In letzter Zeit schlief Lando nicht gut. Garnicht gut. Er erwachte immer wieder, weil er das Gefühl hatte zu ersticken. Und wenn er dann erwachte, hörte er nichtmehr die üblichen Geräusche des ruhenden Hauses, die der schlafenden Stadt oder den ruhigen Atem seiner Frau, nein, das erste was er hörte war das Rasseln in seinen Lungen. Irgendwie wusste er, dass ihn dieses Rasseln umbringen würde. Drei Männer waren schon an den Folgen des großen Brandes verreckt, und er spürte, dass Hel nicht weit war.
Weit war Hel allerdings für die tote Römerin, die seit Tagen im Atrium des Hauses aufgebahrt war. Für Lando ein seltsames Geschehen. Die Herrichtung der Toten war ihm unheimlich, gerade weil er Angst vor dem hatte, was passieren konnte wenn man Toten ihre Ruhe nicht gönnte. Aber sie war Römerin, und Witjon hatte auf der Einhaltung der römischen Traditionen bestanden. Was dafür sorgte, dass sämtliche Menschen, die in den drei Tagen der germanischen Totenruhe gekommen wären sich nun auf sieben Tage verteilten, was Lando weniger in den Kram passte. Bei drei Tagen hätte er den ganzen Öffentlichkeitszirkus schnell hinter sich gehabt, so aber wurde er immer wieder aus dem Tagestrott gerissen, um die Besucher zu empfangen nachdem sie Witjon ihr Beileid ausgesprochen hatten.
Sowieso: Witjon. Die sehr heftige Reaktion nach Callistas Tod machte Lando große Sorgen. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass Callista draufgehen konnte, gerade weil sie die Wochen zuvor quasi nur krank gewesen war. Um ehrlich zu sein: es hatte ihn gewundert, dass sie nicht mitsamt Ungeborenem lange vor der eigentlich Geburt verstorben war, was ihm dann doch Respekt abnötigte. Sie hatte ihren Zweck erfüllt, wenn auch nur einmal. Jetzt musste das Balg nurnoch überleben, und die Situation sah nicht ganz so düster aus.
Das waren die Gedanken, die Lando durch den Kopf schossen nachdem er wieder einmal außerplanmäßig aufgewacht war. Nachdem er begriffen hatte, wie absurd die Situation war, sich noch im Halbschlaf über sowas den Kopf zu zerbrechen, bemerkte er, dass er alleine war. Er warf sich ein langes Hemd über und schlüpfte in eine Hose bevor er einen Blick in das kleine Bettchen seiner Tochter warf. Die Kleine schlief noch tief und fest, was für das Mädchen in letzter Zeit immer typischer wurde. Ein Segen für die Eltern.
Leise versuchte er die Treppe zum Rundgang hinab zu steigen, und dann sah er seine Frau, wie sie bei der toten Römerin stand. Wenige Augenblicke später stand er bei ihr, und schlang seine Arme um sie und küsste sie auf ein Ohr.
"Warum bist du schon wach?", fragte er, als wäre Callista garnicht da. Er hatte Stunden hier zugebracht, und über die aktuelle Situation nachgrübelnd die Aufgebahrte angestarrt bis ihm die Augen weh taten. Irgendwann hatte er einfach aufgehört, sie zu sehen.. wenn sie noch länger hier lag, würde er beginnen sie als Einrichtungsstück wahrzunehmen.