Beiträge von Flavia Epicharis

    Der helle Rauch umschwirrte Epicharis' Geist und ließ sie ruhiger werden. Camilla stand ehrfürchtig neben der Patrizierin und sah aufmerksam zu, was geschah. Epicharis sank auf die Knie darnieder, die Handflächen nach oben gekehrt. "Mater Iuno", flüsterte sie und schloss die Augen, um sich Iunos Antlitz vorzustellen. "Mater Iuno, gewähre und seine Gunst." So geheimnisvoll, wie Epicharis sprach, konnte die kleine Camilla nicht umhin, sich verstohlen umzuschauen. Vielleicht würde Iuno gar selbst hervortreten? Eine unheimliche Vorstellung. Camilla ging etwas näher an den Altar und beobachtete weiter.


    "Selten bat ich dich um etwas, schien die Ehe doch weit entfernt. Oft opferte ich, wie es dir gebührte. Heute ist dein Festtag, ein Freudentag. Heute möchte ich dich um etwas bitten." In der nebenan befindlichen Nische hörte man eine andere Frau murmeln. Camilla lauschte aufmerksam, konnte jedoch nur Epicharis verstehen. Jene öffnete soeben die Augen und blickte zu Camilla. "Du darfst die Blumen dem Feuer übergeben. Aber nicht alle, behalte die schönsten für den Altar, wir legen sie neben die Statue", sagte sie freundlich und Camilla nickte gewichtig. Sie nahm den Korb auf und tat wie ihr gehießen. Fasziniert blickten die kindlichen Augen in das verzehrende Feuer. Indes sprach Epicharis weiter. "Mater Iuno, ich ersuche dich, meinem Verlobten die Tage in der Fremde kürzer und seine Aufgaben leichter erscheinen zu lassen, aufdass er bald zu mir zurückkehren möge. Ich bitte dich, große Iuno, lasse ihn wissen, dass ich auf ihn warte und mich um sein Wohlergehen sorge. Nimm diese Blüten an, oh Iuno, dir zu Ehren." Epicharis verstummte. Camilla legte die letzten dafür bestimmten Blüten soeben auf den Foculus und hielt dann Epicharis den Korb hin.


    Die Claudierin lächelte dankend und legte die buntesten und frischesten Blumen auf dem Altar nieder, nahe der dort befindlichen Votivgaben und der kleinen Statue der Iuno. "Der Kuchen", sagte sie zu Camilla, und das Mädchen stellte den Korb ab, nahm den kleinen Dinkelspelzkuchen heraus und legte ihn vorsichtig an den Rand des Foculus. "Mater Iuno....gewähre mir deine Gunst", murmelte Epicharis nochmals und hüllte sich hiernach in Schweigen.


    Camilla nagte auf der Unterlippe. Ob sie vielleicht... "Darf ich mir auch etwas wünschen von Iuno? Wo sie doch schon mal da ist", fragte das Sklavenmädchen leise. Epicharis drehte den Kopf und sah sie an. "Oh - natürlich", erwiderte sie erstaunt. "Dann wünsche ich mir ein neues Spielzeugpferd. Meins hat Gaius nämlich kaputt gemacht", sagte Camilla zu Epicharis, welche schmunzelte. "Ich bin sicher, Iuno hat es gehört", versicherte sie dem Mädchen amüsiert.

    "Zudem werdet ihr beiden doch sicherlich dafür sorgen, dass die Casa nicht lange so verlassen bleibt, nicht wahr?" sagte Epicharis und zwinkerte Lucilla schelmisch zu. "Ob der Nachwuchs dann eher nach Senator Meridius oder nach Senator Avarus kommt, wird sicher interessant werden." Gegenüber Lucilla konnte sich Epicharis wohl sicher ein wenig Offenheit erlauben. Zudem war sie wegen des Briefes von Aristides gut gelaunt und bester Dinge. Gerade überlegte sie, ob sie sich nicht vielleicht einfach zu Lucilla in die Reihe stellen und damit einige Meter vordrängeln sollte.


    "Bisher wirkt er recht souverän. Lernfähig. Aber ich hörte, dass er regen Kontakt zu Aelia hat. Zumindest hat Ion sich darüber beschwert, dass er in letzter Zeit öfter Briefe nach Alexandrien verschicken soll. Theoretisch kann das ja nur eines bedeuten", offenbarte Epicharis Lucilla ihre Schlussfolgerung. "Ja... Seit Kriegsbeginn ist der Andrang recht groß. Zumindest im Marstempel. Wir sollten uns nicht beschweren." Besonders unter Berücksichtigung der letzten Ereignisse. "Hm... Noch sind wir zwar nicht verheiratet, aber Sorgen mache ich mir natürlich trotzdem", erwiderte die Claudierin und lächelte ein wenig.


    Allerdings nicht lange, denn als Lucilla die Rennen ankündigte, die ihr Mann ausrichten würde, erinnerte sie sich an die heimische Situation. Daran, dass ihr Vater ihr schon untersagt hatte, zu der Saturnalienfeier in die Villa Flavia zu gehen. "Hmm", machte Epicharis daher gedehnt und wirkte ein wenig bedrückt. "Ich muss mal schauen. Vielleicht", antwortete sie dann bewusst etwas schwammig. Eventuell würde sich Lucilla mit ihrem scharfen Verstand denken können, dass Epicharis als unverheiratete Patrizierin auf das Wort ihres Vaters angewiesen war, und da dieser derzeit höchst seltsam war... "Ich habe zumindest die Ankündigungen gesehen. Das verspricht, recht spannend zu werden. Ich denke, ich werde versuchen, zuzuschauen." Betteln allerdings würde sie nicht, dazu war sie zu stolz. Wieder gingen sie einige Schritte weiter nach vorn. "Was meinst du, wie lange es dauert, bis man ein Land eingenommen hat? Und wie lange der Krieg noch dauern wird?" sinnierte sie laut.

