Beiträge von Nordwin

    "Oh, ich kann sehr wohl noch Germanisch, beleh metjaz, mach dir da mal keine Sorgen!" konterte ich ohne mit der Wimper zu zucken. Siv wich zurück und sah kurz aus wie ein Karpfen, dann schnappte sie sichtlich nach Luft. "Da bleibt dir die Spucke weg, was?" höhnte ich mit schräg gelegtem Kopf und nun meinerseits die Hände in die Hüften gestemmt. Klar, jetzt kam der Sermon, der Widerspruch. Ich nickte ungeduldig in kleinen Etappen und schloss entnervt die Augen. Wen wollte sie hier eigentlich verarschen?


    Plötzlich war da Stille. Dann machte es *patsch* und ihre Hand klebte an meinen Bartstoppeln. Erschrocken starrte ich sie an, die Hündin knurrte. Einige Augenblicke vergingen, ohne dass ich reagierte. Dann schnellte ich nicht weniger schnell hervor, ergriff Siv ziemlich rüde am Handgelenk und zog sie zur zweiten Tür dieses Raumes, die ich aufsprengte und die in den Hinterhof führte. Mit einem Nachhall fiel die Tür ins Schloss und wir standen draußen - der Hündin wegen. Hier ließ ich Siv harsch los und verzog kurz das Gesicht. "Hast du sie noch alle?" fuhr ich sie an und kam so nahe, dass sie die Wand neben der Tür in ihrem Rücken schon spüren musste. "Bist du schwanger oder was? Hah, Weiber!" fluchte ich - und dann verpasste ich ihr einen Kuss, der sich gewaschen hatte. So schnell konnte sie gar nicht reagieren. Dafür regte ich mich damit ziemlich schnell wieder ab. Und ließ sie dann los. "So." Als sei nichts gewesen. "Und jetzt sag mir noch mal, dass du nicht jede Nacht ein Betthäschen spielst!"

    Das war schon ein zäher Bursche, dieser Sciurus. Aber dass er ausgerechnet hier reinspazieren musste, wenn man gerade mal ein bisschen döste? Es war ja nicht so, dass ich besonders faul war oder so. Im Gegenteil, ich hatte sogar recht viel zu tun, wenn man es genau bedachte. Die ganzen Muckis kamen schließlich nicht von ungefähr. Und handwerklich war ich eben auch nicht gerade unbedarft. Nur von Grünzeug sollte ich mich besser fernhalten, das hatte Kassandra damals schon festgestellt. Doch zurück zur Situation.


    Sciurus ließ den Schmerz meines Fehlgriffs lieber über sich ergehen, als sich ins Stroh fallen zu lassen. Was sagte mir das über ihn? Dass er entweder Schmerz gewohnt war, ihn mochte - dagegen sprach aber seine Reaktion - oder einfach eine ziemlich grottige Reaktionsgeschwindigkeit hatte. Egal was es war, es half mir hier nicht weiter. Hastig rappelte ich mich auf und kam auf ihn zu, wie er da so an Holzwand lehnte. Ja, doch, man konnte meine Miene durchaus als zerknirscht bezeichnen. Zumindest, bis er meine Ehre seinem rüden Fluch befleckte. "Was?" echote ich perplex. Ich sollte...was tun? Woah, schlagartig war ich auf hundertachtzig. Klar, sein Klumpfuß tat ihm weh, aber dann sowas zu sagen, wo ich mich doch e n t s c h u l d i g t hatte?! Das ging zu weit. Ich blickte ihn grummelnd an. "Mach das doch selber, uran!" schnaubte ich, dann drohte er mir. Das ging ja mal gar nicht. "Hör mal, Jungchen, das war keine Absicht, verstanden? Sowas nennt man Reflex! Also mach mal halblang, ja?" Na klasse, wenn der das nun Epicharis steckte, las die mir wieder stundenlang die Leviten. Warum passierte nur immer mir so ein Mist?

