ja eben wie ein junger Bruder, der mit großen, braunen Augen zu seiner Schwester aufblickte.


    In der Ferne erschallten Trompetensignale. Für Constantius wohlbekannte Signale. Signale die ihn innerlich zur Eile antrieben, denn er kannte die Konsequenzen der Missachtung dieser Signale. Widerwillig löste er sich deshalb von seiner Schwester. Wissend, dass er ihr nicht alles hatte sagen können, was das Band zwischen ihnen betraf. Doch er hoffte darauf, dass sie dies ohnehin erahnen würde.
    Mit geübten Handgriffen richtete er den Sitz seiner Uniform, seinen Waffengurtes und blickte nochmals zu Helena.
    „Der Mittagsappell…ich muss mich beeilen…“
    Innerlich zur Hast angetrieben, blickte er in die Richtung der Kaserne und trat dann doch noch einen Schritt auf Helena zu. Gab ihr in der gleichen Art und Weise, wie sie es getan hatte, Helena einen Kuss auf die Stirn.
    „Ich werde immer für dich da sein.“, flüsterte er ihr entgegen, offenbarte ein aufrichtiges Lächeln und wandte sich um.
    Mit vom Lauftraining geübten Schritten, rannte er los, der Kaserne entgegen, wo der Dienst ihn erneut erwartete.

    Es war ihr Lächeln und ihr Blick, die Constantius dazu bewegten, seinen Blick von ihr abzuwenden und mit einer Spur Verlegenheit den marmornen Boden des Atriums zu bestaunen. Es war nur ein flüchtiger Blick, doch nicht zu übersehen. Ebenso wenig, wie kurz darauf dem Iulier ihren verlegenen Blick bemerkte.


    „Aber du hast mich darum gebeten, ohne wirklich zu wissen, wie eintönig diese Geschichten sein können. Allerdings gewähre ich dir die Möglichkeit durch einen lauten Hilferuf meine Erzählungen zu unterbrechen.“


    Das Lächeln auf seinem Gesicht unterstrich den scherzhaften Charakter seiner Worte.
    Ein Lächeln das auf seinem Gesicht zu gefrieren schien, als seine Gehirnwindungen ihren Blick und ihre Worte zu deuten versuchten.
    Er konnte sich kaum vorstellen, dass die Schwerthiebe, in ihrer Anzahl doch begrenzt, aber in ihrer Kombinationsmöglichkeit eine unendliche Mannigfaltikeit bietend, leichter durcheinander zu bringen waren, als die ebenso unendliche Anzahl von verschiedenen Opfern. Doch. da war noch mehr. Nicht in ihren Worten, aber in ihrem Blick. Sie würde doch nicht etwa Fechtunterricht in Erwägung ziehen. Die einzige Frau, die eher unfreiwillig sich die Kunst des Kampfes mit dem Holzgladius aneignen musste, war Helena gewesen. Und das auch nur, um sich ihres kleinen, sehr lebhaften und verträumten Bruders erwehren zu können. Denn wie oft kam Constantius, das Holzgladius wild schwingend, um die Ecke gerannt und schrie aus Leibeskräften. „Für ROOOOOM!“ und jagte seiner meist fröhlich perplexen Schwester hinterher.


    „So schwierig sind diese Schwerthiebe in ihrer Grundform gar nicht. Es gibt sogar nur eine sehr begrenze Anzahl von unterschiedlichen Stößen und Hieben. Das was die Kunst am Schwertkampf ist, ist die Kombinationsmöglichkeit dieser Schläge zu erkennen. Zu erkennen, wann und wie der Gegner angreifen oder parieren wird. Es ist wohl der Grund, warum die Barbaren große Keulen bevorzugen, die diese Beobachtungsgabe und Kunst nicht benötigen. Und warum sie uns auch immer unterlegen sein werden.“


    Er lächelte sie schelmisch an.
    „Aber wenn du möchtest, kann ich dir ein paar der Grundschläge zeigen. Obwohl es vielleicht nicht die interessanteste Tätigkeit für dich ist, mit einem Holzgladius herum zu fuchteln“

    Wieder einmal musste der Anblick der Beiden einen unwissenden Passanten zum Schmunzeln, wenn nicht sogar zum Lachen gebracht haben. Hatten sie zuvor auf merkwürdige Weise die Köpfe verrenkt und eine unbedeutende Hauswand betrachtet, wechselten sie sich nun mit verlegenen Blicken auf den ebenso unschuldigen Boden ab. Gerade, als Constantius wieder zu ihr blickte und sie dafür verlegen zu Boden schaute, musste er abermals kurz über ihre Worte lachen.


