Beiträge von Tiberia Albina

    Albina wartete noch auf Catos Reaktion, doch anders als sie es erwartet hatte, hatte er weder das Thema weiterausgeführt, noch war er gegangen. Er stand nun bei ihr am Fenster. Seine Frage irritierte ihn, doch sie antwortete einfach.


    "Ja, ich habe ihn in den letzten Tagen sehr oft gesehen... Er ist wunderschön, aber er will so recht nicht ins Peristyl passen. "sagte sie ehrlich. Sie hatte sich oft gefragt weshalb der Rosenstrauch von allem anderen losgelöst dort unten stand.
    "Wieso fragst du?" sah sie ihn verwundert an.

    Albina hatte wenig interessiert geschaut wer es nun war der eintrat. Einfach schon, da sie momentan ohnehin keine Gesellschaft wollte. Als Cato eintrat war sie zunächst überrascht. Doch sie ahnte weshalb er gekommen war und sank vorerst wieder in ihrem Stuhl zurück. Anscheinend sorgte er sich um sie und würde sie Emotionen an sich heranlassen hätte es sie sicher gerührt.


    "Es geht mir gut , Cato." sagte sie schlicht. "Ich brauche nichts, aber danke, dass du gefragt hast." . Sie konnte nicht mit ihm reden. Sie wusste er würde ihr nicht glauben, doch irgendwie hoffte sie er würde es dabei belassen. Denn wenn sie ehrlich mit ihm würde reden müssen, wäre sie gezwungen zumindest kurzeitig ihren Kokon zu verlassen...

    Wie die meiste Zeit in den letzten Tagen saß Albina gerade stumm und in Gedanken versunken auf einem Stuhl am Fenster und schaute auf das Peristyl hinab. Nach dieser schrecklichen Nacht vor ein paar Tagen war Albina am nächsten Morgen dennoch emotionslos aufgewacht. Es war als hätte sich ein Schleier auf ihre Gefühle gelegt...


    Da ihr ohnehin klar war, dass sie diese Gefühle nach außen hin niemandem , ihrem Cousin ausgeschlossen, würde zeigen dürfen hatte sie sich entschieden das ganze mit aller Kraft die sie hatte durchzustehen.Auch wenn das Licht am Ende der Pupille so klein war, dass man es kaum erkennen konnte.


    Sie war eine starke Persönlichkeit und selbst der unerträglich scheinende Herzschmerz würde diese Tatsache nicht ändern. So ertrug sie es einfach so gut sie konnte und tat was man ihr sagte. Das keine Emotion ihre Augen mehr erreichte würde ohnehin nur einem sehr guten Beobachter auffallen. Und selbst der würde daraus nicht schließen können worauf das beruhte. Bis auf diejenigen die um die Geschichte wussten...


    Ein völlig unerwartetes Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Schnell strich sie sich über die Haare und richtete ihre Tunika wieder zurecht. Sie hatte keine Idee wer es sein könnte. So verließ ein schlichtes "Herein!" ihre Lippen. Gerade laut genug damit die Person vor der Tür es hören konnte...

    Nachdem Albina dem Hausopfer mit ihren beiden Cousins beigewohnt hatte, begleitete sie Quintus nun zu den öffentlichen Opfern. Ungewöhnlicher Weise wollte er , dass Albina dieses Mal nicht in einer Sänfte sondern zu Fuß mit ihm zum Capitol zurücklegte, und natürlich war Albina damit einverstanden.


    In den letzten Tagen hatte sie sich ohnehin kaum bewegt. Dazu ebenso wie zu den meisten anderen Dingen konnte sie sich einfach nicht mehr motivieren.
    Die Unterhaltung, wenn man es überhaupt so nennen will, war spärlich ausgefallen. Ihre Gedanken kreisten ohnehin fast ausschließlich um Verres, auch wenn sie sich diese Gedanken jedes Mal aufs Neue verbot. Nur Taranis war zur Zeit ein Thema über das die beiden wirklich sprechen konnten und da gab es nunmal auch nicht so viel zu sagen.


