Beiträge von Nikolaos Kerykes

    Nach dem Neujahrsfest hatte sich Nikolaos noch eine Weile durch seine Amtsgeschäfte geschleppt - sie mehr schlecht als recht erledigt - ehe sein Leiden ihn von allen Seiten im Griff hatte. Fieber kam und Fieber ging. So auch Kopfschmerzen. An einigen Tagen ließen ihn seine Nerven das Bett nicht verlassen. Er gab Dienern und Schreiben nur noch hastige Anweisungen, schleppte sich zu notwendigen Gesprächen mit Bürgern und anderen Amtsträgern, sprach sonst nur das Nötigste und blieb tagelang stumm, wenn ihn seine Pflichten nicht aus den Mauern seines großen Hauses heraus kommen ließen. An diesen Tagen ging er stundenlang in seinem Zimmer auf und ab, fand weder Ruhe noch den Antrieb, etwas zu tun, zu handeln. Dann wieder ein Fieberschub und einige Tage im Bett.


    Die Zeit der drückenden Hitze in der Stadt war vorüber. Die Regenzeit hatte begonnen. An einem milden Tag im Monat Mechir hatte Nikolaos seine Diener das Nötigste zusammenpacken lassen und hatte die Stadt verlassen. Die Fahrt im Wagen war beinahe unerträglich. Sein Kopf dröhnte - und dröhnte bei jedem Schlag, der durch den Wagen fuhr, umso heftiger. In dicke Mäntel gehüllt hatte er in der Ecke unter der Leinwand gesessen und gefroren. Gerade rechtzeitig vor einem mittäglichen Regenschauer hatte die Hausgemeinschaft das Landhaus erreicht.


    Wochenlang verließ er nicht das dunkle Zimmer. Mit Mühe konnten seine Diener ihn dazu bewegen, ihnen zu erlauben, wenigstens äußeren Läden zu öffnen, sodass zwischen den Gittern der inneren Läden Luft hineingelangen konnte. Die Bibliothek blieb unberührt. Speisen nur selten berührt.


    An diesem Tag hatte er zum ersten Mal das Zimmer verlassen und war in den Garten hinausgegangen. Er fühlte sich kräftiger, auch wenn das seltsame Leiden ihn nicht losgelassen hatte. Und nicht loslassen würde, das spürte er. Nikolaos ging umher und betrachtete die Pflanzen und die Statuen. Friedlich war es zum ersten Mal seit langem in ihm. Noch wusste er nicht, dass ihn an diesem Tag eine schreckliche Nachricht ereilen sollte.

    Klausurphase nähert sich bei mir dem Ende. Daher werde ich meine sträflich überlange Inaktivität langsam wieder beenden. Ich bitte aber dennoch bis Dezember um Nachsicht, wenn ich mal länger auf mich warten lasse.

    Die Siegerin erhielt den Siegeskranz. Ein Ephebe, der mehr als einen Kopf kleiner als Penelope war, brachte ihn mühsam auf ihrem Haupt in Position. Wehmütig beobachtete Nikolaos ihn dabei, wie der Junge mit ungeschickten da, vermutlich vor Aufregung, zitternden Händen durch Penelopes Haar fuhr. Er klatschte in die Hände. Bald tat er dies wie mechanisch. Seine Gedanken waren nicht mehr im Odeion. Sie schweiften ab. Bald hatten sie Alexandreia verlassen und kehrten in einem Dorf bei der Stadt unter dem Schutz der Pallas Athene ein.


    Der Beifall war verebbt. Die Zuschauer erhoben sich und verließen den Bau. Der Himmel war von einem finsteren Rot. Bald wäre es dunkel. Die Sonne über Alexandreia ging rascher unter als über Rom. Nikolaos erhob sich und verabschiedete die Ehrengäste und einige andere Zuschauer. Dann beglückwünschte er Penelope. Blass war der Gymnasiarchos. Seine Stirn und seine Ohren waren heiß, wie vom Fieber. Auf dem Weg ins Freie stieß er einmal beinahe gegen eine Säule.