    "Schon traurig, wenn man auf Latein nicht mal fluchen kann, was?" fauchte ich zurück und warf Siv mit verengten Augen an. "Nimmst du deswegen hier Unterricht?" fragte ich sie ironisch. Normalerweise war ich nicht so. Naja, zumindest bei Frauen nicht. Das brachte nichts, wenn man mit denen stritt. Ich tat es wohl nur deswegen, weil sie einen wunden Punkt in mir berührt hatte.


    Im nächsten Moment griff die Hand ins Leere und ich sah verdutzt dahin, wo eben noch der Strohsack gestanden hatte. Nun lag er am Boden, direkt neben Sivs Füßen. Ich sah wieder auf und auf die kleinen eckigen Ellbogen, die rechts und links angewinkelt vom Körper hervorstachen. Eigentlich war sie ja doch ganz niedlich. Das wollte ich ihr gerade auch sagen, aber dann stieß sie mich plötzlich vor die Brust und ich vergaß schlagartig das Wort "niedlich" und ersetzte es durch "übergeschnappt". Ein wissender, zugegebenermaßen auch leicht überheblicher Blick trat auf meine Züge. "Aha, aha. Hat er dir also den Kopf verdreht oder wie? Pass bloß auf, diese Römer würden es auch schaffen, einem Fischer nen Hering zu verkaufen." Was anderes konnte an der überkandidelten Reaktion gar nicht festgestellt werden. Wieso auch würde sie sich so aufregen, wenn es nicht so wär? "Und lass das bleiben. Du tust dir nur weh...." Sollte ich es wagen? "...Häschen."

    "Das heißt, dass du hier nicht her gehörst. Was machst du also hier? Du solltest nach Hause gehen, zurück zu deinem Herrchen", erwiderte ich zynisch und sah Siv grollend an. Was nahm die sich eigentlich raus, mich so anzumeckern? Überhaupt schien mir ihre Sichtweise ziemlich beschränkt. Vermutlich war sie noch nicht lange genug in Rom, um die ganzen Gerüchte zu kennen, die man sich über die Sklavenhaltung in der Villa Flavia so erzählte. Was genau daran wahr war, musste ich selbst auch noch herausfinden...


    Als so zu tun als sei ich jemand, der ich nicht bin. Das kratzte mein Ego an. Ich war doch der, der ich war. Der alte Nordwin war damals gestorben, das war schon viele Jahre her, aber trotzdem war die Wunde nur verschorft, nicht verheilt. und Siv kratzte den Schorf gerade auf, was mich einerseits schmerzte, andererseits wütend machte. Zornig schlug ich die Hand in den Strohsack, zog sie mit Stroh wieder heraus und verteilte es mit barschen Gesten. Viel mehr, als eigentlich hätte sein müssen. "Hab gar nicht gewusst, dass der Typ auf kleine Germaninnen steht", sagte ich dann boshaft. Angriff war immer die beste Verteidigung.

    Der Tonfall gefiel mir zwar gar nicht, aber ich hörte nur auf zu grinsen und tat sonst nichts weiter, außer Siv jetzt fragend anzuschauen. Zack, da sprach die kleine Blondine wieder Germanisch und ich seufzte. Keine Ahnung, was sie dazu bewog, mich dauernd zurechtzuweisen. Mit der Art konnte sie unmöglich Gracchus gehören, der hätte sie postwendend zurück zu dem Händler geschickt, der ihm diese plappernde Ware angedreht hatte. Zunehmend steigerte sie sich in ihre Hitzigkeit. Ich verschrönkte die Arme vor der Brust und kam ihr dann so nahe, dass gerade mal noch eine halbe Siv zwischen uns beide gepasst hätte. Niedliche, wie klein sie war. Sie würde zu mir aufschauen müssen.


