Beiträge von Lucius Flavius Serenus

    Teil 3


    Serenus führte seine Tanten zum Geschäft von „Bessergehtnix – Mode aus Lutetia – Schneider des Augustus und der Augusta – Palastlieferant“.
    Die Filiale in Roma sah schon von Außen so aus, dass man hier ein Vermögen ausgeben konnte. Da bedurfte es kaum noch der Werbebotschaft im Geschäftsnamen.
    Bessergehtnix stand in dem Ruf die Mode des Imperiums so lenken zu können, wie der Augustus es mit dem Senat und dem Imperium zu tun pflegte.


    Serenus betrat mit Nero und Dido selbstsicher den Laden, seine Tanten im Schlepptau.


    Ein normaler Geschäftsinhaber wäre dem Umstand, dass ein Junge, eine unscheinbar gekleidete Sklavin und ein Ungetüm von einem Hund in seinen Laden kamen, sicher mit Unmut begegnet.
    Nicht so aber „Verkaufgutwienix“, welcher als gallischer Angestellter von „Bessergehtnix“ bereits seit über 20 Jahren die Kleidung an den patrizischen Mann und die patrizische Frau brachte. Vom patrizischen Nachwuchs bis zum Augustus und der Augusta. Dabei erfüllte es sein Herz mit Freude, dass man sich ausschließlich auf patrizische Kundschaft beschränkte. Für die Neureichen und Emporkömmlinge unter den Plebeiern gab es ja noch den Rest.


    Mit einem Blick taxierte Verkaufgutwienix den jungen Patrizier. Er erkannte, dass der Junge eine maßgeschneiderte Gewandung von Bessergehtnix trug und auch einen Siegelring. Der gewaltige Hund war ein teures Tier und gepflegt. Die Sklavin sah aus wie ein gerupftes Huhn. Zumindest was die Kleidung betraf. Vermutlich befand sich der junge Patrizier gerade in einer Selbstfindungsphase und die einfache Gewandung der Sklavin war ein Ausdruck seiner Individualität um sich vom Rest seiner Familie abzuheben. Verkaufgutwienix war sich sicher, dass man auch hier was tun konnte, das etwas harmonischer später zu dem Jungen passte. Dahinter kamen noch einige Damen in den Laden. Vermutlich die Begleitung des Jungen oder, was wahrscheinlicher war, weitere potentielle Kunden, wenn man es gut anging. Und Verkaufgutwienix war ein unbestrittener Meister in solchen Dingen.


    „Salve werter Dominus. Salve werte Dominas. Mögen die Götter euch stets so gewogen sein, wie sie es uns sind, daß ihr unser bescheidenes Geschäft mit eurer Anwesenheit beglückt. Womit können wir dienen?“


    Der Verkäufer verbeugte sich sehr tief vor Serenus und den Frauen. Sein Tonfall war freundlich und keinesfalls schleimig. Er sprach mit leiser, harmonischer Stimme.


    Verkaufgutwienix wusste, dass Kinder tiefe Verbeugungen mochten, denn dadurch wurde ihre Größe gewürdigt. Ihm selbst erlaubte die Verbeugung einen Blick auf den Siegelring des Jungen: Gens Flavia – also der Preisklasse des Augustus würdig. Und er bekam einen Blick auf das Schuhwerk aller Personen: durchweg alles Patrizier.


    Bei einem gewöhnlichen Händler hätte jetzt schon die Geldgier und Aussicht auf viele Sesterzen in den Augen gestanden. Verkaufgutwienix zeigte keine Regung in diese Richtung. Er wusste bereits jetzt, dass diese Personen ein Vermögen bei ihm lassen würden. Niemand kam in dieses Geschäft, der sich nur umschauen wollte. Und zufriedenen Kundschaft kam immer wieder. Und über Geld wurde auch nie gesprochen. Die Kundschaft zahlte anstandslos um den guten Ruf zu wahren.


    „Ich wünsche eine neue Ausstattung, da ich wieder etwas gewachsen bin und meine Tanten wollten sich derweil nur etwas umschauen.


    „Sehr gerne werter Dominus.“


    So, so, nur umschauen. Das altbekannte Spiel. Zuerst wurden die Kinder vorgeschickt und die Erwachsenen schauten sich nur um. Später brauchte es für die Einkäufe der Erwachsneen mehr Träger als für die Kinder.


    Verkaufgutwienix begann mit seiner Beratung und der Neueinkleidung von Serenus, wobei er Dido mit einbezog. Sehr feinfühlig vermittelte er auch die erforderliche Neueinkleidung der Sklavin am Rande mit Gewandungen, welche sowohl einem individuellen Aspekt von Serenus Rechnung zollten, wie auch mit dessen neuer Gewandung harmonierte.


    Der Stapel mit neuer Kleidung für Serenus und Dido wuchs und wuchs. Serenus verschwendete keinen gedanken an die hohe Rechnung dieses Einkaufes, denn schließlich war die Gens Flavia nur 5 Sesterzen ärmer als der Augustus. Onkel Senmator Felix hatte so viel Geld, daß er es gar nicht alleine ausgeben konnte. Sicher war er Serenus und den Tanten heute abend sogar dankbar, daß sie ihren Beitrag dazu geleistet hatten.


    Sehr feinfühlig präsentierte Verkaufgutwienix dabei eine beachtliche Kollektion der neusten Mode und Farben, in welche die vielen männlichen und weiblichen Sklaven und Bediensteten des Ladens bereits gekleidet waren. Die Patrizierinnen bekamen so schon einmal den Mund etwas wässig gemacht, was denn alles so möglich war. Vom seriösen Bekleidungsstück für die Audienz beim Augustus und der Augusta bis zur intimeren Gewandung im heimischen Cubiculum.


    Langsam neigte sich die Bedienung von Serenus und Dido dem Ende zu und die Aufmerksamkeit des Personals richtete sich sehr dezent auf die anwesenden Frauen aus.

    Teil 2


    Zwischenstopp an den Süßigkeiten


    Serenus stoppte den Einkaufstrupp an einem Stand, welcher jede bekannte Art von Süßigkeiten, ausgefallenes Obst und Honig anbot. Natürlich war es ein Stand, dessen Qualität patrizisch war und der es auch erlaubte die jeweilige Süssigkeit zuvor zu kosten.