    Endlich hatte er das überlaufene Gelände verlassen und war auf dem Weg nach Hause. Zu Fuß ging er durch die schmutzigen Straßen. Er ging so schnell, dass seine Leibwächter ihm nur mit Mühe folgen konnten. Der Abendwind strich ihm angenehm kühl über das heiße Gesicht. Seine Schuhe fingen Schmutz. Seine Gewänder wehten und raschelten.



    Sim-Off:

    @Penelope: WiSim :).


    Ich mache hier mal Schluss. Wer will, kann den Abschlusspost noch durch eigene ergänzen.

    Urgulania, das kannst du deinem kleinen Patron doch nicht antun! Und den armen Römern erst recht nicht!


    Es war mir eine große Freude, mit dir zu schreiben. Ich werde die schönen Beiträge in lila sehr vermissen. Du hast Urgulania sehr liebevoll ausgestaltet. Eine echte Frau von Charakter. Ich hoffe, ich laufe dir noch irgendwann im IR wieder über den Weg.

    Entschuldigt, dass ich so lange auf mich habe warten lassen mit der offiziellen Abmeldung. Das liegt daran, dass ich nicht richtig weg bin, sondern nur gerade wenig Zeit habe, Beiträge zu schreiben. Ich versuche mich lesend auf dem neuesten Stand zu halten und werde ab und zu posten. Ein Ende dieses unbefriedigenden Zustandes ist leider erst Ende November in Sicht.

    "Nun, es steht nicht in unserer Macht, gewalttätige Ausschreitungen von Soldaten gegen Bürger zu verhindern, und dass Offiziere nach Dienstschluss allein nach Rhakotis gehen, um sich zu vergnügen.", sagte Nikolaos trocken. Was erwartete der Mann? Was sollte man >verschärfen<, da doch Aufständische meist nach kurzem Prozess hingerichtet wurden? Offenbar hatte der >Sondergesandte< keine Ahnung von den Verhältnissen in Alexandreia. Nikolaos hoffte nicht, der derart desinformierte Kanzleibeamte würde mit seinem Unwissen keinen Schaden anrichten. Wer wusste, was ihm der Soldat eingebläut haben könnte! Die penetrante Schuldzuweisung an die Prytanen der Polis für Ausschreitungen, die zum größten Teil von Nichtbürgern verursacht worden waren (so empfand es Nikolaos) ließen Nikolaos Schlimmes fürchten. Vielleicht war diese Beamte auch nur ein Vorwand, unter dessen Deckmantel eine Intrige der Freunde des Terentiers gegen Germanicus Corvus ihren unheilvollen Lauf nahm.


    ">Wahlen< in dem Sinne gibt es hier nicht. Bei uns findet häufig die Volksversammlung statt und alljährlich werden auf einer bestimmten Volksversammlung die Beamten gewählt - neben einer Reihe anderer Dinge, die von der Bürgerschaft beschlossen werden. Welche Entscheidungen die Bürgerschaft treffen wird, weiß ich nicht. Im übrigen kommt es nicht allzu häufig vor, dass ein Mann - oder eine Frau- viele Jahre hintereinander dasselbe Amt ausübt. Jeder Bürger hat die Möglichkeit, seine Fähigkeiten im besonderen Maße in den Dienst des Staates zu stellen."

    Großflächige Projekte? Was meinte der Mann damit?


    "Die Gesetze sind bereits so hart wie nötig. Da gibt es nichts zu verschärfen. Und Aufständische werden meist für alle sichtbar draußen vor der Stadt ans Kreuz gehängt. Im übrigen ist der oberste Richter für der die Polis Alexandreia und die Provinz Ägypten der Eparchos, nicht ich. Natürlich nur, solange keine Römer angeklagt sind. Die haben schließlich ein Recht darauf, in Rom verurteilt zu werden."


    Nikolaos lächelte höflich, nicht aber ohne einen leisen Anflug des Spotts.