    „Ob wir heute vernünftiger geworden sind? Natürlich sind wir das. Immerhin muss ich doch für Ruhe und Ordnung in der Stadt sorgen. Da komme ich doch nicht auf den Gedanken unserem Tribun einige Streiche zu spielen. Und gewiss auch keinem anderen Miles. Und ich würde niemals einen einfachen Karren zu einem Renngespann umfunktionieren.“
    Die erheiterte Ironie verkehrte seine Worte in ihr genaues Gegenteil, was wohl auch so beabsichtigt war.
    „Bist du denn viel vernünftiger geworden? Ich für meinen Teil muß gestehen, dass es wohl immer noch einen Teil in mir gibt, der zuerst handelt und dann über die Konsequenzen nachdenkt. Ebenso wie es einen Teil in mir gibt, der wohl sehr gerne Dinge fallen lässt“
    Vergnügt und unbeschwert blickte er sie an. Das Leuchten in seinen Augen war mehr als nur ein Beweis dafür, dass er sich in ihrer Gegenwart sehr wohl fühlte. Auch wenn er nun abermals verlegen zu Boden blickte, als sie ebenfalls eingestand, dass sie ihre Begegnung erfreute.


    Wie so oft schob sich ein sorgenvoller Blick in seinen Gesichtsausdruck, als er sie bei ihrem Aufstehversuch beobachte. Vorsichtshalber erhob er sich ebenfalls. Bereit jederzeit das Pilum, das er immer noch sicher in seiner linken Hand hielt, fortzuwerfen, um sie stützen oder auffangen zu können.
    Der Anblick, den sie darbot, vertrieb die sorgenvollen Falten auf der Stirn des Iuliers keineswegs.
    In Tarraco, bei einer nahen Bekannten oder einer Verwandten, hätte er sicherlich nicht gezögert, sie zu ihrem Heim zu tragen. Doch sie war im Grunde eine Fremde und eine Senatorentochter noch dazu. Sie gab sich tapfer, doch war ihr Schmerz nicht zu übersehen.


    „Sei mir nicht böse, doch werde ich dich nicht gehen lassen. Ich werde einen Weg finden, wie die sanfter nach Hause gelangen kannst“

    Der Schweiß begann bereits langsam die Schläfen Constantius herab zu laufen. Die Hitze machte den Lauf fast unerträglich. Schon recht früh musste Constantius sich eingestehen, dass diese Übung nicht mit Leichtigkeit zu bestehen war. Lediglich der einprägsame Rhythmus der aufkeimenden Gesänge, ließen ihn hier und dort die Qual des Trainings vergessen. Als sich schließlich das kleine Reimduell entwickelte, konnte er auch nicht umhin, hier und dort in das Gelächter der Soldaten mit einzustimmen. Was wiederum dazu führte, dass sie eine weitere Runde zurücklegten, ohne dass er über die stechenden Schmerzen in seiner Flanke nachdachte.


    Als die Gesänge langsam wieder abklangen und das monotone
    „Unos..duos..“, des lautstarken Miles Sextus Silus überhand gewann, gab sich Constantius einen Ruck und erhob nun seinerseits die Stimme.


