Beiträge von Caecilia Marcella

    Marcella hatte einen anstrengenden Tag hinter sich gebracht. Erschöpft war sie an dessen Ende auf ihr Zimmer gegangen, um sich dort recht schnell zur Ruhe zu begeben. Mimithe half ihr beim Entkleiden, das heute eher wortkarg vonstatten ging, bis Marcella schließlich in einem einfachen aber wärmenden Nachtgewand unter ihre Decke kroch. Mimithe rückte ihr noch einen Dreifuß in die Nähe des Bettes, damit die Caecilierin kuschelig warm haben würde. Kaum hatte die Sklavin dann die Tür hinter sich geschlossen, waren Marcella auch schon die Augen zugefallen und sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen ins Reich des Schlafes gereist.

    Darauf hatte Marcella gewartet. Sie schloss einen Moment die Augen und lächelte ihren Vormund liebevoll an.
    "Wieso wusste ich, dass das jetzt kommen würde?"
    Sie stubste Crassus an und nickte.
    "Natürlich werde ich die Organisation übernehmen. Andernfalls sitzen wir heute abend noch hier und beratschlagen, wer teilnehmen darf...."
    Sie zwinkerte Macro zu und erhob sich fließend, anschließend der Gegenwart eines ihr fremden Familienmitgliedes wegen ihre Tunika ordnend, damit sie aufgeräumt aussah. Dann begann auch schon die Organisation des Gelages.
    "Sagen wir zur 11. Stunde im Triclinium?" fragte sie und sah Crassus fragend an.

    Sie beobachtete genau, was alles zum Vorschein kam. Es waren gute Sachen und gleich bekam sie noch ein wenig mehr Appetit. Nachdem er es ihr angeboten hatte, rupfte sie sich einen Kanten vom Brot ab, teilte den in der Mitte und belegte die eine Hälfte mit Käse und einer Wurst. Mit der anderen Brothälfte quetschte sie das Würstchen, dass es ganz platt wurde. Hinterher legte sie die Brothälfte beiseite und aß zuerst den Wurstbrei auf der anderen Hälfte.
    Alles ging automatisch. So zu essen hatte ihr einer ihrer Brüder beigebracht und sie fand, dass es auf die Art und Weise doch immer noch am besten schmeckte.
    "Ich denke, es macht dir bislang mehr Spaß als mir" antwortete sie ihm nicht bevor sie heruntergeschluckt hatte. Sie lächelte und ließ eine schwarze Olive in ihrem Mund verschwinden.
    "Aber ja, es bereitet mir Vergnügen aufs Pferd zu klettern und wieder herunter zu fallen. Sag mir, mein bewanderter Lehrer, werde ich es heute wirklich noch schaffen, dass ich ein wenig reite?"
    Sie schmunzelte und sah Mela erwartungsvoll an. Sie würde gern Seite an Seite mit ihm ein wenig durch die Gegend reiten, im Trott versteht sich, und nicht wie eben nur kurz im Kreise.

    Marcella konnte verstehen, dass ihn die Sorgen um seine Frau schier auffraßen. Nicht zu wissen, wie es einem nahestehenden Menschen ging oder gar zu glauben, dass er sich noch der besten Gesundheit erfreute, obwohl dem schon lange nicht mehr so war, war eine grausame Vorstellung, die sich die junge Frau unwohl fühlen ließ.
    Besser würde es sein, sie würden ganz schnell ein anderes Thema finden, über das sich reden ließ. Ihr Onkel beispielsweise.
    "Ja, er ist mein Onkel" beantwortete sie ihm seine Frage und musterte ihn von der Seite, wie er es aufnahm. Sie konnte jedoch nicht ganz deuten, was auf seinem Gesicht stand oder was er gar dachte.
    Da sah er sie erwartungsvoll an und Marcella wandte den Blick nach vorne.
    "Es war nur so eine Idee, aber... Er könnte vielleicht herausfinden, wo deine Frau ist, sofern sie sich hier in Rom aufhält und er gegenwärtig nicht allzu viel zu tun hat."
    Marcella drückte ihre Schneidezähne aufeinander und sah dann neugierig Cato an.

