Wie lange ich Zeit hatte? "Öhm, keine Ahnung, bis zu den Saturnalien, schätz ich. Oder meinst du, um dir zuzuhören?" Argwohn keimte in mir auf. Ein wenig misstrauisch betrachtete ich Pallas. "Also, nichts zu essen. Lass mich raten, dieser typische Frauenquatsch von wegen Zunehmen und dicker Hintern und so. Wenn die wüssten, dass Mann auch gern mal zupackt und dann was Ordentliches in der Hand haben will... Dieser Crassus...Gracchus...wie auch immer...ist sicher auch nicht abgeneigt davon. Aber gut, nichts zu futtern also." Pallas dachte angestrengt nach. So zumindest sah er aus. Ich hatte aber nicht den ganzen Tag Zeit. Hoffentlich fiel da bald der Groschen, oder man würde einen Notkauf tätigen müssen, wo man dan hoffte, dass es das Richtige war. Zumindest im Ansatz. "Wie teuer? Tja, äh, keine Ahnung. Solange es nicht so ein Hippodingens ist, wie das die Ex-Auctrix zur Hochzeit bekommen hat, ist denk ich alles drin. Wobei ich allerdings nicht weiß, was das Viech da gekostet hat. Aber die Germanicer sind ja stinkereich, also war das sicher nicht billig. Und das Verschiffen und so... Nein, also was in der normalen Größenordnung sollte es schon sein, denk ich." Außerdem hatte ich keine Lust, die Hinterlassenschaften von so einem Hippodingens zu beseitigen, und das würde wohl meine Aufgabe sein, bis es verschenkt werden würde.
Beiträge von Nordwin
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Ich sollte das Thema besser lassen, überlegte ich. Siv würde diese Erfahrung selber machen müssen, da brachte es herzlich wenig, wenn ich ihr davon erzählte, um sie ihr zu ersparen. Also ließ ich die Weiterführung offen und seufzte nur leise, dabei mit einem Fuß im Sand zwischen den Pflastersteinen scharrend.
"Ja, aber wenn du ständig Germanisch sprichst, wenn dir einer über den Weg läuft, ist dir damit auch nicht geholfen", erwiderte ich breit grinsend. "Und am besten lernst du auch gleich noch ein paar Schimpfwörter dazu, dann musst du nicht ständig germanisch fluchen. Weißt du...ich könnte dir doch helfen. Ich kenne inzwischen so einige Schimpfwörter, da würden einem Römer ordentlich die Ohren schlackern..." Ich stellte mir vor, wie die alle gucken würden, wenn Siv damit anfing. Dass sie klein, aber durchaus ernst zu nehmen war, hatte ich ja schon selbst gemerkt. "Den Lehrer? Meinst du diesen Mici...irgendwas? Oder Cas..imir? Wer gibt euch eigentlich Unterricht?" fragte ich sie. "Und was das Schreiben betrifft... Vielleicht sollten wir diese Briefsache auch machen. Was meinst du? Ist ein echtes Friedensangebot."
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"Klar kannst du das. Aber irgendwann verblassen entweder die Erinnerungen oder du selbst gehst daran zugrunde. Irgendwann wirst du nämlich dran denken, wie es wär, wenn du niemals von zu Hause fort gemusst hättest. Und dann fragst du dich, warum du noch hier bist. Wenn du von vorne herein nicht mehr dran denkst, wirst du auch nicht an den Punkt kommen, weißt du? Deswegen ist es einfacher, römisch zu denken und so zu leben wie sie. Dann kommst du nie in die Bredouille irgendwann", sagte ich und zuckte mit den Schultern. "Du würdest auch schneller lernen, wenn du nicht ständig Germanisch sprechen würdest", wies ich sie zurecht. "Also, wenn du eine Idee hast, wie ich dir helfen könnte, dann sags mir. Ich hab selber grad keine Idee. Höchstens... Kannst du schreiben? Du könntest mir sonst Briefe schreiben oder so, dann würde das zumindest besser werden. Aber auf Dauer kann ich dir dann nur raten, so viel Latein zu sprechen wie du kannst. Und anderen zu sagen, dass sie dich berichtigen sollen, auch wenn sie verstanden haben, was du eigentlich sagen willst."
