Der helle Rauch umschwirrte Epicharis' Geist und ließ sie ruhiger werden. Camilla stand ehrfürchtig neben der Patrizierin und sah aufmerksam zu, was geschah. Epicharis sank auf die Knie darnieder, die Handflächen nach oben gekehrt. "Mater Iuno", flüsterte sie und schloss die Augen, um sich Iunos Antlitz vorzustellen. "Mater Iuno, gewähre und seine Gunst." So geheimnisvoll, wie Epicharis sprach, konnte die kleine Camilla nicht umhin, sich verstohlen umzuschauen. Vielleicht würde Iuno gar selbst hervortreten? Eine unheimliche Vorstellung. Camilla ging etwas näher an den Altar und beobachtete weiter.
"Selten bat ich dich um etwas, schien die Ehe doch weit entfernt. Oft opferte ich, wie es dir gebührte. Heute ist dein Festtag, ein Freudentag. Heute möchte ich dich um etwas bitten." In der nebenan befindlichen Nische hörte man eine andere Frau murmeln. Camilla lauschte aufmerksam, konnte jedoch nur Epicharis verstehen. Jene öffnete soeben die Augen und blickte zu Camilla. "Du darfst die Blumen dem Feuer übergeben. Aber nicht alle, behalte die schönsten für den Altar, wir legen sie neben die Statue", sagte sie freundlich und Camilla nickte gewichtig. Sie nahm den Korb auf und tat wie ihr gehießen. Fasziniert blickten die kindlichen Augen in das verzehrende Feuer. Indes sprach Epicharis weiter. "Mater Iuno, ich ersuche dich, meinem Verlobten die Tage in der Fremde kürzer und seine Aufgaben leichter erscheinen zu lassen, aufdass er bald zu mir zurückkehren möge. Ich bitte dich, große Iuno, lasse ihn wissen, dass ich auf ihn warte und mich um sein Wohlergehen sorge. Nimm diese Blüten an, oh Iuno, dir zu Ehren." Epicharis verstummte. Camilla legte die letzten dafür bestimmten Blüten soeben auf den Foculus und hielt dann Epicharis den Korb hin.
Die Claudierin lächelte dankend und legte die buntesten und frischesten Blumen auf dem Altar nieder, nahe der dort befindlichen Votivgaben und der kleinen Statue der Iuno. "Der Kuchen", sagte sie zu Camilla, und das Mädchen stellte den Korb ab, nahm den kleinen Dinkelspelzkuchen heraus und legte ihn vorsichtig an den Rand des Foculus. "Mater Iuno....gewähre mir deine Gunst", murmelte Epicharis nochmals und hüllte sich hiernach in Schweigen.
Camilla nagte auf der Unterlippe. Ob sie vielleicht... "Darf ich mir auch etwas wünschen von Iuno? Wo sie doch schon mal da ist", fragte das Sklavenmädchen leise. Epicharis drehte den Kopf und sah sie an. "Oh - natürlich", erwiderte sie erstaunt. "Dann wünsche ich mir ein neues Spielzeugpferd. Meins hat Gaius nämlich kaputt gemacht", sagte Camilla zu Epicharis, welche schmunzelte. "Ich bin sicher, Iuno hat es gehört", versicherte sie dem Mädchen amüsiert.