    Am Abend des Tag als alles aufgeflogen war hatte sie schrecklich gelitten und sich ihrem Schmerz hingegeben. Als sie aber am nächsten Morgen aufgewacht war, hatte sie sich entschieden, dass sie sich das nicht weiter zugestehen wollte. Und so machte sie zur Zeit stets ein gefasstes wenn auch meist ausdruckloses Gesicht. Keine Träne war seit diesem Abend über ihre Wangen gelaufen.
    Sie wusste nicht weshalb, doch sie spürte den Schmerz zurzeit kaum ,ganz so als hätte ihr Körper als Selbstschutz alles was um sie herum geschah in der Bedeutung abgestumpft. Man konnte sie vielleicht für diese Fassung bewundern, aber jeder der sie gut kannte, wusste um das was verloren zu sein schien ...


    So folgte sie Quintus einfach in allen seinen Anweisungen oder Bitten und stand nun neben ihm in der ersten Reihe vor dem Tempel.

    Wie jeden der letzten Morgende war Albina früh aufgestanden und hatte sich einfach vor das Fenster gesetzt und in das Peristyl geschaut. So saß sie dort nun immer, bis Aesara kam um ihr beim Ankleiden zu helfen und ihr die Haare zu richten. Bei dieser Prozedur verlor sie meist kein Wort. Sie wusste ohnehin nicht, was sie zur Zeit sagen sollte. Sie dachte fast pausenlos nach und trauerte innerlich.
    Heute am Tag der Parentalia hatte sie sich eine unauffällige dunkle Tunika angezogen und Aesara hatte ihre Haar schlicht im Nacken zusammengesteckt. Doch diese einfache Aufmachung tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Ihr natürlich schönes Aussehen wurde eher noch hervorgehoben.
    Allerdings täuschte auch diese wiederum nicht über ihr emotionsloses Gesicht hinweg und es war Glück, dass dies aufgrund des Anlasses dieser Feier vermutlich keinem weiter auffallen würde. Der wahre Grund der dahinter steckt blieb das Geheimnis von Albina und ihrem Cousin.


    So schritt sie in das Atrium und blickte sich vorerst um. Zunächste erkannte sie ihren Cousin Durus und nickte ihm schlichtweg zu. Doch in einer hinteren Ecke sah sie dann auch Quintus. Auf ihn zu zugehen fiel ihr schwer, hatte sie sich doch trotz seiner liebevollen Art in dieser Angelegenheit in den letzten Tagen fast völlig zurück gezogen.
    Ein paar Schritte vor ihm blieb sie stehen und grüßte ihn mit dem Versuch eines Lächelns. "Salve."
    Dann wandte sie ihren Blick vorerst wieder Taranis zu.

    Endlich waren sie vom Markt wieder zuhause angekommen und Albina betrat völlig erschöpft ihr Zimmer. Während des ganzen Weges hatte sie geschwiegen, nur damit beschäftigt dem kleinen Taranis ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Nun, da sie die Villa erreicht hatten, hatte Quintus ihr den Kleinen abgenommen und sie fürsorglich und nicht bestrafend in ihr Cubiculum geschickt.


    Dort stand sie nun. Aesara, die gerade dabei war ihre Kammer aufzuräumen schickte sie mit einer leichten aber entschiedenen Geste hinaus. Jetzt war sie allein. Völlig allein.
    Doch noch war sie nur die leere Hülle ihrer Selbst, die den Schmerz nicht spürte. So ging sie ganz langsam auf ihr Bett zu und setzte sich langsam auf die Kante.


    Sie atmete tief durch, doch sie spürte nichts. Garnichts.
    Sie rekapitulierte einfach die Geschehnisse nacheinander.
    Ihre erste Begegnung mit Verres hier in dieser Kammer die ihr schon eine Warnung hätte sein müssen. Er hatte sie schon dort verunsichert und gereizt. Doch sie war schwach gewesen und hatte nicht auf ihre innere Stimme gehört.
    Sie dachte an Verres und sie im Park. Ihre Hilflosigkeit und Angst aufgrund all der Geschehnisse hier in Rom und wegen dem Verhalten ihres Cousins. Sie dachte an Verres offenes und ehrliches Wesen, an seine liebevollen Worte und Berührungen. Sie dachte daran, dass sie es war, die ihre Hand nach Verres ausgestreckt hatte und daran, dass sie es war die empört gehen wollte, als er meinte es täte ihm leid. Er hatte sie gebeten nicht zu gehen. Und in diesem Moment hatte sie diese fatale Entscheidung getroffen. Sie war geblieben...