    Trockenobst, Datteln, Feigen, Rosinen, Pistazien, geröstete Nüsse, kandierte Früchte, gebrannte Mandeln, ausgesuchte Honigsorten füllten schon bald in stattlicher Menge den Korb des ersten Trägers. Serenus und Dido schienen auf Vorrat zu kaufen, merkten sich das Sortiment, probierten sich durch. Dabei lobten sie die Qualität und planten auch genau, wann was zu Hause in den kommenden Tagen verzehrt werden würde. Sie waren sich sicher, dass sie diese Leckereien nicht jeden Tag auf Sicas Einkaufsliste schmuggeln könnten.


    Der Vorteil bei Serenus und Dido war, dass bei all diesen Leckereien noch eine Wachstumsoption in die Länge bestand. Für die sie begleitenden Frauen sah es allerdings eher in Richtung Wachstum des Hüftspecks aus. Er war gespannt welche seiner Tanten sich zuerst der Versuchung hingeben würden. Natürlich mit dem versprechen das Abendessen dafür ausfallen zu lassen.

    Teil 1


    Serenus brummelte etwas. Tante Leontia schien wie eine Glucke zu sein. Es ergab sich erst einmal keine Chance mit ein paar Trägersklaven alleine auf die Pirsch auf dem Forum zu gehen. Na gut, dann würde erst einmal Dido eingekleidet werden. Tante Leontia schien eine geübte Kauf-Orgien-Teilnehmerin zu sein, denn schon stürzte sie sich ins Getümmel und begann für Dido Ausschau zu halten. Dabei schien Tante Leontia mehrere Dinge gleichzeitig tun zu können:


    a) Serenus und Dido im Auge behalten
    b) Einen Gewandungsberg für Dido anzuhäufen
    c) Sich mit Tante Antonia über die Neugestaltung der Villa zu unterhalten.


    Letzteres war Serenus recht egal, solange sein Cubiculum und das danebenliegende Cubiculum von Tante Minervina nicht betroffen war. Es gab Gerüchte, dass Tante Minervina ins wilde Hispania aufbrechen wollte um den dortigen Aufstand der Iberer hautnah mitzuerleben. Sobald sie aus der Villa auszog würde Serenus bei Onkel Senator Felix und Onkel Gracchus vorsprechen und um einen Wanddurchbruch bitten. Dann würde er das Zimmer von Tante Minervina ebenfalls für sich beanspruchen. Die Argumente lagen auf der Hand. Kinder brauchen Platz zum Spielen und ein weiteres Arbeitszimmer würde auch seiner geistigen Entfaltung gut tun. Er brauchte mehr Platz zum Denken und für seine geistige Entwicklung. Argument Nummer Eins würde Onkel Senator Felix überzeugen, denn damit gab es einen alternativen Spielplatz zum Garten mit seinen heiligen Rosen. Argument Nummer Zwei würde ganz sicher bei Onkel Gracchus greifen.


    Serenus beobachtete wie Dido etliche Gewandungen anprobierte und war mit der jeweils gewandelten Erscheinung sichtlich zufrieden.


    Dann wandte er sich an seine Tante und den Verkäufer, zumal ihm noch etwas eingefallen war.
    „Wir benötigen auch noch einige robuste Tuniken und Kleidungsstücke zum Spielen für sie. Halt das was Jungs tragen, wenn sie sich ordentlich dreckig machen und raufen und die Kleidung anschließend nicht weggeworfen werden, sondern gewaschen werden soll. UND ich möchte, dass in all ihre Sachen mit dem feinsten und teuersten Faden auf der Innenseite der Gewandungen im Halsbereich ein D für Dido eingestickt wird. Nicht, dass ein dummer Sklave ihre und meine Sachen in die falsche Truhe einräumt, obgleich bei meinen Sachen natürlich überall LFS-B eingestickt ist.“


    Der Verkäufer nickte und schien auch mit der vagen Umschreibung von Serenus, was die Spielsachen für Dido anging, eindeutig etwas anfangen zu können. So wuchs der Berg noch einige farbenprächtige Stücke mehr. Und auch die Stickerei schien kein ausgefallener Wunsch zu sein, denn es gab keine Rückfragen.


    Während der Verkäufer eiligst weitere Stücke für Dido anschleppte und auch die Wünsche von Serenus ausführte, schien seine Tante etwas für ihn gefunden zu haben.



    >>>"Oh! Das ist etwas für dich, Serenus." Entzückt griff Leontia nach einem
    wahren Prunkstück: einer gedeckt weinroten Seidentunika mit schiefergrauem
    Futter und prunkvollen dunkelgoldenen Borten. "Ich bin mir sicher, sie wird
    dir vortrefflich stehen. Hoffentlich ist sie nicht zu groß - aber du bist ja
    wieder ordentlich gewachsen. Komm, mein Spatz, probier sie gleich an." >>>



    Serenus schaute seine Tante leicht pickiert an und hob seine Augenbraue in einer Art und weise, wie es nur Flavier konnten.


    Mit vorwurfsvoller Stimme wandte er sich an seine Tante Leontia.
    „Aber Tante! Ich trage nur Sachen von dem berühmten Schneider „Bessergehtnix“ aus Lutetia, DEM Schneider des Imperators! Er hat Geschäfte in Lutetia, Missenum, Baiae und Roma. Ich habe sein Geschäft bei einem Rundgang mit Onkel Gracchus über das Forum am anderen Ende gesehen. DORT kaufen wir für mich ein. Allerhöchstens kommen noch Tuniken und Spielkleidung von „Armanticus“ für mich in Frage: Du weißt schon, mit „Armanticus durch Germania und den Rest der Welt“. Aber doch nicht das da.“


    Serenus zeigte mit dem Finger auf die Seidentunika, die ihm Tante Leontia hingehalten hatte.

    Serenus, Dido und Nero waren mit seinen beiden Tanten und der anderen Claudia auf dem Sklavenmarkt angekommen. Diese Claudia Epicharis hatte sich auch direkt auf die erstbeste Sklavin gestürzt anstatt mal mit Anstand der Gens Flavia den Vortritt zu lassen. Serenus suchte nämlich noch eine Sklavin für seinen Papa. Er selbst brauchte Hannibal in Roma, da dieser einen Teil seiner Ausbildung übernehmen sollte bzw. vor allem Dido unterweisen mußte. Das wiederum bedeutete, daß Papa einen neuen Sklaven brauchte, der im Castellum in Mantua für ihn sauber machte und die Wäsche wusch und so. Er bewegte sich selbstsicher durch die Zuschauer nach vorne, wobei sein Kampfhund Nero und die begleitenden Leibwächtersklaven gute Dienste leisteten.