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Eine tolle Idee! Ich fühlte mich wie ein Hund, der was ganz Großartiges gemacht hatte. Nur...wedeln wollte ich nicht. Deswegen strahlte ich Minna nur an und verschwand dann, um die Schale und die Kohle zu holen.
Als ich zurück kam, saßen die anderen schon beieinander. Ich stellte das Dingen in angemessene Abstand neben die Decke und setzte mich dann zu Minna. Ganz dicht. Naja, so dicht es eben ging. Wer war eigentlich dieser andere Kerl? "Moment, hast du eben echter Met gesagt? Meinst du mit echt germanischen Met? Nicht die billige Plörre, die die Römer hier als Met aus dem Norden verkaufen?" fragte ich nach und sah Fiona an, die in ihrem Korb herumkramte. "Wenn dir kalt wird, musst du mir Bescheid sagen, ja?" raunte ich Minna neben mir ganz fürsorglich zu. Natürlich würde ich dann meinen Arm um sie legen.
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"Und? Weißt du was?" schob ich fast direkt hinterher, sodass Pallas sich jetzt ordentlich anstrengen musste beim Nachdenken. Mit großen Augen blinzelte ich Pallas einmal an. Schließlich musste ich auch noch mit Sciurus reden...irgendwann. Glaubte ich zumindest. Und die Sklavin mit dem seltsamen Dialekt musste ich auch noch befragen. Ühlwa oder so ähnlich...
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Blöder Kerl. Der Römer hatte eh nichts mitbekommen. Oder hätte es nicht, wenn der Neger da nichts gesagt oder mich nicht angefasst hätte. Naja. Die Tür war zu und ich saß schon fast wieder, da fiel mir ein, dass der Römer ja nicht sehen konnte, wo er warten sollte. Und dass Antonia gar nicht wusste, dass sie Besuch hatte. Also stand ich wieder auf und ging an dem Blinden und dem Typen mit dem dunklen Teint vorbei. Nicht auszudenken, was ich für einen Ärger kriegen würde, wenn der Römer plötzlich ins Impluvium fiel...
"Da könnt ihr warten. Ich sag ihr Bescheid. Also, der Claudia." Gesagt getan. Ich wies auf den hinteren Sitzbereich und schlurfte dann zum Zimmer der Mutter, wie sie allgemein hier genannt wurde. Auf halbem Weg dahin hoffte ich, dass in der Zwischenzeit niemand anders klopfte.
Antonias Gemach
*tock tock* "Domina?" fragte ich. Die Maserung der Tür bemerkte ich nicht. Holz war halt Holz. "Da ist Besuch für dich. ....." Verdammt, wie hieß der doch gleich? "Dieser... Ker*hust*...Römer von der Hochzeit neulich. Der, der so komische Blicke mit deinem Mann getauscht hat. Ich glaube Tocktock oder so ähnlich...." sagte ich zu der Tür und musste kurz darauf acht geben, mich nicht kaputt zu lachen. Schon blöde, was manche Römer für Namen hatten... -
Auch ein Ianitor musste mal pinkeln. So kam es, dass ich das Pech gehabt hatte, vorbeizulatschen, als Acanthus mal musste. Und nun durfte ich Vertretung für ihn schieben. Ich hatte nie verstanden, wieso man freiwillig Türdienst haben wollte, das war ja noch langweiliger als Holz hacken. So saß ich also kaum zwei Minuten auf der Sitzbank, deren Polster im Übrigen schon ziemlich breitgesessen war, als es klopfte. Ich sprang auf. Scheiße, was nun? Ich sah mich um: Keiner da außer mir. Also musste ich wohl öffnen. Aber wie begegnete man so einem Klopfer?