    Marcella nickte. Wer war schon gern der Vogel im Käfig? Nein, sie war lieber ein freier Vogel, der zwar immer von einem Wachhund begleitet wurde, aber sie war frei.
    "O. Ich hoffe auch, dass du sie bald wiederfindest und ihr nichts geschehen ist. In der Stadt ereignen sich täglich so viele Verbrechen..."
    War sie wirklich verschleppt worden? Marcella dachte nach. Man hörte verschiedene Dinge ja immer wieder geschehen. Unvorstellbar, was ihre Familie und er sich für Sorgen machen mussten. Vorstellbar, dass er davon ein wenig Abstand gewinnen wollte und so die Antworten hinaus zögerte. Es war ihm scheinbar kein sonderliches Vergnügen, darüber zu sprechen.
    Marcella lächelte und fuhr mit der flachen Hand erneut über eine ordentlich gestutzte Hecke. Die feinen Blätter kitzelten sacht.
    "Deswegen hast du vorhin beinahe nach Gesellschaft schreien müssen" stellte sie nachfühlend gukend fest. Sie dachte erneut einen Moment nach.
    "Weißt du... Mein Onkel ist der Prätorianerpräfekt. Er weiß über viele Geschehen bescheid und kann viele Dinge in Erfahrung bringen, weil er seine Männer überall hat."
    Sie schwieg kurz und sah Helvetius prüfend an.
    "Sicherlich reicht seine Zeit nicht aus, um alle Vergehen aufzudecken, aber..."

    Marcella lachte mädchenhaft hoch. Überall Überraschung oder Skepsis, in welches Gesicht sie auch blickte. Sie faltete lächelnd die Hände und legte sie auf ihren Schoß. Sollten die beiden männlichen Verwandten über den Umfang des Familienessens entscheiden. Sie würde freilich teilnehmen, zumal sie es ja vorgeschlagen hatte.

    Seine Reaktion war zu schön und Marcellas Herz war vergnügt ein wenig schneller gehopst. So, wie er sie angesehen hatte, hatten sie zwar schon einige angesehen, aber bei denen waren flüchtige Berührungen selten so aufregend gewesen. Sie machte es sich zum unausprechbaren Vorsatz, solche Momente noch ein paar mal im Verlauf des Tages heraus zu fordern.
    Im ersten Moment sah sie ihm seelig schmunzelnd zu, wie er zu seinem Rappen lief, um dort die Taschen zu plündern. Dann wies er sie an, wo sie eine Decke finden konnte. Marcella also ging zur besagten Satteltasche, öffnete sie und holte eine Decke hervor, auf der es sich gut würde sitzen lassen. Sie suchte sich in Eigenregie ein nettes Plätzchen und breitete dort, neben einem blühenden, kleinen Busch die Decke aus. Die Beine schicklich angewinkelt und übereinander gelegt, setzte sie sich.
    "Ich bin gespannt, was du Gutes mitgenommen bekommen hast."
    Sie grinste und ordnete die Falten der Palla, die wellig über ihre Beine fiel.
    "Man glaubt es kaum, aber ein mal aufs Pferd steigen, es ein mal im Kreise gehen lassen und wieder Absteigen macht ganz schön Appetit."
    Was für ein Schwachsinn. Aber trotzdem würde sie gut etwas essen können. Vielleicht nur schon allein deshalb, weil sie es zusammen mit Mela tun würde.

    Verwirrt blinzelte Marcella von Macro zu Crassus und wieder zurück.
    "Ich dachte eigentlich eher an den Kreis der Familie, nicht an halb Rom."
    Dass Männer aber auch immer gleich übetreiben mussten. Fragend sah sie zu Macro.

    So war das. Marcella schmunzelte und gab Mela einen Pluspunkt, weil er so umsichtig war und an Verpflegung dachte.


