Beiträge von Claudia Prisca

    Der erste Tag als Helferin lag hinter mir. Der bisher gewonnene Einblick verwirrte mich, denn ich merkte, ich war überwiegend von Plebejern umgeben und manches sah hinter den Kulissen anders aus als davor. Mein Lehrmeister hingegen war Patrizier und er war hervorragend. Womöglich war ich übermäßig von ihm beeindruckt, anders konnte ich mir die gemischten Gefühle nicht erklären, die mich auch nach dem Aufstehen noch gefangen hielten. Ich hatte die Unsicherheit am gestrigen Abend auf eine Erschöpfung zurückgeführt.
    All das behielt ich für mich, beschloss aber heute zunächst einen unabhängigen Rat einzuholen, der mir Licht in das Dunkel meiner Zukunft bringen sollte. Begleitet von einem Sklaven näherte ich mich dem Ort, suchte aber nicht nach einem Priester, sondern blieb abwartend stehen. Wenn es sein sollte, würde man mich finden und wenn nicht, war das vielleicht auch ein Zeichen und ich würde wieder gehen.

    Mir schwirrte der Kopf, ob der vielen Informationen. Dankbar und verwirrt zugleich folgte ich dem Sacerdos eher mechanisch, fast benommen, denn bewusst.


    "Was mit all den unblutigen Gaben geschieht? Ich habe angenommen, sie werden verbrannt oder vergraben, Wein wird ausgegossen", antwortete ich zögerlich. "Einen Verzehr durch die Priesterschaft habe ich beim Anteil, der für die Götter bestimmt ist, tatsächlich nicht angenommen."


    Schweigend lief ich ein Stück des Wegs und während wir den Raum betraten und durch lange Reihen von Regalen schritten, dachte ich über die Aussage nach, sicherlich zukünftig noch häufig ent-täuscht zu werden. War es das, was ich wollte? Welche Auswirkungen hätte solche Ernüchterung auf mein Verhältnis gegenüber Priestern? Mein Gaube an die Macht der Götter würde sich dadurch nicht verändern, das war gewiss.


    Ich verfolgte das Auffüllen der Lampe und ließ mich anschließend wortlos aus dem Raum weisen, vor dessen Türe wir stehen blieben. Wieder erfolgten Erklärungen und nachdem Flavius Gracchus geendet hatte, stellte ich mit leider Stimme eine Frage:


    "Wie lange hat es gedauert, bis du dir all dieses Wissen angeeignet hast?"

    Ich schüttelte andeutungsweise den Kopf.


    "Nein, verheiratet bin ich noch nicht, soll es aber einmal nach dem Willen meines Vaters sein, damit die Familie weiterlebt. Das ist auch der Grund, weswegen ich nicht Vesta dienen kann - ursprünglich hatte mich mein Vater als Vestalin gesehen."


    Ich dachte nicht großartig darüber nach, warum mir solche privaten Fragen gestellt wurden. Vielleicht war es ja üblich, ich konnte es nicht wissen. Ich folgte dem Saderdos auf dem Fuß, versäumte es aber nicht, die Säulen, die Bemalung und die Architektur zu bewundern. Mitunter bedurfte es eines schnellen Schrittes, um mit ihm wieder gleichauf zu ziehen.


    Als er von den Opfergaben sprach, senkte ich lächelnd den Blick. Also, niemals würde ich Fleisch mit nach Hause nehmen, auch wenn es Opferfleisch war.


    "Ich würde nie auf den Gedanken kommen, Opferfleisch fortzunehmen. Natürlich weiß ich, dass ein Drittel stets den Priestern zukommt, aber das zieht nicht zwangsläufig den Genuss außerhalb der Tempel zur Folge. Zu deiner Frage … Also ich kenne es so, dass ein Drittel die Gottheit bekommt, das zweite Drittel die Priester und das letzte Drittel die Bürger, wobei sehr oft der Opferherr und die Opfergesellschaft speist, aber auch das Fleisch an Bedürftige kostenlos abgegeben werden kann. Manchmal wird auch Opferfleisch verkauft."