    „Mörder, Diebe horchet auf.
    Die Cohortes naht im schnellen Lauf!“


    „Der Boden unter uns erbebt,
    drum besser ihr um Gnade fleht!“

    Es war ein stiller Moment, als Constantius seine Schwester in den Armen hielt. Es war ein beruhigender Moment. Es war ein Moment, in dem er wenigstens eine Kleinigkeit bewirken konnte. Auch wenn es wirklich nur eine Kleinigkeit war. Denn ihre Last, ihre Müdigkeit konnte er ihr nicht nehmen. Ebenso konnte er ihr nicht mehr geben, als seine brüderliche Liebe. Es zählte dabei auch nicht, dass er ohne zu Zögern sein Leben geben würde für sie, würde man ihn vor die Wahl stellen. Denn die Liebe, die ihr der richtige Ehemann geben konnte, vermochte er nicht zu ersetzen. Er würde diese Lücke nicht schließen können, ebenso wenig wie er ihr den Verlust und den Schmerz, den Titus Tod hinterlassen hatte, hätte nehmen können. Es war die Kluft, vielleicht der einzige Graben, zwischen ihnen. Vielleicht wurde es ihm, als er in das Zwielicht des Zimmers starrte, noch deutlicher bewusst als jemals zuvor. Nichtsdestotrotz beließ er seine Arme um sie, gab ihr das bisschen, dass er ihr als Bruder geben konnte.
    Gerade, als sich schmerzhafte Erinnerungen in sein Bewusstsein kämpften und die Dunkelheit sich zu den illusorischen Umrissen einer ganz bestimmten Frau zusammenzog, als er sich an seine eigene Wunde zu erinnern begann, erklangen die Worte Helenas, die ihn vor diesem Trübsinn bewahrten.
    „Constantius, du bist ein Miles Roms, verhalte dich auch so. Sei eine Stütze Roms und deiner Familie und wimmre nicht wie ein Kind!“, ermahnte ihn eine innere Stimme.


    „Du hast Recht. Ein Sklave sollte ihr folgen. Allerdings denke ich da nicht an Wonga. Er ist kräftig und zuverlässig, aber für eine derartige Aufgabe etwas zu plump. Hast du an jemanden spezielles gedacht? Ich werde jedenfalls Numerianus fragen, was er in der Angelegenheit ihrer Heirat beabsichtigt zu unternehmen.“
    Seine Worte gefielen ihm ganz und gar nicht. Es lag ihm fern Livilla einschränken zu wollen und schon gar nicht wollte er sie in eine Ehe zwingen, zu sehr erinnerte er sich an Helenas Gesichtsausdruck als….
    „Du bist der Mann in diesem Haus. Hör auf wie eine bemitleidenswerte Mimose zu denken. Wir alle haben uns zu beugen und zu fügen.“, erneut hob die innere, umbarmherzige Stimme ihren imaginären Zeigefinger.


    Doch anstatt den Ruf der verbitterten Stimme zu folgen, wurde sein Gesichtsausdruck weicher. Zu weich für einen Miles, doch sehr wohl passend für einen gerührten, ergriffenen jüngeren Bruder. Es kostete Kraft, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen. Und so strich er ihr nur mehrmals über ihr Haupt, bevor er antwortete.
    „Ich weiß, dass du mir jederzeit zur Seite stehen wirst.“


    „Und ich werde mich bemühen eine weise Entscheidung zu treffen. Doch weiß ich noch nicht wie ich entscheiden soll. Ich werde ihr den Ausgang bei Einbruch der Dämmerung zunächst verbieten, bis ich Nachricht aus Germanien erhalte. Ebenso wird sie das Haus nicht mehr ohne Begleitung verlassen dürfen. Es wird ihre Aufgabe sein uns über ihre Schritte in Rom zu informieren. Sie wird den Göttern Opfer darbringen und um Vergebung bitten und für ihre Rettung danken. Ebenso wird sie mit Petronius Mela reden müssen. Ihm für den Schutz danken und auch gestehen, dass sie ihn nicht liebt. Diese Angelegenheit muss geklärt werden und ich werde dies mit ihr tun. Alles andere werde ich nach einem weiteren Gespräch mit ihr entscheiden. Hast du vielleicht noch Ratschläge…für mich…was ich tun soll?“


    In seinen letzten Worten, klang dann schließlich doch etwas Unsicherheit mit, die er so lange in sich verborgen gehalten hatte.

    Da war es wieder. Jener Teil des jungen Iuliers, der immer noch nach Ruhm und Ehre strebte und in den Erzählungen über Germanien die Möglichkeit zur Erreichung dieser Ziele sah. Es ist jener Gedanke, der junge Männer dazu verführt, die Wirren des Krieges mit der Einfältigkeit eines Schafes zu sehen, dass zur Schlachtbank geführt wurde. Keinen Gedanken verschwendete er daran, dass mehr als 15 000 Römer alleine bei der Varusschlacht ums Leben gekommen waren. Und schon gar nicht glaubte oder dachte er daran, dass er jemals einer dieser toten Helden sein würde.