    "Salve Händler! Was hast du denn so im Angebot?"

    Serenus stellte fest, daß ein neuer Monat angebrochen war. Pünktlich kamen 30 Sesterzen Taschengeld von Oma mit einem Boten aus Baiae und 30 Sesterzen von Papa aus Mantua.


    Er grübelte intensiv über diesen Umstand nach. Mit 60 Sesterzen kam er ganz gut im Monat über die Runden. Seine wirklichen Ausgaben hielten sich in Grenzen. Zumal er seitens von Dido mitbekommen hatte, daß man hier seine Wünsche den Leibsklaven äußern konnte und diese trugen dann die Wünsche der Herrschaften auf einer Liste ein, die in den Aufgabenbereich des Verwalters Sica fiel.


    Solange die Wünsche in einem "gewissen Verhältnis" zu sein schienen, klappte das reibungslos mit dem Einkauf und Besorgen durch den Verwalter, ohne daß er selber sich an den Kosten beteiligen mußte oder es große Nachfragen gab.
    Serenus hatte sich von Dido informieren lassen, welche Wünsche der Rest der Familie so alles äußerte. Bislang hatte er von dem Wunsch einen Löwen oder einen Bären zu bestellen Abstand genommen. Sicher würde er dann zu Onkel Senator Felix oder Onkel Gracchus laufen und um Rat fragen.


    Sica war ein Sklave, den man offensichtlich nicht überfordern durfte. Er schien ein Sklave mit extrem wechselnder Tagesform hinsichtlich seiner Intelligenz zu sein. Einerseits war er schlau genug einige "handwerkliche Untensilien und Kleinigkeiten" kommentarlos zu besorgen und es gab keine Debatten warum der junge Dominus Serenus so etwas wie Schmierfett, Kreide, Pinsel, Küchenmesser etc ... brauchte. Andererseits war er nicht in der Lage die neuste Ausgabe der "Thessalischen geschichten" oder "Sklave Gaius ist der Beste" zu organisieren. Dagegen diesen doofen Platon mit irgendeinem ausgefallenen Werk als Studientext auf Empfehlung von Onkel Gracchus besorgte er.


    Da Sica und Hannibal es vorzogen viele nützliche Dinge mit denen nur Kinder wirklich etwas anfangen konnten, weil es den Erwachsenen eindeutig an Kreativität und Phantasie mangelte, kommentarlos (also Diskussionen warum Serenus dies oder jenes brauchte scheinbar mieden) und umsonst zu besorgten, wurde sein Taschengeld geschont.


    Andererseits kamen sicher noch schlechte Zeiten. Daher war es gut durchaus mal bei allen Verwandten hier in der Villa wegen Taschengeld anzuklopfen.


    Serenus schnappte sich die Ulpius-Spar-Büste und machte sich auf den Weg.

    Serenus kam mit Dido in die Bibliothek. Eine halbe Stunde später waren viele Schriftrollen in der Bibliothek verteilt und eine abenteuerliche Konstruktion von einer Kiste, einem Schemel und einer Kline stellte eine provisorische Leiter dar. Die interessanten Schriften waren scheinbar alle vorsätzlich außerhalb seiner Reichweite plaziert worden. Die sonstigen Nutzer dieser Bibliothek hatten mal wieder nicht bedacht, daß auch kleine Leute ganz oben an die Regale kommen mußten.


    Natürlich hätten er und Dido auch einen Sklaven den Befehl geben können, aber so eine selbst gebaute Leiter und das entlöang hangeln an den Regalen war viel abenteuerlicher und machte mehr Spaß.


    Inmitten dieser Unordnung saß Serenus an einem Tisch und studierte die patrizischen Tugenden aus Quellen, die ihm sein Onkel Gracchus benannt hatte. Reichlich langweilig, aber da er Dido die Quellen gleichzeitig vorlesen mußte fiel ihm dies nicht so auf.

    Serenus hörte seinem Onkel aufmerksam zu. Er konnte gut erklären, auch wenn Serenus ziemlich der Kopf rauchte. Daher würde er direkt anch dem Opfer alles aufschreiben und versuchen aufzuarbeiten. Sollet er dann irgendwo hängen, würde er wieder bei Onkel Gracchus auflaufen. Allerdings schien es verdammt viele Ausnahmen zu geben, auf die man achten mußte.


    Und da kam auch schon Sciurus mit einem weißen Zicklein angeschlurft.


    "Onkel Gracchus! Mache ich das Zicklein tot oder machst du das? Ich habe nämlich auch kein Opfermesser und wäre es nicht ratsam, wenn wir uns erst umziehen? Vor allem ich. Ich denke meine marsrote Tunika wäre besser als meine jetzige beiche Gewandung, wenn das Blut so richtig in alle Richtungen spritzt."


    Serenus dachte dabei weniger an den hohen Wert seiner Gewandung und daß das Blut Flecken hinterlassen würde, die schwer heraus zu waschen waren. Das war alles ein Problem der Sklaven, aber so würde er sich einmal Umziehen sparen. Er konnte nach dem Opfer ja den Rest des Tages schlecht in blutbesudelter Tunika herum laufen. Bei der marsroten Tunika sah man dagegen das Blut nicht.


    "Und dürfen Dido und Nero bei dem Opfer zugegen sein? Oder ist das ein intimes Familienopfer, wo wir auch Sciurus als Handlanger weit weg schicken? Und kann man das Opfer auch durchführen, wenn man selber kein Priester ist? Oder müssen wir hier wenigstens auf jemanden zurück greifen, der schon eine Priesterausbildung hinter sich hat?

    Serenus verabschiedete sich von allen, wünschte artig eine gute Nacht, gähnte mehrfach und gab anschließend ein paar freien Bediensteten die Anweisung all jene Geschenke in sein Cubiculum schaffen zu lassen, die er und Dido nicht selber tragen konnten. Das betraf insbesondere den Wagen.


    Gemächlichen Schrittes und mit dem geschenkten Lorbeerkranz von Onkel Furianus auf dem Kopf machte er sich auf zu seinem Cubiculum, wobei er darauf achtete, daß die Bediensteten ihnen folgen konnten. Nicht, daß der Wagen später bei Onkel Milo landete. Der hatte nämlich so begehrlich auf den Wagen geschielt.

    Hui! Hui! Hui!
    Onkel Gracchus durfte man aber auch nicht zu Wort kommen lassen. Der ging ja gleich in einen ellenlangen und ganz schweren philiosophischen Vortrag über. Serenus rauchte der Kopf und die Gedanken drehten sich und schwirrten umher. Zum einen Ohr rein, zum anderen Ohr raus und in der Mitte blieben sie zeitweilig stecken.


