Beiträge von Duccia Flamma

    "Das Handelshaus ist was?" Eila war von der Nachricht völlig überrascht. "Was ist denn passiert? Und sag so etwas nicht. Du weißt, dass ich so etwas nicht hören will." meinte sie dann. Eila verdängte jeden Gedanken daran, dass ihr Bruder ernsthaft krank sein oder gar sterben könnte. Und auch wenn die ungesunden Geräusche, die seine Lunge beim Sprechen machte, alles andere als gut klangen, erlaubte sie sich nicht weiterzudenken.


    "Kann man denn nichts dagegen machen? Hat Marga keine Idee, was dagegen helfen könnte?" Üblicherweise hatte der gute, aber strenge Geist des Hauses doch für alles irgendwo noch ein kleines Geheimrezept gehabt.


    "Oh, du wirst es nicht glauben, Loki. Ich bin über Gallien hinaus bis zur Heerstraße im Norden Galliens gereist... Es ist ähnlich und dennoch anders. Sie haben auch sehr viel Wald, aber es ist noch kühler und häufig neblig oder verregnet. Es gibt so viel zu sehen. Ich bin zunächst bis Dubris geritten, dem Hafen in Nordgallien. Dort ist wenig mehr als das Kastell und das Hafengebiet selbst. Aber von dort aus konnte man übersetzen. Ich bin dann an der Ostküste weitergeritten, bis hin zu eben jener Heerstraße. Am liebsten wäre ich noch weiter in den Norden geritten, aber die Soldaten rieten mir davon ab. Alles was nördlicher liegt, sei unsicheres Gebiet. Und dann dachte ich daran, was du mit mir anstellen würdest, würde mir etwas zustoßen und davon erfahren, dass ich bewusst in solch gefährliches Territorium gereist bin und hab mich schmunzelnd für eine Route zurück Richtung Süden entschieden..." Sie musste bei der Erinnerung lachen. Sie wusste noch genau, wie vor ihrem inneren Augen ein vor Wut tobender Loki erschienen war und sie ungeachtet ihres Alters übers Knie gelegt hatte.


    "Da siehst du mal, was für einen Einfluss du von mir hast. Selbst wenn ich fast am Ende der Welt bin, hab ich noch Angst vor deinem Zorn." grinste sie ihn dann an.

    Die Antwort ihres Bruders betrübte Eila. Sie seufzte leise und ließ sich von Loki ohne Widerwillen zu sich ranziehen. Viel zu sehr hatte sie ihn vermisst, als dass sie sich ihm jetzt entziehen wollte. Irgendwann in den letzten Jahren und sie konnte nicht einmal sagen wann und wodurch genau waren sie beide wie es schien erwachsen geworden. Das war der natürliche Lauf der Dinge und dennoch konnte einen das bisweilen traurig stimmen.
    "Du siehst schlecht aus, mein Großer." meinte sie dann und sprach das nächste heikle Thema an. Noch wusste sie nicht, was genau geschehen war, aber irgendwas war - ihr Bruder wirkte mehr wie ein Schatten seiner selbst.

    Ein dem Anlass entsprechend mildes Lächeln umspielt Eilas Lippen, als Witjon ihr dankte. Dieser Moment bedurfte keiner weiteren Worte und stillschweigend stellte sie sich neben ihn und überließ ihn seinem Schmerz. Er musste Abschied nehmen, so schwer es auch sein mochte. Es würde ihm helfen es zu verarbeiten und irgendwann weiterzumachen und die Trauer zu überwinden. Beim Knistern der Flammen strich die Zeit dahin und die Überreste der jungen Verstorbenen zerfielen immer weiter zu Asche. Eila konnte nur anhand des Sonnenstandes spekulieren, wieviel Zeit vergangen sein mochte, doch es war eine lange Zeit. Sie selbst dachte über vieles nach... über die Entwicklungen der letzten Zeit, ihre erste Begegnung mit dem jungen Witwer, die lustigen Momente, die Hochzeit der beiden und die wenigen Begegnungen, die sie selbst mit Callista gehabt hatte, bevor sie zu ihrer Reise aufgebrochen war...
    Als die Flammen nur noch klein über die Aschereste züngelten, legte sie ihre Hand auf Witjons Arm, und musterte ihn vorsichtig. War er schon bereit loszulassen? "Wollen wir nach Hause gehen oder möchtest du noch bleiben?" fragte sie daher zaghaft und mit leiser Stimme. Wie die Antwort auch ausfallen mochte, Eila würde bei ihm bleiben, wenn er sie nicht um anderes bitten würde. Sie wollte ihn in seinem Schmerz nicht allein lassen.

