Beiträge von Nikolaos Kerykes

    Nikolaus gab sich Mühe, nicht wie ein Raubtier über die Nahrung herzufallen. Schließlich musste sein Gastgeber nicht wissen, dass sein Gast seit einem Tag gar nichts und davor nur bedingt nahrhafte Nahrung zu sich genommen hatte. "Ich danke dir. Dieses Mahl ist wirklich sehr wohltuend für mich.", sagte Nikolaus und lächelte. Dann langte er noch einmal zu. Er aß mit sichtbarem Appetit. "Woher hast du den Honig? Er ist wirklich ausgezeichnet."


    Sim-Off:

    sorry, dass du solange warten musstest. jetzt bin ich wieder da, allerdings kann es immer noch sein, dass ich einige tage brauche, um die zeit zum antworten zu finden.

    [simoff]

    Ich bin ab Donnerstag nicht mehr da. Kann aber sein, dass ich bedingt durch Reisevorbereitungen schon ab Morgen keine Zeit mehr zum Schreiben habe. Ich werde aber innerhalb der nächsten drei Wochen zurückkehren.

    Die Geräusche von Schritten ließen Nikolaus erwachen. Er öffnete langsam die Augen und sah den Hausherren an seiner Kline vorbeigehen. "Guten Morgen, Timokrates Kyrenaikos.", sagte Nikolaus freundlich, wennauch etwas verschlafen. "Ich hoffe du hattest einen guten Schlaf."



    edi: Namen korrigiert. ich will natürlich den namen meines gastgebers nicht falsch schreiben :)

    Nikolaus legte sich auf die Kline. Er sah Ranshid misstrauisch nach. Dann schloss er die Lider, ließ aber einen Spalt offen. Mangels anderem Kissens legte er den Kopf auf seinen Lederbeutel. Er öffnete die Augen wieder, richtete sich auf und zog die Schuhe aus. Dann legte er sich wieder hin und schloss die Augen. Er brauchte lange, um einzuschlafen. Alle Eindrücke seines ersten Tages in Alexandria schienen sein Hirn zu überfluten. In Gedanken ging er noch einmal durch das Hafenviertel, roch nocheinmal die vielen fremden Düfte, sah noch einmal die Farben, die hellen strahlenden, die schmutzigen, die widerwärtigen. Als er endlich erschöpft einschlief, war sein Schlaf nicht tief. Die Begegnung mit Ranshid hatte Unbehagen in ihm ausgelöst, dass sich nun im Schlaf fortsetzte und zu einer Art Misstrauen wurde, das seine Sinne vom Geist übernommen hatten, um über ihn zu wachen.

    Nikolaus empfand "die Kline da vowrne" als Beleidigung. Das Haus schien sehr groß zu sein, ein Gästezimmer, sei es auch nur eine kleine Kammer irgendwo, hätte man ihm anbieten können. Doch er verzichtete darauf, mit dem schmierigen Menschen mit dem eigenartigen Akzent zu streiten. Er fügte sich und legte seinen Beutel auf der "Kline da vowrne" ab. Dann stand er einige Augenblicke regungslos vor der Kline. "Wielange willst du hier noch herumstehen?", fragte er Ranshid, dessen Name er allerdings nicht wusste. Sein Ton war eisíg. Er hatte sich für diese Frage vorgenommen, die Kälte in Ranshids Stimme noch zu überbieten. Es war ihm sehr gut gelungen. Seine Blicke durchbohrten den Inder förmlich, seine Augen schienen Gift zu versprühen.

    "Gute Nacht", rief Nikolaus dem Hausherren freundlich hinterher. Dann wandte er sich an Ranshid. "Bring mich zu meinem Zimmer." Er musterte den Inder streng. "Und vergiss nicht, vor der Tür kehrt zu machen. Andernfalls müsste ich deinen Herrn wecken, was dir dieser sicher nicht als gut anrechnen wird. Also los jetzt. Ich bin müde." Nikolaus zog den Riemen seines Lederbeutels straff und blickte Ranshid herablassend an.

    "Mein Name ist Nikolaus Athenois, Sohn des Philon. In den Amtsstuben des römischen Kaisers heiße ich allerdings Nikophileaus Graecus, der Beamte, der meinen Namen aufgenommen hat, hat einfach Nikolaus und Philon miteinander verquickt und mir zur besonderen Kennzeichnung ein beleidigendes Graecus angehängt.", antwortete Nikolaus selbstbewusst aber freundlich. "Ich danke dir für deine Gastfreundschaft."

    "Ich kam zu deinem Haus, um um ein Nachtquartier zu bitten. Ich bin erst seit heute in der Stadt und gedenke, mich bald am Museion anzumelden, jedoch muss ich bis dahin irgendwo kurzzeitig unterkommen.", antwortete Nikolaus, sah Timokrates dabei fest in die Augen, während er Ranshid keines Blickes mehr würdigte.