Ich riss die Tür auf. Und erschreckte mich fast, als ich den kleinen schwarzen Mann da stehen sah. So kurz...und so schwarz... Den anderen kannte ich irgendwoher. Ah, von der Hochzeit. Irgendwas war doch mit dem gewesen... Ach, genau! Der konnte nichts sehen. Erst jetzt registrierte ich, dass der Schwarze schon längst ausgesprochen hatte. "Äh... Klar, immer rein in die gute Stube", versuchte ich, freundlich zu sein, und winkte an mir vorbei, um nach den beiden hastig die Tür zu schließen. Als der Römer vorbei ging, konnte ich nicht anders. Ich musste es probieren. So streckte ich eine Hand aus und wedelte damit kurz vor seinem Gesicht auf und ab. Krass, dachte ich mir. Einfach das Licht ausgeknipst.
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"Musst du doch auch gar nicht. Mir würde es schon reichen, wenn du nicht verlangst, dass ich genauso in der Vergangenheit herumstochere wie du", erwiderte ich und zuckte mit den Schultern. Was hatte sie denn nun? Hatte ich etwas Falsches gesagt? Sie war ja so still auf einmal, und so zahm wie ein Kätzchen. Ein wenig skeptisch sah ich sie an. "Jaha, ich bin auch Germane. Aber dass du hier bist, ist nicht egal. Es macht was mit dir. Es verändert dich. Hier und hier", sagte ich und deutete auf Stirn und Herz.
Langsam ging ich rüber zu Siv, lehnte mich dann neben sie an die Wand und verschränkte die Arme locker vor dem Bauch. "Ich kann mir schon denken, dass du glaubst, dass sowas niemals passieren wird. Dass du deine Heimat nie vergisst. Vielleicht ist das auch so. Vielleicht aber sind dir irgendwann andere Sachen einfach wichtiger, als ständig an früher zu denken. An die dunklen Wälder und den frischen Geruch von germanischem Gras." Ich musterte das Pflaster und seufzte. "Oder was auch immer", murmelte ich. Dann wandte ich den Kopf und sah nach links zu Siv. "Egal. Also. Latein lernen musst du definitiv. Aber wenn du Sklavin von diesem Aureliertypen bist, dann bekommst du doch Unterricht hier, oder nicht? Zumindest mein ich, sowas gehört zu haben."
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Oh nein, ein Nicken! Ich fühlte mich wie geschlagen. Da gab es ja nur eine logische Erklärung: Epicharis hatte das sicher nicht mal selber gewusst. Sie hätte dann doch nie zugestimmt! Oder doch? Zweifelnd sah ich Sciurus an, was gar nicht mal so leicht ging, so schwer wie der sich machte. Wie ein Mehlsack. Und Mehlsäcke hatte ich schon öfter mal schleppen müssen...
Da redete er auch endlich. Aha, Härte in jedem Maß. Ich schluckte - Todesurteil? Eingeschüchtert sah ich über die Schulter hinweg zu Sciurus, der sich schleppen ließ und dabei Schauermärchen erzählte. Militärdienst, ja, das wusste ich. Deswegen humpelte der arme Kerl ja auch. Allerdings...vielleicht sollte ich gar kein Mitleid mit ihm haben, wenn er sogar Sklaven töten ließ, wegen...ja, wegen was eigentlich? "Er hat schon mal das Todesurteil über wen gesprochen?" fragte ich nicht halb so geschliffen wie Sciurus sprach. Mir war nicht danach. Und außerdem verstand er mich auch so. "Warum? Also, was hat er gemacht? Oder sie."