    "Warum nicht? Wo ist der Junge, der versehentlich Dinge hat in Flammen aufgehen lassen und wo er auch ging oder stand Unheil verbreitet hat? Aber das meine ich nicht einmal..." seufzte Eila ein wenig resigniert. Sie hatte jede Veränderung an ihrem Bruder genauestens mitbekommen und hätte auch damit leben können, wenn es das gewesen wäre, was ihn glücklich machte. Aber gerade daran hatte sie Zweifel...


    "Mir fehlt dein Ohrenbetäubendes , ausgelassenes Lachen... alles hier ist so... seit diese Frauen hierher gekommen sind, steht alles Kopf. Nichts ist mehr so wie es war..." Sie erhob sich von ihrem Stuhl und ließ sich neben ihrem Bruder aufs Bett plumpsen.


    "Ich habe das Gefühl, früher war das Leben einfacher und gerade in dieser Einfachheit hat deren Wert bestanden. Weißt du, was ich meine? Ich wünschte, wir könnten immernoch einfach eine Kuh reiten..."

    Eila war gerade erst zurückgekehrt von ihrer Reise und innerlich sehr traurig, dass sie keine Gelegenheit mehr gehabt hatte, Callista näher kennenzulernen. Ja, sie hatte vielleicht nicht den besten Draht zu den neuen Frauen in der Casa Duccia gehabt, und dennoch betrübte es sie, dass sie Callista nur noch dieses einzige Mal zur Bestattung sehen sollte.


    Etwas Abseits der Familie, die von ihrer Rückkehr noch etwas überrascht sein musste, stand sie da und verfolgte das Geschehen. Beim Anblick der Flammen überkamen sie schreckliche Erinnerungen, Schatten aus der Vergangenheit, Bilder aus der Nacht als ihre Eltern starben. Das Feuer loderte und griff auf Kleidung und Haare über, immer höher flackerte es und in ihm entstanden Bilder von brennenden Häusern und schreienden Menschen. Ein weiteres Flackern und sie sah Vieh, dass von den Flammen aufgescheucht schreckliche Geräusche ausstieß und in Panik davonrannte. Schreie... Sie blinzelte und auf einmal war sie wieder hier, bei der Bestattung Callistas. Ein dumpfes Gefühl in ihrer Magengegend hallte nach, verklang aber nach einigen Augenblicken.


    Die Trauermenge begann sich aufzulösen und zerstreute sich langsam in alle Richtungen. Doch Witjon blieb ungeachtet dessen stehen und Eila wurde unendlich traurig. Wie schwer musste ihn der Verlust seiner Frau treffen, wie unglücklich musste er darüber sein, dass sein Sohn nun keine Mutter mehr hatte. Langsamen Schrittes ging sie auf ihn zu und versuchte den Geruch verbrannten Fleisches auszublenden, der immer stärker wurde, desto näher sie dem Scheiterhaufen kam. Als sie den jungen Witwer erreicht hatte, blickte sie mit ihren großen blauen Augen voller Mitgefühl an. "Es gibt keine Worte, die einen zu trösten vermögen, wenn man einen so sehr geliebten Menschen verliert, Witjon. Aber ich bin für dich da, wenn du mich brauchst.", meinte sie dann leise und schlang ihre Arme in einer Umarmung um seinen Hals. Ihre Wange an der seinen ruhend, spürte sie die Feuchte, welche die Tränen verriet, die sie nicht gesehen hatte - und automatisch wurde die Umarmung einen Hauch enger, bevor sie sich wieder leicht von ihm löste.

    Eila hatte an ihrem Schreibtisch gesessen, über einigen Büchern, die sie zurückgelassen hatte. Doch sie hatte vielmehr über die Bücher hinausgeblickt als diese wirklich beachtet. Sie hatte gewusst, dass ihr Bruder sie eher früher als später hier aufsuchen würde. Das Verbindung zwischen ihnen war tiefer als sich die meisten auch nur vorstellen konnten. Der Eine konnte ohne den Anderen nicht wirklich lange sein. Was Eila gewusst hatte, als sie gegangen war... das wiederum trug nicht unbedingt dazu bei, dass sie sich gerade wesentlich wohler in ihrer Haut fühlte. Am liebsten hätte sie sich sofort zu Loki aufs Bett geschmissen, doch dazu war noch keine Zeit.