    Und dann war ihnen Cato begegnet, ohne dass einer der drei wusste, welche Katastrophe das hätte bedeuten können.
    Sie dachte an die darauffolgende Nacht, in der sie nicht hatte schlafen können und daran, dass Verres dann auf einmal in ihrem Cubiculum stand. Sie erinnerte sich, wie wundervoll er gewesen war. Wie herrlich das Gefühl seiner Nähe und wie liebevoll sein Verständnis für ihre Ängste. Wie glücklich war sie in dem Moment, als sie auf seiner Brust eingeschlafen war. Würde sie das je wieder sein können? Sie glaubte es nicht.


    Sie dachte an den Moment mit Quintus im Tablinum als er ihr die Kette geschenkt hatte...
    Und sofort bei diesem Gedanken fasste sie die Kette an, die sie im Moment gerade um den Hals trug. Sie hatte das Gefühl, die Kette würde sie erdrücken.. Sie stand ruckartig auf, nahm die Kette ab und legte sie weit nach unten in eine der Kisten.
    Wie hatte ihr Cousin die Kette begründet? Weil sie sich wie eine Dame verhalten hatte? Bei dem Gedanken daran wurde ihr schlecht. Schnell schloss sie die Truhe. Albina war von sich selbst angewidert. Wie hatte sie ihren geliebten Cousin so hintergehen, so verletzen können. Und dass er ihr das auch noch verzieh und sich um sie sorgte, machte es nicht besser. Sie kam sich schäbig vor...


    Sie dachte daran, wie Cato dann das Tablinum betreten hatte und sie gedacht hatte alles sei aus. Wie sie ihrem Cousin direkt ins Gesicht gelogen hatte und anschließend mit Cato in seiner Kammer darüber gesprochen hatte.
    Er hatte sie gewarnt... Oh ja, das hatte er.
    Bei diesen Gedanken ging sie im Zimmer auf und ab und fuhr sich immer wieder mit den Händen durch ihre Haare.
    Sie dachte an das mulmige Gefühl, dass ihr die Erkenntnis , dass Quintus sowohl Verres als auch Titus als Begleitung mit auf den Markt hatte nehmen wollen, beschert hatte. Es war eine böse Vorahnung gewesen und sie hatte sich bestätigt.


    Soviele kleine Unachtsamkeiten, solch kleine Streiche des Schicksals... Warum hatte Verres zusammenbrechen müssen? Warum hatte sie seinen Namen rufen müssen? Warum war ihr bei Verres Worten schwarz vor Augen geworden? Doch auf all diese Fragen gab es keine Antworten. Sie hatte sich doch schon entschieden das ganze zu beenden... Mit allem Schmerz der Welt zwar, aber sie hatte sich entschieden...ihrem Cousin und natürlich auch Verres zu liebe. Doch es hatte nichts geändert.


    Die Götter hatten sie bestraft. Doch noch immer wusste sie nicht, wofür. War es so falsch einen Menschen zu lieben. Und ja, sie liebte Verres... sie liebte ihn auch jetzt noch. Sie dachte an die liebevollen Blicke von Verres und an den eiskalten Blick im Gesicht ihres Cousins , als er erkannte was geschehen war. Sie dachte an die eiskalte Frage "Seit wann?" ihres Cousins und auch an den resignierenden Blick von Verres.


    In genau diesem Moment brachen all die Gefühle von vorhin erneut auf sie ein. Der ganze Schmerz, die Angst , die Trauer...
    Verres, dachte sie, wo bist du? Was geschieht jetzt mit dir? Sie malte sich die schrecklichsten Dinge aus und ihre Gedanken überschlugen sich beinahe. Sie würde ihn nicht wieder sehen, dass hatte Quintus vorhin unmißverständlich klargestellt. Ihn nie wieder sehen? Niemals? Sie hatte sich nicht einmal von ihm verabschieden können. Ihr wurde übel vor Schmerz. Bei diesen Gedanken zog sich ihr Magen zusammen und sie hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Sie ging zurück zum Bett und kugelte sich darauf zusammen.
    Verres, dachte sie, bitte verzeih mir... Bitte vergib mir!
    Ihr nächster Gedanke gehörte Quintus... Ich habe diese Gnade nicht verdient, wollte sie schreien. Doch kein Ton kam über ihre Lippen. Tränen überströmten ihr Gesicht.
    Mit angezogenen Knien und den Händen in eines der Kissen gekrallt lag sie auf ihrem Bett und litt Qualen die schlimmer waren als Alles , was sie sich je hatte vorstellen können.
    "Warum?" schrie sie in ihr Kissen, sodass nur ein gedämpftes Geräusch von dem Ton übrig blieb. Und dann begann sie sich einfach dem Schmerz hinzugeben, schluchzte und jammerte, schrie und schlug auf ihr Kissen ein, weinte und wimmerte.
    Doch kaum etwas davon durchdrang die Wände ihres Zimmers und niemand schien mitzubekommen, dass Albina in diesen Momenten den schwersten Kampf ihres Lebens führte...