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Was glotzte der denn so? Hatte ich was Falsches gesagt? Als Antwort auf seine Geste runzelte ich die Stirn, sagte aber nichts dazu. Der Hänfterling war ein wenig seltsam. Oder hatte der etwa Angst? Ich grinste flüchtig. "Prima." Und kam einen Schritt näher. Wie das auf ihn wirken musste, war mir selbst nicht ganz klar. Jedenfalls stand ich nun ziemlich direkt vor ihm und senkte die Stimme. "Also, pass auf. Meine Herrin hat mir aufgetragen, ein bisschen zu schnüffeln. Jetzt gehts um deine Herrin. Was hat die denn so für Vorlieben? Nascht die gerne oder so? Sammelt die irgendwas? Wann flippt die denn total aus, also, positiv. Wenns nicht um ihren Kleenen geht, meine ich." Wenn Pallas nicht auf den Kopf gefallen wäre, würde ihm nun aufgehen, dass ich das nur fragte, weil bald die Saturnalien vor der Tür standen und rein wollten. Und Gäste empfing man schließlich nur mit angemessener Bewirtung, da wollte Epicharis natürlich nicht dumm dastehen, war ja klar.
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Na gut, sie hatte eben recht. Ich hatte gesagt, dass sie ein Betthäschen war. Allerdings lag die Vermutung nun mal nahe, immerhin war sie blond, sah recht passabel aus und sprach ein ziemlich murksiges Latein. Aber das sagte ich ihr nicht, sondern schwieg einfach nur. Das andere war eh viel wichtiger als der Umstand, ob sie nun freiwillig bei einem Römer lag oder nicht, solange sie das mit sich selbst vereinbaren konnte. Ich sah sie nur an und zuckte schließlich mit den Schultern. "Und? Würdest du dich besser fühlen, wenn ich kein Latein sprechen würde? Ich glaub dir kein Wort. Was macht denn das für einen Unterschied?" Ich hob erneut die Schultern und machte dann eine wegwerfende Geste. "Ich habe keine Lust, Erinnerungen auszutauschen und einem Leben hinterherzuweinen, das ich mal gelebt hab, aber eh nie wieder leben werde." Ich wollte mich einfach nicht erinnern, daran lag es. Denn mit den guten Erinnerungen würde ich auch die schlechten wieder heraufbeschwören.
Ein wenig mitleidig sah ich Siv an, dann seufzte ich. "Hör mal, ich weiß wirklich nicht, wie ich dir helfen kann oder was du überhaupt willst. Ich kenn dich ja nicht mal." Wieder ein Schulterzucken. Sicher war sie ganz nett, aber ich wollte nun mal nicht über meine germanische Vergangenheit reden, und ganz offensichtlich wollte sie das ja.
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Erst überlegte er wohl, dann stützte er sich auf mich. Obwohl der Kerl aussah, wie ein lukanisches Würstchen, erschien er mir doch recht schwer. Aber ich würde jetzt keine Schwäche zeigen, wär ja gelacht! Zwar hatte ich keine Ahnung, wer Cosmas nun wieder war, aber das war ja auch kein Wunder bei diesen ganzen Namen, die ich mir am besten sofort merken sollte. Ich sagte dazu also nichts mehr, sondern zog die Verschlagtür mit dem Fuß ein wenig weiter auf und bugsierte mich dann irgendwie mit Sciurus im Schlepptau raus auf den Gang. Gemeinsam hinkelten wir zur Tür, vor der ich dann ganz plötzlich ziemlich abrupt stehen blieb und Sciurus entsetzt ansah.
"Also gehöre ich jetzt dem und nicht mehr ihr?" fragte ich verständnislos. So viel also zu dem Spruch, dass sich nichts für uns ändern würde, dachte ich lakonisch und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Epicharis hätte ich ja noch irgendwie um den Finger wickeln können, bei diesem Soldatenkerl würde das wohl aber ziemlich schwer werden. Der ließ sich sicher nicht mit einem lausbübischen Grinsen dazu bewegen, noch mal drüber wegzusehen. Wie, um meine Gedanken zu bestätigen, fügte Sciurus dann das mit der Bestrafung an. Allein der letzten drei Worte wegen hätte ich am liebsten seine schmierige Hand abgeschüttelt und ihn zum Haus zurück kriechen lassen. Aber das würde mir wohl nur noch mehr Ärger einbringen, und so zwang ich mich, auch die nächste Tür aufzumachen und dann mit Sciurus zur Villa zu humpeln, ohne noch etwas dazu zu sagen. Was auch? Ich fühlte mich zemlich beschissen. Fast gelähmt. Da hatte sie mich wohl verarscht, die Epicharis, dachte ich bitter. Ob Minna und Fiona das wussten?