    Da gab es für das Priesteramt aber noch viel zu lernen. bei Onkel Gracchus sah das in der Praxis alles so einfach aus.


    Und jetzt fing er auch noch mit dem langweiligen Platon an. Und die Tierlehre schien auch eine eigene Wissenschaft zu sein, die bestimmt viele Bücher füllte. Vielleicht sollte er doch lieber Legatus werden und zur Legio gehen.


    “Und woher wissen wir eigentlich, daß Apollon tatasächlich junge Opfertiere bevorzugt? Gab es da einmal ein eindeutiges Zeichen? Oder hat das einfach mal jemand vor Jahrhunderten so festgelegt und alle machen es jetzt so ohne Nachzudenken?


    “Und ich weiß, daß wir nur die Organe opfern. Aber was passiert eigentlich mit dem restlichen Tier? Wird das verbrannt? Oder verteilen wir das Fleisch an arme Klienten von uns Leute und unsere Sklaven? Oder bereitet man uns das als besonderes Mahl in der Küche zu? Müssen wir als Priester und Minister das selber zubereiten?”


    Serenus hatte nur eine vage Vorstellung, wie man überhaupt kochte und was alles passierte bis das Essen auf dem Teller landete. Darum hatte er sich nie Gedanken machen müssen. Das war wie bei den Sandalen. Über das Binden hatte er sich auch erst Gedanken gemacht, als er es irgendwann lernen musste.


    “Aber was ist, wenn wir jetzt ein makelloses Tier opfern und dann feststellen, daß seine Organe nicht in Ordnung sind. Machen wir dann ganz schnell ein zweites, noch tolleres Opfer um Apollon milde zu stimmen? Gibt es da einen Ersatzplan?”

    Serenus flitzte noch einmal in die Bibliothek zurück. Und hatte natürlich wieder den Hund im Schlepptau, der ihm selbstverständlich in den Raum folgte. Er ging zur Kline und nahm seine vergessenes "Sklave Gaius ist der Beste"-Schriftrolle auf. Auf dem Weg aus der Bibliothek blieb er kurz bei seiner Tante und dem fast nackten Sklaven stehen.


    "Interessante Lektüre, Tante Leontia. Er muß ja Lektüre sein, denn ansonsten läuft ein Sklave so bekleidet nur in den Thermen, Lupanaren und in einem Cubiculum herum. In die Kategorien "Haustier" und "Essen" scheint er ja nicht zu fallen um deine vorherigen Worte aufzugreifen, denn sonst dürfte er ja nicht hier sein.


    Außerdem schien mir, daß er gerade etwas selbstgefällig gelächelt hat und er schaut mir auch nicht demütig genug seine Füsse an. Ich würde ihm erst einmal die Nase brechen, eine Glatze schneiden und 20 Peitschenhiebe geben lassen. Der sieht zu gut aus, der riecht nach Ärger. So was hat mir Oma schon beigebracht. Es wird Unruhe im Haus und unter den Sklaven geben."


    Serenus flitze weiter in Richtung Tür.


    "WUFF! WUFF!" bellte Nero scheinbar bestätigend direkt neben Tante Leontia und überholte Serenus noch auf dem Weg .

    Serenus verzog keine Miene als seine Tante Leontia auftauchte und nach ihrer Katze rief. Vermutlich hatte Nero sie erwischt und sie war Geschichte. Er wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass das verhätschelte Mistvieh seiner Tante schlauer war als gedacht. Sie hatte Nero zu einer anderen Katze auf der Flucht durch den Garten geführt und sich dann auf einen Baum gerettet. Die andere Katze war jetzt nur noch ein zerfetztes Etwas.


    Stumm schüttelte er den Kopf bei dem Thema Katze und ließ sich nichts anmerken. Und erkälten tat er sich nie. Er war abgehärtet, was das harte Lauftraining bei Wind und Wetter jeden Tag mit sich brachte. 2 Meilen durch die Villa.


    Auf die weiteren Fragen nach dem Verbleib der Katze legte Serenus das Gesicht eines Engels auf und schwieg sich aus. Und er würde sich hüten seiner Tante die Dienste von Nero als Spürhund anzubieten. So verfolgte er den Dialog zwischen den Frauen.


    Vetter, Base, Schwägerin zweiten Grades, Cousine. Erwachsene hatten ein unglaubliches Talent alles kompliziert zu machen. Aus der Welt eines Kindes im Alter von Serenus sah alles viel einfacher aus. Es gab Oma und es gab Papa und es gab seine doofe Schwester Arrecina. Na gut, Arrecina war eigentlich nicht doof, aber im Alter von Serenus gehörte es zum guten Ton unterJungs, dass man die Schwester grundsätzlich als doof bezeichnete. Alles andere waren seine Tanten und Onkels. Ungeachtet der tatsächlichen, verwandschaftlichen Beziehung vereinfachte sich so das Leben ungemein.


    Er kam zu dem Schluss, dass die Frauen einander sehr viele Zähne zeigten. Zu viel Lächeln unter Frauen war gefährlich. Meistens spritzte dann bald schon Gift und sie fauchten sich an. Oder es gab Nettigkeiten wie „Leontia, du siehst gut aus, die 15 Pfund zugelegtes Gewicht stehen Dir ausgezeichnet.“ oder so.


    Ob Mantua wirklich schön war, wie Tante Leontia sagte? Zumindest war es gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz weit weg von Roma. Leider. Papa würde er nicht oft sehen.


    „Ich muß ganz viele Dinge besorgen, Tante Leontia. Dido hat zum Beispiel nichts zum Anziehen, was meinem patrizischen Stand als Besitzer gerecht wird. Und auch ansonsten stehen zahlreiche existentielle Einkäufe an. Wer weiß, wann ich denn schon mal wieder aus dieser Villa komme.“


    Serenus machte ein trauriges Gesicht und ließ den Kopf hängen. Dann drehte er sich um und kletterte mit Dido in die Sänfte, nachdem er einem Sklaven die Leine des Hundes in die Hand gedrückt hatte. Letzterer schien sich vor dem Hund zu fürchten, so wie er diesen betrachtete.


    Serenus gab den Sklaven Befehl sich zum Tor zu bewegen.


    „Also daran müssen wir etwas ändern. Wir gehen umgehend einkaufen und du bekommst eine Gewandung, die meinem patrizischen Stand Rechnung trägt. Und du brauchst eine Kiste, wo du deine persönlichen Dinge unterbringen kannst.