    "Jetzt tu mal nicht so wehleidig. Hast du dich schon mal mit aufdringlichen Verehrern rumprügeln müssen? Lagst du schon mal mit nem Dolch in der Seite wochenlang um? Hattest du jemals Wundbrand? Weißt du überhapt, was du für ein Glück hast, wenn du nur hinter deinem Dominus stehen und warten musst?" Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. "Du hast echt keine Ahnung. Also verschon mich mit dem Gejammer." Ich winkte ab, ging zu einem der Regale und schnürte einen am Boden stehenden Sack auf, in dem Stroh war. Mit einer Handvoll streute ich der Hündin ein wenig hin. Blöde Kuh, was meinte die eigentlich, wer sie war? Und sie war doch ein Betthäschen! Sonst wär sie da gar nicht so drauf angesprungen, jawohl.


    Dann sah ich auf und kniff die Augen zusammen. "Corvinus von den Aureliern? Der Senator? Der auch der Boss von der römischen Zeitung ist?" Den kannte ich. Der war der Chef meiner Chefin. Mist. Eigentlich hatte ich doch gar nicht mehr mit Siv reden wollen.

    Schummrige Watte umgab mich, nach Stroh riechende, leise Geräusche waren um mich herum - bis ein penetranter Fuß mich aus dem leichten Schlaf riss, indem er sich vehement in meine Seite bohrte. Ich dachte nicht nach. Wenn ich das getan hätte, dann wär es wohl nicht passiert, weil ich diesen komischen Kautz, den selbsternannten Rächer der faulen Sklaven dann wohl erkannt hätte. Aber noch ehe ich überhaupt richtig sah, wer mich da piesakte, hatte ich den Fuß gegeriffen und rumgedreht. Ein purer Reflex, sonst nichts! Wenn Sciurus also dem Schmerz in seinem Fußgelenk entgehen wollte, würde er instinktiv nachgeben und sich so fallen lassen, dass der Fuß entlastet würde. 8)


    Nachdem ich also ordentlich feste seinen Fuß herumgedreht rumgedreht hatte, starrte ich den Sklaven an, den ich nun erkannte. "Scheiße." Und diesmal meinte ich es wirklich ernst. Nicht nur, dass er mich beim Faulenzen erwischt hatte... Das war der Leibsklave vom Hausherrn, diesem freudlosen Flavier mit den ernsten Falten (und damit meine ich nicht die Toga). Und wenn Sciurus dem DAS petzte... "Das wollt' ich nicht. Ehrlich", beeilte ich mich also zu sagen und wälzte mich herum auf alle Viere, um nach dem Vilicus zu sehen.

    Ich zuckte nur die Schultern, als sie von ihrer Begegnung der Dritten Art sprach. Scheinbar hatte sie sich umentschieden und wollte nun doch nicht weiter darüber reden, deswegen dagte ich auch nichts mehr dazu und zog es vor, wieder die Läufe der Hunde zu kontrollieren. Keiner war krumm gewachsen, das war gut. Gerade in den ersten Tagen passierte es oft, dass die noch weichen Knochen schief wuchsen, und dann konnte man den Hund vergessen. Die Mutter der Kleinen stieß derweil ein wohliges, gutturales und langgezogenen Murren aus. Scheinbar genoss sie die Liebkosungen von Siv.


    "Ich? Sicher", entgegnete ich. Vor meinem geistigen Auge liefen dabei verschiedene Filme ab. Eine Leibsklavin und ihr Herr auf dem Bett. Eine Leibsklavin auf dem Schreibtisch und ihr Herr davor. Eine Leibsklavin und ihr Herr im Wasserbecken. Eine Leibsklavin und... Ich senkte den Blick und räusperte mich. Die Hunde, Nordwin, die Hunde... Wobei es schwierig war, sich auf die zu konzentrieren, während besagte Leibsklavin im gleichen Raum weilte. Augenblicklich überkam mich das schlechte Gewissen, als ich dann an Minna dachte. Und dann ging es auch wieder mit der Konzentration. "Von wem bist du eigentlich die Leibsklavin?" fragte ich ganz arglos, während die Hünding knurrte. Ich runzelte die Stirn und stand wieder auf, um ihr ein wenig Ruhe zu gönnen. Allerdings musste ich schon wieder das Grinsen unterdrücken, als Siv von richtig harter Arbeit sprach. Eigentlich konnte sie dann damit nur Aquilius meinen, denn der Ehemann meiner Herrin war eher wabbelig denn hart. Zumindest meistens. :D