    Die beiden Prätorianer sahen aufmerksam herüber, als Mela sich zur Sichherheit in Auffangstellung hinter Marcella positionierte. Diese hing noch einen Moment am Sattel, ehe sie sich leicht auf die Unterlippe biss, nochmal tief Luft holte und sich zögernd aber mit sofortiger Wirkung fallen ließ.
    Noch ehe sie auf dem Boden aufkam, fingen Melas starke Arme ihren Fall ein wenig ab. Dennoch federnd stand sie einen Moment später vor Falbala, die schnaubte und den mächtigen Hals schüttelte, als habe sie noch nie jemanden erlebt, der sich so schwer getan hatte.
    Marcella drehte sich lächelnd zu Mela um, der einen Moment lang noch recht nahe vor ihr stand. Dann ordnete sie ihr Haar, von dem es nicht viel zu ordnen gab.
    "So geht das also. Es ist gar nicht mal sonderlich gefährlich, wenn man einen guten Lehrer hat" sagte sie und spitzte die Lippen einen kurzen Moment während ihres Lächelns ein wenig zu, dann verschlangen sich ihre Finger hinter ihrem Gesäß ineinander.
    "Essen?"

    Der Prätorianer folgte mit gebührendem Abstand. Gerade so, dass sich hin und wieder jemand zwischen Marcella und ihm hindurchzuschlängeln getraute, er aber dennoch immer sofort zur Stelle sein konnte, falls mal etwas vorfiel. Da sie weder verheiratet war, noch einen Geliebten hatte (was Crassus niemals geduldet hätte!), kannte sie auch gar keine Bedenken, wie es denn sein würde, wenn sie irgendjemande mal näher kommen wollte.
    "Das ist wahr."
    Trotzdem sah sie ihn amüsiert skeptisch an, weil er genau das aussprach, was wohl viele der Frauen dachten.
    "Ich stamme da ein Glück aus einem recht offenen Haushalt. Ich werde zumindest nicht eingesperrt und nur zu wichtigen Veranstaltungen vorgeführt, und ich genieße allerhand Freiheiten."
    Sie seufzte gelassen und bog mit Cato in einen Weg ein, der weg von der Straße führte.
    "Du weißt nicht, wo sie ist? Deine Frau? Ist sie verschollen? Entführt?" fragte Marcella interessiert und ein wenig erschrocken nach.

    Marcella nickte mit einer hochgezogenen Augenbraue.
    "Ah ja. Ich dachte, deine Mutter lebt gar nicht hier?" fragte sie im Scherze, weil doch eigentlich sie es immer waren, die Mütter, die dafür sorgten, dass die Kinder nicht verhungerten, wenn sie mal einen Tag außerhalb waren. Da hatte man es wieder: Onkels sorgten nicht dafür. :D
    Wieder beobachtete sie ihn genau. Er stieg ab, es ging schnell und er landete sicher auf seinen zwei Beinen. Marcellas Blick aber war da in der Luft hängen geblieben, wo er sein Bein im Bogen über den Pferdehintern geschwungen hatte. Sie wusste, dass das mit ihrer Kleidung ein kleines Problem werden würde.
    Aber gut. Sie konnte es ja ein mal versuchen, bevor sie gleich scheiterte.
    "Achtung!"
    Diese von einem Grinsen begleitete Warnung wurde abgelöst von einem sehr konzentrierten Blick. Dann versuchte sie das eben von Mela präsentierte Manöver und bekam das Bein gerade mal so über den Sattel gezogen. Natürlich blieb ihre Tunika hängen und natürlich hätte sie beinahe nicht mehr ausreichend Halt gehabt, aber dieses mal fing sie sich von allein gerade noch rechtzeitig.
    Jetzt gab es nur noch ein Problem: Marcella war ja nun einmal eine eher kleine Persönlichkeit. Im Verhältnis war Falbala ein kleiner Riese. Die unerfahrene Reiterin hatte nun also das Gefühl, sie würde in eine tiefe Schlucht springen müssen, wenn sie sich los ließ.
    "Ähm... Und jetzt? Einfach fallen lassen?"
    Zweifelnd sah sie über ihre Schulter auf den Boden.