    Als Nikolaus das Wort Lustknabe vernahm, zuckte er zusammen. So schön war der dunkelhäutige Mann mit dem eigenartigen Akzent in der Sprache nicht, als dass Nikolaus sich vorstellen konnte, selbigen als solcher zu dienen. "Entschuldige, ehrwürdiger Herr. Ich klopfte an die Tür auf der Suche nach einer Unterkunft, da öffnete dieser Mann mir. Ich ging davon aus, dass er mir ein Zimmer zuweisen wollte. Ich habe kein Interesse daran, ihm erotische Dienste zu erweisen. Falls ich dich gestört haben sollte, werde ich dein Haus sofort verlassen.", sagte Nikolaus. Dabei blieb er erstaunlich ruhig.

    Nikolaus folgte dem fremdartig aussehenden Mann, der ein eigenartiges Griechisch sprach. "Es ist sehr großzügig von dir, dass du mir einen Schlafplatz nicht verwehrst." Nikolaus blickte sich im Haus um. Es schien einem wohlhabenden Mann zu gehören. Also erwartete er natürlich, ein eigenes Schlafzimmer zur Verfügung gestellt zu bekommen. Außerdem freute er sich auf das Essen und ein kaltes Bad, das möglicherweise für ihn bereitet würde. Oder würde er in ein dunkles Loch abgeschoben werden? Er bedauerte, dass er mit niemanden bekannt oder befreundet war, der in Alexandria wohnte. So musste er mit einem breiten Spektrum an Möglichkeiten für die Beschaffenheit seiner Unterkunft rechnen. Außerdem kam ihm der dunkelhäutige Mann seltsam vor. Doch darüber wollte er nicht weiter nachdenken. Sicher würde er bald in ein angenehmes Gästezimmer geführt werden. Vielleicht würde sich am nächsten Tag sogar die Gelegenheit bieten, mit dem Hausherr Bekanntschaft zu schließen.

    "Chaire und gute Nacht, ehrenwerter Herr. Ich bin Nicolaus Athenois, Sohn des Philon, und bitte dich, mich für diese Nacht in deinem Haus aufzunehmen. Ich werde in kürze Studien am Museion beginnen, jedoch brauche ich eine Unterkunft, bis ich mich dort anmelden kann.", antwortete Nicolaus in einer Koiné, die stärker attisch gefärbt war als sonst üblich. Dabei betonte er jedes Wort sauber und erlaubte sich auch keine Abkürzungen oder Undeutlichkeiten. Das Gesicht des Fremden am Tor schimmerte im Licht der Öllampe blass, es war ebenmäßig und jung. Der Fremde, also Nicolaus, trug eine ausgeblichene aber saubere Tunika, einen dünnen Lederriemen als Gürtel und wadenhohe Stiefel. Über seinem Rücken hing ein verschlissener Lederbeutel, dessen Material spröde war. "Bist du der Herr des Hauses oder ist dieser ein anderer? Falls der zweite Fall es sein sollte, wäre es gut, wenn du deinen Herren herbeiholen könntest, oder mir Auskunkft darüber geben könntest, ob du befugt bist, über eine kurzzeitige Aufnahme in dieses Haus zu entscheiden."

    Nachdem Nikolaus einige Zeit gewartet hatte, in der die Tür des Hauses sich nicht geöffnet hatte, beschloss er, weiterzuziehen. Offenbar schlief in diesem Haus bereits alles oder es war unbewohnt, was allerdings in einer so bevölkerungsreichen Stadt wie Alexandria unwahrscheinlich wäre. Nikolaus stieß leise einen sehr hässlichen, attischen Fluch aus und ging zum nächsten Haus. Er war müde und hungrig. Hoffentlich würde er bald irgendwo unterkommen, ansonsten würde er zum Museion gehen und trotzdem dieses noch nicht personell besetzt war um Unterkunft bitten, sofern wenigstens ein Pförtner anwesend war.

    Zur Dämmerung stand ein junger Mann, Nikolaus Athenoi, am Tor und klopfte. Er trug einen etwas abgeschabten Lederbeutel über dem Rücken und sah deutlich mitgenommen, wennauch nicht kränklich aus. Er war sauber auf die Art, wie jemand sauber ist, der zwar nur unbequeme Möglichkeiten der Körperreinigung hat, diese aber häufig wahrnimmt. Es war die Sauberkeit eines Armen. Armut ist in keinem Fall mit Elend gleichzusetzen. Nikolaus Gesicht, sofern es jemand im Dämmerlicht sehen konnte, war von vornehmen Aussehen. Seine Kleidung war zwar einfach, jedoch sauber und weitestgehend intakt. Nikolaus wartete. Hoffentlich würde jemand das Tor bald öffnen.