    Nach einem augiebigen Gähnen streckte ich beide Arme in die Höhe. Es knackte hölzern irgendwo in meinem Nacken und ich verzog das Gesicht. Heute war also diese Verschlagtür dran. Ich tigerte zur Küche, schlabberte meinen morgendlichen Hirsebrei und durchbohrte diesen Dummbratz von Koch mit einem scharfen Blick, als er mir die zweite Schale verweigerte und behauptete, ich solle doch erstmal arbeiten für mein Essen. Es half alles nichts, und die Blöße, vor diesem Kerl mit seinem Zwirbelbart zu betteln, wollte ich mir nicht geben. Also war ich kurz darauf unterwegs zum Geräteschuppen bei den Stallungen, um das passende Werkzeug auszusuchen.


    Einen Hammer, einige Nägel und eine schmale Holzlatte später, betrat ich das nach Stroh und Pferden duftende Gebäude und blinzelte in das staubige Zwielicht. Pfeifend suchte ich die kaputte Verschlagtür auf und musterte sie. Irgendso ein Gaul hatte scheinbar ausgekeilt und dabei das Holz splittern lassen, wie ich sah, als ich mich in der leeren Box hinkniete und die halbhohe Tür begutachtete. Mit meiner Latte - der aus Holz - kam ich da wohl nicht weit. Da musste mehr Holz her. Aber jetzt in die Stadt gehen und Latten kaufen? Mürrisch trat ich iins Stroh und seufzte. Ich hatte Hunger, verdammt! Der konnte doch so einem gutaussehnden, stattlich gebauten Kerl wie mir nicht einfach so ne Mädchenportion geben! Pah. Und arbeiten sollte ich für mein Frühstück...da würde der sehen, was er von hatte. Der stand ja selbst nur dauernd hinter seinem Herd und machte so Kinkerlitzchen. Ich gab der Tür einen Tritt und setzte mich ins Stroh. So sann ich über mein Leben nach...


    ...genau zwei Minuten. Dann erfüllten Sägegeräusche den Stall. :D

    "Wie?" fragte ich sie verständnislos blinzelnd. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Sie meinte Brutus. Zumindest traf die Beschreibung "Klotz" auf ihn am ehesten zu. "Ach so. Hattest wohl schon eine Begegnung mit dem, was?" Wobei die nicht sonderlich gesprächig ausgefallen sein durfte, überlegte ich mir. Brutus trug zwar einen römischen Namen, war aber ein Mischmasch aus Hebräer und Brite oder so ähnlich, ganz hatte ich das nicht verstanden. Jedenfalls schien er weder Keltisch noch Hebräisch noch Latein richtig sprechen zu können, und sein Vokabular beschränkte sich daher auf einfache Dinge wie "Ja Herr(in).", "Essen?", "Durst!" und "Keine Gefahr.".


    Morsiuncula schnupperte kurz darauf an Sivs Hand, ließ sich sogar dazu herab, einmal der Länge nach drüberzuschlabbern, ehe sie den Kopf wieder auf die Pfoten sinken ließ. Man mochte gar nicht dran denken, wie kompromisslos diese friedliebende Mutter war, wenn sie nicht säugte und draußen einen Eindringling aufspürte. Nicht umsonst hatte sie ihren Namen bekommen. Sivs Entsetzen verleitete mich dazu, mich wieder ihr zuzuwenden, und zeigte mir, dass ich da wohl ins Schwarze getroffen hatte. Aber ich sagte erstmal nichts dazu, sondern ließ sie reden.


    "Verstehe. Leibsklavin. Ah ja. Kann man ja durchaus auch als Arbeit bezeichnen." Ein schräger Seitenblick folgte, und ich grinste anzüglich. Dann ging ich zu den Hundewelpen, hockte mich hin und begann, sie zu untersuchen. "Im Garten hab ich dich auch noch nicht gesehen." Mit ihrem schlechten Latein war es wohl aber auch unmöglich, ihr eine andere Arbeit zuzuteilen, als Bettwärmer und Rosenhäcksler zu spielen. Dabei konnte sie die Klappe halten.

