Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Nichts als einige verwirrt blickende Sklaven, die uns die Pferde gebracht hatten, blieben im Hof zurück, nicht einmal eine Botschaf für Gracchus oder sonst jemanden im Haus, selbst Straton hatte von unserem eiligen Aufbruch nach Ostia nichts erfahren - aber die Zeit drängte, und nicht wenige Fuhrleute fluchten ganz ungemein, als sie uns beiden eiligen Reitern ausweichen mussten, die durch die nächtlichen Straßen Roms rasten, als seien sie hinter Daimonen her ...


    Die Nacht war längst über Rom herabgesunken, als zwei Pferde im schnellen Tempo die Millionenstadt verließen - auf dem einen saß ich mit einer nicht zu unterdrückenden Furcht um meinen Sohn und seine Mutter im Sattel, auf dem anderen jagte Severus neben mir hier - und zum ersten Mal, seit er mir überantwortet worden war und im Grunde eine Menge Ärger gemacht hatte, war ich um seine Begleitung froh. Das hier war keine Sache für Worte mehr, auch nicht für Männer, die sich auf dem gesellschaftlichen Parkett wohlfühlten und sich dort gerne aufhielten, oberflächlich betrachtet war ich wohl auch einer von jenen, und hatte die Leichtigkeit dieser unverbindlichen Vergnügen immer genossen.
    Aber nun, da eine direkte Bedrohung für mich wichtiger Menschen vor mir stand, gegen die höchtwahrscheinlich nur Geld oder nackte Gewalt helfen würde, musste ich auch angemessen handeln. Ich hatte nicht vor, mich von irgendeinem Unbekannten erpressen zu lassen, weder mit dem mangelnden politischen Geschick meines Vaters, noch mit meinem Sohn, der damals, als sein Leben entstand, durchaus ein Kind der Liebe gewesen war, erst recht nicht mit dem Leben der Mutter meines Sohnes, die mir damals das Leben gerettet hatte, ohne zu ahnen, wer ich war und ob ich mich als dankbar erweisen würde. In jener Zeit war aus meinem Leben, das ich stets als Spiel betrachtet hatte, Ernst geworden, und dieser Ernst hatte meine weiteren Entscheidungen geprägt.


    Während mir der Wind um die Ohren pfiff, ich den gewaltigen Leib Lapsus' weiter antrieb, um ihn zu mehr Eile zu gemahnen - selbst fliegen wäre mir jetzt noch zu langsam gewesen - peitschten mich auch meine eigenen Gedanken, meine Befürchtungen voran, am liebsten wäre ich gerannt, aber ich wusste ebenso gut, dass ich sicherlich schneller mit Pferd war als zu Fuß, und schrieb diese Wünsche der Sorge zu, die mich in ihrem eisigen Griff hielt. Severus ritt gut, und ich war auch darüber insgeheim froh, selbst wenn sich dies wohl nicht nach außen spiegeln würde, die eisige Maske meines Schweigens lag wieder über meinem Gesicht und schottete mich so weit ab wie möglich. Ich hätte jetzt nichts sprechen können, nichts sagen wollen, zu sehr waren meine Gedanken davon ergriffen, was geschehen sein mochte, ich hatte seit einigen Tagen nichts aus Ostia gehört, war ich vielleicht schon zu spät? War ich zu sorglos gewesen, hatte ich zu sehr darauf vertraut, dass ich keine wirklichen Feinde besaß, weil ich bisher noch nie jemandem direkt entgegen getreten war? Es war nichts als meine Schuld, dass dies alles geschehen konnte, allein ein Drohbrief war schon mehr, als ich jemals erwartet hatte. Lebten wir denn alle so bequem in unserem goldenen Käfig unserer Existenz, dass wir uns darauf verließen, solchen Problemen nicht ausgestzt zu sein?


    Die nächtliche Landschaft neben der Straße nahm ich nicht einmal war, roch nur den scharfen, würzigen Duft der winterlichen Gräser, die noch am Wegesrand der gepflasterten via wuchsen, alles andere vermischte sich zu dunklen Schatten, die mein Blickfeld nicht wirklich trafen, sondern am perphären Rand vorbeiglitten, ohne dass ich sie hätte halten wollen. Es war eine sternenklare Nacht, sehr kühl, und selbst für diese Kälte hatte ich keine wirkliche Empfindung, ich musste einfach voran, voran nach Ostia, zu meinem Sohn, zu seiner Mutter, zu diesem letzten Fleckchen Ruhe und Geborgenheit in meinem Leben, zu dem ich bisher ohne Sorgen oder Reue hatte zurückkehren dürfen, um mich einige Stunden lang eines ruhigen Lebens zu erfreuen, dem Geschwätz, das Orestilla vom Markt mitbrachte, dem gutmütigen Brummen ihres Vaters, dem leisen Quäken meines Sohnes. Wäre ich dort geblieben, wäre ich glücklicher gewesen? Aber die Antwort darauf verlor sich im eiligen Trommeln Lapsus' Hufe auf der Straße, die einfach nicht schnell genug waren ...

    "Komm herein," rief ich gen Türe, in der Annahme, dass es sich um Straton handeln würde, und ich hatte mich nicht geirrt. "Straton, Micipsa ist ein neues Mitglied unseres Haushalts, und ich möchte, dass Du ihm einen angemessenen Schlafplatz zuweist, Kleidung und so weiter, was eben dazu gehört. Er wird in Zukunft für die Unterhaltung meiner Gäste bereitstehen und erhält Zugang zur hauseigenen bibliotheca, um seine Bildung zu verfeinern. Es ist ihm erlaubt, das Haus zu verlassen, aber in den ersten drei Wochen nur in Begleitung anderer Sklaven, die den Rückweg kennen. Zudem soll er die Gelegenheit erhalten, seinen Körper zu ertüchtigen, um den jetztigen Stand beibehalten zu können." Straton nickte auf meine Worte, und mein Blick wandte sich wieder Micipsa zu. "Wenn Du Fragen haben oder Hilfe brauchen solltest, wende Dich an Straton, er handelt in meinem Auftrag und mit meinem Vertrauen. Lebe Dich gut ein, und Du weisst ja, was man über den Traum in der ersten Nacht in einem neuen Haushalt sagt - er sei ein Omen über die persönliche Zukunft." Damit nickte ich den beiden verabschiedend zu, mein Werk für heute war getan - nur noch ein Becher Wein wartete und dann die verdiente Entspannung, ich war inzwischen wirklich müde und sehnte mich nach ein wenig Ruhe.