    „Gewiss werden wir eines Tages Germanien bereisen. Immerhin weilt ein Großteil unserer Familie dort. Und vor allem arbeitet auch unser Vater dort. So wird sich unser Weg bestimmt auch in diese Gefilde führen. Ich hoffe nur, dass es in der Zeit des Sommers sein wird. Trotz der Schönheit des Winters dort, soll es furchtbar kalt werden. Ganz anders als hier in Roma, wo die Götter uns doch mehr oder weniger verwöhnen. Vermisst ihr Germanien? Oder ist dies Land der Wilden zu bedrückend, als das man es vermissen könnte?“


    Er schüttelte kurz den Kopf


    „Sicherlich werdet ihr Germanien vermissen. Gewiss weilen eure Familie, eure Frau und eure Kinder in Germanien. So nehme ich an.“


    Sein Gesichtsausdruck hatte sich bei seiner Frage nicht verändert. Blieb harmlos, fast unauffällig. Und doch waren seine Augen so aufmerksam wie die eines Adlers, der seine beute aus luftiger Höhe erspäht hatte und nur darauf wartete, dass sie sich aus ihrer Deckung hervor wagte.

    Also der Princeps Prior den Raum wieder betrat, wollte Constantius zunächst salutieren, doch ließ ihn die Wachstafel, die er in Händen hielt, diesen Gedanken wieder werfen. Deshalb begnügte Constantius sich mit einem ernsten, ehrfürchtigen Nicken.


    Nur von einem Schweigen begleitet, überreichte der Miles constantius dem Princeps Prior die Wachstafel, auf der einige Notizen niedergeschrieben worden waren.



    Beobachtungen
    Sowohl Tische als auch Stühle sind umgekippt worden.
    Das Opfer weist mehre Messerstiche in der Brust auf. Vermutlich eine dolchartige Waffe. Sicherlich kein Gladius.
    Ebenfalls wurde die Wohnung äußerst „gründlich“ durchsucht. Allerdings sind nicht alle wertvollen Gegenstände aus der Wohnung entfernt worden. Dies lässt verschiedene Schlussfolgerungen zu. Entweder wurde der Täter gestört oder hatte Angst zu früh gestört zu werden. Oder es handelt sich um einen beauftragten Mord und es wurde nur ein spezieller Gegenstand gesucht. Leider sind derzeit keine Informationen über das eigentliche Inventar dieser Wohnung vorhanden, so dass keine eindeutige Aussage getroffen werden kann.

    Es war nicht nur eine Aufmerksamkeit der Höflichkeit wegen, die Constantius Lucius Annaeus Florus entgegen brachte. Es war eine aufrichtige, ehrliche Aufmerksamkeit, als er seinen Worten zuhörte.


    „Natürlich steht euch die Casa der Iulier jederzeit zur Verfügung. Sowohl du, als auch Andreia natürlich könnt hier ein Zimmer beziehen. Es wäre uns sogar eine besondere Freude. Ich hoffe du verzeihst mir die Frage, aber was für ein Amt wirst du hier in Rom bekleiden?“

    Mit einem sanften Lächeln nickte Constantius der Dienerinn zu, die den Raum sehr bald wieder verlassen hatte, und beobachte still Minervina einen Augenblick. Gewährte ihr die Zeit für einen erfrischenden Schluck des einfachen Wassers. Gewiss war es kein Ambrosia, doch er selbst schätze die erfrischende Kraft des einfachsten aller Getränke.


    Ihre folgenden Worte, sollten ein rheitertes Lächeln auf sein Gesicht zaubern.
    „Ich hoffe doch, dass ich deinem Aufenthalt hier auch etwas Angenehmes beisteuern kann. Immerhin erwarten dich noch die sehr aufregenden Geschichten eines sehr müden Miles. Aber ich kann dich beruhigen, du wirst sie nicht die ganze Zeit ertragen müssen. Ich hoffe doch sehr, dass du später noch Appetit auf ein kleines Mahl hast. Niemand soll ja schließlich sagen, dass du hungrig die Casa der Iulier verlassen hast.“


    Aufmerksam folgte er auch ihren Erklärungen über den heutigen tag, den sie erlebt hatte. Offenbarte auch keine Reaktion auf ihren Hinweis, dass ihre Ausbilderin ihre Tante ist.
    „Es klingt gar nicht so einfach, wie du es darstellst. Ich kann mir gut vorstellen, dass man bei all den verschiedenen Opfern leicht etwas durcheinander bringen kann. Jedenfalls würde es mir wahrscheinlich geschehen“, gab er schmunzelnd zu.