    Er bedankte sich beim Kapitän, was dieser kaum warnahm, da er in einem Verschlag unter Deck lag und döste und über die Atemwege merklich Alkohol absorbierte. Nikolaus, der für römische Meldeämter Nikophileaus hieß, versehen mit dem beleidigenden Zusatz Graecus, verließ das Schiff mit Beinen, die noch etwas wacklig waren und betrat zum ersten Mal seit Wochen wieder festen Boden. Er war hungrig, denn das Essen an Bord hatte er regelmäßig verschmäht, er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, es nur alle paar Tage über sich zu bringen, das harte, muffige Brot und die winzige Ration stockigen Pökelfleischs in seinen Magen zu befördern, nachdem der Magen diese Nahrung einmal hinausbefördert hatte, was sicher nicht an dem lag, was manche Seekrankheit nennen, denn Nikolaus hatte mit dieser Seekrankheit glücklicherweise wenig Sorgen. Nun war er also in Alexandria. Die Stadt hatte schon beim Einfahren in den Hafen einen sumpfigen Eindruck auf ihn gemacht und zugleich einen staubigen, auch Rom war ein Moloch, doch es schien nicht mit diesem vergleichbar zu sein. Er schlenderte durch die Straßen rund um den Hafen und atmete Düfte, die ihm unbekannt waren und hörte dunkle Menschen in Sprachen sprechen, die ihm unbekannt war. Es gab abgerissene Bettler, einige mit leprösen Gliedern oder einige, die frei von Gliedern auf dem Straßenpflaster lagen und mit schneidenden Stimme um Geld flehten, in glänzende, bunte Stoffe gehüllte Menschen, Männer, die sich wie Weiber zurecht gemacht hatten, es gab Sänften, es gab Karren, dazwischen sah Nikolaus Tiere, die er noch nie zuvor gesehen hatte, es waren Pferde von einer eigenartigen Hässlichkeit, mit Gesichern, die nicht vornehm waren, mit langen Stelzenbeinen und Buckeln auf dem Rücken. Diese Buckel schien keine Verkrüppelung zu sein, denn alle dieser Tiere besaßen derartiges. Nikolaus sprach einen vornehm gekleideten Herrn mit heller Haut in Koine an, um was für Tiere es sich handele, worauf dieser in einer eigenartigen hellenischen Sprache antwortete, es handle sich dabei um Schiffe der Wüste. Nikolaus zog weiter und geriet in eine Gruppe grell geschminkter Frauen, manche noch Mädchen, manche schon alt und verblüht, die ihn mit gespielter Freude begrüßten, als sei er ein alter Bekannter, worauf Nikolaus antwortete, er würde gerne ihre Dienste in Anspruch nehmen, habe aber kein Geld dafür. Eine der Frauen strich ihm mit der Hand über den Hintern und sagte in einer griechischen Sprache: "Wenn du ein wenig Geld hast, kannst du wiederkommen. Ich mache dir ein gutes Angebot, mein Sohn." Nikolaus versprach, schnell an Geld zu kommen und es bei ihr auszugeben, worauf die Frau grinste. "Jaja, ihr jungen Burschen." Sie selbst konnte kaum älter als Mitte der zwanzig sein. Nikolaus ging weiter. Vor etlichen Imbissständen, Bäckerläden und Spelunken bedauerte er, kein Geld zu besitzen. Er strich noch einige Stunden durch das Hafenviertel. Da es am Ende seines Streifzuges schon spät war und er wusste, dass seine Aufnahme am Museion ohnehin noch nicht erfolgt war, beschloss er, sich erst dann zum selben durchzufragen, wenn seine Aufnahme als Schüler erfolgt wäre. Solange musste er irgendwoanders unterkommen. Er entfernte sich vom Hafen in das Viertel, das die Neue Stadt genannt wurde, um bei einem wohltätigen Menschen unterzukommen. Vielleicht ließ sich sogar ein Athener finden, der Nikolaus Vater kannte, ohne die Geschichte zu kennen, weshalb Nikolaus nie mehr nach Athen zurückkehren konnte.