    Ich werde nach Omas Wünschen Priester werden. Soldat ist nicht mein Wunsch. Ich habe keine Lust in einem Gefecht verkrüppelt zu werden. Aber zuerst werde ich wohl mal Scriba Personalis von Onkel Gracchus. Ich bin noch zu Jung um Discipulus im Cultus Deorum zu werden. Onkel Gracchus und Onkel Lucullus werden mich zu Hause und bei sakralen Anlässen als Minister soweit ausbilden, wie dies im Vorfeld geht.


    Die Scribaaufgaben dienen dazu, dass ich tiefere Einblicke in die Politik erhalte und auch die ein oder andere wichtige Persönlichkeit kennenlerne. Onkel Gracchus scheidet auch wohl aus dem Cultus Deorum aus und wird Senator, wozu er diverse Posten abarbeiten darf. Der Vorteil für uns ist dabei, dass wir öfters aus der Villa rauskommen.


    In Kürze beginnt auch deine Schulausbildung. Ich brauche eine schlaue Sklavin und kein Dummnickel. Du lernst Lesen und Schreiben und Rechnen und Sprachen, während ich meine Kenntnisse im Ringen und im Faustkampf erweitere.


    Das Opfermesser ist aber echt kühl. Das habe ich in Baiae auf dem Markt gesehen und mir aufgemalt, damit ich mir in Roma eines anfertigen kann. Ohnehin muß ich mir auch mal einen richtigen Dolch kaufen, denn ich habe nur ein kleines Messer zum Arbeiten.“

    Nein, Onkel Gracchus. Die Tugenden waren bislang noch nicht Gegenstand meiner Ausbildung, sondern eher die Vermittlung von reinem Wissen. Oma wollte gewährleisten, dass ich Baiae bereits mit einer soliden allgemeinen Vorbildung verlasse. Ich kann sogar sehr gut Ringen, wenn der Gegner gleich groß ist. Bekomme ich Unterricht im Faustkampf? Ich würde mich gerne noch besser verteidigen können. Und ich möchte noch einmal einen Lehrer im Ringen haben. Kann mich Sica ausbilden?


    Und was ist mit Geld? Große Männer sind doch nicht nur große Männer, weil sie einen großen Geist haben. Sonst würden sie nicht alle so hinter dem Geld her sein. Licinius Crassus war doch auch nur groß weil er Geld hatte und sich damit die Macht und Schläger und Legionen kaufen konnte.


    Aber ich weiß, dass es eine gute Tugend ist, wenn die Plebeier und Sklaven uns Flavier fürchten. Angst macht sie uns untertan und gefügig. Die Angst unter unseren Sandalen zertreten zu werden, wie eine Ameise. In Baiae hatten alle Sklaven Angst vor mir und Oma.


    Sparsamkeit gehört nicht zu unseren Tugenden, denn Geld haben wir fast soviel wie der Kaiser meint Oma. Was nicht bedeutet, dass Oma zur totalen Verschwendung neigte. Mein Taschengeld und das von Arrecina hielt sich immer in Grenzen.


    Was Gravitas und Dignitas und so betrifft, da hat Oma mich auf dich und Onkel Senator Felix als Musterbeispiele und Lehrer verwiesen. Sie meinte, dass es neben ihr auch noch männliche Vorbilder geben soll. Ansonsten ist das mit den Tugenden unserer Ahnen etwas kurz gekommen, aber ich weiß viel über unseren Ahn, den wir nicht aussprechen dürfen. Du weißt schon, den Kaiser. Deshalb strebe ich ja auch danach, dass wir Flavier wieder unseren rechtmäßigen Platz im Imperium einnehmen werden.


    Kannst du mir jetzt meine Prophezeiung von der Sibylle deuten? Und ich brauche ein Lehrbuch für Auguren. Wie ich die Zukunft aus den Eingeweiden einer Katze deuten kann."

    Serenus strahlte über das ganze Gesicht und lief mehrfach staunend um den kleinen Rennwagen. Und er hatte schon befürchtet, dass es von Onkel Gracchus kein Geschenk geben würde. Gut, er hatte mal wieder keinen Löwen oder einen kleinen Bären bekommen, aber jetzt immerhin einen Hermes 103, das neuste Modell. Sogar die Gerüchte hinsichtlich austauschbarer Teile erwiesen sich als Wahrheit, wie er direkt mit professionellem Blick erkannte. Schade nur, dass er den Wagen erst später ausprobieren konnte, zumal der Hermes 103 auf zwei bis vier Ziegen ausgerichtet war. Weise Farbe, na gut, da konnte man mit Farbe abhelfen, zumal Serenus ein Anhänger der Factio Russata war. Ohnehin würde er seinen Papa mal fragen müssen, ob er dort Mitglied werden durfte. Papa war guter Stimmung, Onkel Gracchus schon ziemlich angetrunken. Und so wie die weitertranken war der Abend ideal um sich später darauf zu berufen, dass er die Erlaubnis bekommen hatte. Die Frage war nämlich sehr heikel. Patrizier als Mitglieder der Factios, die dem gewöhnlichen Volk als Auffanglager dienten und das Gefühl gaben sie wären wichtig, waren so eine Sache.


    „Papa, darf ich Juniormitglied in der Factio Russaata werden? Oma hat es erlaubt, wenn ich hier in Roma bin. Ich habe hier auch schon ein
    entsprechendes Gesuch, das du nur noch unterschreiben musst, nachdem du die riesige Wachstafel mit den vielen Informationen über die Russata gelesen hast. Die haben mir freundlichenweise meine Wachstafel auf Griechisch übersetzt, so wie es sich für wichtige Schreiben auch gehört. Standesgemäß habe ich mein Beitrittsgesuch natürlich auf Griechisch verfasst, wie es sich für einen Patrizier gehört um seiner gehobenen Bildung gerecht zu werden. Du musst nur mal eben schnell unterschreiben. Dann kann ich auch
    endlich ins Bett und störe euch nicht länger. Und morgen hast du doch sicher keine Zeit das in Ruhe zu unterschreiben und zu lesen, da du ja so selten in Roma bist und bestimmt noch vieles erledigen musst.“


