Das Seufzen verriet mir alles, jede Nuance seines still gehegten Leides ob dieser wenig befriedigenden Ehe. Sicher, in einer Hinsicht würde sie für ihn wohl niemals wirklich befriedigend sein - lieben würde er Antonia wohl nicht mit seinem Herzen, denn dieses lag bei mir wie das meine bei ihm. Mit diesem Erbe würde ich in meine Ehe gehen müssen, auch wenn es mir wahrscheinlich leichter fallen würde, mit meiner Frau zusammen zu leben - den Umgang mit Frauen schätzte ich eindeutig mehr als er es jemals tun würde. Dennoch erschien es mir geradezu grotesk, dass beide voneinander dasselbe dachten - nur eben mit vertauschten Rollen. Beide hielten sich für unzulänglich, für nicht ausreichend, und beide litten unter der Kälte ihrer Beziehung.
"Du hast eine Frau für Dich gewählt, die intelligent ist, was in unseren Kreisen meist eher ein Hindernis denn ein Vorteil ist, Manius. So viele sind damit zufrieden, sich mit Kleidung und Haushalt zu beschäftigen, aber ich denke doch, sie ist es nicht. Jeder Mensch sehnt sich doch insgeheim nach einer gewissen Anerkennung, nach jenen Dingen, von denen er weiss, dass er sie gut kann und dabei Zufriedenheit empfindet, wenn er sich dem widmen kann. Vielleicht ist nicht das eigentliche Problem, dass ihr nebeneinander her lebt, Manius, sondern, dass ihr niemals versucht habt, wirklich gemeinsam zu leben. Sie schätzt die Mathematik, und ich bin mir sicher, würdest Du ihr eure haushaltliche Buchführung überlassen, würde es sie erfreuen. Du regelst derzeit alles, nicht wahr? Lass sie doch ihre Stelle wirklich einnehmen, die der matrona im Haushalt. Diejenige, die Dir den Rücken freihält, damit Du mit Deinen Ämtern der Familie Ehre machen kannst. Bisher scheint sie sich zu langweilen, und wie alle Frauen ist sie zu stolz, um etwas zu bitten ... versuche, ihr in diesem Punkt Vertrauen zu zeigen, sie hätte nichts davon, würde sie Dich betrügen. Einen besseren vilicus als eine gut rechnende Ehefrau gibt es nicht."
Dann lächelte ich leicht zu ihm und legte den Kopf schief: "Wer sagt Dir denn, dass sie Deinen Nöten kalt gegenüber stünde? Frauen reden für ihr Leben gern, und auch wenn Dich das Thema absolut nicht interessiert, tu so, als wäre es zumindest grundlegend von Wichtigkeit. Im Grunde unterscheidet sich das alles nicht wesentlich von einer Versammlung der Salier, nur ist es dann nicht der Iulier, der stundenlang über irgendein Thema spricht, sondern die Frau, die Dein Leben teilen sollte. Eines habe ich zumindest in den letzten Jahren gelernt - egal, wie schlecht Du Dich selbst fühlen magst, wenn Du einer Frau ein Lächeln und Aufmerksamkeit schenkst, wird sie es Dir lohnen. Jede Frau fühlt sich gern einzigartig und wichtig. Hast Du Dich nie gefragt, warum es mir gelingt, in so viele Schlafzimmer einzutreten? Ein gutes Aussehen haben auch andere, und es gibt sicherlich stärkere oder soldatischer wirkende Männer als mich. Aber ich höre ihnen zu, und das ist etwas, was die wenigsten tun. Jeder Mensch äußert gern seine Meinung zu wichtigen Themen, warum also nicht auch Antonia?" Am Ende würde ich ihn noch zu einem 'wie verstehe ich Frauen richtig' Kurs an der Schola zwingen müssen, falls es so etwas überhaupt gab.
Als er jedoch seine Wünsche für meine Ehe aussprach, schüttelte ich den Kopf, wieder lächelnd, wenngleich ein gewisser Hauch Wehmut darin lag. "Manius, vielleicht werde ich sie schätzen, sympathisch finden, vielleicht sogar sehr mögen. Aber lieben ... dieses einzige, große Gefühl, das alles umfasst und selbst in der tiefsten Hoffnungslosigkeit weiterexistiert ... lieben werde ich immer nur einen Menschen, und ich denke, diesen Menschen kennst Du. Es dauert mich, eine Frau zu einer solchen Ehe bewegen zu müssen, aber es bleibt mir kaum eine andere Wahl, ich bin im passenden Alter, und unverheiratet zu bleiben würde nur Fragen aufwerfen, die ich nicht beantworten will." Aurelia Prisca - vielleicht würde sie mich eines Tages für dieses Wissen hassen. Vielleicht liebte sie selbst einen anderen, vielleicht würde sie mich niemals schätzen, ich wusste es nicht. Die Zeit würde es alles zeigen müssen. Selbst meinen ersten Sohn konnte mir meine künftige Ehefrau nicht mehr gebären, war er doch längst am Leben.
"Caius ..." murmelte ich, den Blick auf ihn gerichtet, denn die Betonung seiner Worte schwang noch im Raum nach. "Caius Flavius Aquilius? Ich weiss nicht, ob meinem Sohn dieser Name jemals Glück bringen wird, Manius, und ich fürchte den Zorn der Götter, so ich fehlgehen sollte, auch für ihn. Caius mag er heißen, aber es wird ein anderes cognomen sein müssen."
Sinnierend lehnte ich mich zurück, schmeckte dem Echo des Weins auf meiner Zunge nach, während ich ihm lauschte, meine Gedanken in seinen Worten treiben ließ. "Die Bürgerkriege hatten auch ein Gutes - es hat sich vieles bewegt. Gute Männer zeigten ihre Stärken, schwache Männer wurden entlarvt. Der Frieden ist zweifelsohne erstrebenswert, aber ich fürchte doch, dass er uns in einer trügerischen Sicherheit wiegt. Man kann sich leicht im Frieden verstecken, seine Schwächen verhehlen, und dennoch zu höchsten Ehren steigen, und dies ist etwas, das mich stets nachdenklich wird bleiben lassen. Schau Dir unseren Senat nur an, fett und faul sind viele geworden in der langen Zeit des Friedens. Was den Thron angeht - wir Flavier tragen das Blut dreier Kaiser in uns, und das sollten wir niemals vergessen. Die Macht an sich würde ich mir nicht ersehnen, aber doch die Möglichkeit, Dinge zu bewegen, zu verändern, Entwicklungen zu beginnen ..." Die Worte mündeten in ein amüsiertes Lächeln, ich wäre wohl der schlechteste Kaiser seit Caligula - aber ein nettes Gedankenspiel war es doch.