    "Ja, mir ging es bei dem ersten Besuch auf dem Markt ebenso wie dir. Es ist unglaublich beeindruckend. Mein Vetter hat mir als Willkommensgeschenk eine Kette gekauft, wie ich noch keine zweite so schöne gesehen habe. Die meisten Dinge hier überragen die bei uns auf dem Land um weiten." sagte sie verträumt, während sie einige der wundervollen und auch interessanten Dinge , die sie hier auf dem Markt gesehen hatte, noch einmal in ihre Gedächtnis rief.


    "Oh, gegen gemeinsame Unternehmungen in Rom wird Quintus sicher nichts einzuwenden habe, solange ich die obligatorischen Begleitsklaven mitnehme, an die ich mich noch ein wenig gewöhnen muss." sagte sie ehrlich.
    "Mantua klingt verlockend und ich würde deinem Angebot wirklich gerne folgen. Ich denke wir hätten eine Menge Spaß. Aber in dieser Hinsich weiß ich noch nicht, was mein Vetter dazu sagen wird. Ich werde ihn aber bei Gelegenheit fragen und hoffe er hat nichts dagegen." grinste sie Epicharis an. Ja, dachte sie, dass würde sicher lustig werden.

    "Oh..." sagte Albina,"einkaufen ist herrlich." und grinste so wie fast jede Frau bei diesen Worten.
    "Mein lieber Cousin hat mich bereits am ersten Tag auf die Märkte begleitet. Es gibt so unglaublich viele wunderschöne Sachen." Bei diesen Worten musste sie wieder an den Tag auf dem Markt denken... es war wirklich sehr schön gewesen.Doch diese Erinnerung würde wohl nie wieder ungetrübt von den Geschehnissen an dem daran anschließenden Abend aufkommen können. Aber nunja, auch daran wollte sie jetzt nicht denken.
    "So wie du es schilderst gibt es ja eine Menge angenehme Zeitvertreibe für Frauen wie uns." sagte sie fröhlich. "Weben und Sticken? Nunja... lernen mussten wir es ja alle. Aber ich glaube nicht, dass jemand der Alternativen hat freiwillig seine Zeit damit ausfüllt." lächelte sie frech. Sie selbst interessierte sich viel mehr für andere Dinge.
    "AUf dem Esquilin war ich bis jetzt noch nie, und in den Thermen auch nicht..." sinnierte sie."Dann gibt es wohl noch einiges zu entdecken. Wenn du Zeit und Muße hast könntest du mir ja vielleicht an einem anderen Tag mal etwas davon zeigen." schlug sie vor. Sie hatte die Ahnung, dass sie in Epicharis vielleicht eine gute Freundin und Vertraute finden konnte.

    Bei Quintus Worten war Albina erneut von der inneren Gutmütigkeit ihres Cousins erstaunt und erst als sie von ihrem Cousin zu Sänfte geführt worden war und dort Platz genommen hatte sagte sie etwas dazu.
    Sie schaute zu ihm hoch und schenkte ihm einen für die Situation sehr freundlichen Blick und sagte "Danke...".


    Mehr konnte und wollte sie nicht mehr sagen. Es war zuviel passiert. Viel zu viel, was noch lange nicht gesackt war und viel zu weitreichende Konsequenzen hatte. Welche Tragweite all diese Geschehnisse noch haben würde, war ihr garnicht so unbedingt bewusst. Sie war noch immer in einen Kokon von Anteilnahme und Zuneigung durch ihren Cousin eingewebt, der ihr so geholfen hatte das überhaupt zu überstehen. Er wollte sie beschützen und das hatte er getan. Albina würde ihm das nie vergessen, das war klar.
    Doch irgendwann musste sie diesen Kokon wieder verlassen und sich der Realität stellen und das würde sehr schmerzhaft werden. Sie war schon jetzt nicht mehr die, die sie vorher war. Viel zu sehr lastete das Geschehene auf ihrem Herzen und es würde sehr lange dauern, bis sie annähernd wieder die alte sein könnte.
    Doch das waren Dinge die sie mit sich ausmachen musste. Und noch viel wichtiger im Schutz der Privatsphäre ihres Zimmers.
    So ruhte sie einfach in der Sänfte und wartete darauf endlich nach Hause zu kommen.