    Serenus log ohne rot zu werden. Mit viel Liebe hatte er zahlreiche Informationen über die Russata und das Gesuch in Griechisch verfasst. Er wusste, dass sein Papa mit Griechisch auf Kriegsfuss stand. Serenus hätte eine Familientradition fortgesetzt, wenn sein Hauslehrer nicht auf die thessalischen Horrorgeschichten als Trick zurück gegriffen hätte. Ein Wechsel der Literatur und die patrizischen Kinder von Baiae waren mit Feuereifer dabei, denn bei Griechisch gab es einen gemeinsamen Lehrer für mehrere Kinder zusammen. So hatte Serenus seine soliden Kenntnisse erworben. Nur die Aussprache konnte noch verbessert werden. Die Chancen standen also gut, dass er es einfach unterschrieb, aber überhaupt nicht durchlesen würde. Die Schwachstelle war nur Hannibal, denn der konnte fließend Griechisch Lesen und Schreiben. Aber zur Not blieb ja noch die Möglichkeit die Unterschrift seines Papa nachzumachen. Das war etwas was Serenus bestens konnte. Es fiel ihm leicht Schriften zu fälschen und keiner konnte das M in der Schrift seines Papas so gut nachmachen wie Serenus. Vermutlich war Oma die Einzige die es merken würde, wenn er genug Rechtschreibfehler in einen Text einbaute.

    Serenus schrieb seiner Oma in Baiae einen Brief. Im Gegensatz zu seinem Papa war es um seine Rechtschreibung deutlich besser gestellt. Sowohl in Latein, wie auch in Griechisch. Nur seine griechische Aussprache ließ zu wünschen übrig. Aller Bemühungen der Lehrer in Baiae sprach er zwar gut verständlich, aber mit deutlichem Akzent.


    Trotz seiner Wünsche hatte Oma sich immer geweigert ihm einen Schreiber zu schenken. „Wehret den Anfängen“ und „im Hinblick auf deinen Vater“ waren dann immer gekommen, was auch immer das bedeuten mochte. Später würde er die Briefe einem Sklaven geben und auf welchem Wege auch immer erreichten die gegenseitigen Schreiben ihren gewünschten Empfänger. Sogar immer schneller als mit dem Cursus Publicus. Post von Serenus und Oma hatte höchste Priorität. Wehe das war hier anders. Dann würde er aber bei Onkel Senator Felix und Onkel Gracchus Randale machen, dass die Villa in den Grundfesten erzittern würde.





    Von LFS
    An Oma



    Liebste Oma!


    Endlich komme ich einmal dazu Dir zu schreiben. Ich habe mich hier in der Villa mehr schlecht als recht eingelebt. In Baiae war es viel schöner.
    Onkel Gracchus hat mir hier ein Zimmer für mich und meine neue Leibsklavin Dido zugewiesen, das viel, viel, viel kleiner ist als mein Zimmer in Baiae. Doof! Aber er selbst und Tante Antonia bewohnen Räumlichkeiten, die fast die halbe Villa ausmachen. Alle anderen Onkels (Onkel Milo, Onkel Lucullus, Onkel Furianus, Onkel Senator Felix) haben auch größere Zimmer. Onkel Senator Felix bewohnt die andere Hälfte der Villa, obgleich er selten da ist. Ich wohne in einer Sklavenunterkunft und habe das kleinste Zimmer von allen.
    Und absolut keinen Krach darf ich in der Villa machen, weil alle entweder hier arbeiten oder bis zum Nachmittag scheinbar schlafen. Doof!
    Die Spielmöglichkeiten im Garten sind auch eingeschränkt. Denn die Rosensträucher von Onkel Senator Felix haben denselben göttlichen Stellenwert wie die Juppiterstatue im Tempel für dessen Priester. Zumindest hat sich Onkel Gracchus jetzt dazu durchgerungen mir das Spielen im garten zu erlauben, während Papa auf den Saturnalien das Spielen in Haus gestattet hat.
    Keiner kann meinen Hund Nero leiden. Vor allem Tante Leontie scheint ihn zu hassen. Aber deren Katze darf wohl alles. Ohnehin gibt es hier in der Villa ganz viele Katzen und die darf man weder jagen noch scheuchen. Es ist furchtbar langweilig hier, Oma. Die Villa ist wie ein Kerker und ich komme kaum vor die Porta. Meine Wünsche mal in die Stadt zu gehen scheint die Sklaven total zu überfordern. Zuerst gab es keine kleine Sänfte, dann keine Leibwächter und Träger und Sklaven. Angeblich hatten alle zu arbeiten. Dabei stehen die oft nur faul rum. Zuletzt bin ich dann mit der großen Sänfte von Onkel Senator Felix aufgebrochen. Mit absolut unzureichender Begleitung. Aber wir kamen nur 2 Strassen weit, denn alle Klienten schienen mit Bittgesuchen für ihn auf dem Weg uns aufgelauert zu haben. Ein Erreichen des Forums ohne Belästigung war unmöglich.
    Die Sklaven sind auch so ein Fall für sich. Letztere sind sehr unzuverlässig. Außer Hannibal kümmert sich keiner um mich und Dido. Und der ist oft auch nicht da. Dido ist meine kleine Leibsklavin, die Papa mir zu den Saturnalien geschenkt hat. Wir kommen gut miteinander aus, sie befolgt artig meine Befehle und widerspricht mir auch nicht. Auch ist sie sehr zuverlässig. Allerdings hat sie noch keine passende Gewandung, die meinem patrizischen Stand als Besitzer Rechnung trägt. Ich muß mich selber darum kümmern. Auch so ein Punkt wo keiner der Erwachsenen mitdenkt.

    Die Erwachsenen sind nur mit sich selber beschäftigt. Keiner hat Zeit für mich. Onkel Lucullus ist der Einzige, der eine Entschuldigung dafür hat. Der hat die Masern bekommen.
    Onkel Furianus, Onkel Milo und Onkel Senator Felix bekomme ich gar nicht zu Gesicht. Gerüchten zufolge sind Tante Minervina und Tante Leontia auf Männersuche. So hat gerüchteweise Onkel Gracchus ein Essen gegeben um irgendjemand von der Gens Tiberia Tante Minervina zu präsentieren. Ich war leider nicht dazu eingeladen worden.