    Abgesehen davon, dass ich keine Ahnung hatte, wie man Siv am besten besänftigte, war für mich die Sache damit gegessen, dass sie nach einem weiteren kurzen Aufbrausen auf meine Frage einging und mich begleiten wollte. "Gut, dann komm", gab ich wie gewohnt auf Latein zurück und steifelte einfach los in Richtung eines Lagerraums in der Nähe der Küche. Schließlich wechselte auch Siv wieder in die Römersprache. Ich betrachtete sie seitlich und zuckte im Gehen mit den Schultern. "Dies und das. Und Epicharis begleiten, wenn sie Ausflüge macht. Ich bin ihr Leibwächter, weißt du." Abgesehen davon, dass mir dieser Sciurus meinte, irgendwelche wenig sinnvollen Aufgaben zuteilen zu müssen. "Und du? Lass mich raten, du bist Betthäschen bei einem der Herrschaften."


    Beim kleineren der Lagerräume angekommen, ließ ich Siv hinein und schloss dann sorgfältig die Tür hinter uns. Helles Fiepen war zu vernehmen, und in einer Ecke hatte man eine Lagerstatt errichtet, auf der eine Hündin mit drei Welpen lag, von denen bisher keines die Augen geöffnet hatte. Die Mutter schlug schwach mit dem Schwanz, als sie ich kommen sah. "Das ist Morsiuncula", sagte ich zu Siv und deutete auf die bullige, dunkelfellige Hündin. "Normalerweise ist sie draußen im Verschlag, aber die anderen würden ihr die drei Welpen auch noch totbeißen, deswegen haben wir sie hier reingeschafft."

    "He..." Blöder Stechginster. Ich hatte mir ein Loch in die Tunika gerissen. Dafür musste so ein blöder Zweig dran glauben. Ich brach ihn ab und malträtierte ihn, ehe ich ihn achtlos fallen ließ. Dabei beeilte ich mich, den dreien zu folgen. "Nu wartet doch mal." Kurz hinter Fiona erreichte ich diese kleine Lichtung. Diesen bärtigen Typen hatte ich vorher schon mal gesehen. Ein Rasiermesser würde dem recht gut tun, fand ich.


    Und da war auch Minna. Ich lächelte sie flüchtig an. Irgendwie war das immer seltsam in ihrer Nähe. Dauernd fühlte ich mich so, als müsste ich ihr irgendwas beweisen. Sie für mich gewinnen. Ich hielt den Hasen hoch. "Der wird heute nicht vermisst", sagte ich und grinste. Das war schon ein Kunststück gewesen, diesem Kerl von Koch das Viech zu stehlen. Vor allem, nachdem es lecker gebraten worden und damit nun ziemlich unbeweglich war.

    Lustig, wie sehr er sich erschreckte. Der arme Kerl. Oder eher Kerlchen. Ich grinste in mich hinein, räusperte mich dann angestrengt und versuchte, nicht allzu schadenfroh zu wirken. Aber im Schauspielern war ich noch nie sonderlich gut gewesen. Zwar fiel mein Blick unweigerlich auf den formschönen Hinten von Pallas, als der sich bückte, aber ich verzog nur das Gesicht und sah irgendwo anders hin. Diese Männchenbespringer waren mir eh suspekt, und warum man freiwillig auf die kurvigen Rundungen einer - beispielsweise - Minna verzichtete, war mir total unverständlich. Beim Gedanken an Minna schmachtete ich kurz vor mich hin, dann aber drängte sich mir Pallas wieder ins Gedächtnis, und ich blinzelte ihn an. "Ja, genau." Ich hob die Hand und kratzte mich am Kopf. Was war das doch gleich gewesen? Ah...ja.... "Also. Du bist doch der Sklave von..." Ach Scheiße. Wie hieß die glatt noch? Mit Namen hatte ich es wirklich nicht. An...neliese oh Anneliese... Äh...An...ders... "Antonia! Die mit dem kleinen Kind. Die Claudia." Fragenden Blickes wartete ich erstmal ab. Das sparte Zeit und Worte.