    Das kleine Flämmchen leckte gierig nach Nahrung, als Epicharis es, geborgen in den vor Aufregung kalten Händen, die marmornen Stufen des kleinen Tempels hinauf trug. Ihr folgte Camilla, eine Sklavin von schätzungsweise zehn Jahren, welche einen Korb mit herrlich duftenden Blüten und einen kleinen Kuchen trug. "Geht es gleich los?" fragte sie Epicharis, welche sich lächelnd umwandte und der Kleinen antwortete: "Ja. Doch wir müssen zuerst sehen, ob wir einen Platz finden." Mit leuchtenden Kinderaugen folgte Camilla Epicharis ins Tempelinnere.


    Sie hatten Glück und mussten nicht warten. Viel Betrieb schien nicht zu sein. Vermutlich hielt der Krieg die Menschen fest in seinem Griff, und so würden wohl nur wenige Frauen herkommen und die Göttin Iuno darum bitten, Feuer und Begehren in das Herz des Geliebten zu streuen. Epicharis jedoch steuerte zielstrebig einen der kleineren Altäre an der Längsseite der Cella an. "Du kannst den Korb abstellen, Camilla", sagte sie dem Mädchen und hielt ihre Palla in der Mitte zusammen, während sie ein Säckchen hervorzog, in dem sich wohlriechende Kräuter befanden. "Was machst du jetzt?" fragte das Sklavenmädchen, und Epicharis antwortete geduldig: "Ich versuche, die Göttin auf uns aufmerksam zu machen. Damit sie unsere Bitte erhört, weißt du? Denn wenn Iuno gerade wo anders hinschaut, kann sie schlecht hören, was wir uns wünschen. Und das wollen wir doch, nicht?" "Ja, unbedingt!" "Siehst du." Ein warmes Lächeln umspielte Epicharis' Züge, und sie streute einen Teil der Kräuter-Weihrauchmischung auf die Kohlen, welche noch vom letzten Opfer her glommen.

    "Ach ja", seufzte Epicharis und legte den Kopf schief. "Ganz gut eigentlich. Den Umständen entsprechend." Und was das für Umstände waren. Zu Hause war so gut wie nichts mehr im Lot und ihr Verlobter befand sich im Angesicht des Krieges. Aber man schlug sich eben so durch. "Und wie geht es dir? Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Hast du dich gut eingelebt bei deinem Ver... Mann?" fragte Epicharis und konnte mit Müh und Not den Versprecher gerade noch abwandeln. Lucilla hatte es aber sicher dennoch mitbekommen.


    "Ach Lucilla, jedes Mal, wenn ich das Domus der Acta betrete, finde ich, dass etwas fehlt", sagte Epicharis und zwinkerte Lucilla zu. "Aurelius Corvinus ist zwar selten anwesend, aber er macht seine Arbeit gründlich. Da kann man nicht meckern. Aber er muss sich ja auch erstmal hineinfinden." Einmal angefangen, war Epicharis kaum mehr aufzuhalten und schwatzte für ihr Leben gern. Besonders, da sie sonst keinen dafür hatte, seit ihre Stiefschwester sich so seltsam benahm und ihr Vater nach Ofellas Abreise an Machtversessenheit litt.


    "Vermisst?" fragte sie Lucilla dann und setzte eine besorgte Miene auf. "Nein, das wusste ich nicht. Wie schrecklich! Ich wünsche dir das Beste... Eurer ganzen Familie. Noch ein Trauerfall wäre sicher das Letzte, was ihr nun gebrauchen könntet. Und Marcus... Ja, ich habe heute Vormittag ein Schreiben erhalten und sogleich geantwortet. Auf dem Weg hierher haben wir einen Abstecher beim Amt gemacht, ich habe den Brief gleich aufgegeben." Wieder gab es einen Ruck in der schier endlos anmutenden Reihe, und sie konnten sich ein paar Schritte weiter nach vorn schieben.

    Vollbepackt mit tollen Sachen, die das Leben des Mars schöner machen, traf auch Epicharis am Tempel ein. In ihrem Gefolge befanden sich eine Handvoll Sklaven, von dem einer ein kleines, rotes Ferkelchen trug. Zuvor hatte sie höchstpersönlich den Brief aufgegeben, der an einen Händler namens Hag...irgendwas adressiert worden war, von dem Epicharis hoffte, dass er a) existierte und b) den Brief überhaupt weiterleiten würde. Und dann blieb natürlich noch zu hoffen, dass der Briefträger diesen Menschen überhaupt kannte.


    "Puh, kann mir mal jemand das Vieh abnehmen?" fragte der Sklave, und gleich erbot sich Nordwin, das zu übernehmen. "Gib her...[SIZE=7]Schwachmat[/SIZE]", sagte er und klemmte sich das protestierende Schweinchen unter den Arm. Seltsamerweise hatte sich heute vor dem Marstempel eine kleine Schlange gebildet, wie Epicharis feststellte. Das war etwas ungewöhnliches, deutete aber darauf hin, dass manche doch aufmerksamer die Acta gelesen hatten, in der ja diesmal ein entsprechender Artikel gestanden hatte. "Ich schätze, heute müssen wir warten", sagte sie zu den anderen und reihte sich ein.


    Während sie warteten und alle paar Minuten einige wenige Schritte weiter vorankamen, sah sich Epicharis um. In der Ferne hasteten einige Frauen entlang, weiter hinten spielten ein paar Kinder irgendein Ballspiel. Versonnen blieb Epicharis' Blick auf den Kindern hängen. Ob sie auch einmal so auf ihre eigenen Kinder blicken würde? Vielleicht sogar Stolz empfinden würde?