    "Nicht doch, werter Cleonymus, du bringst mich in Verlegenheit. Ich kann mich doch nicht Gastgeber nennen, und dann dir die Gastgeberpflichten übertragen. Ich weiß dein Angebot zu schätzen, kann es aber nicht annehmen. Umso mehr freue ich mich jedoch darauf, bei der Einweihungsfeier dein Gast zu sein."


    Cleonymus Vorliebe für kriegerische Auftritte schien sich auf das Personal des Wirtshauses übertragen zu haben. Etwas exzentrisch fand Nikolaos auch, dass sein Freund und Helfer für so etwas Ordinäres wie einen Schanktisch edelstes Schwarzholz verwendete. Und als Schankmädchen schöne Frauen.


    "Ja, die Geschäfte, sie beanspruchen einen sehr. Nichtsdestotrotz bedarf auch die Polis deiner gütigen Führung und Unterstützung. Ich nämlich gedenke nicht, in der nächsten Prytanie ein Amt zu übernehmen."

    Oberpreisrichter:



    Nach einer langen, langen Zeit verkündete der Oberpreisrichter endlich das Ergebnis der Beratungen. Dazu stellte er sich vor das Publikum, räusperte sich mehrmals und sehr geräuschvoll, zupfte seine Gewänder zurecht und erhob schließlich die Stimme:


    "Verehrte Gäste und Teilnehmer, leicht ist uns die Wahl nicht gefallen, wer nun dem Hermes die größte Ehre gemacht hat, denn diese Halle ist von vielen strahlenden Talenten beehrt worden."


    Eine längere Pause, die der Preisrichter für ein weiteres, diesmal sehr pathetisches Räuspern nutzte.


    "Aber wir mussten zu einer Entscheidung kommen und sind zu einer Entscheidung gekommen."


    Der alte Mann lächelte wie jemand, dem gerade ein Preis angetragen worden war, wie ein Knabe, den man gelobt hatte.


    "Penelope aus Alexandreia ist die Siegerin! Sie hat nicht nur große Begabung als Sängerin und Musikerin bewiesen, sondern auch ein überausriesiges äh... Gespür für die Harmonie der Worte..."


    Der Monolog, zu dem der Mann ansetzte, ging im Beifall unter.




    Sim-Off:

    Auch wenn leider die ursprünglichen Preisrichter nicht mitgemacht haben, ist diese Entscheidung nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern stammt von einem anderen Spieler. Ich hoffe, dadurch ist das fair.

    Nikolaos war selbstverständlich zu Penelopes Kurs erschienen, obgleich er nun schon einmal Privatunterricht bei ihr genossen hatte. Er sah der jungen Frau in die Augen, von denen er meinte, sie auch aus der Entfernung aufmerksam leuchten zu sehen. Sie sprach mit einer bewundernswerten Ruhe. Gut gefiel, dass sie sogleich eine Frage an die Schüler richtete. Das würde vielleicht einige aus dem Dämmerschlaf reißen, in den Schüler leicht verfielen, wenn sie auf den Geschmack anderer Annehmlichkeiten außer der Stätte der Gelehrsamkeit kamen, die die Stadt zu bieten hatte. In der Regel, das wusste Nikolaos aus eigener Erfahrung, verging die Zeit der Ablenkung rasch und machte dem Ehrgeiz Platz, sodass er über Ausschweifungen seiner Schüler meist hinwegsah - wenn sie nicht dem Ruf des Mouseions schadeten. Er betrachtete die Schüler. Fast hatte er Lust, selbst zu antworten auf diese nicht allzu schwere Frage, nur, um mit Penelope zu sprechen, aber er wartete auf die Reaktion der Schüler.

    Nikolaos lächelte bescheiden.


    "Aber nicht doch, Cleonymus! Ich hoffe doch sehr, dass ich für dich immer noch dein Freund Nikolaos bin und nicht der Gymnasiarchos. Außerdem müsste ich dir dann dieselbe Hochachtung entgegenbringen - auch du bist Amtsträger."