    Na holla. So kurz und so niedlich, und dabei so eine Megäre. Ich zuckte kurz zurück - natürlich nicht vor Angst, sondern vor Überraschung! - und blinzelte das kleine Blondchen dann verdattert an. Der Stift purzelte zu Boden, wie ich sah, und die kleinen eckigen Ellbogen standen seitlich von ihrem dünnen Körper ab. Süß, wie sauer sie war. ich schmunzelte. Warum waren es meist Germaninnen, die so niedlich waren, wenn sie sich aufregten? Minna war genauso. "Ja", erwiderte ich, ohne mit der Wimper zu zucken, und im Gegensatz zu Siv ziemlich ruhig. Warum auch aufregen? Das verringerte nur die Lebenserwartung um ein paar Minuten. Und die war bei Männern eh knapper bemessen als bei Frauen. Während sie sich aufregte, kratzte ich mich am Kopf. Hoffentlich hatten die keine Läuse hier. Kaum gedacht, juckte es gleich noch mehr. Ich verzog das Gesicht. Und dann war es plötzlich still, zumindest, wenn man vom heftigen Atmen der kleinen Siv ausging. "Bist du fertig?" fragte ich sie freundlich. "Weil ich hab da noch was zu erledigen. Willst du mitkommen?"

    Akt I: Sklavenunterkunft
    Starring: Pallas, Nordwin


    Wie war doch gleich der Name gewesen? Das Gesicht kam mir bekannt vor. Es war irgendwas mit Klamotten gewesen... Stolus? Ärgerlich runzelte ich die Stirn. Verdammt! Zum ersten Mal erkannte ich einen höheren Sinn in Tätowierungen und Namenstäfelchen. Nur blöd, dass der Kerl keine um hatte und womöglich auf dem Arsch tätowiert war.


    "Pallas!" blökte ich triumphierend und zeigte mit dem Finger auf ihn. Ha! "He, wart mal. Ich müsste dich mal grad sprechen." Der arme Kerl. Hatte sich sicher total erschreckt. Ich kam ein wenig näher und setzte mich auf das nächst gelegene Bett. "Hast du nen Moment Zeit?" Klar hatte er das. Er musste einfach. Wer war nicht froh, wenn er einem stinkenden Kleinkind und seiner gluckenhaften Mutter für einen Moment entfliehen konnte?

    Mit einem Schulterblick vergewisserte ich mich, dass dieser Oberguru nicht gerade hier herumlief. Schiekurus oder so ähnlich war das. Jedenfalls etwas, das sich wirklich wie Guru anhörte. Dann sah ich wieder zu Siv und runzelte die Stirn. Sie war auch da gewesen? Bestimmt als Begleitung für irgendwen. Ich hatte mich drum kümmern müssen, die Krüge mit Wein aus Amphoren nachzufüllen...das war eine Scheißarbeit gewesen. "Naja. Römer laufen hier nicht sooo viele rum. Das geht schon. Da kann man im Notfall auch einfach Dominus oder so sagen." Ich zuckte mit einer Schulter und versuchte, diesen seltsamen Blick von Siv zu deuten. Was sie wohl hier für Aufgaben hatte? Irgendwie wirkte sie wie ein Zimmermädchen, aber dafür war sie irgendwie zu schusselig, wenn ich mir das recht überlegte.