    Nikophileaus hatte nun Ostia erreicht. Erleichtert verließ er den Karren und bedankte sich sogar beim Fuhrmann, was dieser jedoch offenbar nicht verstand, denn er grunzte dem Athener etwas im unfreundlichem Ton hinterher. Zu fuß erreichte er den Hafen. Er setzte sich ersteinmal vor den Laden eines Schusters und ruhte sich aus. Doch seine Ruhe währte nicht lange. Der Schuster vertrieb ihn, mit heftigen Kraftausdrücken und wild gestikulierend. Nikophileaus wanderte weiter in den Eingang einer Insula, wo es zwar etwas muffig roch, jedoch schattig war. Er verzerrte den Rest seines Honigweins. Ein alter, etwas abgerissener Mann kam vorbei, offenbar wohnte er hier. Da er freundlich schien, wagte Nikophileaus ihn zu fragen, ob er wisse, wann ein Schiff nach Alexandria fahre oder zumindest in diese Richtung. Der Mann bedeutete Nikophileaus wortreich und in einem Redeschwall, der nur durch gelegentliches, schwindsüchtiges Husten unterbrochen wurde, dass ein solches Schiff gewissermaßen direkt vor der Haustür läge und wohl noch heute aufbrechen würde. Der Mann gab sich als Hafenarbeiter zu erkennen. Nachdem sich Nikophileaus für die Information bedankt hatte, wurde er vom Alten heftig umarmt und musste versprechen, auf ein Glas billigen Wein mit ihm in eine Taberna einzukehren, wenn er wieder in Ostia wäre und mehr Zeit hätte. Nikophileaus eilte anschließend zum erwähnten Schiff und erkundigte sich dort noch einmal. Der Mann hatte Recht gehabt, noch am selben Tag würden sie aufbrechen, erklärte der Kapitän. Offenbar kannte er den alten Hafenarbeiter, denn als Nikophileaus ihm schilderte, wie er erfahren hatte, dass dieses Schiff nach Alexandria fahre, lachte er rau und etwas hysterisch. "Der alte Rufus, der gute alte Rufus. Ein Prachtkerl, wenn er nicht grad besoffen sein.", meinte der Kapitän, immer noch lachend. Nikophileaus zahlte ihm für die Passage sein letztes Geld, wobei er noch einen zehntel Sesterz zurückerhielt. "Für Wein oder Weiber, die sein unten am Nil billig haben.", sagte der Kapitän und schlug Nikophileaus heftig auf die Schulter. Sofort durfte Nikophileaus eine Ecke im Frachtraum beziehen, mit sicherem Abstand zu den Schlafplätzen der Mannschaft, deren Mitglieder nicht alle so rau freundlich wie der Kapitän schienen und am selben Abend stach das Schiff in See. Nikophileaus hoffte, die Reise würde nicht allzu lange dauern, glaubte jedoch, mit diesem Kapitän Glück zu haben. Auf seiner Fahrt von Athen nach Ostia hatte er schlimmere Gestalten kennengelernt.

    "Das hoffe ich auch.", antwortete Nikophileaus und lächelte zum Abschied. Auch er verließ die Bibliothek, er wollte in die Casa Pompeia, um seine Sachen zu packen. Dann würde er nach Ostia reisen und hoffentlich bald ein Schiff nach Alexandria erwischen.

    Nikophileaus Rücken schmerzte trotz der vielen Kissen aus mit Stroh gestopften Säcken, die er sich untergelegt hatte. Zudem wurde es ihm lästig, die Amphoren, die die Ladung des Karrens darstellten, am über die Ladefläche rollen zu hindern. Diese Aufgabe war jedoch der Preis für die Fahrt nach Ostia. Da Nikophileaus kein Geld mehr hatte, war er gezwungen gewesen, auf dieses recht unbequeme Mittel der Fortbewegung zurückzugreifen. Ein Pferdewagen wäre ihm lieber gewesen als ein Ochsenkarren. Und auch der unfreundliche Fuhrmann, der weder Lateinisch noch eine Griechische Sprache beherrschte, also in diesem Sinne ein Barbar war, war dem jungen Athener nicht angenehm. Der Fuhrmann roch übel und sah alt und verrottet und hässlich aus. Er hatte ein grobes Gesicht und schlechte Zähne. Nikophileaus sah durch einen Riss in der Plane des Karrens nach draußen. Dort bewegte sich die Landschaft um die Straße vorbei. An einigen Stellen standen Grabmäler aufgereiht, was Nikophileaus wunderte, denn Rom war schon einige Meilen vorrüber, während es bis Ostia noch einige Meilen waren. Die Sonne brannte heiß aufs Verdeck des Wagens. Nikophileaus leerte den Krug mit Honigwein, den er mitgenommen hatte. Angenehm kühlte das Getränk seine Kehle. Wann war er endlich da? Er lauschte dem Klappern der Ochsenfüße auf dem Straßenpflaster und den Flüchen und dem schweinsartigen Grunzen des Fuhrmanns und nickte für eine Weile ein, wurde jedoch fast sofort wieder von einer Beleidigung geweckt, die der Fuhrmann dem Führer eines ihm entgegenkommenden Gespanns zubrüllte. So ging es Stunde um Stunde.