    Der Ausruf einer bekannten Stimme riss sie schließlich zurück in die Realität. Suchend sah sie sich um - und erblickte weiter vorn in der Schlange Decima Lucilla, auf deren Hochzeit sie gewesen war und die sie von der Acta her kannte. "Ihr wartet", sagte sie nur zu ihren Sklaven, die dem Befehl folge leisteten und nicht hinterher liefen, als Epicharis sich nach vorn zu Lucilla durchkämpfte.


    "Lucilla, wie schön", begrüßte sie die Decima und lächelte sie an. "Das ist ja ein Zufall, dass wir uns hier treffen. Für wen opferst du?" fragte sie, in der Annahme, es ginge um einen bestimmten Verwandten und nicht um mehrere.


    An den Händler
    Hageladas
    - vertraulich! -
    wohnhaft nahe des Wehrturm der Stadt Zeugma am Euphrat



    Mein lieber, tapferer Marcus,


    nichts könnte mir dieser Tage größere Freude bereiten als eine Nachricht von dir. Ist es nicht wunderbar, dass uns so wenigstens eine eingeschränkte Möglichkeit bleibt, einander zu berichten? So weit reist ein jeder unserer Briefe, durch Regen, Sturm und Sonnenschein, und ich hoffe bei jedem, den ich absende, dass er dir meine Zuneigung gleichsam der Zeilen unverblasst überbringt.


    Es freut mich wahrlich zu hören, dass dein Praefectus wohlauf ist. Gewiss wird seine Gemahlin es als großes Glück empfinden, ihn nicht mehr in der Reichweite der Feinde zu wissen, doch wie ich ihn kenne, wird er denjenigen lautstark und unziemlich verflucht haben, der seinen Versetzungsbefehl unterzeichnet haben mag. Doch sag, in Rom geht die Kunde, ein neuer Legat sitze an der Spitze deiner Einheit, das Oberhaupt der Tiberier? Ich dachte zuerst, es handele sich um eine Fehlinformation, doch als die Acta schließlich die Ernennung publik machte... Ist er ein fähiger Führer? Ich habe bisher nur wenig von ihm gehört, doch das, was ich hörte, zeichnet keineswegs ein Bild, bei dessen Betrachtung ich mich für dich freue oder selbst beruhigt bin. Meine einzige Beruhigung sind deine Briefe und die Anwesenheit des Kaisers, über dessen Gesundheitszustand derzeit auch reichlich spekuliert wird. Zu lange scheint eine öffentliche Äußerung seinerseits her, und die Leute reden wahrlich viel. So manches Mal muss ich an mich halten, um ihnen nicht meine Meinung zu sagen, wenn ich in der Stadt unterwegs bin.


    Nun, was gibt es sonst Neues zu berichten aus Rom und dem Reich? Stets, wenn ich einen Brief an dich verfasse, merke ich, wie praktisch es doch ist, an der Acta mitzuarbeiten und wirklich jeden Artikel - auch die Uninteressanteren - lesen zu müssen. Auf diese Weise erfährt man weitaus mehr, als wenn man nur dem Gewäsch der Tratschweiber Glauben schenkt oder hier und dort etwas Seriöses aufschnappt. Ich habe deinen Verwandten, Aquilius, leider seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen, doch hört man nichts Schlechtes über ihn, was definitiv für ihn und sein Engagement spricht. Gracchus scheint ebenso emsig zu sein, was er in seiner neuen Position gewiss auch sein muss, zumal die Götter derzeit etwas launisch zu sein scheinen. Neben mir auf einem Tischchen steht indes bereits ein kleiner Korb mit Leckereien für Mars, dessen Tempel ich besuchen werde, nachdem ich diese Zeilen beim Cursus Publicus abgegeben habe.


    Leider gibt es auch nicht so Gutes zu berichten. Die Saturnalien begannen bedauerlicherweise mit einem Fiasko. Deine Familie hatte der unseren eine Einladung zukommen lassen. Gern wollte ich teilnehmen, doch mein Vater hütet das Bett mit einer schlimmen Erkältung, und allein durfte ich nicht gehen. Alle anderen durften deine Familie besuchen, ich sah sie das Haus verlassen. Es gab daraufhin ein arges Zerwürfnis, und doch musste ich kleinbei geben und darf ihm nicht widersprechen. Seitdem redet er nicht ein Wort mit mir und geht mir aus dem Weg. Was das für meine Pläne bedeutet, Ägypten zu bereisen, kannst du dir sicher denken. Manchmal glaube ich, er will mir nur seine Macht demonstrieren, nun, da meine Stiefmutter ihrer Gesundheit wegen wieder zurück nach Baiae gereist ist und er niemanden mehr hat, mit dem er streiten kann. Es ist grässlich, so mit ihm in einem Haus zu leben, in dem sonst nichts weiter passiert und aus dem alle flüchten, sobald sich die erste Gelegenheit bietet. Es fehlt mir an Abwechslung, und es fehlt mir auch an Gesprächspartnern, denn meine Stiefschwester scheint alles gutzuheißen, was Vater beschließt. Sofern sie einmal einen wachen Moment hat, heißt das, denn seit ihre Verlobung gelöst wurde, ist sie oft lethargisch und nicht ansprechbar. Ach Marcus, wärest du nur schon zurück!


    Doch nun schließe ich besser. Wie beim letzten Brief auch, lege ich diesem die letzten Exemplare der Acta bei, sowie ein kleines Saturnaliengeschenk für dich. Versprich mir bitte, dass du es nur nutzen wirst, wenn kein allzu nahes Aufeinandertreffen mit den Parthern in Aussicht ist. Ich selbst wünsche mir nichts, nur dass du gesund und heil - und bald! - heimkehrst, damit ich dich in die Arme schließen kann, mein tapferer, mutiger Marcus. Mögen die Götter auf dich achten und unseren Legionen einen baldigen Sieg ermöglichen.


    In Liebe,


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    Roma, am fünfzehnten Tag der Kalenden des Februar im Jahre DCCCLVIII


    Sim-Off:

    Dem Brief liegt ein kleines Holzkästchen bei, in dem sich eine Opiumpfeife samt etwas Opiumvorrat in einem Lederbeutelchen befindet.