    Er folgte Cleonymus in die Haupthalle. Dem neuen Besitzer war offenbar keine Mühe zu groß, das Geschäft wieder herauszuputzen. Schon im Hof war Nikolaos aufgefallen, dass mehr Kundschaft hier war, als zu Lyros letzten Zeiten. Der alte Wirt wohnte nun auf einem Bauernhof in der Khora Alexandreias.


    "Das Haus ist wunderschön geworden. Dieser Umstand scheint auch dem Geschäft gutzutun. Du hast ein Händchen für Geschäftsdinge."


    Als gerade keine Gäste oder Knechte oder Mägde zugegen waren, sprach Nikolaos etwas leiser mit Cleonymus.


    "Die Prytanie ist bald zu ende. Eigentlich haben wir sie schon über die Gebühr gedehnt. Was natürlich durch viele unerfreuliche Vorkommnisse seine Berechtigung hatte. Aber allmählich verlangt es der Grundsatz der Isonomie, dass das Volk neu über Amtstträger bestimmt. Bevor ich es im Prytaneion anspreche, werde ich in meinem Hause eine kleine Zusammenkunft abhalten, und bevor ich dies tue, wollte ich dich fragen, welchen Dienst du der Polis leisten möchtest."

    Ob das eine Drohung war? Nikolaos war unschlüssig, wie er die Antwort des Gesandten deuten sollte.


    "Ich möchte zunächst einmal klarstellen, dass die Beamtenschaft der Polis seit einiger Zeit kaum mit anderen Dingen als der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beschäftigt ist. Ich weiß gar nicht, wie viele Reden ich schon gehalten habe, wie viele Appelle an das Volk. Die Stimmung ist inzwischen nicht mehr so aufgebracht, wie noch vor einiger Zeit.


    Was die Sicherheit in der Stadt betrifft, so hat die Stadtwache die Lage unter ihrer Kontrolle. Jedenfalls ist es seit diesen schrecklichen Ereignissen nicht wieder zu derartigen Vorfällen gekommen - und wir wollen hoffen, dass es so bleibt."


    Plötzlich lächelte Nikolaos mit einem leisen Ausdruck des Spottes.


    "Die Bürger der Polis haben vermutlich über die Neujahrsspiele die Schmach vergessen, die die Legion der Polis zugefügt hat. Was den Pöbel in Rhakotis betrifft, so solltest du besser mit dem Strategos sprechen, der dir darüber genauere Auskunft geben kann als ich."


    Sein Gesicht wurde wieder ernst.


    "Vielleicht hilft es schon, dass die Legion sich zurückhält und keine Übergriffe mehr auf unschuldige Bürger, keine offenen Schmähungen der Götter, die den Bürgern heilig sind, begeht und der Präfekt der Legion keine Drohgebärden mehr veranlasst."


    "Gut, dass wir in diesem doch heiklen Punkt nicht völlig unterschiedlicher Meinung sind. Bitte glaube nicht, dass ich dem Legionspräfekten schaden möchte. Ich möchte bloß nicht, dass er weiterhin der Polis und dem Reich des göttlichen Basileus schadet. Momentan, vielleicht durch deine Anwesenheit verursacht, ist es erstaunlich ruhig in Nikopolis."


    Er lachte kurz und leise.


    "Feinde möchte ich mir keineswegs machen. Aber zu dem, was ich gesagt habe, stehe ich. Immerhin bin ich gegenüber der Polis und dem göttlichen Basileus in der Pflicht, zum Wohl Alexandriens zu handeln."

    Die Frage gefiel Nikolaos nicht. Andererseits gab sie ihm die Gelegenheit, schonungslos seine Gedanken zu äußern. Immerhin war ausdrücklich danach gefragt. Die giftige Bemerkung, der Gesandte habe sich den Bericht des Gymnasiarchos weniger einleuchtend vorgestellt, nahm Nikolaos zur Kenntnis, ohne irgendwie darauf zu reagieren.