    Jede andere Entscheidung hätte mich auch sehr überrascht - mein patronus wusste, was sich gehörte. Und wenn ein Gott ein Opfer nicht akzeptierte, dann musste man eben so stur und stark sein, es so lange zu versuchen, bis das positive Ereignis endlich eintrat. Auch wenn es an meinem Selbstverständnis als Priester ganz gewaltig kratzte, dass nun schon das zweite Opfer nicht angenommen worden war, bisher hatte ich immer Glück gehabt, und ausgerechnet von Mars so zurückgewiesen zu werden, schmerzte doch. Mamarce, wenn das eine Prüfung sein soll, dann sei Dir sicher, ich nehme die Herausforderung an, und wenn wir morgen früh noch dastehen und den halben Markt geopfert haben! dachte ich grimmig und nickte zu den Worten Macers. Die Menschen um uns herum wurden unruhig, als der Senator das negative Ergebnis verkündete, und ich konnte die Blicke auf uns geradezu körperlich fühlen, neugierig, aber auch entsetzt starrten die Leute zu uns, zu dem mangelhaften Opfertier, das seine nicht vorhandene Eignung erst nach dem Öffnen seines Körpers preisgegeben hatte.


    "Wir können auch wechseln, natürlich," sagte ich nach einer Weile und überlegte, was wohl angebracht wäre - ein Stier wäre sicherlich überdimensioniert, aber wenn Mars wirklich zürnte, durfte man ihm nicht mit Ferkeln kommen. "Allerdings gibt es nicht viele Steigerungen, die über der Größe eines Widders liegen würden, da bliebe nur noch der Stier, alles andere wäre kleiner, und somit wohl kaum die beste Wahl, um einen erzürnten Gott zu versöhnen." Vor allem würden Stiere teuer werden, und ich war mir nicht sicher, wie weit mein patronus bereit war zu gehen. Kurz überzeugte ich mich mit einem Seitenblick davon, dass Lucanus noch aufrecht stand und nicht etwa mit grünlichem Gesicht seinen Mageninhalt wieder von sich gab - tapfer war er ja, mein Neffe, und es war großes Pech, dass es ausgerechnet heute so schiefgelaufen war, ich hätte ihm lieber ein perfektes Opfer ohne irgendwelche Makel präsentiert. Aber vielleicht wäre diese Lektion eine umso wertvollere - dass man mit Beharrlichkeit irgendwann auch ein schweres Ziel erreichen konnte. Falls wir es erreichen würden.

    Langsam hob sich auch die zweite Braue auf meiner Stirn an, aber irgendwie imponierte mir auch der Mut dieses stinkenden Bündels Mensch, in seiner Situation noch Scherze zu machen, die höchstwahrscheinlich nach hinten losgehen würden, wenn er nicht sehr vorsichtig war. Andererseits, schätzungsweise gab es für diesen Menschen auch nicht mehr allzu viel zu verlieren und er versuchte sich seine Haftzeit irgendwie noch amüsant zu gestalten.
    "Schwanzus Longus also," erwiederte ich unbeirrt. "Ist das alles, was Du mir zu bieten hast, ein paar halbgare und nicht einmal besonders herausragende Beleidigungen? Jedes Fischweib auf dem Markt in Ostia wäre sicherlich kreativer in ihren Ausführungen." In solchen Momenten war ich um die harte Hand meines Vaters froh, der mir in meiner Jugendzeit eingeprügelt hatte, dass ein Patrizier erst dann beleidigt werden konnte, wenn er es auch wirklich wollte und ernsthaft zur Kenntnis nahm. "Also, nochmal von vorn ..warum sitzt Du hier ein?" Sehr viel weiter kam ich nicht, denn die Wache wurde abgelöst und ein Offizier schien sich unseres Besuchs annehmen zu wollen.


    "Salve, princeps prior," grüßte ich ihn höflich zurück. "Ich bin Caius Flavius Aquilius, amtierender tresvir capitalis, und ich inspiziere gerade die Kerkeranlagen der Stadt." Dass uns am Anfang ein miles herumgeführt hatte, war also ein Versehen gewesen ... nunja, was man auch immer davon halten mochte, entweder war es ein bewusster Affront gewesen, oder schlichtweg Schlamperei, beides warf nicht gerade ein positives Licht auf die cohortes urbanae. "Was kannst Du mir über diesen Mann berichten? Ich würde auch gerne ein Verlies von innen sehen, sofern dies möglich ist, um mich selbst der Gegebenheiten zu überzeugen. Gibt es eine aktuelle Liste der Gefangenen, die ich kopiert bekommen kann?" Lucanus hielt sich noch recht tapfer, ich hatte keinen Mucks und kein Würgen von ihm gehört, seit wir in den Kerker hinabgestiegen waren, und das ließ mich hoffen, dass mein Neffe über die Art Selbstbeherrschung verfügte, die er später in einem Amt brauchen würde.


    Sim-Off:

    Träum weiter :] hier wird gearbeitet ^^

    Der tartarus tat sich unmittelbar vor meinen Füßen auf und drohte, mich verschlingen zu wollen - das musste eine Verschwörung der Frauen sein, nichts anderes war diese plötzliche Verschwesterung, um das leidige Einkaufsthema nun doppelt und dreifach aufzubringen. Im Stillen verfluchte ich den Tag, an dem ich beschlossen hatte, Antonia etwas Gutes zu tun und sie zu einem ausgedehnten Einkaufsbummel zu begleiten, wenn mir das nun in regelmäßigen Abständen immer wieder bevorstand, fürchtete ich ernsthaft um meine geistige Gesundheit. Ob mich eine eilig zugelegte Erkältung vor diesem zweifelsohne grässlichen Ausflug befreien würde? Aber irgendwie hatte ich auch den Eindruck, sie würden mich zur Not noch am Fußgelenk mit auf den Markt schleppen, damit das Ganze amüsanter wurde.


    So schickte ich mich in mein unvermeidliches Schicksal, lächelte so entspannt, wie ich im Angesicht einer solchen Zukunft eben noch lächeln konnte, und meinte: "Nun, wenn euch nach einem Einkauf sein sollte, stelle ich mich gern zur Verfügung - Lucanus kommt sicher auch gerne mit, nicht wahr? - denn mein werter Neffe kennt die Märkte noch nicht so gut und neue Kleidung könnte er auch mal wieder brauchen." Warum sollte ich hier auch alleine leiden! Wer einmal mit schnatternden Frauen einkaufen war, durfte sich zu Recht Mann nennen.