    Marcella lachte und strich sich die Haare hinter die Ohren. Er war charmant. Sie kannten sich noch gar nicht, aber schon schmeichelte er ihr. Der Prätorianer beobachtete ihn aus dem Augenwinkel und verdrehte die Augen.
    "Dann sollten mehr Väter und Ehemänner so denken wie du" antwortete Marcella und machte eine Andeutung.
    "Begleitest du mich ein Stückchen? Beim Gehen hört er auch nicht alles mit."
    Dann nickte sie und nahm einen Zipfel der Palla in die Hand, um den Stoff über ihr Handgelenk hin und her zu werfen.
    "Ja, ich finde schnell Gesellschaft. Aber leider entpuppen sich viel zu viele Retter als charmlose und aufdringliche Zeitgenossen, für die der Gardist nur noch einen Rat hat, nämlich schnell das Weite zu suchen. Du siehst, es ist gar nicht so leicht, wenn man als unverheiratete Frau öfter mal das Heim verlässt."
    Marcella lächelte und musterte ihren neuen Belgeiter.
    "Weshalb kannst du deine Zeit nicht mit der Person verbringen, mit der du es gern tun würdest?" fragte sie neugierig nach.

    "Und das ist auch nicht sonderlich schwer..."
    Marcella lächelte. Sie ignorierte ihre Wachhunde einfach, auch wenn Crassus diese Männer zu ihrem Schutz abstellte. Manchmal vergaß sie sogar, dass sie ständig jemand beobachtete. Helvetius schien sich jedoch nicht so ganz behaglich zu fühlen, weil er immer wieder zu dem Mann in schwarzer Rüstung sah.
    Hilfeschrei. Marcella musste beinahe lachen, nickte dann jedoch.
    "Ja, es ist schon erstaunlich und ja, es war soetwas wie ein Hilfeschrei. Zuhause ist um diese Zeit meist niemand, also bin ich allein mit den Sklaven. Aber was soll ich noch den ganzen Tag tun? Also, dachte ich mir, ich würde einen Spaziergang unternehmen und Menschen aufspüren, denen es so geht wie mir."
    Sie schmunzelte und musterte den redseeligen Inselmann.
    "Dann passen wir doch ganz gut zusammen. Oder nicht? Weshalb brauchst du Gesellschaft? Dir wird doch sicher nicht so wie mir die Decke auf den Kopf fallen?"

    Helvetius Cato. Auch den Namen der Gens Helvetia kannte Marcella. Sie wusste zwar nicht in welchem Zusammenhang, aber er war einmal oder auch einmal mehr genannt worden. Sie lächelte, weil er sich entschuldigte und erriet, dass sie gerade vom Löcher in die Luft gucken nicht mehr ausgefüllt gewesen war. Der Wink zum Wachhund ließ sie gelangweilt gähnen (mit vorgehaltener Hand natürlich!).
    "Nein, das ist er wirklich nicht" stellte sie mit einem flüchtigen Blick fest und war umso erfreuter, dass der Inselmann namens Helvetius ihrem stummen Hilferuf gefolgt war und sich eine Unterhaltung anbahnte.
    "Ja, du hast Recht. Gut, dann magst du also mir helfen" stellte sie abermals fest, nickte nachdenklich und bemerkte, dass ihre Laune sich besserte.
    "Und du bist redseeliger?" fragte sie, aber es war nicht zu übersehen, dass ihr so ein wenig der Schalk im Nacken saß.

    Der Prätorianer musterte den Inselmann nur ebenso flüchtig, wie dieser ihn gemustert hatte und stand hinterher entsetzlich starr etwa einen Schritt hinter seiner zierlichen Schutzperson. Wenn sie ihn als ihren Wachhund bezeichnete, dann hatte sie ihn bemerkenswert gut unter Kontrolle, immerhin sprang er den Fremden nicht gleich an.
    Marcella schmunzelte und sah ihn fragend an, als er sie zwar begrüßte, plötzlich aber nicht weitersprach und nachdachte.
    "Du...?" fragte sie und neigte den Kopf ein wenig. Brauchte er am Ende nur Hilfe und hatte sie unter all den Menschen als stadtkundige ausgesucht, weil sie in Begleitung eines Prätorianers war? Irgendwie stumpfsinnig. Nicht er, aber der Gedanke.
    Sie lächelte freundlich und legte die Hand zurück auf die Hecke.
    "Ich bin Caecilia Macella. Und du? Kann ich dir vielleicht irgendwie weiterhelfen?"