    Albina lauschte den Worten einfach. Als sie die Worte von Quintus allerdings hörte, blickte sie zunächst verwundert auf. Doch ihr Cousin schien es ernst zu meinen und so nickte sie nur zustimmen bei seinen Worten.
    Tarraco... Also würde Albina bald nach Spanien reisen. Sie war gespannt und erschrocken. Würde Verres sie begleiten? Wie würde Spanien sein und wie lange würde das ganze dauern? Sie war leicht augewühlt, ließ sich das aber nicht anmerken und hörte weiter zu.

    Albina war froh, als sie die Sänfte kommen sah. Denn trotz alledem merkte sie wie schwach sie selbst sich noch immer fühlte. Sie wollte endlich nach Hause. So nickte sie bei Quintus Worten einfach und schritt mit ihm auf die Sänfte zu. Doch auf einmal schoss ihr ein Gedanke in den Kopf und sie blieb abrupt stehen. So abrupt, dass ihr beinahe schon wieder schwindelte.
    Sie focussierte noch einmal den Käfig vor dem vorhin die fatalen Blicke gefallen waren und sah den Wolf, der so lange so herzerweichend gejault hatte und nun doch resigniert zu haben schien. Auch ihr Cousin musste merken worum es ging.
    Albina wusste, dass Verres nun ebenso wie sie sehr leiden musste. Doch er würde einerseits vermutlich nicht soviel Gnade von Quintus erfahren und andererseits auch von niemandem sonst aufgefangen werden. Das winzige was er noch hatte und ihm in Anbetracht der Lage sehr viel bedeuten musste.
    Sie sah ihren Cousin an und hoffte er würde das verstehen.


    "Bitte..." sagte sie leise und sah dann wieder zu dem Tier.

    Ja, ebenso wie ich, dachte Albina unweigerlich bei Quintus ersten Worten bitter. Aber diese Gedanken wollte sie jetzt nicht weiter ausführen.
    "Keine Sorge, ich werde mich um ihn kümmern so oft es nötig ist. Auch wenn dich die Geschäfte mal davon abhalten sollten." Das war für Albina garkeine Frage. Sie hatte sich dem Kleinen längst verschrieben. Sie beobachtete ihn und wäre ihr Herz nicht immer noch voll von Schmerzen gewesen, hätte sie sicher gemerkt, dass dieses Fellknäuel schon jetzt einen Platz darin gefunden hatte.


    "Taranis..." ließ Albina sich den Namen langsam auf der Zunge zergehen und nickte dann leicht. "Ja, das passt."


    "Er wird eine Schlafstatt brauchen...und einen Auslauf... und vielleicht eine Decke..." murmelte Albina vor sich hin. Ja, sie hatte in dem Luchs eine Aufgabe. Und widme der gerad alle Gedanken. Wohlwissend, dass das nur ein Aufschub des Schmerzes war. Doch bis zu diesem Zeitpunkt musste sie erst einmal Kraft sammeln, das wusste sie. Sonst, dachte sie, würde sie vielleicht die Meinung revidieren, dass man an Herzschmerz nicht sterben könnte. Aber das war noch fern, jetzt schaute sie nur dem kleinen zu wie er anfing an Quintus Toga zu knabbern und Taranis wurde ihr nur noch sympathischer.

    Manch würden es sicher als Schwäche auslegen, doch Albina konnte mit solchen Dingen nicht viel anfangen. Sie würde beten, das war keine Frage. Doch war sie von der Nachricht und den Reaktionen darauf noch zu überrascht um in dieser Hinsicht helfen zu können. Sie war einfach erstaunt über die anscheinende Nüchternheit mit der die anderen das Thema der Beerdingung bedachten. Ein solcher Mensch war Albina nicht. Ganz zu schweigen davon, dass sie von solchen Angelegenheiten nichts verstand. Dafür fehlte ihr einfach noch die Erfahrung. Von daher schenkte sie Quintus einfach einen Blick, der ihm zeigte, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun würde um ihm zu helfen. Doch auch er war sich sicher im Klaren darüber, dass zumindest solch planerischen Dinge nicht ihre Stärke waren.