    "Aber nun werde ich euch für einige Momente verlassen müssen - ihr dürft euch gerne an Lucanus schadlos halten," das sagte ich mit einem wiedererstarkten amüsierten Funkeln in den Augen, "..es gbt da noch das ein oder andere zu erledigen, das keinen Aufschub duldet, auf dass die Feier vollends abgerundet sei. So entschuldigt mein Fernbleiben, ich verspreche euch, ich werde nicht zu lange absent sein." Die Sache mit Severus im Garten stand noch aus, und nachdem nun die Damen zusammengeführt waren und auch sonst kein Gast einsam umher streifte, schien mir der Zeitpunkt günstig, mich in Richtung des Gartens davon zu machen und die anstehende Prügelei anzugehen, wie ich es versprochen hatte.

    "Meine Familie besteht aus Verrätern .. und Verwandten, die mich zum großen Teil eher erdulden denn schätzen. Schließe nicht von Grachus und Aristides auf andere, jene beiden nenne ich eher Freunde denn Verwandte, und alle anderen ... nun, man lernt damit zu leben. Und, dass Du keine Familie hast, ist nicht gänzlich korrekt, Antonia. Wir beide sind auch verwandt, und Du weißt, wie ich über Dich denke und dass ich Dich schätze." Nun, die meisten Claudier waren auch eher gewöhnungsbedürftig, dass sie mit jenen ihre Schwierigkeiten hatte, wunderte mich nicht. Dass sie unser Thema abschloss, nahm ich mit einem leichten Nicken zur Kenntnis und akzeptierte es - wir hatten es schließlich schon einmal begonnen zu besprechen und ihre Meinung schien sich seitdem nicht wesentlich geändert zu haben, ebensowenig wie die meine, außer einem sturen Beharren auf Standpunkten wäre aus einer solchen Diskussion nicht viel geworden.
    Als sie mir ihre Entscheidung mitteilte, nickte ich abermals. Halb hatte ich es befürchtet, halb anderes gehofft, aber sie wäre wohl kaum jene Frau gewesen, deren Klugheit und unabhängigen Geist ich zu schätzen gelernt hatte, wäre sie mir im ersten Augenblick bereits in die Arme gesunken.


    Ihr Blick traf den meinen, und ich lächelte sanft zu ihr, bevor ich ihr die Tür zum Laden aufhielt, damit sie eintreten konnte. "Nun, dann bin ich gespannt, was sich mir hier offenbaren wird, ich habe so die unangenehme Befürchtung, dass ich bettelarm sein werde, wenn wir hier wieder herauskommen," scherzte ich unbeschwert und sah ihr einen Moment nach, bevor sich der Händler schon auf mich stürzte wie eine Fliege auf den Honig. Ja, ganz klar, kam ein Paar in den Geschäftsraum, dann hatte der Mann höchstwahrscheinlich das Geld, aber den Redeschwall des Händlers kürzte ich mit einer knappen Geste ab und sagte: "Zeige ihr, wonach es ihr verlangt, sie ist die Hauptperson." Der Mann verstand - Frauen hatten einen teuren Geschmack und er erhoffte sich eindeutig ein gutes Geschäft, wenn er tat, was ich wollte, und schon begannen seine Fragen auf Antonia einzuprasseln. Was sie denn haben wolle? Armreifen? Ohrringe? Ketten? Ringe? Eine Gemme für ein Kleid? Es schien tausenderlei Schmuckstückarten zu geben und für jede hatte dieser Händler ein eigenes Wort. Mir graute schon jetzt davor.

    Der schelmische Humor Helenas gefiel mir, auch wenn ich mir fast sicher war, dass er zumindest an einen von uns Flaviern ziemlich verschwendet war - Lucanus war noch so jung und von seiner Mutter so gut erzogen, dass ihm hoffentlich möglicherweise zweideutige Scherze nicht aufgingen. Das würde ohnehin noch früh genug passieren, die Statuetten an diesem Stand waren schon ein ziemlich eindeutiger Anfang.
    "Tiger haben den Nachteil, reißende Bestien zu sein, und ich glaube, dass Du mit einem Stier besser beraten wärst - Verlässlichkeit, ein starker Wille und ein ruhiger Charakter sollten einen Mann eher auszeichnen denn allzu viel Wildheit." Dass ich ihr genauso zweideutig geantwortet hatte - bei Stieren verband man ja doch auch mehr als allein einen sturen Schädel mit dem gewählten Bild, man musste allein einmal an minoische Fresken denken - war letztlich ein Versuch herauszufinden, wie weit sie gehen würde, so im Angesicht der Öffentlichkeit, und so langsam gefiel mir der Gedanke an ein mehrschichtiges Gespräch, bei dem letztendlich nur ein gewisser Spaß daran im Vordergrund stand.


    "Nun, eine Weile werden wir Dich mit Vergnügen begleiten, nicht wahr, Lucanus, und dann werde ich mich wohl den Freuden der Pflicht hingeben müssen - was hältst Du von einem freien Nachmittag, mein treuer scriba? Du hast in den letzten Wochen wirklich wie ein Ackergaul gearbeitet, ein wenig frische Luft und eine angenehme Begleiterin werden Dir guttun," führte ich das Gespräch schmunzelnd fort und blickte Helena dabei bittend an. Sie sollte ruhig das Gefühl gewinnen, meine Bitte sei dem Wohl meines Neffen zugeneigt, wenngleich ich ganz andere Hintergedanken hegte. Wenn ich merkte, dass die beiden miteinander gut zurecht kamen, würde ich mich einfach davonmachen, dringende Amtsgeschäfte vorschieben und hoffen, dass er sie nicht in meiner Abwesenheit irgendwie beleidigte - besser konnte man einer künftigen Ehe nicht auf die Sprünge helfen.


    Was junge Leute vor allem brauchten, war Zeit miteinander, und am besten dort, wo man keine Dummheiten machen konnte, also auf dem Markt, und die Gelegenheit war wirklich günstig. "Ich denke, nach dem Besuch am Laden jener Coco werde ich schweren Herzens auf die Begleitung meines scriba verzichten können und ein wenig mit den Akten im officium kuscheln," sagte ich vergnügt und blickte die beiden mit einem entwaffnenden Lächeln auf den Lippen an. Irgendeinen Nutzen musste meine reichhaltige Erfahrung mit Affären und Liebschaften aller Art schon haben, wenn nicht zum Einfädeln einer Bekanntschaft zwischen zwei jungen Leuten, die nur einen kleinen Schubs brauchen würden.