Wie dem nun auch immer war, ich musste also dringend mehr über diesen Ehemann in Erfahrung bringen. Jetzt bereute ich es, dass ich immer nur Mhm und Ja gesagt hatte, wenn Epicharis eine ihrer endlosen Lobhymnen auf Aristides gesungen hatte. Hätte ich mal besser zugehört! Nun musste ich Sciurus fragen. Was für eine Fahrlässigkleit. Ich räusperte mich. "Und wie ist er so? Dieser Flavier? Zu seinen Sklaven, meine ich." Irgendwas musste es doch geben, womit er zu bestechen war!
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"Wie du meinst", entgegnete ich schlicht und zuckte mit den Schultern. Ich hatte keine Lust, ihr noch mal zu erklären, wie ich das meinte. Es lag ja auf der Hand, dass sie gar nicht verstehen wollte, was Sache war. Sollte sie doch, war mir recht.
Schon wollte ich sie einfach ignorieren und wieder anfangen zu kehren, als Siv wieder ausbrach, als wollte sie dem Vesuv Konkurrenz machen. Ich sah sie zwar an und hörte ihr zu, aber diesmal ließen mich ihre Worte weitestgehend kalt. Sie verstand mich nicht und ritt darauf herum. Und sie verriet sich, als sie bestätigte, dass sie doch mit diesem Römer in die Kiste hüpfte. Ich verzog kurz das Gesicht zu einem bitteren Grinsen und kehrte dann doch weiter. Sollte sie sich doch aufregen, wenn sie wollte. Meine Gedanken strichen nun wieder um das, was vor vielen, vielen Jahren in meiner Heimat passiert war. Sie hatte die Dämonen wieder beschworen, die ich längst gestorben geglaubt hatte, und das nahm ich ihr in diesem Moment ziemlich übel.
Als eine ganze Weile nur das rhythmische Kehren den tristen Herbsttag erfüllt hatte, schien mir der Hinterhof leider schon sauber, so dass ich schließlich den Besen wieder zurück an die Mauer stellte und neben ihm stehen blieb. "Urteilst du eigentlich immer, ohne die Dinge zu hinterfragen? Nicht, dass mich das stören würde. Es wär nur gut, wenn ich das wüsste, damit ich beim nächsten Mal nicht darauf reinfalle und meine Zeit damit verschwende, dir blöderweise mehr über mich zu erzählen."
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"Tut man auch. Man wird einer von ihnen", bestätigte ich. War es etwa nicht so? Man lernte ihre Sprache, damit man nicht mehr so verloren war. Vielleicht sträubten sich manche erst dagegen, den Römern zu dienen, aber letztendlich taten die meisten doch, was sie verlangten. "Lernst du etwa kein Latein? Versuchst du nicht, einer möglichen Strafe lieber zu entgehen?" fragte ich Siv. "Vielleicht hast du am Anfang versucht, zu ignorieren, was sie von dir wollten. Vielleicht hast du sie gehasst. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem du weißt, dass Hass nicht mehr alles sein kann, das du empfindest. Irgendwann hast du diesen Punkt erreicht, und dann bist du das, was sie wollen, Siv." Ich spuckte in bitterer Geste auf den Boden und starrte das schaumige Gebilde dann eine Weile an.
"Vielleicht geht es schneller, wenn man sich selbst einredet, dass man selbst genau das tun will, was sie von einem wollen", sagte ich dann und spielte damit wieder darauf an, was ich bei Siv vermutete. "Vielleicht gibt es wirklich ein paar von ihnen, die mehr als einen folgsamen Maulesel in dir sehen. Das muss wohl so sein." Epicharis war ja auch eine von denen, die mehr als Besitztümer in uns Sklaven sahen.