    Die Erheiterung über ihre Worte stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
    „Ich weiß gar nicht, ob ich damals unbedingt nach dem Ärger gesucht habe. Ich hätte es durchaus auch angenehm gefunden, wenn ich am Abend einmal nicht die Aufmerksamkeit meines Vaters erregt hätte. Doch es gab einfach viel zu viele Sachen zu entdecken. Und erstaunlicherweise waren gerade die Sachen am spannendsten, die vorher eindeutig verboten worden waren.“


    Sein Grinsen gewann etwas an Intensität.


    „Vielleicht wäre gar nicht so viel passiert, wenn man einem kleinen Jungen nicht so viel verboten hätte. Wahrscheinlich wäre die Welt aber auch deutlich langweiliger gewesen. Immerhin musste man doch herausfinden, warum man das Pferd nicht reiten sollte. Warum t das alte Fuhrwerk nicht als Streitwagen für wilde Wettfahrten um das Anwesen missbraucht werden durfte.“


    Erneut endeten seine Worte in einem leisen Lachen, während sein Blick vergnügt den Blick ihrer Augen suchte. Dieser Tag entwickelte sich prächtig. So losgelöst und unbeschwert hatte er sich seit Tagen nicht mehr unterhalten. Dafür war er auch gerne bereit einen weiteren Latrinendienst aufgebrummt zu bekommen, wenn seine Vorgesetzten von dieser Begegnung Wind bekommen sollten.


    „Ich hoffe du verstehst mich nicht falsch, denn natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn du unbeschadet an mir vorbei gegangen wärest, doch ich muss den unachtsamen Bürgern Roms auch dankbar sein. Nicht nur, weil beim Anblick meiner Ausrüstung bald alle denken werden, dass ich ein schlachterprobter Soldat bin, sondern vor allem, weil ich dich habe kennen lernen dürfen.“ Es war nicht einmal eine absichtliche Reaktion, hatte er doch heute bereits genug Verlegenheit offenbart, doch er konnte nicht anders, als seinen Blick kurz gen Boden zu richten. Still und etwas verlegen lächelnd.


    Doch ihre folgenden Worte sollten ihn sehr rasch wieder aufblicken lassen. „Ich will nicht hoffen, dass dir auch noch ein Ochsenkarren über die Füße fährt. Ich hoffe doch, dass ich wenigstens einen rumpelnden Karren, der von schnaufenden Rindviechern gezogen wird, frühzeitig bemerken und dir diesen Schmerz ersparen zu können. Sollte der Schmerz dich beim Laufen jedoch wieder einholen, noch immer kann ich die Sänfte aus meiner Casa herbeibeordern und dich zu deinem Heim bringen lassen. Es wäre kein Umstand für mich. Eher eine Erleichterung, dich in relativer Sicherheit zu wissen. Und meiner Schwester macht es gewiss nicht viel aus, wenn sie ihre Sänfte für einen Augenblick verleihen muss.“

    Es war nur ein dezentes, kaum sichtbares Kopfschütteln, das die Worte Helenas auslösten. Ein Kopfschütteln, begleitet von einem müden Gesichtsausdruck, der dennoch ein Lächeln beinhaltete. Ja er war müde, aber was hatte dies schon zu bedeuten. Er würde am nächsten Morgen nur einen weiteren Appell über sich ergehen lassen müssen. Würde seine Ausrüstung schultern und in die Gassen Roms ziehen. Was war da schon etwas Müdigkeit?
    Helena hingegen würde einen weiteren schweren Tag in der Curie überstehen müssen. Würde sich um die Probleme der Bürger kümmern und gegen die Spitzelleien so manch uneinsichtiger männlicher Politiker wehren müssen.
    Und immerhin war er ihr Bruder. Was wäre er sonst wert, wenn er nicht wenigstens dafür sorgen konnte, dass seine Schwester etwas Schlaf fand? Welchen Sinn würde seine Anwesenheit dann noch haben?