    Sim-Off:

    Bitte von der Wertkarte der Claudia abbuchen.

    Hm, ich weiß jetzt nicht...sollte ich erleichtert aufatmen oder eine enttäuschte Schnute ziehen? Ich denke, letzteres. Serenus ist zwar ein Bürschchen im wahrsten Sinne des Wortes, aber ich hab ihn trotzdem gern.
    Bis bald, kleiner Mann. Stell in Baiae bei Oma keinen Blödsinn an. :)

    Mit gemischten Gefühlen, doch die positiven schürend, nahm Epicharis die Mitteilung über den Aufenthalt des Jungen auf. Sie hatte beim besten Willen keine Ahnung, wie der Kleine ihren Besuch auffassen würde oder ob er sie überhaupt sehen wollte. Nun, da konnte im Falle eines Falles auch ein Vormund behilflich sein, doch Epicharis wollte nicht erzwingen, dass Serenus sie empfing. Die Informationen bezüglich den Begehrlichkeiten des Jungen machten Epicharis lachen. Vergnügt blitzten die Augen, als sich kleine Lachfältchen um jene herum bildeten und sie daran dachte, wie sie Serenus einen kleinen Löwen schenkte, und wohl was danach in der Villa Flavia los wäre. „Ach, nein, mach dir keine Sorgen, lieber Gracchus. Die Vorstellung, fortan mit dem Brüllen eines Löwen bei euch begrüßt zu werden, ist allerdings recht amüsant...“ Frech grinste sie Gracchus an. „Wobei...Vielleicht überlege ich es mir doch noch...“


    Einige Sätze später war Epicharis dann eine Idee reicher. Der Junge liebte also Rennwägen ganz besonders. Aber auch die Claudia sah etwas ratlos drein. „Hmm. Ich bin gerade in solcherlei Dingen auch nicht recht bewandert, aber eventual kann ich jemanden um Hilfe bitten, der sich näher damit befasst und mir vielleicht eine Auskunft geben kann“, erwiderte sie und dachte dabei an einen ganz bestimmten Handwerker, der zwar nicht in Rom, doch aber in der Nähe wohnte. Epicharis erinnerte sich an ihn, weil Myrtilus vor kurzem einen Rennwagen bei diesem Wagenbauer in Auftrag gegeben hatte, um damit seinen kürzlich aus Ägypten eingetroffenen Enkel zu beglücken. Sie würde Myrtilus später fragen, beschloss sie.


    Als das Gespräch nun in Richtung Süden abdriftete, war Epicharis erneut ganz Ohr. Aristides selbst hatte ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt, und nun, da er wohlauf war, konnte sie guten Gewissens an diese Reise denken. Zuvor wäre es ihr verräterisch und gewissenlos vorgekommen, überhaupt nur an eine solche Unternehmung zu denken, die ja spaßig sein sollte, es unter den Umständen allerdings nicht gewesen wäre. Begierig wartete sie also auf eine Antwort, die da auch recht bald kam. Bereits bevor Gracchus’ Lippen sich teilten um die Worte auszuformen, sah Epicharis an seinen Augen, dass er wenig angetan war von der Vorstellung, mit ihr zu verreisen. Eines enttäuschten Ausdrucks konnte sie sich nicht erwehren, suchte ihn jedoch zu übertünchen, indem sie nach dem Becher griff und ihn in kleinen Schlucken zur Hälfte leerte. Dabei legte sie sich eine passende, argumentative Antwort zurecht, die sie nach dem Abstellen des Bechers sogleich mit einem verwegenen Schmunzeln zum Besten gab. „Wenn es danach ginge, so würdest du nimmermehr die Zeit für eine Exkursion ohne ausdrücklichen Wunsch des Collegiums finden“, entgegnete sie. „Das ist natürlich ganz praktisch für das Collegium, denn so haben sie einen tüchtigen Pontifex in ihren Reihen, der jedwede Bürde gern auf sich nimmt....“ Ein Zwinkern folgte auf diese foppenden Worte, die sich Epicharis spontan erlaubte. „Mich graust es etwas vor dem Seegang, muss ich gestehen, aber die Neugier nach den Dingen, von denen Marcus berichtet hat, ist doch größer als das Unbehagen beim Gedanken an ein beständig schwankendes Schiff“, gestand sie ganz offen und blinzelte. „Vielleicht möchtest du es dir noch einmal überlegen? Ich würde mich sehr freuen, wenn du dich doch noch anders entscheiden würdest.“ Epicharis überlegte – sollte sie Gracchus sagen, dass sie ihn und seine Art mochte? Vermutlich würde er ohnehin selbst darauf kommen oder war es gar schon, sagte sie sich aber, und unterließ dieses Bekunden. Sehr bedauerlich würde nur sein, wenn Gracchus seine Gemahlin mit ihr sandte und selbst zurückblieb. Da hätte die Intention, welche Epicharis die beiden betreffend gehabt hatte, gar keinen Haltepunkt mehr. Die Claudierin überlegte, währenddessen schlug Gracchus vor, dass Antonia allein mit ihr kommen würde. Epicharis lächelte milde. Für Geleitschutz würde sicherlich ihr Vater ebenfalls sorgen. Deandras Melancholie und Priscas Abwesenheit lösten gewiss das Gefühl in ihm aus, seine mittlere Tochter mehr noch beschützen zu müssen.


    „Verbleiben wir also insofern, dass du dir nochmals überlegst, was du dir ansonsten freiwillig entgehen ließest?“ bohrte sie weiter und schenkte Gracchus eines ihrer bezauberndsten Lächeln. Natürlich meinte sie nicht sich selbst, auch wenn man das tatsächlich missverstehen konnte, sondern das Land an sich.