    "Unser Luchs?" fragte sie zunächst irritiert. Doch dann erkannte sie, was Quintus mit dem Händler besprochen haben musste. Ein zaghaftes Gefühl der Freude wuchs in ihr. Du bis gerettet, mein Kleiner, dachte sie. Ich werde mich um dich kümmern. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt nun dem kleinen Wesen in ihren Armen und der Verantwortung, die sie für ihn hatte. Vielleicht würde er ihr helfen auch wenn selbst das lange dauern würde, zumindest wieder ein Teil ihrer selbst werden zu können. Doch selbst das stand in den Sternen. Albina war einfach nur für dieses kleine Leben dankbar und dafür, dass es ihr erlaubte ihre Gedanken wenn auch nur kurz von all ihren Sorgen und ihrem Schmerz abzuwenden.
    "Natürlich..." sagte sie dann. "Hier!"
    Langsam löste sie ihre Arme von dem Fellknäuel, dass durch die Bewegung wach wurde und erst einmal gähnte, wobei seine kleine Zunge sich genüßlich aus dem Maul herausstreckte. Welch ein wunderschönes Wesen, dachte Albina nur.
    Dann nahm sie den Luchs mit ihren Händen und reichte ihn ihrem Cousin.
    "Wenn das nun unser Luchs ist, dann braucht er wohl einen Namen?"sagte sie und beobachtete Quintus und das Tier.

    Als der Händler ankam und das Thema der Unterhaltung wohl der kleine Luchs zu sein schien, widmete Albina dem ganzen wieder mehr Aufmerksamkeit? Tot? Nein, dieses kleine Tier auf ihren Armen war sicher nicht tot, dachte sie leicht zornig. Wäre dieser Zufall nicht gewesen, dann hätten die Sklaven den Kleinen an die Bären verfüttert und so wie der Händler klang wäre ihm das wohl nur recht gewesen.
    Bei diesen Worten schloss Albina ihre Arme nur noch näher um das Tierchen, das es sich dort mittlerweile bequem gemacht hatte und leicht zu dösen schien.
    "Quintus..."sagte sie so leise, wie es sich für eine Frau in solch einer Situation überhaupt noch ziemte. Schließlich unterbrach man Männer nicht mitten in einer Unterhaltung. Dann blickte sie ihren Cousin einfach nur an und gab ihm so zu verstehen, was sie ihm sagen wollte. Er würde wissen welche Bitte ihre Augen ihm nun übermitteln wollten.

    "Nunja, so lange ich in Rom bin obliegt meinem Cousin die Verantwortung für mich. Dennoch wird es eine Übereinkunft sicher nicht ohne das abschließende Einverständnis meines Vaters geben." sagte Albina.


    Epicharis Meinung zur Politik traf so völlig auf ihre eigene Ansicht davon zu, dass sie bei ihren Worten nur zustimmend nickte. Die beiden schienen wirklich das gleiche Schicksal zu teilen und daher verstand Albina auch das ernste Gesicht ihrer Gegenüber bei den Worten über eine womögliche Heirat mit einem Politiker. Die Aussage war zu nahe an einer womöglichen Realität um darüber scherzen zu können. Das Thema war , so pflichtbewusst die beiden in dieser Hinsicht auch sein mochten, dennoch deprimierend und drückte die Stimmung ungemein.
    "Nunja, "sagte Albina abschließend um das Gespräch vorerst auf andere Themen zu lenken," die Götter werden schon wissen, was sie mit uns vorhaben."
    Sie versuchte ihren Frohmut wieder zu erwecken und schaute erneut im Garten herum. Was konnte sie jetzt sagen, um die Unterhaltung weiter in Gang zu halten?Doch dann fiel ihr etwas ein, was sie wirklich interessierte.
    "Sag Epicharis, wie verbringt man in unserem Alter und Stand am besten seine Zeit in einer Stadt wie Rom?"

