"Manius! Manius, beruhige Dich!" sagte ich, doch mehr um der Form willen denn aus einer Überzeugung heraus. Er war stets so beherrscht, so ruhig, dass ein Teil meines Inneren davon überzeugt war, dass es ihm nicht schaden würde, sich einmal Luft zu verschaffen. Bevor er noch an all dem Zorn zugrunde gehen würde, den er zweifelsohne irgendwann einmal angesammelt haben musste, bedachte man all das, was er bisher für die Familie getan hatte, die es ihm niemals wirklich zu danken gewusst hatte.
So ließ ich ihn fluchen und toben, wenngleich er immernoch eine sehr patrizische Art hatte, sich zu echauffieren, ich hätte wohl eher einige Teller und Vasen an die Wände geworfen und mir hinterher Felix' Strafpredigt über den Umgang mit Dekorationsgegenständen anhören müssen. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in mein Fleisch, und doch, es schmerzte nicht halb so sehr, wie es dies vielleicht hätte tun müssen, einen zornigen Manius zu sehen, der seinem Innersten einmal freien Lauf ließ, wog diesen Schmerz bei weitem wieder auf. Würde er diese Fesseln um sein Herz öfter lösen, bei Mars, was hätte er für ein Feldherr sein können, was für ein Senator, was für ein Mann! In diesem Augenblick fiel es mir schwer, ihn zu genau anzusehen, denn der alte Schmerz tief im Inneren kehrte zurück. War ich der einzige, dem er sich so zu zeigen wagte?
Als er innehielt, wurde mir mein träumerisches Abgleiten in Regionen, die ich eigentlich geschworen hatte, nicht einmal mehr anzudenken, nur zu bewusst, und ich schüttelte hastig den Kopf.
"Dein Zorn ist durchaus berechtigt gewesen, Manius, und ich denke, es war gut, dass diese Worte einmal ausgesprochen wurden. Immer warst Du das Rückgrat dieser Familie, auf dem sich alle bereitwillig ausgeruht haben, ohne zu bedenken, dass viele der entstandenen Schwierigkeiten nicht hätten passieren müssen. Ich wüsste nicht, ob ich dieselbe Geduld aufwenden könnte, die Du mit all diesen Menschen hast, nicht zuletzt, weil ich mit den wenigsten wirklich noch eng verwandt bin. Die Werte einer patrizischen gens zu wahren fällt den Meisten wohl nicht leicht, auch, weil viele ihre Eltern früh verloren haben oder sie sich niemals recht um ihre Kinder gekümmert haben - selbst Felix war Furianus kein guter Vater, und Du weisst, was daraus geworden ist. Aber nun lass die ratio zurückkehren, mein werter Vetter, ira ist nicht der richtige Ratgeber für die Zukunft, und er war es niemals in der Vergangenheit."
Ich wusste selbst nicht, warum ich ruhig blieb, wieso ich nicht mit schimpfte, mich fühlte, als ginge mich all dies nicht mehr wirklich viel an. In den letzten Wochen wa ich gleichmütig geworden, gleichmütiger als jemals zuvor in meinem Leben, und was immer früher mich noch zu unbeirrten Taten getrieben haben mochte, es schwieg nun.
Mit erstaunlich ruhigen Händen füllte ich einen Becher Wein für Gracchus, und achtete darauf, dass er ihn auch entgegen nahm, um mir selbst einen Wein einzuschenken. Es war wieder einmal ein Falerner - Felix' Weinkeller hatte durch meine Gegenwart im Haus ziemlich gelitten, aber wofür war Wein sonst da, wenn man ihn nicht gerade opferte?
"Einer Sache jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, Manius: Wenn Du im guten Glauben gehandelt hast, Arrecina von einem Fluch befreien zu wollen, auch wenn es nie einen gab, dann werden Dir die Götter für Deinen guten Willen nicht zürnen. Iuppiter ist ein strenger Herr, doch niemand, der ungerechtfertigt straft, wenn es darum geht, dass jemand versucht hat, einen anderen zu retten. Vielleicht mag Dir vieles im Augenblick als dunkel erscheinen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass nach einigen Tagen Regen nicht auch wieder die Sonne für Dich scheinen wird. Wenn einer hier kein Unbill verdient hat, dann bist Du das."