    Vor der Tür wartete Epicharis. Ihr Vater hatte ihr verboten, den raum zu betreten, wohl aus Angst, sie könnte sich anstecken. Deswegen stand sie nun davor und wartete, dass ihr Fiona einen kurzen Bericht erstattete, wie es Kassandra erging. Zuvor hatte die junge Claudia die Köchin angewiesen, so kaltes Wasser als möglich und frische Tücher zu organisieren, denn sie wusste, dass solch kühle Umschläge um die Waden herum das Fieber senken konnten. Gerade steuerte Pustula mit weißen Tüchern über dem Arm und einer kleinen Wanne in den Händen die Unterkunft an, öffnete mit dem Ellbogen die Tür und verschwand darin. Epicharis erhaschte nur einen flüchtigen Blick nach drinnen, ehe Pustula die Tür mit dem Fuß hinter sich ins Schloss schnappen ließ. Nach einem Seufzer wartete sie weiter.


    Sim-Off:

    Kassandra, du kannst auch in dem anderen Thema, wenn du möchtest. Da bist du dran. :)


    An den Medicus
    Decimus Mattiacus



    Sei gegrüßt, Decimus!


    Mit diesem Brief erreicht dich die dringliche Bitte nach einer Visite im Haushalt der Claudier zu Rom. Ich schreibe dir, da meine liebste Leibsklavin an einem schlimmen Fieber erkrankt und unser Medicus ratlos ob dessen ist.


    Ich sorge mich sehr und wäre dir sehr verbunden, wenn du auf schnellstmöglichem Wege herbeieilen könntest. Deine Entlohnung wird der Mühen angemessen sein.


    Vale,
    [Blockierte Grafik: http://img152.imageshack.us/img152/5753/unterschriftepicharisyt9.gif]

    Wenn auch die flavische Familie und Rom selbst keinen Freiraum dulden mochte, so provozierte Epicharis seit dem Brief ihres Verlobten regelrecht die Leichtigkeit des Seins der sie umgebenden Personen. Kassandra hatte sie allein bei der Nachricht geherzt, dass ein Brief von Aristides eingetroffen war, und anschließend hatte sie sich mit ihrer Leibsklavin an den Händen und dem Kopf im Nacken im Kreise gedreht, bis sie schwindelnd gegen eine Statue im Garten getaumelt war und diese mit ihrem Umgestüm zum Wanken gebracht hatte. Doch selbst dafür war nur erheitertes Gelächter übrig gewesen.


    Die Erwähnung des Essigwassers löste erneut ein solches Gelächter aus, und freudige Röte überzog die patrizischen Wangen in serener Manier. Sie beugte sich leicht vor während des Lachens, und gewahrte auch das zaghaft anmutende Lächeln des flavischen Pontifex, welches wiederum die Frage in ihr auslöste, warum Gracchus nur so wenig von seiner Freude zeigte. Täuschte sie sich, oder kreisten seine Gedanken um etwas, das verhinderte, seiner Freude ausdruck zu verleihen? Gleichermaßen forschend wie nachdenklich betrachtete sie sein Gesicht eingehender. Leicht verklärt lächelte sie, als er bestätigte, dass die Götter ihren verlobten schützen würden. Wer konnte das mit größerer Bestimmtheit sagen als ein Pontifex? Zufrieden ob dieser Bestätigung nickte Epicharis einmal abschließend.


    Vermutlich mochte die Frage nach Aristides' Jungen den Flavier etwas verwirren, denn sicherlich hatte er die tote Ratte bei der Verlobungsfeier ebensowenig vergessen wie sie selbst. Doch zeugte es nicht vom guten Willen, wenn man vergeben konnte? Und gerade ein Junge in Serenus' Alter vermochte die Dinge noch nicht so klar zu sehen wie es ein Erwachsener tat, sagte sich Epicharis. "Das freut mich zu hören. Aber du sagtest 'war' - ist er denn gegenwärtig wieder in Rom?" Schon überlegte sie, ob sie ihn dann nicht einmal besuchen sollte. So....also zukünftige Stiefmutter. Schlecht wäre das gewiss nicht, und wenn sie ihm damit dann zeigte, dass die Tätlichkeit auf der Verlobungsfeier vergessen war - und wenn sie ihm noch ein kleines Geschenk mitbrachte - ganz vielleicht würde er sie dann nicht mehr hassen. Einen Versuch war es zumindest wert. "Du weißt nicht zufällig, ob er etwas sammelt? Oder was sein Herz erfreuen würde?" erkundigte sie sich bei Gracchus, der ihre Absicht wohl erraten mochte.


    "Oh", entfuhr es ihr dann interessiert. "Und dann warst du selbst nie dort?" Da drängte sich regelrecht die Frage auf, wo Gracchus dann aufgewachsen war, wenn nicht in Alexandria. Doch Epicharis verkniff sich diese intime Frage, zumindest vorerst. Vielleicht würde sie sie nach der Heirat stellen, wenn sie in gewisser Weise auch zur flavischen Familie gehören würde. "Ja... Vor der Überfahrt scheue ich selbst auch noch etwas zurück. Es heißt, jetzt im Herbst sollen die Stürme Neptuns Reich heimsuchen. Es wäre wohl unklug, baldig aufzubrechen. Doch seitdem mir Marcus von Africa erzählt hat, beseelt mich der Wunsch, seine Geschichten mit eigenen Augen zu sehen." Epicharis legte den Kopf schief. Ihr kam eine Idee. "Aber vielleicht haben du und Antonia ja Lust, mich auf diese kleine Expedition zu begleiten? Es wäre gewiss eine Abweschslung vom tristen Alltagstreiben Roms. Und du könntest dich als Pontifex sogleich davon überzeugen, dass die Priester in Aegyptus ihre Arbeit gewissenhaft verrichten und gleichwie den Genius des Kaisers und die Götter ehren. Der Kaiser würde das ganz gewiss genehmigen, immerhin würdest du mit einer solchen Expedition sicherstellen, dass man ihm allerorts den gebührenden Respekt entgegen bringt!" Gespannt und aufgeregt sah sie Gracchus an. "Meinem Vater wäre viel wohler, wenn ich mich in Gesellschaft befände. Und ich bin mir sicher, dass Antonia sich ebenfalls über eine kleine Reise freuen würde", fügte sie an. Jetzt konnte Gracchus einfach nicht mehr nein sagen! Es wäre die ideale Gelegenheit für die beiden, näher zueinander zu finden. Und sie würde Gracchus näher kennenlernen können.