    Arrecina ist zur Zeit nur komisch drauf. Sie scheint nicht mehr ganz in dieser Welt zu verweilen. Zuerst dachte ich es wäre diese Frauenkrankheit, die Frauen ja einmal im Monat befällt und ihrer geistigen Zurechnung berauben soll. Die Strafe der Göttinnen dafür, dass sie den Rest des Monates schlauer sind als die Männer. Aber bei Arrecina ist das ein Dauerzustand. Entweder ist sie in dieser „mysteriösen Puubärtääht“ oder sie ist mal wieder verliebt. Sie schaute bei den Saturnalien die ganze Zeit auch Onkel Furianus immer so komisch an. Dabei sieht der gar nicht so gut aus. Der ist bestimmt adoptiert, denn er hat keine Ähnlichkeit mit Papa oder dem Rest der Familie. Sie hat zu den Saturnalien einen kleinen Hund bekommen, aber das ist nur so eine Stolperfalle zum Kuscheln.


    Dann gibt es da noch Tante Antonia. Aus deren Verhältnis bin ich noch nicht so richtig schlau geworden. Die sieht man nie zusammen mit Onkel Gracchus. Auf unsere Saturnalienfeier, wo die ganze Familie hier in Roma da war (außer Onkel Senator Felix und Tante Agrippina, die hatten zu viel Arbeit zu erledigen, für den Kaiser und die Götter), wollte sie nicht kommen. Dabei sieht sie nicht halb so hässlich aus, wie du beschrieben hast. Bis auf die Nase an der man alle Claudier erkennen soll. Damit hast du recht, denn die Tage besuchte und eine Claudia Epicharis oder so. Die hatte auch so eine Claudiernase wie Tante Antonia.


    Die Claudier sind übrigens alle doof und auch ganz schlecht über unsere Gens informiert.
    Es kamen Einladungen für alle männlichen Flavier hier an. Dido hat das heraus gefunden, denn die kontrolliert jeden Tag direkt ob Post für mich angekommen ist. Die Gens Claudia hat zu einem Gelage nach Mantua eingeladen. Nur ich wurde nicht eingeladen. So kann ich Papa nicht in Mantua besuchen und mir von ihm die Legio I zeigen lassen. Ich hoffe, dass Papa bei denen auf der Feier seinen Unmut äußert, wenn er sieht, dass alle Onkels da sind, aber ich nicht.


    Der Informationsfluss hier in der Villa klappt gut. Die Sklaven reden sehr viel über ihre Herren, wenn keiner dabei ist. Und Dido und ich werden oft übersehen, so dass wir vieles mitbekommen, wenn wir hinter den Ecken oder Säulen stehen.


    So, ich ende mal für heute, denn Tante Minervina will in die Stadt und ich muß jede Gelegenheit ausnutzen mit einem Erwachsenen mal aus der Villa zu kommen. Die haben viel weniger Probleme Sänften, Sklaven und Träger zusammen zu bekommen als ich. Die sind hier überhaupt nicht auf Kinder vorbereitet, sondern denken alle nur an sich.


    Liebe Grüße
    Lucius


    PS: Ich vermisse dich sehr und will wieder zurück nach Baiae.

    Serenus war sehr verwirrt. Also fragte er nach.


    Do ut des - ich gebe, damit du gibst? Aber liegt da nicht der Gedanke nahe, dass man die Gunst der Götter zu erkaufen versucht? Ich mache ein großes Opfer und so hat der Gott mir viel zurück zu geben. Ist jedes Opfer damit nicht mit Hintergedanken und einem persönlichen Nutzen verbunden? Wo bleibt da der Aspekt der Freiwilligkeit oder Selbstlosigkeit? Oder der reinen Verehrung der Götter um ihrer Selbst Willen? Obgleich sich diese Tugenden ja wohl nur die reichen Leute erlauben können, denen es an nichts mangelt.


    Woher wissen wir was das rechte Maß ist? Wir opfern für Onkel Lucullus nur eine Ziege, obgleich wir auch ein Rind nehmen können. Würde dann bei mir was Kleineres als eine Ziege geopfert werden, weil ich kleiner als Onkel Lucullus bin? Und wenn wir jetzt ein kleines Rind nehmen würden? Schließlich gibt es ja als Steigerung noch diese riesigen Ochsen, welche die Wagen auf den Strassen ziehen. Und was heißt Kontext der Gesamtheit? Onkel Lucullus, Tante Agrippina und du seid die einzigen Priester in der Familie. Also seid ihr sehr wichtig für die Familie und den Haushalt als Ganzes, denn ihr regelt alles, dass uns die Götter gewogen sind. Also liegt doch schon wieder ein großer Anlass vor, zumal wir ja wollen, dass Apollon uns die Gesundheit von Onkel Lucullus zurück gibt. Das ist sehr verwirrend, Onkel Gracchus. Und wieso Größenwahn? Wir sind doch laut Oma die beste und wichtigste patrizische Gens im ganzen Imperium! Wir sind doch quasi ein kleines Reich im riesigen Staat, da wir enorme Macht besitzen. Also passt das Rind doch wieder zum Anlass.


    Also wenn wir jetzt bei der Ziege bleiben, dann sollte es eine helle beziehungsweise weiße Ziege sein, denn Apollon ist ja ein himmlicher Gott, also zumindest wohnt er über der Erde. Es müsste ein Ziegenbock sein, denn Apollon ist ein männlicher Gott.


    Onkel Gracchus, du hast aber einen Fehler gemacht! So einfach legst du mich nicht rein, jetzt nachdem du mir das erklärt hast!


    Zunächst einmal brauchen wir kein Zicklein, sondern einen ausgewachsenen Ziegenbock, der schon viele Jahre alt ist. Onkel Lucullus ist ja schon ganz alt, während ein Zicklein ganz jung ist. Also eher meinem Alter angemessen wäre. Und wir brauchen zwei Opfertiere! Wir wollen ja Apollon und Aesculapius opfern. Damit hätten wir zwei Götter, aber nur eine Ziege. Ergo bekommt jeder Gott eine halbe Ziege.
    Das gibt Streit! Vor allem, wenn die beiden Ziegenhälften nicht ganz genau gleich groß sind. Ich habe eine Schwester, Onkel Gracchus, und ich weiß was es heißt mit Arrecina zu teilen. Sie ist eine Meisterin so zu teilen, dass ihr Anteil größer ist. Also nehmen wir zwei Ziegen!


    Ist es wichtig, dass die Tiere makellos sind oder fällt das in den Aspekt „jeder nach seinen finanziellen Mitteln“?