    Marcella hatte sich gerade versummt. Das Lied, was sie hatte summen wollen, hatte so einen ganz anderen Klang bekommen. Es passte nicht. Also wiederholte sie die schwierige Passage mehrmals, bis sie den passenden Ton traf, damit die Melodie wieder gefunden war. Vielleicht konnte sie ja besser pfeifen als singen, doch sie blieb der Umgebung wegen beim Summen.
    Sie flanierte an ein paar ordentlich gestutzten Büschen vorbei, über die sie ihre flache Hand streichen ließ, als ihr schweifender Blick den eines Mannes traf, der sie nicht nur neugierig ansah, sondern der zudem zu einer Insel wurde, weil die Leute um ihn herumsteuern mussten.
    Kannte sie ihn? Nein. Nun auch ein wenig neugierig, wurde Marcella langsamer, blieb stehen und sah den Inselmann mit einer ein wenig hochgezogenen Braue und einem leicht schief gehaltenem Kopf freundlich an.

    ... Erholung, Abwechslung und unterhaltsame Konversation. :D


    So oder so ähnlich waren die Absichten der Caecilia Marcella an einem schönen, nicht zu heißen Nachmittag, den sie zumindest zum Teil in einem Park Roms verbringen wollte. Damit ihr daheim nicht die Decke auf den Kopf fiel, war sie also in Begleitung eines Prätorianers (Wachhund, wie Marcella ihn nannte) aufgebrochen.
    Sie trug eine violett-farbene halblange Stola und eine meerblaue Palla, er das gewöhnliche, frustrierende Schwarz seiner Rüstung. Er bot keine Abwechslung und zu allem Überfluss redete er auch nicht von allein. Ein Hund eben. Fürwahr hätte sie sich eine bessere Begleitung für einen netten Spaziergang vorstellen können.
    Aber wäre Rom nicht Rom gewesen, wenn sie niemand aus ihrer Bedreullie würde erreten können? Summend hielt sie Ausschau (natürlich nicht allzu offensichtlich!) nach Menschen, die vielleicht wie sie eine neue Bekanntschaft machen wollten und die sich von ihrem Wachhund nicht abschrecken ließen.

    Marcella lächelte und musterte ihren Onkel liebevoll.
    "Nicht verzogen... Wie hört sich denn das schon wieder an? Du hast mich verwöhnt, ganz bestimmt, wie es viele liebende Väter tun."
    Sie lächelte lieb, als er schon wieder grinste. Ja, sie wusste, dass er ihr gegenüber viel zu großzügig war. Sie würde sich in Zukunft mehr Mühe geben eine bessere Tochter zu sein, die nicht alle zwei Wochen sein halbes Vermögen in Anspruch nehmen musste. Mal sehen, wie lange dieser Vorsatz dieses mal halten würde.


    Grinsend sah Marcella von Kaeso zu Gaius.
    "Gib's doch einfach zu, dass du zu eitel bist, um dich wirklich jemals für eine einzige entscheiden zu können. Du sagst es ja: Die Qual der Wahl."
    Marcella zwinkerte und sah dann ernster zu Kaeso. Dass er sich mustern lassen würde, überraschte sie nicht, denn es gehörte zur Familientradition, dass die jungen Männer ins Militär gingen. Marcella fand das etwas eintönig, aber scheinbar eigneten sich die Caecilier hervorragend für eben diese eine Tätigkeit.
    "Morgen schon? Na, dann wäre es mir eine große Ehre, wenn ich mit dir deinen letzten Abend als Civis verbringen könnte. Was hältst du von einem Gelage im Triclinium? Man könnte auf die Schnelle bestimmt auch noch ein kleines, festliches Mahl herrichten lassen."