    Epicharis biss sich flüchtig nachdenklich auf die Unterlippe und wirkte einen Moment verkniffen. Dann jedoch nickte sie bejahend. "Ja, doch, ich glaube, Marsus hieß er. Der Sohn des Curator Rei Publicae, soweit ich weiß. Nennt der sich Marsus?" Denn das wiederum wusste Epicharis nicht zu sagen. "Ich weiß es von Turia Quinta, die hat es von Octavia Flava und die wiederum hat Detritus' Scriba Personalis ausgefragt", verriet sie und kicherte kurz. Die Information, dass gleich zwei Aurelier sich zur Wahl aufstellen lassen wollten, war indes neu. Interessiert neigte sie sich etwas näher heran. "Ah", sagte sie. Von diesem Cotta hatte sie auch noch nichts gehört. Glaubte sie. Aber das besagte schließlich nichts, immerhin war sie so gut wie nie bei irgendwelchen politischen Ereignissen vertreten, und an einem Fest nahmen tausende Römer teil.


    Ein Schmunzeln umspielte Epicharis' Mundwinkel, als Ursus davon sprach, wie viele Kandidaten den Spannungsgehalt einer Wahl beeinflussen würden. Sie selbst sah das etwas anders, immerhin kandidierten in jedem Jahr weitaus mehr junge Männer als es Ämter zu besetzen gab. Nur die wackersten konnten sich durchbeißen, viele aber scheiterten bereits an ihrer Ladung vor den Senat. "Soweit ich weiß, darf man jedoch seine Präferenzen kund tun", erwiderte sie und nickte. "Aber du hast ganz recht, es kommt sicher auch bei den Senatoren gut an, wenn man sich nicht auf ein einziges Amt versteift, sondern seinen Können ganz in den Dienst Roms stellt, egal wo man benötigt wird." Beipflichtend nickte Epicharis erneut. "Was hast du denn vorher gemacht?" wollte sie wissen, immerhin war das nicht unerheblich, wenn man seinen Lebenskauf vor den Senatoren darbot.

    Das Kratzen an der Tür hörte bald auf, und Schritte entfernten sich. Scheinbar prangten die überflüssigen Buchstaben nicht mehr am Holz. Sehr gut!


    Nicht gut allerdings war der Ausdruck, mit dem Deandra ihre kleine Schwester musterte: Absolute Verblüffung. Epicharis hatte es doch gewusst, dass an diesen Entlobungsgeschichten etwas faul war. Es hätte sie auch sehr gewundert, wenn der Aurelier die Claudier wirklich derart vor den Kopf gestoßen hatte oder es noch beabsichtigte. Ein zufriedener Gesichtsausdruck zeigte sich nun also auf Epicharis' Antlitz. In einer vertrauten Geste beugte sie sich vor und legte eine Hand auf Deandras Arm. Schon wollte sie ein paar beruhigende Worte fallen lassen, als der plötzliche Umschwung von Deandras Laune Epicharis hellhörig werden ließ. Würde sie denn so reagieren, wenn nicht wenigstens ein Fünkchen Wahrheit in diesem Geschwätz steckte? Wohl kaum. Epicharis' Stirn runzelte sich, als sie Deandra mit Blicken folgte und schließlich auf ihrem Rücken hängen blieb. Sie blieb jedoch sitzen und strahlte stoische Gelassenheit aus. "Ich auch. Aber irgendwo müssen diese Geschichten doch ihren Ursprung haben. Du bist nicht gerade jemand, über den die Sklavenschaft Lügen verbreiten würde. Warum auch? Viel mehr hätten sie bei Ofella oder Callista einen Grund dazu", sagte sie und schmunzelte, wenn auch nur kurz. "Magst du dich nicht wieder hersetzen und mir erzählen, was passiert ist? Hm? Ich meine...wenn es auch nur im Ansatz stimmen sollte, dann kann ich mir schon vorstellen, was Vater davon halten wird. Ich glaube kaum, dass die Aurelia dann noch sehr eng mit unserer Familie befreundet sein wird, meinst du nicht?"

    Epicharis hatte es zwar noch nie leiden können, wenn Deandra sie scheinbar liebevoll "Epi" nannte (für sie selbst klang es eher in ihren Ohren, als ob Deandra sie nicht für voll nehmen würde oder sie wie ein kleines Kind behandelte - schließlich nannte sie Deandra ja auch nich Deda oder Derri oder gab ihr sonst einen beschränkt klingenden Namen), aber heute sah sie geflissentlich darüber hinweg. Es gab ja auch weitaus Interessanteres als solcherlei!