    Dann sprach sie mich auf Germanisch an. Wie lange ich schon kein Germanisch mehr gesprochen hatte... Natürlich konnte ich das noch! Immer, wenn ich mit Minna mal ungestört reden wollte, sprach ich germanisch, aber hier und jetzt? Ich runzelte die Stirn und entschied mich, störrisch zu sein und weiterhin Latein zu sprechen. Dann konnte Siv gleich noch was lernen, denn dass sie das nötig hatte, war schließlich deutlich zu hören. "Ich sage das, weil es wahr ist", bemerkte ich schlicht und veränderte meine Standposition und auch die verschränkten Arme nicht. "Ist doch egal, wo du herkommst. Du bist hier in Rom und wirst deine Heimat sowieso nie wiedersehen, also mach dir erst gar keine Gedanken darüber." Das klang bestimmt härter, als ich das beabsichtigt hatte, aber so war das nun einmal mit der Wahrheit. Und mehr als mein Name und meine Abstammung war eben nicht mehr germanisch, schon lange nicht mehr. "Du wirst das auch noch lernen. Wie lange bist du hier? Ein Jahr? Zwei? Erst verblassen die Erinnerungen, dann du selbst. Und irgendwann bist du einer von ihnen."

    "...äh", erwiderte ich ein wenig verdutzt. Was machte es schon für einen Unterschied, ob ich Hebräer oder Dacier oder Germane war? Das erinnerte mich nur wieder an meine Heimat und die Familie, die ich verloren hatte. Also schnell weg mit den Gedanken. "Ich bin Sklave", erwiderte ich also auf die Frage nach meiner Herkunft und lächelte schwach, mit bitterem Zug um die Mundwinkel. Ganz bestimmt war sie selber noch nicht lange Sklavin und wusste nicht, wie der hase lief. Für die Römer war es egal, woher wir kamen, es zählte nur, dass wir da waren, und zwar für sie. Aber gut, ich sollte mich nicht beschweren, denn nach die was die anderen mir hier von dem Rosentypen erzählt hatten, der früher mal in der Villa hier gewohnt hatte, war Epicharis wirklich ein Lämmchen. Trotzdem ging ich aber nicht weiter auf die Frage ein und stellte auch keine Gegenfrage.


    Das, was darauf folgte, verriet mir eh genug über die Fremde. Siv also, zweifellos germanisch, und das schlug sich auch in der Sprache nieder. Ach herrje! Die hörte sich ja schlimmer an als der Senator, den sie hier hatten und der dauernd die Wegstaben verbuchselte! Ich schlussfolgerte daraus, dass sie nicht gerade eine wichtige Funktion hier innehaben musste, denn nach allem, was ich in den vergangenen tagen hier erfahren hatte, legten diese Flavier großen Wert darauf, dass ihre wichtigsten Sklaven nicht nur perfektes Latein sprechen, sondern auch hellsehen konnten. Mit diesem klobigen Ehemann meiner Herrin war ich deswegen schon kurz aneinandergerasselt, aber es war nur ums Essen gegangen, und das war ja nun wirklich nicht meine Baustelle.


    Siv reichte mir ihre Hand und bedankte sich fürs Festhalten. Ich grinste sie an. "Gern geschehen." Dann ließ ich sie wieder los und verschränkte meine Arme vor der Brust, sah sie dabei ein wenig unverständlich an. "Na wegen der Hochzeit?" fragte ich sie. Sowas, konnte es denn sein, dass einige hier gar nichts mitbekommen hatten von der Märchenhochzeit zwischen zwei der bedeutendsten Familien des Römischen Reiches? "Das nächste Mal pass besser auf, ich glaub, die werden hier schnell sauer, wenn man einen ihrer Ahnen zerdeppert", riet ich ihr und grinste breit.

    Träumte die? Wenn die so weitermachte, würde die gegen... Wo sah die denn hin? Ich kniff die Augen zusammen, entschloss mich dann aber doch anders und sah wieder hin. Da wackelte die Büste schon. Na bitte, was hatte ich gesagt? Tafeln klapperten, Schritte erklangen. Mit einem Satz war ich bei ihr - der Büste - und hielt sie fest. Besser Wachstafeln als ne Büste von irgendso eine Kerl.