    Ich war einfach gerannt, hatte mich im Rhytmus der Laufschritte komplett verloren, und was auch immer die Zuschauer gerade brüllen mochten, ich hatte dafür ebensowenig Aufmerksamkeit gehabt wie für die meisten der anderen Läufer - nur die drei Männer vor mir nahm ich war, alle anderen nicht. Als die Ziellinie nach dem schweißtreibenden Spurt in Sicht kam, trugen mich die Rufe der Zuschauer weiter und voran, und ich hatte immerhin den vierten Platz gemacht - bei meiner doch mangelnden Übung in den letzten Wochen erstaunlich genug. Keuchend und lachend steuerte ich Ursus an, um ihm zu seinem Sieg zu gratulieren.
    "Man könnte meinen, Du wolltest einer Ehefrau weglaufen, so schnell warst Du," scherzte ich grinsend mit ihm und schlug ihm auf die Schulter - dass er sich so über seinen Sieg freuen konnte, war ein sympathischer Zug und ich gönnte es ihm von Herzen. "Patronus, wirst Du dieselbe Geschwindigkeit erreichen, wenn ich einmal Geld von Dir leihen muss?" war auch Macer vor meinem gutmütig vorgetragenen Spott nicht sicher - ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und war zufrieden mit der Welt. Es hätte auch viel peinlicher ausgehen können - und der Iulier, der vorhin den Mund so weit ob seines Könnens aufgerissen hatte, hatte den verdienten Dämpfer erhalten.

    Treffer, versenkt. Sicher, ich hätte etwas anderes denken können als gerade einen ausgesprochen sarkastischen Kommentar zu der voluminös ins Gesicht des jungen miles klatschenden Menge an Rotz, aber eine Umgebung wie diese brachte sehr oft meine makabersten Seiten zum Vorschein und ich musste mich sehr beherrschen, nicht laut herauszulachen. Einige Momente lang mussten meine Mundwinkel ziemlich gezuckt haben - es war einfach eine so absurde Szenerie - und so musste ich hoffen, dass mein Amüsement von der Dunkelheit verschluckt wurde. Der miles jedenfalls sprang mit einem deftigen Fluch auf den Lippen zurück und beschimpfte den Gefangenen ziemlich derb, hielt nun aber Abstand und winkte schließlich einen anderen heran, der wohl von der Geräuschkulisse allein herangelockt worden war, übergab ihm die Fackel und enteilte, um sich zu säubern - verstehen konnte man es ja, was immer der Gefangene da produziert hatte, es sah nicht besonders appetitlich aus und ich hätte nicht anders gehandelt an seiner Stelle.


    Als mich der verdreckte Kerl ansprach - er sah genau so aus, wie man sich den Abschaum der Gesellschaft so für gewöhnlich auch vorzustellen pflegte - wandte ich ihm meinen Blick deutlicher zu und hob eine Augenbraue an. Einen stärkeren Kontrast als dem zwischen ihm und mir konnte es wohl kaum geben, ein Dichter hätte sicherlich seine Freude am sich bietenden Bild gehabt. Aber ich war schließlich nicht zum Spaß hier.
    "Ich inspiziere die hiesigen Kerker. Wie lautet Dein Name? Und vor allem, warum sitzt Du hier ein?" gab ich ruhig zurück und begegnete seinem Blick direkt mit dem meinen. So er die römischen Amtstrachten kannte, mochte ihm auch der rote Streifen meiner regennassen toga einen Aufschluss darauf geben, dass er einen der gewählten und amtierenden Magistrate Roms vor sich hatte.

    Nachdem die Torwache uns ins Innere der castra eingelassen hatte und wir einen einfachen miles als Führer erhielten, dessen schneller Schritt sicherlich durch den Regen auf dem Hof bedingt war, hatte ich recht wenig Gelegenheit, mich allzu viel umzusehen, aber angesichts des elenden Wetters war mir die Lust dazu auch vergangen. Meine tunica klebte auf der Haut, und das innere Bedürfnis nach der hypocausthischen Heizung der villa Flavia stieg mit jedem Schritt um das doppelte des vorher vorhandenen an. An manchen Tagen blieb man wohl besser zuhause, und heute war eindeutig ein solcher Tag, nicht zuletzt wegen des Regens. Wenigstens war das Innere der castra trocken, aber der den Kerkern eigene müffelig-unangenehme Geruch, den man automatisch mit einem solchen Ort verband, begrüßte mich schon am Absatz der Treppe in das Halbdunkel hinab. Man konnte Kerker wohl noch so sauber putzen, irgendwie stank es immer gleich, der Kerker im Keller der villa Flavia roch genauso unangenehm und ich mochte Felix' Folterkammer nicht besonders. So schritten Lucanus und ich unserem Wegweiser nach, der an einigen Zellen vorüberkam, und es bewegten sich nicht allzu viele der Insassen, wenn das Licht der Fackel ins Innere der kleinen Räume fiel.


    Die meisten der Männer sahen nicht allzu mager aus, anscheinend waren sie einigermaßen genährt oder noch nicht lange im Gewahrsam, und ich konnte keine offensichtlichen Mängel entdecken, die mich zu einem Eingreifen gezwungen hätten - alles in Allem schienen die Urbaner ihre Bewachungsarbeit gut zu machen, und die Gefangenen waren in aufmerksamen Händen, was konnte man mehr wollen?
    "Sieh mal den da, der ist einer der Schlimmsten," der miles deutete in das Innere der Zelle, vor der er Halt gemacht hatte, und ich kniff die Augen zusammen, um im Inneren irgend etwas zu erkennen, was in der fast völligen Dunkelheit schwer bis unmöglich war. Saß da überhaupt jemand drin? "Was ist an diesem Gefangenen so besonders?" fragte ich denn und bekam auch prompt Antwort. "Den haben wir schon eine Weile, und wenn Du mich fragst, der ist total verrückt, ein absoluter Irrer, der zum Spaß mit Blut um sich spritzt wie er nur kann." Zweifellos hörte sich der junge Mann gerne sprechen, irgendjemand spektakuläres konnte ich im Augenblick nicht einmal sehen, aber vielleicht würde der unbekannte Insasse auch auf den ungewohnten Besuch von selbst reagieren.

    Die Türe fiel zu, und mit diesem leisen, kaum hörbaren Klicken überflutete mich die Atmosphäre des Raums einer Welle gleich, die über meinen Kopf schwappte und versuchte, mir den Atem zu nehmen. Es war wie so oft, wenn ich den persönlichen Bereich Gracchus' betrat, seine Persönlichkeit füllte diesen Raum so überbordend aus, dass für wenig anderes Platz blieb, und somit konnte ich mich auch seiner derzeitigen Stimmung kaum entziehen. Nach einigen Tagen des vollkommenen Glücks, in denen ich mich an seiner heiteren Miene kaum hatte sattsehen können, war wieder eine Talsohle erreicht und ich konnte dies deutlich an seiner Haltung erkennen. Er ließ, wenn ihn etwas traurig machte, den Kopf auf eine besonders mutlose Weise hängen, die mir jedes Mal die Kehle zuschnürte, wenn ich es sah und doch hilflos bleiben musste. Es war also wieder die Sache mit dem fehlenden Erben, die ihn niederdrückte, und langsam gingen mir auch die guten Ratschläge aus. Wenn schon ein kleines Sahnestückchen wie Salambó nicht schwanger wurde, dann war es recht eindeutig, an wem der fehlende Nachwuchs liegen musste, und einer solchen Tatsache in die Augen blicken zu müssen hätte wohl jeden Mann deprimiert.