    Albina bekam von den Sklaven immer noch nicht viel mit. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt nun diesem kleinen Tier auf ihrem Arm. Vielleicht lag es auch daran, dass ihr der Kleine leid tat und sie dass Gefühl ihn beschützen zu müssen vorerst zwang ihre anderen Gedanken zu verdrängen. Es war keine Frage, dass das alles wieder hochkommen würde und sie dann wieder über alles was geschehen war nachdenken müsste, aber das kam später.
    "Ja, er ist wirklich sehr klein." sagte sie auf Quintus Bemerkung hin.
    Doch was er anscheinend zu erkennen glaubte konnte sie nicht ausmachen und es interessierte sie auch nicht so sonderlich. Sie erschrak nur ein wenig, als sie den lauten Ruf ihres Cousins hörte.
    Der Schreck von vorhin steckte eben immer noch in ihren Knochen. Doch nach einer sekunde war der Schreck schon wieder verflogen, weil sie mekrte, dass Quintus anscheinend den Händler gerufen hatte. Noch immer wenig interessiert und völlig auf den kleinen Luchs fixiert beobachtete sie das weitere Geschehen nur am Rande.

    Albina hatte ihre Fassung nun weitesgehend wiederlangt. Und so gruselig es einem erscheinen konnte, zeugte nichts mehr, außer ihren noch immer leicht geröteten Augen und wangen, von dem , was hier noch vor fünf Minuten geschehen war. Doch um diese Maske bei all ihrer eigentlichen Erschöpfung überhaupt aufrecht zu erhalten konnte sie alles um sie herum nicht mehr wirklich beachten. Sie war jetzt vorerst nur die Hülle ihrer selbst um den Rest des Weges nach Hause zu überstehen und dann, nach einem weiteren großen Schmerz zunächst einmal wieder Kraft zu schöpfen.
    So bekam sie kaum mit, was die beiden Sklaven da über den Wolf ihres geliebten Verres sprachen. Auch, dass die Kiste umfiel bekam sie nur am Rande mit. Doch als dort ein kleines Fellknäuel herausrollte und sich langsam aufrichtete wandte sie diesem Geschehen wieder ihre Aufmerksamkeit.
    Während ihr Cousin sich erhob, musterte sie zunächst das kleine Tierchen.
    Es war ein Luchs, vielleicht sechs oder acht Wochen alt, nicht mehr. Er hatte so wie alle Tierjunge einen unpropotional großen Kopf und schöne liebe Augen. Noch zeugte nicht davon, was aus diesem kleinen Raubtier einmal werden sollte. Und so ging Albina, aus ihrer Trance gerissen, einfach auf das kleine zu. Es fauchte leicht, doch noch ging von ihm keine Gefahr aus und so nahm sie es vorsichtig hoch und hielt es sich in beiden Armen vor der Brust.
    "Sieh doch mal, Quintus!"sagte sie und vergaß erstaunlicher Weise gerade alles andere. Vielleicht war es der allen weiblichen Wesen angeborene Mutterinstinkt oder auch einfach die süßen Augen des kleinen Wesens.
    "Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das ein kleiner Luchs." Und ohne es selbst zu merken lächelte sie bei diesen Worten ganz leicht.

    Albina war klar, dass diese aktuelle Situation in dieser Form nicht lange andauern konnte und verstand, dass Quintus dann langsam die Umarmung löste.
    Seine Worte verstand sie nur allzu gut und ein Gefühlsausbruch wie dieser hatte in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Sie wusste, dass sie Zuhause all diesen Gefühlen zunächst wieder erliegen würde, aber jetzt musste sie sich zusammenreißen. Und sie glaubte jetzt wieder in der Lage dazu zu sein. Immerhin hatten ihre Eltern sie das 19 Jahre lang gelehrt.


    "Ja, natürlich. Ich verstehe was du meinst." nickte sie. Schon während sie sprach wischte sie sich noch einmal mit dem Handrücken über die Wangen, richtete sich wieder ihrem Stand entsprechend auf und ihre Gesichtszüge nahmen den möglichst neutralen Ausdruck an. Zwar war nichts mehr von ihrer eigentlichen Wesen zu erkennen. Doch konnte sie immerhin wieder als gefasste Patrizierin durchgehen. Natürlich täuschte das nicht über ihre geröteten Augen und Wangen hinweg, aber für die Sänfte die Quintus geordert hatte würde es reichen.
    "Verzeih... in der Öffentlichkeit haben solche Gefühle nichts zu suchen."
    Ihrem Cousin zu liebe versuchte sie ein Lächeln, doch es gelang ihr nicht so recht.
    "Du hast garkeine Vorstellung, wieviel mir deine Worte bedeuten. Ich danke dir, Quintus. Mehr als du dir vermutlich vorstellen kannst." Und das war ihr Ernst. Ich bin für dich da... das war alles, an dem sie sich noch festhalten konnte. Doch vielleicht würde das reichen um alles Weitere irgendwie zu ertragen.