Wieder wechselte Siv ins Germanische. Ob sie das tat, weil ihr die lateinischen Worte fehlten, weil sie zeigen wollte, dass sie Germanin war oder weil sie nicht so schnell sprechen konnte in der Römersprache, wusste ich nicht. Aber was sie sagte, ließ mein Gesicht automatisch versteinern. Stumm sah ich sie an. Dann hörte ich das Holz des Besenstiels knarzen, als sich meine Hände so fest darum schlossen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich atmete gezwungen gleichmäßig, bis Zorn und Schmerz wieder auf einen regulierbaren Pegel gesunken waren, was doch relativ schnell ging. "Wenn ihre Schreie anders geklungen hätten, vielleicht", sagte ich nüchtern.
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"Bin ich auch", entgegnete ich Minna und hätte um ein Haar einen Satz rote Ohren bekommen. "Sagt mal, Mädels", begann ich dann und grinste, da ich die Tatsache witzig fand, dass ich Chimerion mit seinem Haarpuschel damit einschloss. "Brauchen wir vielleicht ein bisschen Kohle und ne Schale? Ich hab da heut früh im Hinterhof den kleinen Foculus sauber gemacht und stehen lassen. Wenn den keiner weggeräumt hat, steht der da noch." Während ich sprach, wies ich mit dem Daumen über die Schulter und sah erwartungsvoll in die Runde. Bei Minna blieb mein Blick ein wenig länger hängen, aber als sie mich dann ansah, tat ich hastig so, als suchte ich mit den Augen ein Plätzchen für den Hasen.
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Bitte, dann halt nicht. Ich kehrte weiter. Entweder, ich hatte mich wirklich geirrt, oder Siv war es zu peinlich, es zuzugeben. Wobei, das wär mir wohl auch zu peinlich gewesen. Und dass sie auf den Kuss nicht weiter einging, war eigentlich etwas wie ein Kompliment an mich. So schlecht konnte er also nicht gewesen sein, obwohl er für mich vollkommen bedeutungslos war. Wenn ich an Minna dachte, hatte ich aber trotzdem ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Gut, dass sie das nicht gesehen hatte.
Fast den halben Hof konnte ich kehren, bis wieder etwas wie eine Unterhaltung in Gang kam. Ich spielte Siv den Ball zu, aber statt ihn gleich zurückzuspielen, drehte sie ihn endlos um die eigene Achse und warf ihn mir erst dann vor die Füße. "Was mir das Recht gibt?" wiederholte ich dann verwundert und hielt beim Kehren inne. Schon wieder stachelte dieses Blondchen dort meine Wut auf, wo ich bisher nur Resignation geglaubt hatte. "Das fragst du mich? Was gibt dir denn bitte das Recht, über mich zu urteilen, hm? Wie war das vorhin? Ich hätte vergessen, woher ich komme? Du kennst mich gerade mal fünf Minuten und wirfst mir sowas an den Kopf, ohne überhaupt zu wissen, wer ich bin und wie ich hierher gekommen bin. Und jetzt willst du wissen, warum ich mir die Freiheit nehme, dasselbe mit dir zu machen? Ist nicht dein Ernst, oder?" Ungläubig sah ich Siv an, schüttelte dann den Kopf und kehrte weiter. "Ich bin Langobarde. Mein Haus ist eines der größten im Dorf gewesen. Als die Römer kamen und Alboin nicht mit ihnen paktieren wollte, haben sie alles niedergebrannt und so lange gemordet, bis kaum noch jemand am leben war. Und die, die überlebt hatten, haben sie versklavt. Ich verfluche den Tag, an dem sie mein Weib geschändet, meine Kinder getötet und mein Haus zerstört haben. Aber hier kann keiner was für die Taten der Soldaten. Es gibt keinen Grund mehr, nach Hause zu gehen. Warum also sollte ich nicht versuchen, hier das beste aus dem zu machen, was mir geblieben ist?" Ich stützte mich auf den Besen und sah Siv an.