    Langsam schritt ich näher, unfähig, etwas tröstliches zu sagen, denn welchen Trost gab es schon für einen Mann, der sich sehnsüchtig einen Erben wünschte und nicht einmal eine Tochter zeugen konnte? "Das ....das tut mir leid, Manius ... bei allen Göttern, es gäbe keinen Menschen, dem ich mehr einen Sohn wünschen würde als Dir. Ich habe mir niemals einen gewünscht und habe doch, was Dir vorenthalten bleibt, als gefiele es dem Schicksal, über uns zu lachen, wo es nur kann." Ein wenig Bitterkeit mischte sich auch in diese Worte, aber weniger wegen dem Spiel des Schicksals, als darüber, dass es immer Manius traf, wenn Dinge schwer waren, wenn sie unerträglich waren - denjenigen, der am meisten von uns allen Glück verdient hatte und doch nichts als Sorgen erhielt, die schwer auf seinen Schultern lasteten.
    "Hast Du ..." Ich atmete tief ein und musste mich überwinden, diesen Gedanken weiterzuspinnen, bedeutete er doch, fremdes Blut in die Familie zu holen, ohne es durch Heirat zu binden. "Hast Du schon an die Adoption gedacht, Manius? Einen herausragenden jungen Mann an Deines Sohnes Statt anzunehmen wäre ... auch eine Möglichkeit." Langsam legte ich ihm meine Hand auf die Schulter, und auch wenn ich wusste, dass diese Geste das Gewicht nicht von seinen Schultern nehmen konnte, konnte ich doch nur hoffen, sie würde ihn etwas trösten.

    Ich holte auf, und das war auch gut so - das harmlose Vergnügen dieses Tages hatte mich längst verlassen, ich kannte nur ein einziges Ziel - Prisca unbeschadet aus dieser möglichen Gefahrensituation herauszubringen, so gut es eben ging. Ich hätte mich ohrfeigen können, sie überhaupt mit ins Wasser genommen zu haben, auch wenn ich vor dieser Entdeckung nicht einmal daran gedacht hatte, es könnte in irgendeiner Form gefährlich werden, immerhin war Winter, das Wasser kalt und die meisten Raubfische schätzten wärmere Temperaturen mehr als diese Eiseskälte - ich hätte aber daran denken müssen, ich hatte das alles hier veranlasst, und ich wäre derjenige, der schuld daran wäre, wenn ihr etwas geschah. Wieder schluckte ich das eisige Wasser, erhöhte mein Schwimmtempo noch etwas und versuchte, in den mir entgegen schwappenden Wellen etwas zu erkennen. Das salzige Meerwasser brannte in meinen Augen, es schmerzte heftig bei jeder neuen kleinen Woge, und doch schwamm ich voran, ohne Rücksicht auf mich selbst, denn würde ihr etwas geschehen, ich würde es mir niemals verzeihen können. Ihre Stimme erklang, im Rauschen des Wassers, der an mich heran klatschenden Wogen hörte ich, dass sie mir etwas zurief, aber ich verstand die Worte nicht, wahrscheinlich hatte ich zuviel Wasser in den Ohren, also machte ich schneller, vielleicht hatte sie es bereits gesehen!


    Als ich sie endlich erreichte, schien eine halbe Ewigkeit vergangen, bei der ich immer still gehofft hatte, sie würde nicht untergehen, ihr würde nichts geschehen, sie würde nicht verletzt werden - ich hatte weniger um mein eigenes Wohl Angst denn um das ihre - und ohne Zeit zu verlieren, umschlang ich im Wasser ihre Tallie mit einem Arm und schwamm mit dem anderen und einem heftigen Schlag der Beine dem Ufer zu, wir wurden von den Wellen glücklicherweise getragen. Ich hatte ihr nichts gesagt, aber sie mochte meiner ernst gewordenen Miene ablesen können, dass ich nicht mehr spaßte, dass es mir bitterernst geworden war - erst als ich Grund unter den Füßen spürte, hielt ich inne, so weit kamen Raubfische normalerweise nicht zum Strand, weil sie die starke Strömung nicht mochten, die sie zu leicht auf den Sand spülen konnte.
    "Irgend etwas .. ist hier .. unter..weg.s.." keuchte ich, das heftige Tempo hatte mich nun doch außer Atem gebracht, und ich spähte auch gleich wieder auf die dunkle See hinaus. Warum stand da nun ein Pferd am Strand? Einige meiner begleitenden Sklaven standen ebenfalls in der Nähe des Pferds und einer hielt gar einen Fischspieß, wie ich ihn früher benutzt hatte, um in flachen Gewässern Fische zu jagen - die Augen zusammenkneifend versuchte ich herauszufinden, was hier eigentlich los war.


    Ich sah Delphine, und zwei Köpfe im Wasser, und noch mehr Delphine, die munter umher sprangen - und wer badete dort im Eiswasser? Energisch winkte ich einen meiner Sklaven heran, er möge für Prisca ein Tuch bringen, damit wenigstens sie vor der Kälte sicher war, und Straton sah ich auch näher kommen, sein Gesicht nicht minder ernst als das meine.
    "Was ist passiert?" verlangte ich von ihm zu wissen, und langsam schien sich die Aufregung am Strand nach und nach zu legen. Erst jetzt entließ ich die nasse Prisca aus meinem Arm, wurde mir überhaupt bewusst, wie nahe ich sie gehalten hatte, dass ihr Körper sich noch immer an meinen geschmiegt hatte, um Wärme zu suchen, und ich blickte zu ihr zurück, tief durchatmend. "Was immer das für ein Fisch war, ich glaube nicht, dass das Tier gut gesinnt war, die Delphine haben es wohl vertrieben. Aber ..." wieder kniff ich die Augen zusammen. "Das ist doch Dein Leibwächter, oder? Und diese kleine Sklavin, gehört die nicht auch zu dir?" Eine Kunstpause entstand, in der die Gedanken in meinem Kopf durcheinander stürzten. "Straton! Hol die beiden raus und zwar sofort!"