    "Du glaubst gar nicht, wie gern ich einmal nach Achaia reisen würde. Aber ich befürchte, dass daraus so schnell nichts werden wird. Sind die Griechen denn wirklich so schlau und gebildet, wie es immer hieß?"
    Marcella ließ verschwörerisch die Augenbrauen zucken, dann legte sie nachdenklich ihren Zeigefinger an die Unterlippe und sah an die Dächer.
    "Meistens brauchst du gar nicht warten. Du setzt dich hin, schwupps ist wieder jemand gestolpert und ärgert sich maßlos über das Pflaster. Weißt du, wenn sich mal jemand verletzt, haben es die Leute meistens verdient. Wenn zum Beispiel einer wie der da-", Marcella deutete auf einen jungen, jedoch wenig jungenhaft beleibten, vierschrötigen Kerl, der ohnehin nur durch das Gedränge marschierte, um hie und da jemanden anzupöbeln, "-stolpert und sich in Wut über sich selbst mit einem anderen Kerl anlegt, der nicht besser ist als er, dann... Also dann haben es beide von ihnen wirklich verdient, mit einem blauen Auge nach Hause zu gehen. Freundliche Menschen legen sich nicht mal eben mit anderen an und ernsthaft verletzt hat sich auch noch niemand. Aber dann würde ich bestimmt auch nicht lachen."
    Marcella lächelte, presste einen Moment lang die Unterlippe gegen die Obere und nahm dann die Bahn des Stoffes wieder auf, den Calvina gerade betastete. Es war jener roter Stoff, den Marcella bei Crassus in den höchsten Tönen schwärmend beschrieben hatte und zu dem sie letztlich sein Einverständnis und sein Geld bekommen hatte.
    "Das ist Seide. Aber nicht die reine, wie die hier."
    Marcella gab Calvina einen anderen Stoff zum befühlen, nämlich reine Seide. Da kam der Händler nach vorn, schlug die Hände zusammen und lachte erfreut.
    - Salvete, junge Damen! Ehrwürdige Caecilia und... wer ist die hübsche Begleiterin? -
    Er lachte erneut und bewegte sich mit einer Leichtigkeit, die die einer Frau beinahe schon übertraf. An seinen Fingern prangerten verschiedene klobige Ringe und während die Handflächen aneinanderlagen und zum Schein seinen Kopf stützten, stand der rechte kleine Finger gespreizt ab.
    - Und, gnädige Damen, womit kann ich, der gerechte Artabanos, euch heute dienen? Och, ihr beide seht aus wie beinahe erblühende Knospen der Lilie. Welch ein bezaubernder Anblick. Es ist doch nicht etwa der rote Pashima? Oh, er ist es. Meine Damen, meine Damen, welch vorzügliche Wahl. Hopp, hopp, kommt nur herein in die gute Stube, meine entzückenden Sirenen! -
    Da der Händler schonmal vorging, um den Stoff zu vermessen, hatte Marcella die Gelegenheit ihr Kichern hinter einer Hand zu verstecken. Dann deutete sie Calvina an, dass sie ihr ruhig folgen konnte.
    "Komm."

    Da kam sie Mela und seinem Rappen also tatsächlich näher und näher, als sie ahnte, dass das Pferd nicht von allein anhalten würde. Genau das schien auch Mela zu erraten, denn noch bevor Falbala, die brave Stute, seinen prachtvollen Rappen umrennen konnte (bei der Vorstellung hätte Marcella zweifelsohne Lachen müssen), wich er aus. Auf gleicher Höhe mit ihr gab er ihr die rettende Anweisung und wieder setzte Marcella zaghaft um, was er vorgab. Die Stute trottete zuerst ein wenig ratlos weiter, dann verminderte sie das Tempo doch, blieb stehen, tat noch einen Schritt und schnaubte aus flatternden Nüstern, als es definitiv nicht mehr vorwärts ging.
    "Es ist ja auch gar nicht so schwer..." antwortete Marcella ihm, schließlich hatte sie kein Weltwunder vollbracht. Der nächste Abflug würde sicherlich bald kommen.
    "Etwas essen? Hast du denn was mitgenommen?"
    Sie hatte extra viel gefrühstückt. ;)
    "Aber ja, gerne doch. Nur schon allein deshalb, weil ich dich hier noch gebrauchen könnte, und wenn du schon beinahe umkommst... Nein, dann halte ich es für ratsam, dass wir das erst einmal tun."
    Sie lächelte und sah dann an sich herunter. Sie saß auf einem Pferd. Und wie sollte sie da jetzt herunterkommen?
    "Ich, also... Ich hoffe, das Absteigen ist nicht genauso schwer und gefährlich, wie das Aufsteigen?"
    Bein rüber und runter, das dachte sie sich freilich schon.