    Ich lächelte in dem Bewusstsein, bestimmt das eine oder andere revidieren zu müssen. Die Sicht von außen war sicherlich eine andere als die von innen.

    Ich reagierte mit einer kaum sichtbaren Neigung des Kopfes und einem kurzzeitigen seitlichen Blick auf seine Bemerkung, dass ich nun eher als erwartet zur Stelle war. Sodann folgte aber eine Aufgabe und ich hörte aufmerksam zu. Hm, Lagerräume … Sklaven … und natürlich die eigene Verantwortung für das Gotteshaus.


    Bei den Erklärungen über Licht, Schatten und gestörter Harmonie hefteten sich meine Augen besonders auf sein Gesicht. Ich durchdachte die Worte nochmals, ließ sie auf mich wirken, sodass ich noch stand, als er sich auf den Weg machte. Mit zwei schnellen Schritten war ich hinterher und hörte gerade noch die Frage nach meinem Vater.


    "Claudius Vesuvianus", antwortete ich fast schon automatisch, wunderte mich aber im nachhinein, warum er mich das fragte.

    "Claudia Prisca", antwortete ich mit aufrechter Haltung. "Falls ich bei dir auch nicht an der rechten Stelle bin, dann sag es frei heraus. Im Notfall werde ich mich alleine durchfinden."


    So schnell ließ ich mich nicht entmutigen, auch wenn ich mir meinen Start anders vorgestellt hatte.

    Ich lächelte erfreut, weil er mir sofort seine Hilfe anbot.


    "Nein. Ich habe bereits unzählige Opfer dargebracht und weiß daher sehr genau, wie sie ablaufen müssen. Weil ich mich aber für den Dienst an den Göttern berufen fühle, bin ich kürzlich dem Cultus Deorum beigetreten. Man sagte mir einen Ausbilder zu, der mich in die Strukturen und den Hintergrund einweisen wollte, aber er ist weitgehend verhindert. Wenn du mir in dieser Beziehung hilfreich zur Seite stehen könnte, dann würde ich mit Freuden annehmen."

    Immer wieder hatte ich die verschiedenen Tempelanlagen in der Hoffnung aufgesucht, meinen Ausbilder zu treffen, aber jedes Mal war es vergeblich gewesen. Dabei hatte ich mir so sehr gewünscht, von jemandem eingeführt zu werden, um von selbst gesammelten Erfahrungen anderer profitieren zu können, denn nicht alles stand in Büchern und Aufschriften. Viele Einsichten basierten auf persönlichen Erkenntnissen, Fertigkeiten erwarb man sich durch andauernde Übung, aber auch das Vorbild anderer. Heute fasste ich mir ein Herz und sprach den Sacerdos, der offensichtlich im Dienst des Gottvaters stand, an.


    "Salve, ich hoffe, ich störe nicht."

    Vielen Dank für die ganzen Hinweise und die Ernennung!


    Insgesamt klingt ja alles sehr "verlockend". ;) Dann werde ich also mal helfen, damit der CD zukünftig etwas mehr bevölkert ist.
    Ich bin mit jedem Ausbilderwechsel einverstanden.

    Ach bitte, könnte mich denn nicht mal jemand ernennen? Der CD scheint ja fast ausgestorben zu sein. Und mit meinem Ausbilder läuft es auch nicht gerade wie am Schnürchen. Da brauche ich ja Jahre, bis ich mal tiefer reinschnuppern kann.


    Habe ich Möglichkeiten, meine Situation zu verbessern?

    Ein Kopfschütteln ging meiner Antwort voraus.


    „Bisher weiß ich nicht, welcher Gottheit du dich zugewendet hast. Man hat mir außer deinem Namen im Grunde nichts über meinen Ausbilder mitgeteilt.“


    Wieder verneinte ich mit dem Kopf und zuckte andeutungsweise mit der Schulter.


