Seit der Abreise des Senators hatten wir in der Casa Decima nichts mehr von ihm zu hören bekommen. Die meisten Sklaven, Klienten und auch Verwandte waren darüber in Kenntnis gesetzt worde, dass er sich auf eine Reise nach Tarraco begeben habe, um dort nach dem Rechten auf den Landgütern, in den Weinbergen und auf den Getreidefeldern zu sehen. Und er hatte vor - so hatte er es mehrmals betont - einen guten Hengst aus der Herde auf seinem Gestüt herauszulösen und nach Roma zu bringen, um auch hier die Zucht vorranzubringen. Dies alles war jedoch eine Lüge gewesen, oder besser gesagt ein strategisch-taktisches Vorgehen. Wenige Sklaven, seine Gattin und nur die engsten Verwandten wussten Bescheid, dass er sich tatsächlich zusammen mit Decimus Mattiacus - seinem Cousin - auf dem Weg nach Antiochia befand und von dort aus versuchen würde über den Landweg nach Parthien vorzudringen, um Decimus Livianus, den verschollenen Legaten und Senator aus der Hand der Parther entweder loszukaufen oder rauszuhauen.
Wieweit dieses Unternehmen bisher ein Erfolg gewesen war, wo sich die Abenteurer zur Zeit befanden, wusste wir aufgrund der Geheimhaltungsstufe nicht. Der Senator hatte darauf bestanden, nicht zu schreiben, keinen Kontakt zu halten. 'Ihr werdet es wissen, wie es ausging, wenn wir wieder im Atrium stehen, MIT Livianus!' hatte er gesagt und sich daran auch gehalten. So verging also die Zeit, die Herrin dies Hauses blieb alleine, wir kümmerten uns um die alltäglichen Geschäfte, kochten und putzten, heizten ein, füllten die Bäder, reparierten die Dächer, zählten die Bestände des Lagers. Die Klienten gingen nach wie vor ein und aus, soweit sie es nötig hatten, nur dass sich der Verwalter des Senators um sie kümmerte. Viel los war jedoch nicht. Mittelpunkt des Lebens war der kleine Sprössling des Hausherrn.
Für den Zeitpunkt der Wahlen jedoch, waren wir instruiert worden, Plan B umzusetzen, sollte der Senator nicht rechtzeitig zum Stichtag zurückkehren. Was besagte, dass er in seinem Archiv voller Schreiben, Briefe, Depeschen und Abschriften auch eine Rolle besaß, mit welcher er seine Kandidatur zu einem Amt im Cursus Honorum verkünden wollte, datiert genau auf den letzten Tag der Anmeldungen, eigenhändig unterschrieben, mit der gleichzeitigen Zusicherung bis zu den Wahlen wieder in Rom zu sein. Ich saß des öfteren vor dieser Rolle, studierte das Siegel und dachte nach.