    "Der Legionspräfekt hat in meinen Augen keine Vorstellung von der Wirklichkeit, wie sie in Ägypten herrscht. Er meint, in der Wirklichkeit so zu handeln, wie es ihm irgendwelche Lehrer der Taktik am Kartentisch beigebracht haben. Dabei ist er so sehr Soldat, dass er blind für die Politik ist."


    Nikolaos sah den Gesandten durchdringend an.


    "Doch er sieht nicht ein, dass er in seiner Blindheit dem römischen Volk und dem göttlichen Basileus mehr schadet als nützt. Er sieht auch nicht, dass die führenden Bürger der Polis alles dafür tun, dass Ruhe und Ordnung in der Stadt herrschen. Warum sollte beispielsweise ich Aufruhr wollen? Die Römer beschützen uns. Dadurch erst kann unsere Stadt blühen und der Handel gedeihen."


    Eine Pause. Er wollte den Gesandten nicht überfordern.


    "Aufruhr ging bisher immer vom ägyptischem Pöbel aus, nie von Bürgern der Polis. Unruhe unter den Bürgern hat erst der Legionspräfekt gestiftet. Denn, so scheint es mir, will er die Zusammenarbeit zwischen der Polis und den Beauftragten des göttlichen Basileus stören, die zuvor immer segensreich gewesen ist. Er will offensichtlich einen Keil zwischen uns und den Statthalter treiben, gleichzeitig versucht er womöglich, die Klugheit des Statthalters als Zaudern darzustellen, um seinem Ruf zu schaden."


    "Dies legt einen notwendigen Schluss nahe: Entweder ist der Legionspräfekt vielleicht ein großer Feldheer, was Schlachten angeht, vollkommen unfähig aber, für die öffentliche Ordnung zu sorgen, oder es gibt einen Grund, den ich nicht aussprechen werde, den dir aber selbst denken kannst, wenn du das Verhältnis vom Legionspräfekten zum Statthalter betrachtest. Verzeihe mir meine harten Worte, aber ich denke, diese wolltest du hören und kein seichtes, inhaltsloses Geschwätz, was zwar niemanden kränkt, dich aber in deinem Anliegen und deinem Dienst für den göttlichen Basileus eher behindert als weiterführt."

    Nikolaos wollte gerade dem Gast, der ihn angesprochen hatte, antworten, als Cleonymus schon im Hof erschien.


    "Cleonymus! Es ist auch mir eine Freude, dich wieder einmal zu sehen. Ich bin erschrocken - ich erkenne das Gasthaus nicht wieder! Wo früher der Putz vom Salz der Seewinde zerfressen war, strahlt er nun. Wo früher Schmutz war, ist es nun reinlich und schön hergerichtet. Hochachtung dafür, wie schnell du dieses Geschäft wieder auf Vordermann gebracht hast - und sogar, wie ich sehe, ausgebaut und erweitert."


    Er lächelte. Es war eine gute Idee, Cleonymus das Haus zu schenken.


    "Ein Fest? Darauf freue ich mich sehr. Aber vielleicht hast du heute schon Zeit, mich einmal durch das Haus zu führen, damit ich die Neuerungen bewundern kann. Außerdem würde ich gerne einige Dinge mit dir besprechen. Aber freilich nur, wenn es dir gerade passt."

    Nikolaos fand es durchaus bedenklich, dass der Gesandte bereits beeinflusst war in seinem Bild von den Ereignissen. Offenbar war er aber ebenso faul, die passenden Fragen zu stellen.


    "Wie du sicher weißt, war Alexandria noch nie eine Stadt, die vollkommen ruhig gewesen wäre. Ich selbst weiß nur zu gut um diesen Umstand, da ich vor einigen Jahren Strategos der Stadt und des Umlandes der Polis Alexandreia war. Dies aber beschränkte sich meist auf das übliche räuberische Gesinde, es gab Einbrüche, es gab Beutelschneiderei und dergleichen. Auch Morde gab es zuweilen aufzuklären, der, der am meisten Aufsehen erregte, war der Mord am ehemaligen Bibliothekar des Mouseions. Einmal jedoch hatte sich eine Gruppe Aufständischer zusammengefunden und in Rhakotis in einem Haus Pläne für einen Aufstand ausgeheckt. Unter diesen waren vor allem Ägypter, aber auch viele Römer. Zusammen mit der Legion, die damals noch unter dem Befehl des ehrenwerten Eparchos Dekios Germanikos stand, konnte die Stadtwache, die ich befehligte die Verschwörung aufdecken, die Schuldigen entweder direkt an Ort und Stelle überwältigen und Hintermänner ausfindig machen. Es gab unter dem Vorsitz des Eparchos einen Prozess, der mit einigen Todesurteilen abgeschlossen wurde, und danach war es zunächst ruhig.