    „Und was mich betrifft, kann ich nur das wiederholen, was ich bereits in der Anmeldung gesagt habe: Bis auf den heutigen Tag habe ich noch keine Vorliebe für eine bestimmte Göttin entwickelt, werde aber baldmöglichst eine Entscheidung fällen.“


    Ich blickte abwartend. Gern hätte ich um weitere Informationen oder auch schon theoretische Einweisungen gebeten, harrte aber weiterhin geduldig aus.

    Die wenigen Schritte, in denen sich der Hinzutretende näherte, reichten mir für einen kurzen Eindruck. Es galt zunächst, Förmlichkeiten auszutauschen und mein Anliegen zu formulieren.


    "Salve, Tiberius Flaccus. Der Grund, weswegen ich dich aufgesucht habe, ist der, dass ich kürzlich zur Discipula ernannt wurde und du mir als Ausbilder benannt worden bist."

    Ich gab, bevor ich meinen Betreuer aufsuchte, die schriftliche Zustimmung meines Vaters für meine Ausbildung im Officium ab. Dabei wollte ich Flavius Milo nicht in seiner Besprechung stören, sondern reichte das Schriftstück einem anderen Mitarbeiter zur Weiterleitung hin.



    An die Verwaltung des Cultus Deorum
    Roma, Italia.



    Einverständniserklärung


    Mit diesem Brief gebe ich, H. Claudius Vesuvianus, mein Einverständnis, dass meine Tochter Claudia Prisca den Göttern im Cultus Deorum dienen kann. Ihr Engagement wird von mir in jeglicher Hinsicht unterstützt.


    Gez. und gesiegelt
    Herius Claudius Vesuvianus

    Nachdem ich mich hingesetzt hatte, kam ich sofort zur Sache.


    "Du weißt ja, dass ich den Göttern dienen möchte. Damit ich als Discipula eintreten darf, ist dein Einverständnis vonnöten. Mir wurde gesagt, dass es möglich wäre, dass du persönlich vorbeikommst, es aber auch reichen würde, wenn du deine Zustimmung per gesiegeltem Brief erteilst. Darum wollte ich dich bitten."


    Am liebsten hätte ich noch 'recht schnell' gesagt, aber ich wusste, ich musste mich stets in Geduld üben.

    Im Atrium angekommen, sah ich mich flüchtig um, bevor ich mich setzte. Auf das Anlehnen verzichtete ich, mir wurde beigebracht, aufrecht zu sitzen. Ich betrachtete zunächst die Einrichtung, die Ausstattung, bis mein Blick auf die Sklavin fiel. Erfreut bemerkte ich das Obst in der Schale und beschloss, die Wartezeit mit dem Genuss von Trauben und Oliven zu füllen. Mit einer Handgeste forderte ich die Sklavin auf, mir etwas darzubieten.


    Herodes überbrachte die Nachricht seiner Herrin, die daraufhin der Sänfte entstieg.


    "Halte dich zu meiner Verfügung, damit ich nicht unnötig warten muss, wenn ich aufzubrechen gedenke", sagte ich und schritt auf die Porta zu. Mit einem Blick erfasste ich jenen jungen Sklaven, der mich in die Villa führen sollte, und folgte ihm.

    Nun gut, das Wappen der Claudia war offenbar nicht ausreichend, gleichwohl schien der gewünschte Gesprächspartner tatsächlich zugegen zu sein. Herodes beeilte sich mit der Antwort.


    "Meine Herrin ist Claudia Prisca."

    Der Sklave gab die gewünschte Auskunft.


    "Meine Herrin wünscht den Sacerdos publicus Titus Tiberius Flaccus zu sprechen, der sich derzeit Auskünften zufolge hier aufhalten soll."

    In Begleitung zweier weiterer Sklaven traf meine Sänfte vor der Villa Tiberia ein. Ich schickte Herodes zur Porta und wartete währenddessen in einigem Abstand bis sich die Tür geöffnet und eine Auskunft bei mir eingetroffen sein würde.