    „Nein, diese Episode kenne ich nicht. Ältere Ausgaben sind sehr schwer zu bekommen, zumal die Scribas sie nur in kleiner Auflage herstellten. Inzwischen gibt es 4 Autoren und gut 10 Scribas, so dass es leichter ist ein Exemplar zu bekommen. Vor allem hier in Roma. Jetzt muß ich auch meine Ausgaben nicht mehr mit all den anderen in Baiae teilen und mir von Sklaven Abschriften machen lassen Und Gaius hat inzwischen mehrere Widersacher. Einige davon sind auch Mitsklaven und Palastbedienstete, die neidisch auf ihn sind, dass der Imperator den Gaius persönlich kennt.“


    Serenus stand auf, gab einen kurzen Pfiff von sich und der Hund stand gähnend auf.
    „Aus Protest, dass mein Leibwächter hier nicht verweilen darf, gehe ich. Und du bist gemein, dass du meinen Hund nicht leiden kannst, aber für deine Katzenviecher wird eine Ausnahme gemacht.“


    Serenus zeigte mit der Hand auf eine schlafende Katze, die zusammengerollt unter der Sitzgelegenheit von Tante Leontia lag. Natürlich war es nicht DIE Katze von seiner Tante, sondern eine der vielen Anti-Mäuse-Ratten-Katzen in der Villa. Aber hier ging es um eine Daseinsberechtigung für seinen Hund. Dann verließ er leise vor sich hin brummelnd die Bibliothek.

    Serenus kam ganz vorsichtig näher und gab Dido und dem Hund ein Zeichen etwas zurück zu bleiben. Er hörte die Instruktionen von Onkel Gracchus und sah sich Onkel Lucullus näher an. Als alter Literaturkenner der der thessalischen Horrorgeschichten erinnerte ihn Onkel Lucullus auf den ersten Blick an einen pickeligen Seuchenpriester aus der Unterwelt. Auf den zweiten Blick aber fing Serenus breit zu grinsen an.


    Er wandte sich an seinen scheinbar sterbenden Onkel.


    „Keine Sorge Onkel Lucullus. Die Masern sind harmlos. Letztes Jahr hatte mein Freund Cornelius Cicero die Masern und im Jahr davor seine drei Schwestern - Dick, Dicker und am Dicksten. Und Tiberius Antonius hatte sie sogar zusammen mit Keuchhusten. Selbst Arrecina hatte die schon. Und da ich sie nie bekommen habe, obgleich die eine irre lange Ansteckungszeit haben, bin ich immun. In ein bis zwei Wochen ist alles vorbei.“


    „Medicus“ Serenus wandte sich erklärend wieder an Onkel Gracchus.


    „Zuerst geht es los wie bei einer Erkältung. Der Hals tut weh, man hustet und die Nase läuft. Dann bekommt man einen schlimmen Ausschlag im Mund und kann nichts mehr essen. Und das Licht tut den Augen ganz schlimm weh. Dann kommt ein ganz, ganz, ganz hohes Fieber, wo dann die Wadenwickel kommen, die alle halbe Stunde gewechselt werden. Und ein Ausschlag breitet sich im Gesicht und am ganzen Körper aus, der ganz schlimm juckt. Und das Licht verbrennt die Haut wie bei einem Untoten. Und der Hals wird dick und tut furchtbar weh, vor allem wenn man immer mehr hustet. Und alle Jungen bekamen ganz schlimmen Durchfall, während die Mädchen keinen bekamen. Dann geht das Fieber zurück, dann geht der Ausschlag zurück und geht in braune Flecken über, die dann auch weggehen. Alles harmlos, aber man soll sich Scheisse fühlen.“


    Serenus wandte sich wieder an Onkel Lucullus.


    „Das ist doof, dass du jetzt schon krank bist, denn sonst hättest du nach Baiae reisen können, wo Oma dich gehegt und gepflegt hätte. Die kann das sehr, sehr gut. Ich weiß das, weil Arrecina und ich vor vier Jahren den Keuchhusten hatten. Dank Oma waren wir schneller gesund als die anderen Kinder in Baiae.“


    Serenus rannte aus dem Raum um Sciurus zu suchen.
    „He Dido! Mein Onkel Lucullus hat die Masern! Bin mal gespannt wen er vielleicht alles angesteckt hat.“


    Auf dem Gang waren leiser werdende Schritte zu vernehmen, als die Kinder und der Hund den Sklaven suchen gingen.

    „Sciurus! Onkel Gracchus schickt mich zu Dir. Du sollst ganz schnell ein weißes Zicklein besorgen. Du würdest wissen, was zu tun ist. Und du sollst dich sputen, wenn Dir dein Leben lieb ist. Danach sollst du mit der Ziege ins Atrium kommen, denn Onkel Gracchus will sich hier mit mir treffen.“


    Serenus fiel im letzten Moment ein, dass eine seiner Rennziegen, die schnelle Gaia, weiß war.


    „Sciurus! Und ICH gebe Dir mein Wort als Patrizier, dass du als Strafe mindestens 200 Peitschenhiebe von Sica bekommst, bevor du von Sica im Garten gekreuzigt wirst, wenn du dich an meinen Rennziegen vergreifst.“


    Serenus bemühte sich um einen bösen Gesichtsausdruck, aber er war sicher, dass der Name Sica und Strafe vollkommen ausreichten um den Sklaven von den Rennziegen fern zu halten. Jeder Sklave in der Villa schien eine geradezu panische Angst vor diesem Sica zu haben. Der war laut Serenus Informationen in einer Gladiatorenschule im wilden Hispania ausgebildet worden. Und war der Leibwächter von Onkel Senator Felix. Also war Sica so etwas wie ein Kampfhund, wie Nero halt. Und vor Nero brauchte man keine Angst zu haben. Zumindest, wenn man Serenus oder Dido hieß und zur Familie gehörte.


    Dann ging er mit Dido und Nero ins Atrium und wartete auf Onkel Gracchus.


    „Wir lesen „Sklave Gaius ist der Beste“, Tante Leontia. Das sind Fortsetzungsgeschichten von einem Sklaven im Palast des Imperators, der immer in Kriminalfälle verwickelt wird und diese zusammen mit einem dummen Centurio von der CU lösen tut.


    Mein Cubiculum wird gerade sauber gemacht. Dort können wir nicht lesen. Also Speisen und Getränke sehe ich ja noch ein, aber was hast du gegen Nero? Deine Katze läuft doch auch überall rum. Und die anderen Hauskatzen auch. Kannst du meinen Hund nicht leiden? Der macht doch nichts. Wie soll der Schriften ruinieren?“


    Die Lippen von Tante Leontia hatten sich bewegt, aber Serenus hatte die Worte „Und keine Diskussion.“ scheinbar nicht gehört.


    Er gab Dido einen Wink das Essen zurück ins Cubiculum zu bringen.