    Es blieb ruhig, bis das Kommando der Legion an Appios Terentios übergeben wurde. Dieser befahl kurze Zeit nach der Amtsübergabe einen großen Truppenaufmarsch mitten auf der Agora und in unmittelbarer Nähe zum Heiligtum der Agathe Tyche, wodurch viele Bürger um die Unversehrtheit des Heiligtums beunruhigt worden. Doch nicht nur das: Während des Aufmarsches kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen einiger Soldaten gegen Bürger, ohne dass es dazu einen Anlass gegeben hätte. Ein Vorgesetzter wollte die Soldaten dafür zur Rechenschaft ziehen, wurde jedoch vom Kenturio dafür scharf zurechtgewiesen, den Soldaten wurde gesagt, sie hätten recht gehandelt.


    Nach diesem Vorfall sind wir, die damaligen Prytanen, unter denen auch ich war, zum Eparchos gegangen, um ihm unsere Besorgnis zu schildern. Wir fürchteten, solches Verhalten könnte Unruhe erzeugen bei den ängstlichen Bürgern. Vermutlich durch einen Schreiber in der Regia, der des Terentiers Klient war, erfuhr der Befehlshaber der Legion von unserer Beschwerde. Dies riss ihn zu einem Drohbrief hin. Er kündigte an, er würde Menschen kreuzigen lassen, ob sie nun Ägypter wären, Griechen oder gar Römer, wenn er sie für Unruhestifter hielte, und er meinte, käme Unruhe auf, würde er uns Prytanen für die Anstifter halten.


    Wir waren also in einer schlimmen Lage: Wir hatten keine Mittel, weitere Ausschreitungen der Legion zu verhindern, die Unruhe im Volk hätten aufkommen lassen können, hatten aber ebenso wenig Mittel, eine einmal aufgebrachte Menge zu beruhigen. Übrigens ist dieser Brief eine Amtsanmaßung. Für die Abrichtung von Ägyptern und Griechen ist der Eparchos zuständig, Römer dürfen nur in Rom von einem Prätor gerichtet werden.


    Ferner kündigte er in diesem Brief an, er würde ein Manöver stattfinden lassen, dass Belagerung der und Kämpfe in der Stadt nachstellen würde. Den Brief werde ich dir, wenn du möchtest, im Original im Archiv des Tychaons zeigen.


    Dieses Manöver wurde tatsächlich durchgeführt, obwohl wir Prytanen starke Bedenken hatten und diese dem Legionsbefehlshaber und auch dem Eparchos mitteilten.


    Die Lage spitzte sich zu, als ein römischer Offizier in vor einem Hurenhaus in Rhakotis tot aufgefunden worden ist. Die Leiche ward vom Pöbel der Ägypter geschändet worden. Das Volk von Rhakotis war aufgebracht und hatte sich vor dem Tor der Königsstadt versammelt. Als ich dies hörte, eilte ich zur Basileia, um mit dem Eparchos zu sprechen, denn ich wollte das Schlimmste verhindern. Ich wollte mit ihm Maßnahmen planen, wie die Menge zu beruhigen sei. Aber die Torwache ließ mich nicht ein. Sie hatte diesen Befehl vom Legionspräfekten. Zuerst wollten sie nicht einmal ein römisches Mädchen, das in meiner Schreibstube arbeitet, in das Viertel lassen, wo dieses wohnte - und ich übrigens auch mein Haus hatte! Mit Drohungen, ich würde dem einstigen Vormund des Mädchens schreiben, wie hier mit der Jungfrau verfahren würde, konnte ich schließlich bewirken, dass wenigstens das Mädchen in Sicherheit gelangt ist. Auf mich jedoch wurden Angriffe vom Pöbel verübt, als ich versuchte, die Menge mit Reden zu beschwichtigen. Noch als ich verwundet war, wollte die Torwache mich nicht einlassen. Die Stadtwache hat schließlich den Aufruhr aufgelöst. Dann erst durfte ich in die Basileia eintreten, um nach Hause zu gehen, wo ich einige Zeit lang ans Bett gefesselt blieb.


