Marco Duccio Rufo, Domus Ducciana, Mogontiaco, Provincia Germania.
Nikolaos Rufo S.P.D.
Sehr danke ich dir für die Genesungswünsche. Meine Gesundheit als wiederhergestellt zu bezeichnen wäre übertrieben, aber sie ist auf dem Weg dorthin und schreitet schnell voran. Ein solcher Ritt, den d beschriebst, war sicher sehr anstrengend und unangenehm. Aber was wäre das Reisen ohne Unannehmlichkeiten?
Du scheinst mir ein hoffnungsvoller junger Mann zu sein. Deine Stadt kann sich glücklich schätzen, dich als Ratsmitglied zu wissen. In deinem Alter (ich hoffe, das klingt nicht abschätzig. Das ist es keinesfalls - eher ein wenig neidisch, aber auf freundliche Art. Ich gönne dir das Glück deiner Jugend.) war ich selbst begierig nach neuen Aufgaben und voller Tatendrang. Ganz sicher werden deine Kollegen und die Bürger deiner Stadt deine Arbeit zu schätzen wissen. Wie bringt es doch eine Gemeinschaft voran, wenn neue, unverbrauchte Geister sie bereichern! Lasse dich von deinen Neidern nicht zerfleischen und schenke weder ihren düsteren Worten Glauben, noch den Schmeicheleien derer, die dich verunsichern und unvorsichtig machen wollen. Mir hast du weniger zu verdanken als dir selbst. Wichtiger als der Lehrer ist der Schüler und wichtiger als der Schüler ist der einstige Schüler, der das Gelernte auf sich selbst gestellt anwendet und dabei das Wissen mehrt - zu dem der Lehrer nur einen Grundstein für das Fundament beigetragen hat. Halte mich auf dem Laufenden, denn ich bin sehr gespannt auf das, was du noch erreichen wirst.
Es ist ein Jammer, dass du kein Alexandriner bist. Sehr würde ich mich über junge Gesichter in den Reihen der Demagogen freuen, zumal ich selbst kein junger Kopf mehr bin. Daher möchte ich auch anderen die Möglichkeit geben, sich zu beweisen. Immerhin befinde ich mich mehr am Ende als am Anfang des dritten Jahrzehntes meines Lebens.
Von wilden Bestien in den Wäldern eurer Gegend hörte ich schon oft. Kannst du Zeichnungen von ihnen anfertigen und Beschreibungen über ihre Lebensweise? Du hast also selbst wilde Tiere gefangen? Du musst sehr mutig sein. Oder ist dies etwas, was man bei euch lernt, wie bei uns das Lyraspiel, den Ringkampf und die Grammatik? Auch hier gibt es Männer, die Bestien fangen und zähmen. Täglich werden Löwen nach Rom verschifft. Jedoch sind diese Bestienhändler oft grobschlächtige Ägypter oder Nubier, keine Menschen von edlem Geist und klugem Verstand. Es scheint mir, als würden alte Tugenden im - wie ich es mir vorstelle -rauen Land deiner Väter mehr gepflegt als im verweichlichten Alexandria, wo seit Jahrhunderten ein König nach dem anderen alle Vorgänger darin übertrifft, die Alexandriner mit Wein zu beregnen und in Lustbarkeiten zu ertränken. Die Seide hat die Wolle abgelöst. Du müsstest mal nach Kanopos fahren. Ich schüttle den Kopf über solche Verdorbenheit - du würdest vermutlich kotzen.
Danke mir nicht zu oft! Denn ebenso oft muss ich dir dann danken. Du warst ein guter Schüler, an dem ich als Lehrer meine Freude hatte, und es ist ein Jammer, dass du nicht mehr in Alexandria bist. Zum Redekunstlehrer selbst hättest du die Veranlagung. Aber verständlich ist es, dass du dich verpflichtet fühlst, sie in den Dienst deiner Sippe und deiner Stadt zu stellen. Vielleicht kannst du deine Neffen lehren - oder aber bald deine eigenen Kinder. Sicher wirst auch du eine gute, kluge und fruchtbare Frau finden, die dir viele Kinder schenken wird.
Meinst du, ich hielte das Klima eurer Gefilde aus? Selbst römische Soldaten, also einfache Männer von kräftiger Konstitution hört man zu oft über die Kälte des Nordens fluchen. Nun gut, ebenso häufig über die Hitze unserer Breiten, die verfluchten sandigen, heißen Wüstenwinde und das Sumpffieber. Ich habe einen Schiffsführer gefunden, dessen Fähigkeiten ich bei Gelegenheit prüfen muss. Allerdings ist dieses Schiff vor allem dazu da, eine mir zum Schutz anvertraute Person bei Gefahr aus der Stadt zu bringen. Du wirst von den unheilvollen Ereignissen gehört haben (schrieb ich dir nicht davon?). Gerade ist es ruhig in der Stadt. Doch diese Stadt ist eine, in der hinter dem hellen Schein oft eine düstere Wirklichkeit ist. Auch das ist es, was mich dazu bringt, die Ruhe zu suchen und den Rückzug in freundliche Beschäftigungen. Reisen würde ich gerne. Doch das liegt noch in der Zukunft. Vor einiger Zeit war ich sehr vereinnahmt durch die Vorbereitungen des Neujahrsfestes (verzeihe mir daher die lange Zeit, in der du auf meine Antwort warten musstest), nun gilt es, meine Amtsgeschäfte zu ordnen und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass mein Nachfolger sich gleich an die Arbeit machen kann und nicht erst das ordnen muss, was ich unordentlich hinterlassen habe. Auch das Mouseion bedarf meiner Pflege. Wir haben zu wenig gute Männer (und Frauen), gleichzeitig zu wenig Schüler, die bald selbst Gelehrte werden könnten. Es ist ein Jammer! Die größte Bibliothek der Welt liegt so gut wie brach. Vorbei sind die goldenen Zeiten schon längst, doch allmählich sehe ich es irden werden. Wenn du begabte junge Verwandte hast: Ermutige sie, nach Alexandreia zu kommen (und ermutige deren Väter, die Reise zu bezahlen.) Die Bruderschaft der Musen besteht sonst bald nur noch aus Mumien - und ich, als ihr Vorsteher, bin nur noch damit beschäftigt, den Staub abzuwedeln und Motten zu vertreiben.
Alles Gute wünsche ich dir!
Dein Nikolaos.