    Es war eine für ihn ungewöhnliche Geste. Vielleicht war es auch das erste Mal, dass der jüngere Bruder seiner Schwester diesen Halt geben wollte. War es in der Vergangenheit doch stets andersherum gewesen, Behutsam zog er Helena etwas näher zu sich, so dass ihr Kopf schließlich auf seiner Schulter ruhte. Es war keine sonderlich gewaltige Geste, doch legte er schützend beide Arme um sie und versuchte ihr etwas von der Kraft zu schenken, die ihm verblieben war,.


    „Ich werde mich bald ebenfalls zur Ruhe legen. Doch viel wichtiger ist es mir, dass du noch ein paar Stunden Schlaf findest. Vielleicht sollte Teremun dir auch einen Schlaftrunk zubereiten. Dir steht ein anstrengender Tag bevor. Und du benötigst deine Kraft. Es wird Rom nicht kümmern, wenn einer ihrer Miles mit halb geöffneten Augen durch die Stadt läuft. Doch Ostia wird einen ausgeschlafenen Duumvir benötigen.“


    In einer brüderlichen und beruhigenden Geste strich er ihr über das Haupt.


    „Ich werde mit ihrem Verehrer sprechen, so bald er ansprechbar ist. Ich werde diesen Zwischenfall lückenlos aufklären. Ebenso werde ich einen Brief an Onkel Numerianus schicken. Ich weiß nicht welche Strafe ich ihr auferlegen kann. Es ist eine schwierige Situation, doch ich werde sie lösen. Derartiges wird nicht noch einmal geschehen. Enttäuscht bin ich ebenfalls, doch auch zugleich dankbar, dass sie wohlbehalten nun in der Casa weilt. Doch für heute solltest du dir keine Gedanken mehr machen. Vielleicht überfordert Rom sie auch etwas. Jedenfalls werde ich sie nun stärker beobachten.“


    Sein sanftes Lächeln, das er ihr schenken wollte, um sie zu beruhigen, verklang wahrscheinlich ungesehen in dem Zwielicht seines Zimmers. Doch hielt er sie noch einen weiteren Moment in seinen Armen, in dem Versuch, sie etwas zu beruhigen.

    Er nickte zustimmend zu ihren Worten. Was wäre wohl alles geschehen, wenn sich der kleine Constantius, der all zu oft das Pferd seines Vaters entführte und die kleine Sabina, die den Weinkeller ihres Vaters verwüstete, getroffen hätten? Hätten sie gar die Weinfässer mit seilen von den Pferden durch die Felder ziehen lassen?
    Er schmunzelte vergnügt, als sich die abstrusesten Gedanken in seinem Geist formten.
    „Also wenn ich daran denke, was wir für ein Aufsehen erregt haben, bei unserer ersten Begegnung. Also noch bevor wir uns hier kennen gelernt haben. Dann hätten wir in Tarraco wohl gewaltigeres Aufsehen erregt. Und der Ärger wäre wohl wirklich noch viel gewaltiger gewesen.“


    Als sie ihn so rasch und doch so freundlich unterbrach, musste er sich bemühen nicht zu stark vor Freude zu lächeln.
    „Ich werde dir gerne den Weg weisen, solltest du dich einmal verirren. Und gewiss werde ich dich in unsere Casa einladen, wenn du den Weg zu uns finden solltest. Es wäre mir eine Freude und eine Ehre. Ebenso wäre es eine Ehre und Freude für meine Schwester. Diese Porta wird dir in Rom jederzeit offen stehen.“


    Nochmals wanderte sein Blick zum Himmel. Wie lange mochten sie schon hier sitzen? Die Zeit war wie im Fluge vergangen und Constantius hatte jedes Zeitgefühl verloren. Einen so erfreulichen Dienst hatte er bisher in Rom noch nicht erlebt.


    Behutsam sollte er jedoch seine folgenden Worte wählen. Als könnten diese den Schmerz wieder anfachen.
    „Geht es dir etwas besser?“