    Der frühe Morgen brachte das altgewohnte Ritual mit sich, dem ich seit Wochen folgte - aufstehen, ankleiden, Besuch des tonsors, Anlegen der toga, karges Frühstück, salutatio meiner Klienten und dann der Aufbruch zur Basilica Ulpia, um meinem Amt nachzukommen, einzig und allein erfuhr dieser Rhytmus seine Unterbrechung in den Feiertagen, an denen keinerlei Amts- und Gerichtsgeschäfte getätigt werden durften, um den Zorn der Götter nicht zu erregen. Dann war der Tag irgendwann vorüber, und ich kehrte müde und ermattet nach Hause zurück, lieb abermals den tonsor kommen, der mir den Bart ein zweites Mal beseitigen musste, da er über den Tag hinweg gerne unkontrolliert wucherte, legte mich für ein Schläfchen nieder, begab mich zur cena und setzte mich nach dem Essen schließlich nieder, um mich den Akten zu widmen, die ich mir vom officium mitbrachte. Der Sklave meines Vetters erwischte mich nach der abendlichen cena - und ich sagte ihm, dass ich meine Akten noch vorbereiten würde, und dann bei Gracchus vorbeischauen würde, denn wenn ich die Arbeit sortierte, die noch zu erledigen war, wollte ich nicht gestört werden, gehörte dies doch zu den Punkten meines abendlichen Programms, bei denen ich noch die Gedanken schweifen lassen konnte. Da Bridhe nun in ihrer eigenen Kammer schlafen konnte, würde ich diese Nacht wohl alleine verbringen, sie musste ohnehin gesund werden, und war recht erschöpft und nicht mehr allzu frohen Mutes - wollte Gracchus seinen Tag etwa mit einem kleinen Vergnügen beenden? Ich beschloss, auf die Akten Akten sein zu lassen und machte mich auf den Weg zu Gracchus' Räumlichkeiten, nicht ohne im tiefsten Inneren darauf zu hoffen, jenes Zusammensein in meinem Arbeitszimmer würde sich auf angenehmste Weise wiederholen.


    Einen Tag so zu beenden würde ausgesprochen perfekt sein, und auch wenn mir klar war, dass Perfektion sich ausgesprochen selten ereignete, hinderte mich das doch nicht daran, in gewisser freudiger Erwartung die Gänge der villa Flavia entlang zu schreiten, meinem Geliebten entgegen. Einigermaßen frisch hergerichtet war ich mir auf jeden Fall sicher, einen Teil seiner Sinne durch meine Erscheinung fesseln zu können, und wenn er dann erkennen musste, dass ich auch nicht abgeneigt war ... mhm. Gerade der Gedanke, dass es zu dieser Stunde mehr als ein Risiko sein würde, gemeinsam ein wenig Leidenschaft kosten zu können, machte doch einen nicht unbeträchtlichen Reiz aus an der ganzen Sache.
    Als ich seine Tür erreicht hatte, kämpfte ich die Aufregung nieder und hob die Hand, um anzuklopfen - wenige Augenblicke später öffnete ich die Türe und trat ein, ihm ein sonniges Lächeln zugedenkend. "Salve, Manius - was ist denn so dringend, dass Du mich um diese Zeit sprechen willst? Ist irgend etwas passiert?" Bei unserer Familie konnte man das schließlich nie wissen. Die Flavier waren für alle Arten Katastrophen gut. Zudem, inzwischen wusste er, wann ich meine Arbeit erledigte, wenn es überzählige Akten gab und bisher hatte er dies zumeist respektiert.


    [SIZE=7]/edit: Kleinere Zeit-Errata beseitigt.[/SIZE]

    "Das denke ich nicht," sagte ich sinnierend, aber ich würde sie zweifelsohne auch erst vom Gegenteil überzeugen können, würde Gracchus ihr seine Gedanken zu alledem selbst sagen. In unserem Stand war es nun einmal nicht ungewöhnlich, dass aus politischen Gründen geheiratet wurde, ein Erbe vielleicht noch gezeugt, und ansonsten getrennter Wege gegangen wurde. Für Patrizier waren Ehen meist eine gelungene Illusion, und bisher galt beider Ehe als sehr glücklich vor der Welt - ich allein wusste es von beiden besser. "Und kein Mensch ist perfekt, auch Gracchus nicht. Er hat wie jeder andere Zweifel, Sorgen, Ängste und Nöte, die er einfach nur kaum einem Menschen preisgibt, falls er das überhaupt tut. Hättest Du eine Familie wie die unsrige am Hals und müsstest Dich um jene sorgen, die ihren Weg nicht von alleine schaffen, wärst Du sicherlich auch schweigsam. Ich kann ihn in einigem gut verstehen, in anderem nicht - aber wir sind auch nicht einander gleich." Gracchus perfekt. Was für ein absurder Gedanke. Wäre er dies, würde er zweifelsohne alles so zu gestalten wissen, dass die Menschen um ihn herum glücklich waren, und er selbst dieses Glück ebenso erreichte - aber ich kannte seine dunklen Momente, seine Nöte, seine Sorgen, und diese machten mich darin sicher zu wissen, dass er weit davon entfernt war, jemals die Perfektion zu erreichen. Er war nicht umsonst Flavier. Wir strebten nach Perfektion, aber wir erreichten sie niemals ...


    Ihre Hand zitterte. Nicht so heftig, dass es vermuten ließe, sie könnte sich nicht im Griff haben, aber doch merklich. Eine schmale, schlanke Hand mit weißer, weich wirkender Haut. Bona dea, eine so patrizische, vollkommene Hand, und sie machte sich Gedanken darüber, sie könnte nicht gut genug für ihren Mann sein.
    "Ich habe es nur gehofft, aber ... ich war mir nicht sicher." Eine gewisse Unsicherheit war bei diesem Spiel natürlich immer Teil, und so sprach ich die Wahrheit, wenngleich recht gelassen. Zu verlieren hatten wir beide nicht viel, zu gewinnen umso mehr, auch wenn ich ihr gegenüber natürlich einen gewissen Wissensovorsprung hatte.
    "Nicht zu Füßen. Sie gefallen mir, und ich habe das Glück, auch der ein oder anderen zu gefallen, Antonia. Es ist nichts als der Wunsch, das Leben genießen zu können, solange dies alles andauert, den Fluß der Zeit für wenige Stunden anzuhalten, zu leben, dass man nichts daran vergisst, dass man innehält und festhalten kann, was einem geschenkt wird." Dann, als sie ihren letzten Satz sprach, lächelte ich und antwortete, gemessen und leise: "Ich bin auch nur ein Mann, Antonia. Nicht mehr."