    Als der Flavier - es war bestimmt einer - wieder sicheren Stand hatte auf seinem Ständer, fand ich auch die Zeit, um die Sklavin anzuschauen. "Ging ja grad noch mal gut", kommentierte ich ihre Schusseligkeit, und damit es nicht ganz so abschreckend aussah, hob ich einen Mundwinkel an. Dann fiel mein Blick zu Boden, wo Schreibersachen verteilt lagen, und ich sammelte sie schnell ein, machte einen hübschen Stapel daraus und drückte ihn ihr wieder in die Hände. "Ich bin übrigens Nordwin, und du? Ahja, gleich vorweg: Wenn ich morgen deinen Namen vergessen hab, liegt das nicht an dir, sondern daran, dass ich in den letzten drei Tagen schätzungsweise hundert Namen gesagt bekommen habe, und bevor ich die total durcheinander bringe, frag ich lieber noch mal nach. Also - Nordwin - schön dich kennenzulernen." Ehe sich die Fremde Sklavin versah, hatte ich ihr eine Hand entgegen gestreckt und grinste sie leicht dämlich an. Zumindest kam ich mir so vor, so schnell wie ich den Namensspruch runtergerattert hatte, was aber nur daran lag, dass ich den Spruch heute sicher schon ein Dutzend mal aufgesagt hatte. Man(n) ahnte ja gar nicht, was so eine Hochzeit für Konsequenzen mit sich zog. Neues Bett, neuer Name der Herrin, neue Sklaven... Wenigstens Minna und Fiona waren noch mitgekommen. Ich hätte auch gar nicht gewusst, ob ich Minna dann vielleicht mal hätte besuchen dürfen.

    Zitat

    Original von Minna
    ....


    Nach und nach leerte sich der Raum. Bald waren wir allein. Zu dem kalten Schweiß auf meiner Stirn gesellte sich nun auch ein Gefühl der Beklemmung, das meinen Atem einengte. Bedingt durch die brennenden Striemen auf dem Rücken tat es nicht so weh, wenn ich nur flach einatmete. Gerade bot Minna, mit der ich nun allein war, ihre Hilfe an. Ich hielt mich immer noch am Spind fest und maß sie mit einem langen Blick, setzte mich dann aber auf das nächste Bett und seufzte tief. "Ist gut", murmelte ich und sah herzzerreißend zu der kleinen Germanin auf. "Aber du solltest besser nicht so über sie reden. Es kommt ja doch heraus, und ich will nicht, dass sie dich auch noch bestraft." Da sah ich die Tränen in ihren Augen. Es war ja nicht so, dass ich nie eine Frau zum Weinen gebracht hatte...aber Minna weinte ohne Zweifel um mich und nicht wegen mir, das war schon ein Unterschied. Mir fiel mein Weib ein und ich senkte den Blick. "Weine nicht", bat ich schlicht. Und um die aufkommende Betrübnis dieser Situation fortzuwischen, fügte ich hinzu: "So ein paar Kratzer bringen einen waschechten Germanen noch lange nicht um. Da braucht es schon etwas mehr zu."

    Als ich die Tür öffnete und in den Raum hinein sah, blieb ich wie angewurzelt stehen. ich vergaß sogar für einen Moment, dass mein Rücken brannte wie Feuer und meine Knie weich wie Butter waren. Als hätten sie nur auf mich gewartet, standen und saßen da ein paar Leute herum. "Ähm..." begann ich und sah fragend in die Runde. Dann fiel mein Blick auf Minna, und schnell sah ich noch mal nach, ob die zusammengeknüllte Tunika auch wirklich alles Wichtige verbarg, was sie auch tat. "Habt ihr nichts zu tun?" fragte ich und es sollte mürrisch klingen. Allerdings war das gar nicht so leicht nach einer Auspeitschung, und deswegen klang es eher hinausgepresst. Ich vermied es, Minna anzusehen, irgendwie war es mir unangenehm, dass sie mich nun so sah. Ich ging, so schnell es meine wackligen Knie erlaubten, an ihr vorbei zu einem Spint und angelte, nachdem ich die Peitsche fallen gelassen hatte, nach einem schlichten Schurz, den ich mir ziemlich ungeschickt um die Hüften fummelte. Zu meinem Bedauern musste ich mich dabei wieder kurz festhalten, da ich sonst umgekippt wäre. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Naaaa gut. Es war eben doch schlimmer, als ich allen Glauben machen wollte.