    Der Legionspräfekt machte uns Prytanen für den Tod des Offiziers verantwortlich. Wir hätten das Volk aufgehetzt - obwohl wir es beruhigt hatten. Noch wenige Wochen zuvor habe ich in der Volksversammlung zu Ruhe gemahnt. Doch nicht die Polites haben den Mann getötet, sondern der Pöbel der Ägypter. Aber für den Legionspräfekten sind scheinbar Makedonen und Ägypter ein und dasselbe Volk.


    Ein weiterer Aufruhr entstand am Hafen, als dort ein Schiff der römischen Flotte einlief. Ein Grieche namens Markos Achilleos tötete mehrere Menschen, weil er meinte, diese würden die Soldaten auf dem Schiff gefährden. Diese Tat ließ die Stimmung hochkochen. Schließlich konnten Stadtwache und römische Soldaten die Volksmenge zerstreuen. Seltsamerweise ist gegen den Griechen Markos Achilleos nie Anklage erhoben worden, obwohl erwiesenermaßen er nicht den Aufruhr eingedämmt hat, bevor er eskalieren konnte, sondern maßgeblich zu seiner Provokation beigetragen hat.


    Seitdem ist es ruhig geblieben. Die Legion hat keine Übergriffe auf Unschuldige mehr durchgeführt. Ich vermute, der gütige und kluge Eparchos hat Dinge dieser Art dem Legionspräfekten untersagt.


    Hier endet mein Bericht."



    Er sah den Gesandten tief in die Augen, um Zeichen einer Reaktion auf das Gesagte zu finden.

    "Keine Ursache, ehrenwerter Gaius Pompeius. - Setze dich doch."


    Nikolaos war höflich wie immer, aber in seinen Augen funkelte Argwohn. Für einen Mitarbeiter der kaiserlichen Kanzlei, die täglich Nachrichten aus allen Provinzen erhielt, schien er sehr wenig über die Verhältnisse in Alexandreia zu wissen. Hoffentlich war er keine Marionette, die von düsteren Gestalten benutzt wurde, um den Kaiser zu Fehlern zu verleiten. Ein Puppenspielgesandter- .


    "Bin ich der Erste, den du um Auskunft bittest, oder wer hat dich bereits über einige Einzelheiten der Vorfälle unterrichtet? Ich frage nur, damit ich unterscheiden kann, was du bereits weißt und was Neues ich dir sagen kann - um deine Zeit nicht über Gebühr zu beanspruchen."


    Nikolaos stemmte vor der Brust die Fingerspitzen gegeneinander und sah den Besucher aufmerksam an.


    "Schickt dich eigentlich der Kaiser selbst?"

    Iunia Axilla hatte frei an diesem Tag, daher schickte einer der Hilfsschreiber den römischen Besucher zum Gymnasiarchos, der diesen auch prompt in seinem Zimmer empfing. Der Hilfsschreiber hatte den Besucher bereits als Gaius Pompeius Imperiosus, Beauftragter der kaiserlichen Kanzlei, gemeldet, was gar nicht nötig gewesen wäre, da der Gymnasiarchos ihn bereits kannte.


    Er wartete, bis der Gast eingetreten war.


    "Khaire, ehrenwerter Gaius Pompeius. Dein Besuch ist mir eine große Ehre - und zugleich eine nicht minder große Überraschung. Was führt dich zu mir?"