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Verkauf? Löwung? Ich starrte diesen schmächtigen Kerl an. Und was redete der da? Besitz des...wie? Mein Mund klappte auf und aller Ärger war verpufft. Da war nur noch Verwirrung. "Moment mal, wie meinst du das? Und was soll das heißen, Besitz von Aristides?" Hatte Epicharis nicht gesagt, dass sich für uns alle nichts ändern würde? Für Minna und Fiona und mich?
"Was...?" begann ich, als Sciurus irgendwie halb umkippte und ich mich genötigt sah, ihn an der Schulter festzuhalten. "Hör mal, es tut mir wirklich leid mit deinem Fuß. Wenn ich da was tun kann.... Aber was soll das heißen? Das mit dem Flavier, meine ich?" Ich gab es ja nur ungern zu, aber ein vages Grauen hatte mich gepackt. Ein Verdacht beschlich mich. Die Claudia war nun eine Flavia. Gehörte sie damit jetzt diesem Flavius?
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"Germanische Re...?" Überrascht starrte ich Sciurus an, mir blieb das Wort im Halse stecken. Das war genug! "Ich bin schon eine Ewigkeit nicht mehr in Germania gewesen, du Möchtegernrömer. Du kannst dir solche Kommentare also sparen. Bemüh dich lieber drum, dass dieser Barbar von Koch einem ein anständiges Essen gibt, wenn man hier gescheit arbeiten soll! Was ist das überhaupt, ein Gallier? Bei dem Fraß hier ist das doch kein Wunder, dass man nach zehn Schritten vor Schwäche einschläft!" Was dachte der sich eigentlich? Und wie der mich ansah. Als wollte er mich an die Stallwand nageln. Aber nicht mit mir. "Und du brauchst dir gar nicht einbilden, mir irgendwas austreiben zu können. Leg dich mal mit meiner Herrin an, du, da wirst du dann sehen, was du davon hast." War ja nicht zu fassen. Ich hatte mich ernsthaft entschuldigt und der zog hier so eine Schau ab. Als wär er der Sklaventriezer höchstpersönlich, pah. Und fremdes Eigentum... Aber es sollte mich nicht wundern, dass dieses Würstchen so von sich sprach. Mir fiel der Hammer wieder ein. Aber nein, ich war kein hinterhältiger Mörder, schon gar nicht aus so nem nichtigen Grund heraus. Also zuckte nur mein Blick dorthin, wo der Hammer lag, ehe ich Sciurus wieder ansah.
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"Alles klar. Dann hatte ich doch Recht", sagte ich trocken und trat einen Schritt zurück. Das war dann ja klar. Sie war das Betthäschen von diesem Senator, aber sie tat es freiwillig, wie eine käufliche Hure aus der Subura. Und gerade bei diesem Fatzke. Der wollte doch eine Flavia heriaten, so viel hatte ich mitbekommen. Epicharis sprach zwar nur gut von ihm, aber er war ja auch ihr Boss - und ausßerdem ich hatte ihn längst durchschaut. Ein Jammer, dass sie auf ihn reingefallen war, sie hätte ne Menge anderer Männer stolz machen können.
Ich musterte sie abwägend und verschränkte dann wieder die Arme vor der Brust. "So ein ordentlicher Kuss hat dir mal ganz gut getan", bemerkte ich nüchtern und drehte mich dann nach links, um zu Besen und Eimer zu gehen, die dort ein wenig entfernt in einer Ecke standen. Seelenruhig griff ich mir den Besen und begann zu kehren. Gut, ich war ein wenig aufgekratzt und meine Backe brannte ziemlich. Aber sie sollte nicht merken, dass mich ihr Auftritt hier mächtig verwirrt hatte, vor allem, was die alten Erinnerungen an daheim betraf. Für eine Weile war das Kratzen der Borsten über Stein das einzige, was zu hören war. Dann hielt ich inne, stütze mich auf und sah Siv an. "Also, was jetzt? Sag's ruhig, ich bin ein mieser Scheißkerl und ich sollte mich schämen. Am besten gehst du jetzt heim."