    Eine gespielt nachtragende Grimasse zog Epicharis. "Verkrochen. Das trifft es genau", gab sie zurück und nahm dann einen Schluck Apfelwein. Genau das Richtige in dieser Situation für Deandra, entschied sie. Fruchtig, süß und nicht die Zunge beschwerend. Scheinbar locker bettete Epicharis ihre Unterarme auf den halbhohen Lehnen des Sessels, in der rechten Hand das Glas haltend und den Blick auf Deandra gerichtet. "Am besten fängst du von vorn an. Mein letzter offizieller Kenntnisstand umfasst leider nur deine Mitteilung zwecks der überhasteten Flucht nach Ostia", sagte Epicharis und kontne nicht vermeiden, dass sich ein ganz leiser, vorwurfsvoller Tonfall einschlich. Da sie es noch rechtzeitig merkte, milderte sie die Worte rasch mit einem Lächeln ab. "Inoffiziell hörte ich Gerüchte darüber, dass du nicht mehr verlobt seist, was ich gar nicht glauben kann?" fuhr sie fort und beide Brauen hoben sich, um den fragenden Ausdruck auf ihrem Gesicht zu vollenden. "Was ist denn passiert, dass in diesem Hause Sklaven meinen, sowas verbreiten zu müssen? Da ist doch nichts Wahres dran - oder doch?" Wimpern klimperten. Und ehe Epicharis Deandra weiter ausfragte und nicht mehr zu Wort kommen ließ, steckte sie schnell ihre Nase in den Becher und trank einen Schluck. Diese Lebensweisheit interessierte Epicharis längst nicht so sehr wie die Gerüchteküche, wenn sie mit der Familie in Zusammenhang stand.


    "Tja, dann mal los, ich bin ganz Ohr", sagte sie, stellte den Becher weg und fasste die Hände locker auf dem Schoß zusammen. Jetzt war Deandra an der Reihe.

    Zitat

    Mir geht es ähnlich, hinzu kommt noch eine leidige Unkreativitätsphase.
    Ich bemühe mich aber, bald etwas auf die Reihe zu bekommen.


    Frisch und kreativ melde ich mich (verspätet) zurück.
    Es kann dennoch mal 1-3 Tage dauern mit den Antworten, aber ich bin in jedem Falle wieder regelmäßig da. :)

    "Ah." Epicharis nickte verständig. Der feine Spürsinn, der den Frauen auch heute noch eigen ist und den die Männer niemand würden nachvollziehen können, sagte Epicharis, dass sie das Thema Corvinus hier wohl besser umschiffte. Sein Neffe schien alles andere als begeistert zu sein. Warum, das konnte Epicharis nur vage vermuten: Ursus stand in seinem Schatten und kam alleine nicht heraus. Aber Epicharis war klug genug, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen und stattdessen das politische aufzugreifen. "Oh, du möchtest zum Vigintivir kandidieren? Weißt du denn schon, welches Amt dir am ehesten zusagen würde?" Sie biss sich auf die Zunge. Beinahe hätte sie erwähnt, dass sein Onkel ihm ja in Erbschaftsdingen kompetent zur Seite stehen könnte. Aber das wäre sicher das Letzte, was Ursus wollte. "Flavius Aquilius wird sich dann wohl mit dir zusammen zur Wahl stellen. Ich hörte zudem, dass auch ein Octavier ins Rennen gehen wird. In jedem Falle wünsche ich dir viel Erfolg." Auch, wenn Epicharis nicht so davon überzeugt war, dass ein auf dem römischen Parkett noch unbekannter junger Mann große Chancen haben würde. Andererseits entstammte er einer bekannten Familie und noch dazu hatte sein Onkel ja kürzlich dafür gesorgt, dass wieder ein besseres Licht auf die Familie der Aurelier fiel, als es noch vor wenigen Jahren der Fall gewesen war. Damals, als Epicharis noch nicht so interessiert war an der Politik. Jung und einfältig war sie damals gewesen... Aber heute war sie sich des Einflusses bewusst, die eine gescheite Frau durch ihren Mann haben konnte. Sie schmunzelte.

    Epicharis hatte soeben den bereits gegebenen Auftrag wieder verworfen, ein schmiedeeisernes U, ein D, ein I und zwei As zu organisieren und stattdessen verlangt, man möge die Letttern C und L auch noch von der Tür reißen, als es klopfte. Nordwin, der die Tür von den unnötigen Buchstaben befreien sollte (immerhin waren hier ohnehin nur Claudier unterwegs und es gab auch nur eine einzige Epicharis), riss die Tür auf und starrte den Besucher an. Die Besucherin. Denn da stand niemand anderer als Deandra.


    Während Nordwin noch verdattert glotzte, sprang Epicharis auf und schubste ihn zur Seite, denn sie hatte gesehen, wer da stand und klopfenderweise um Einlass bat. "Deandra!" rief Epicharis. Nordwin machte Platz, ließ die Dame eintreten und trat dann selbst hinaus, nicht ohne die Tür hinter sich zu schließen. Kurz darauf war ein leises Schaben zu hören, mit dem die beiden Lettern C und L allmählich vom Holz gekratzt wurden. Epicharis umarmte ihre ältere Schwester fest. "Ach Liebes, ich habe mich schon gefragt, wann du dich endlich mal wieder blicken lässt", jammerte sie neckend und löste sich dann von Deandra. "Ich wusste gar nicht, dass du wieder in Rom bist! Wie geht es dir? Ich habe davon gehört, eine Sklavin konnte ihr Plappermäulchen nicht halten und da habe ich sie kurzerhand ausgequetscht. Komm, wir setzten uns. Erzähl mir doch erstmal, wie das genau war." Epicharis brach über Deandra herein wie ein plötzlicher Regenguss und schob sie mit sanfter Gewalt zu einem Sessel, drückte sie hinein und goss ihr und sich plappernd süßen Apfelmost ein. Anschließend setzte sie eine gespannte Miene auf und wartete auf die Geschichte.

    Für Epicharis war dies ein Tag, an dem alles Grau in Grau war, selbst ihre Stimmung. Inzwischen rollten die Tränen nur noch vereinzelt über ihr Gesicht, aber der Ausdruck, der sich darauf zeigte, war alles andere als gefasst. Aufgelöst und bar jeder Hoffnung hockte sie da und ließ sich umarmen. Auch, wenn ihr Callista immer schon etwas der Welt entrückt vorgekommen war, so beruhigten sie die Nähe der Älteren und die milden Worte, die sie zu einem anderen Zeitpunkt vermutlich leicht erbost hätten. Immerhin war sie kein kleines Kind mehr. Und dennoch wertschätzte Epicharis Callista dafür, dass sie zur Stelle war und versuchte, Trost zu spenden. So sehr schien sie die Situation zu ergreifen, dass ihr selbst Tränen in die Augen stiegen, wie Epicharis gewahrte. Sie argwöhnte nichts. Es konnte doch sein, dass sich die selbstsüchtige, unnahbare Callista zu einem fühlenden Menschen gewandelt hatte?