    Zitat

    Original von Claudia Antonia
    [...]
    „Dieser Stoff?“, wiederholte sie dann und sah, leise lächelnd, an sich hinab. „Ein Glücksgriff. Wir-“, sie wies kurz zu Aquilius, „- waren eigentlich unterwegs, um dem damals zukünftigen Vigintivir eine toga praetexta zu kaufen. Wo war das noch? Im Laden von Joopus, nicht Aquilius?“
    Nicht ahnend, dass der Flavius keineswegs ein ebenso begeisterter Einkäufer war, wie sie selbst, fuhr sie fort:
    „Ich kann ihn nur wärmstens als Einkaufsberater empfehlen. Er ist so geduldig.“
    Womit sich vermutlich sein Schicksal besiegeln würde..


    Ich lächelte unwillkürlich ein wenig mehr, als ich diese beiden schönen Frauen nebeneinander sah. Was konnte man sich schon mehr wünschen, als eben dies? Ein angenehmer Abend, ein angenehmes Gespräch, begleitet von der Vorahnung auf etwas, das sich nicht jeder Mensch würde gönnen dürfen, die leise Ahnung eines vielleicht bald erfüllten Wunsches, wer wusste das schon? Süße Ungewissheit, die umso köstlicher schmeckte, da ich mir sicher war, dass diese Speise genossen werden würde. Und wie beide lächelten, wie sie strahlten, als sei dies der Geschenk der Saturnalien an mich, ein flüchtiges Geschenk, aber doch eines, das man mit nichts würde aufwiegen können.


    "Nun, ich fürchte, meine toga praetexta ist weit weniger elegant als dies Gewand, welches Du Dir nun hast machen lassen," meinte ich schmunzelnd und ließ abermals durch meinen Blick keinen Zweifel daran, dass sie in diesem Kleid wahrhaft schön aussah. Ich wusste ja, wie es Gracchus im Bezug auf Frauen erging, doch konnte er diese Schönheit nicht einfach als eine solche erkennen, unabhängig vom Geschlecht, von allem, was ihn vielleicht hindern konnte? Er musste vollkommen blind sein, vor seiner Gemahlin nicht verzückt seufzend in die Knie zu gehen - und doch, auch mit Prisca erwies sich Schönheit in ihrer reinsten Form. Hätte man mir in diesem Augenblick die Gelegenheit gegeben, glücklich und sorgenfrei zu sterben, ohne die Leben dieser Frauen empfindlich durch meinen Tod in ihrer Nähe zu schädigen, ich hätte ernsthaft darüber nachgedacht. Lebenssatt. Gesättigt im Leben. Wenigstens für einen Moment.


    "Ja, ich glaube, es war Joopus, dieser andere Laden war einer für Tuniken, wenn ich mich recht erinnere." Dann erstarrte meine Miene - sie wollte mich doch nicht ernsthaft als Einkaufsbegleiter anpreisen? Und doch, da war es schon heraus. Das Entsetzen kroch meine Eingeweide empor, und so registrierte ich die Worte Severus' erst einen guten Ticken später, als er sie mir unhöflich wie immer entgegen geworfen hatte. Natürlich, unsere Verabredung, die ich nicht aufschieben würde - nur noch ein Weilchen des Gesprächs, dann war ich bereit, mich unserem Kampf zu stellen, der ohne Zweifel blutig und schmerzhaft werden würde. "Nun, derzeit halten mich meine Pflichten leider von zuviel Vergnügen ab, aber wenn meine Begleitung gewünscht sein sollte, wie könnte ich sie einer Dame schon abschlagen?" Ich würde sterben, ganz sicher, wenn ich noch einen Vortrag über Sandalen würde anhören müssen, aber ... ich blickte von Prisca zu Antonia ... es wäre wahrhaft ein süßer Tod.

    Ich nickte leicht. "Dein erster Ausflug sollte mit einem meiner Sklaven stattfinden, damit Du den Rückweg auch wiederfindest, aber danach habe ich nichts dagegen, wenn Du alleine in die Stadt gehst - vorausgesetzt, Du bist bei allen Deinen Aufgaben pünktlich und nutzt diese Zeit in Rom nicht ausschließlich zum Müßiggang oder machst mir in irgendeiner sonstigen Weise Schande. Rom ist letztendlich ein Schmutzfleck, und wer nicht aufpasst, tritt an jeder Ecke in einen hinein, ohne es zu wollen."
    Mein Lächeln war grimmig geworden, und ich sprach die Worte ohne Freude aus, letztendlich würde ich wohl nie ein Freund dieser Stadt werden, sie hatte von dem, was ich mir für mein Leben wünschte, herzlich wenig zu bieten und offerierte zudem vor allem hohle Lustbarkeiten, die schnell schal schmeckten. "Möchtest Du sonst noch etwas wissen? Ansonsten werde ich Straton bitten, dass er Dir Deinen Schlapflatz zeigt und alles andere."

    Der Rest der Opferhandlung glitt wie ein stetiger Fluss an mir vorüber, ich hatte das Ritual einfach schon zu oft ausgeführt, um noch dabei zu denken, ich handelte einfach. "Agone?" - "Age!" erklangen die traditionellen Worte, die aus einem lebendigen, kräftigen Widder ein Opfertier machten, das sein Blut zu Ehren des Mars verlor, ich hatte abermals gut getroffen (Übung zahlt sich aus!) und ließ den Widder ausbluten, wie es sich gehörte, inzwischen waren meine Sandalen eindeutig ruiniert, auch die toga würde ich nach diesem Tag wegwerfen können, aber solche Trivialitäten bewegten mich nicht sonderlich im Augenblick, viel wichtiger war die Eingeweideschau, um den Willen des Mars ergründen zu können.
    Ich ließ mir dabei Zeit, und handelte sorgfältig, denn einen aus Hast geborenen Fehler wollte ich nicht machen, diesmal war alles so glatt und gut gelaufen, dass es eigentlich nur noch eine Anerkennung pro forma sein konnte, die hier ausstand und von uns ihre Vermeldung verlangte. Stillschweigend beobachtete die Menge, was ich tat, aber glücklicherweise war ich vom Herausschneiden der Organe aus dem Inneren des Tiers so abgelenkt, dass es mir nicht wirklich auffiel, wahrscheinlich wäre ich ansonsten doch langsam nervös geworden.


    Die Galle hatte ich zuerst betrachtet, und sehr genau, doch ließ sich kein Makel entdecken, was mich innerlich aufatmen ließ - ungefähr so lange, bis ich die Leber in Händen hielt, die von einem eigenartig milchigweißgelben Geschwür überwuchert war und halb zerfressen schien. Konnte das denn möglich sein? Ein zweites Mal wurde das Opfer zurückgewiesen? Das durfte doch nicht möglich sein, im Grunde war das unmöglich, davon hatte ich noch nie gehört. In den Annalen mochte es so etwas gegeben haben, irgendwann vor vielen Jahren, aber doch nicht heute, nicht hier und vor allem nicht jetzt. Hatte ich auch wirklich nichts falsch gemacht? Schnell rekapitulierte ich die verschiedenen Schritte des Opfers, und konnte doch keinen offensichtlichen Fehler entdecken. Der Wein als Fehlerquelle schied aus, die mola salsa war frisch gemischt ... nein, daran konnte es nicht liegen. Die Menge wurde langsam unruhig, und als ich aufblickte, zu Purgitius Macer gewandt, musste ich mich sehr beherrschen, dass meine Stimme nicht zitterte.
    "Mars hat auch dieses Opfer nicht angenommen, senator - und der Wille der Götter scheint sich in diesen Tagen nicht wohlgesonnen zu erweisen. Ich sehe, was dies angeht, nur eine Möglichkeit außer einem schnellen und umfassenden Sühneopfer des Senats: Wir opfern so lange weiter, bis Mars unsere Gaben akzeptiert."

    Gemessen führte ich sie weiter, nicht ohne zu registrieren, dass anscheinend unser kleines Gespräch auch eine gewisse Wirkung gehabt hatte - es war nicht allzu warm und doch fächelte sie sich Luft zu. Fast hätte ich amüsiert gegrinst, aber das hätte der Situation sicher nicht gutgetan. Wenigstens einen Schritt war ich nun weiter, denn dass sie noch immer weder zeterte noch sich beleidigt abwandte, konnte nur bedeuten, dass ihr dieser Gedanke nicht völlig fern lag - und ihre Worte bestätigten es zudem. Ach, was für eine Frau! Hatte sie denn noch niemals daran gedacht, ihrer Ehe zu entfliehen, und sei es nur für wenige Momente, für wenige Stunde in die Arme eines anderen, der ihr zurückgab, was sie so lange hatte entbehren müssen? Oder war sie gar eine jener Frauen, denen diese Art der Leidenschaft eher fern lag, die sie darob nicht vermissten?
    "Gracchus ... ist Dein Gemahl, Antonia, und solange ihr beide an dieser Verbindung festhaltet, ist dies etwas, woran kein Mensch tasten kann und sollte, ich werde es nicht tun. Du bist ihm als Ehefrau wichtig, das weiss ich, und auch wenn er es nicht zeigen kann, so weiss ich es doch, ich kenne ihn gut genug. Aber eine Ehe und die gemeinsam geteilte Leidenschaft sind oft genug zwei verschiedene Dinge, und so fällt es mir schwer, ihn als Teil dieser Angelegenheit zu sehen, die zwischen uns bestünde." Zudem, ich war mir einer Sache sehr gewiss, die Gracchus betraf - aber aussprechen würde ich sie ihr gegenüber sicher nicht.


    "Erschreckend ist dieser Gedanke doch erst, wenn man sich wünscht, er würde real werden, diese unsichtbare und doch entscheidende Grenze zwischen Wirklichkeit und Träumerei überschreitet," sagte ich nach einigen Augenblicken des stillen Sinnierens über ihre Worte. "Wünscht Du es Dir denn? Hast Du davon geträumt? Ich sage Dir, Träume sind nichts verwerfliches, jeder Mensch hat sie - und wenn es Dir gefällt, daraus etwas reales erwachsen zu sehen, dann lass es mich wissen. Sollte dies niemals Dein Wunsch werden, so weisst Du doch, dass es einen Mann gibt, der darüber nicht so vornehm schweigt wie der Rest unserer ganzen verknöcherten Standesgenossen." Sachte drückte ich ihre Hand und entdeckte einige Stände weiter das gesuchte Händlerschild - Cartrix mit all seinen glänzenden und glitzernden Kreationen rückte näher, und damit auch das Ende der privaten Komponente unseren Gesprächs.

    "Ah nun, das alles hat ja auch Zeit," sagte ich schmunzelnd. "Die meisten Heiratsvereinbarungen ziehen sich ohnehin ewig hin, sodass man auch im Vorfeld ein wenig langsamer machen kann. Es ist ja nicht so, dass Du dringend gleich morgen eine Braut bräuchtest. Wenn einer die Familienplanungen kennt, dann ist es Tiberius Vitamalacus, und ihn werde ich einmal unauffällig aushorchen, immerhin habe ich auch noch einen Neffen zu verheiraten, der leider gar nicht vermögend ist - Du kannst Dir vorstellen, dass das ein besonderes Vergnügen wird, eine Frau zu finden, deren Eltern nicht überkritisch auf ein riesiges Vermögen achten. Ich werde ihn natürlich unterstützen, aber wenn man einen eigenen Haushalt bereits finanziert, dann ist ein zweiter ein bisschen problematisch." Vor allem war mein bisheriges Gehalt zwar für mich und die Sklaven sehr wohl ausreichend gewesen, aber Frauen im Haus schraubten für gewöhnlich die Ausgaben gewaltig in die Höhe. In sofern konnte ich kaum mit etwas kalkulieren, das ich noch nicht kannte, und vielleicht war Prisca ja auch eine Frau, die mit beiden Händen das Geld aus dem Fenster warf, wenn man nicht darauf aufpasste ... ich hoffte es nicht, aber gefasst sein musste man auch auf so etwas.


    "Nun, leider ist man bei der Auswahl der Gäste nicht immer so frei, wie man gerne wäre - würde ich nur diejenigen einladen, die mir persönlich sympathisch sind, dann wäre es eine sehr kurze Liste, aber man muss natürlich auch all jene einladen, die man sich gewogen machen will, und schon wird aus einer netten kleinen Familiensache ein langweiliges, nicht enden wollendes Bankett mit einer Menge schlechter Scherze, für das man eigens Sklaven ausleihen muss, um die Betrunkenen herausschleppen zu lassen," versetzte ich grinsend und schüttelte dann den Kopf. Selbst wenn es sich um meine eigene Hochzeit handeln würde, ich tat mich sowohl mit Vorfreude als auch mit Spaß daran reichlich schwer. "Natürlich," sagte ich und nahm den Schaber entgegen. Ursus war gut gebaut und ich war immer ein Freund physischer Schönheit gewesen, bei der ich stiller Genießer hatte sein können. So berührte ich ihn sachte an der Schulter und begann, den Schaber seinen Rücken entlang herab zu ziehen, in langen, gleichmäßigen Bewegungen, die das Sand-Öl-Gemisch langsam, aber stetig von seiner glatten Haut entfernten. Zu schade, dass er die Vorderseite bereits gesäubert hatte. "Was das Kennenlernen der Tiberia angeht, würde ich vorschlagen, Du holst mich einfach mal am Tempel ab, wenn ich unterrichtet habe, das ist der unverfänglichste Weg."