    Epicharis schlug die Augenlider nieder. In der rötlichen Dunkelheit erschien das Schmunzeln Aristides'. Die Schatten des Traumes kehrten zurück, das verschmitzte Gesicht wich einer Todesfratze. Binnen weniger Sekundenbruchteile hatte sich erneut die Angst in Epicharis' Herzen festgesetzt und keimte. "Kein Irrtum", flüsterte sie tonlos und starrte den Boden an. Es war kein Irrtum. Sein Name stand dort. Wie groß war wohl die Wahrscheinlichkeit, dass irgendein Plebejer genau diesen Namen trug? Marcus Aristides... Epicharis schniefte und legte die Wange auf die knochig anmutende Schulter Callistas, doch nicht für lange, denn schon rückte ihre Großcousine fort und schien verändert. Mit großen, vor Trauer dunklen Augen sah Epicharis sie an. Einen Weg, es herauszufinden? Eine winzige Nuance Neugier mengte sich in Epicharis' Verstand, absolut widersinnig und dennoch präsent. Während die Sklavin der Callista bereits hinfort eilte, nagte Epicharis an ihrer Unterlippe, Callista dabei skeptisch musternd. Was konnte eine Zauberin schon für Wissen haben von dem, was sich in Parthien abgespielt hatte? Andererseits... Epicharis war der festen Meinung, dass manche Menschen fähig waren, die Geister der Ahnen für ihre Zwecke zu nutzen, sie zu lenken und... Ja, vielleicht war es sogar möglich, dass man sie entsandte, um an Informationen heranzukommen? Die Claudierin erschauderte. Stumm saß sie da und harrte der Dinge. Unvermittelt drang dann eine Frage ans Licht. "Erzählst du mir vor dir? Wie es dir ergangen ist."

    Epicharis befahl mit einem Nicken eine umherstehende Sklavin herbei. Was Gracchus trinken wollte, hatte er ja soeben gesagt, daher wiederholte sie seinen Wunsch nicht, sondern fügte nur der Sklavin zugewandt an: „Für mich nur Wasser.“ Sie ließ sich regelrecht in den Sessel fallen, der zu der kleinen, aber gemütlichen Sitzgruppe gehörte, die sich unweit befand. Lächelnd sah sie Gracchus an. Davon, dass er fürchtete, sich zu überschwänglich zu freuen, ahnte sie nichts. Sie glaubte nicht, dass es so etwas überhaupt gab, doch da kannte sie Gracchus wohl schlecht, was allerdings auch kein Wunder war, denn abgesehen von den wenigen Opfern, denen sie beigewohnt hatte, abgesehen von seiner Anwesenheit auf ihrer Verlobungsfeier und dem Umstand, dass er Antonias Ehemann war, abgesehen von ihrem letzten Besuch in der Villa Flavia und auch abgesehen von den Erzählungen Antonias, die Epicharis nicht mehr nachvollziehen konnte, kannte sie ihn schließlich nicht. Doch die jüngsten Ereignisse und sein Auftreten hatten in ihr den Wunsch gefestigt, diesen sonderbaren Mann näher kennenlernen zu wollen. Nicht zuletzt, um anschließend Antonia auszufragen, wie um alles in der Welt sie nur darauf kam, ihr Gatte sei ein Eisklotz, denn das wiederum fand Epicharis ganz und gar nicht. Hatte er nicht eben gelacht und schimmerten seine Augen nicht ebenso euphorisch wie die ihren? Und mit ihr gedreht hatte er sich auch. Nein, befand Epicharis. Ein Eisklotz war er nicht, dieser Flavier.


    Begierig hing sie an seinen Lippen, den Oberkörper ein wenig vorgeneigt. Viel zu früh verstummte er wieder. Und nur ein kleiner Teil ihrer Freude wich, als Gracchus erzählte, Aristides habe bekannt, dass er angeschlagen sei. Ihr selbst hatte er versichert, dass sie sich keine Sorgen machen brauchte, und dass es ihm gut ging... Epicharis hatte Recht gehabt, als sie hinter seinen Worten den Beruhigungseffekt gewähnt hatte. Sie lehnte sich zurück und legte die Hände auf ihrem Schoß locker übereinander. "Ich mache mir Sorgen. Aber das lässt sich auch gar nicht verhindern, wenn ich daran denke, dass Marcus jeden Tag Puls essen muss." Epicharis kicherte leicht albern. Mit dem Hüpfen und Tanzen war es eben nicht getan, und noch viel zu viel Elan war übrig. Als sich Epicharis wieder etwas gefangen hatte, fuhr sie in deutlich ernsterem Ton fort. "Ich glaube fest daran, dass Mars Marcus beschützen wird, wie viele Parther ihm auch immer nach dem Leben trachten mögen. Und dass Mercurius ihm nach dem Sieg gegen die Parther eine sichere Heimreise gestatten wird." Epicharis lächelte voller Zuversicht und nickte. Dass Aristides ein Familienmensch zu sein schien, erfreute sie, würde doch nach der Heirat ihre eigene kleine Familie wohl das wichtigste für sie selbst sein. Und eines stand fest: Sie würde sich dann mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass er noch einmal des Krieges wegen fort ging. "So sollte es sein", pflichtete sie daher bei. "Wie geht es Serenus? Ich hörte, er sei in Ägypten gewesen. Nach Africa werde ich vermutlich auch bald reisen. Warst du schon einmal dort, Gracchus?"