    Vielmehr drehte sie sich bedächtig auf ihrem Stuhl um, sodass sie ihren Bruder ansehen konnte. "Dich zu verletzen, war das letzte was ich beabsichtigt habe, und trotzdem weiß ich, dass ich es getan habe. Aber ich musste das tun... hier war kein Platz mehr für mich."

    An
    Duccia Venusia
    Classis Misenensis
    Misenum
    Italia


    Heilsa Venusia,


    lange, ja viel zu lange habe ich nichts von mir hören lassen. Ich weiß garnicht, ob und wie du von meiner langen Abwesenheit aus Mogontiacum erfahren hast. Ich bin vor einigen Monaten ohne genaues Ziel in die Ferne aufgebrochen, um zu mir selbst zurückzufinden. Ich weiß, das klingt sicher merkwürdig.


    In der Zeit davor hat sich so vieles so rasant verändert, dass ich erst einmal Zeit brauchte, um meinen eigenen Platz in dieser Welt zu finden. Die Hochzeiten, die Schwangerschaften der anderen... Es war einfach alles ein wenig viel. Aber das ist keine Entschuldigung, wie ich weiß, nur mit einem Zettel als Nachricht einfach so zu verschwinden. Das war allen anderen gegenüber nicht fair. Umso schwerer fiel mir auch die Rückkehr vor kurzem.


    Trotz all der interessanten Dinge, die ich gesehen und gelernt habe, konnte ich die Sehnsucht nach den Räumen und Menschen der Casa Duccia nicht ewig unterdrücken. Mittlerweile ist sie mein Zuhause. Wie vielmehr also muss sie dir fehlen bisweilen fehlen.


    Ìch weiß nicht einmal genau wieso, doch als ich Tage lang ohne bestimmtes Ziel geritten war, erreichte ich einen Ort. Auf Nachfragen erfuhr ich, dass ich auf der Route nach Gallien gelandet war und da stand mein Entschluss fest. Ich wollte Gallien und vor allem Britannien bereisen, von dem du mir so vieles erzählt hattest. Ich bin auf vieles aus deinen Erzählungen gestoßen, aber auch auf vieles, was bisher unerwähnt geblieben war. Wie faszinierend all das gewesen ist. Wie anders und doch ähnlich die Menschen dort. Der Winter in Britannien war ebenso kalt, wie bei uns, aber es gab viel weniger Schnee...


    Ich begann meine Erkundungen in Dubris, wo unser Schiff anlegte. Von dort aus folgte ich der Ostküste, bis hin zur Heerstraße im Norden, die unter anderem zum Kastell Vindolanda führt. Man riet mir davon ab, weiter in die nördlichen Regionen vorzudringen und so kehrte ich Richtung Süden zurück. Über Glevum und Cavella erreichte ich in Noviomagus die Küste und kehrte zum Festland zurück, wo ich mich dann noch eine Weile in Nordgallien herumtrieb.


    Ich würde mich freuen, dir bei nächster Gelegenheit mehr von meiner Reise zu erzählen. Sicher können wir uns gut austauschen. Aber jetzt bin ich erstmal wieder daheim in Mogontiacum und werde versuchen meine Angelegenheiten zu ordnen.


    Aber, was viel wichtiger ist: wie geht es dir? Wie geht es deinen beiden Kleinen? Was gibt es Neues aus dem großen Rom, das mir wohl immer gewissermaßen suspekt bleiben wird? Fühlst du dich dort wohler, als ich es tat? Ich soll dich von allen herzlichst grüßen,
    schreib uns doch bald, wie es euch allen geht!


    Til ars ok frisar,


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    ANTE DIEM V ID APR DCCCLX A.U.C. (9.4.2010/107 n.Chr.)


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    Sim-Off:

    Familienwertkarte, bitte! ;)

    Eilas Augen flackerten skeptisch auf, als ihr Bruder in die Halle einbog. Er sah schlecht aus, sehr schlecht. Aber das war es nicht, was sie so skeptisch machte. Viel eher war es die Ruhe, die er trotz ihres Anblicks ausstrahlte. Sie hielt seinem durchdringenden Blick stand, sehr bewusst darauf achtend weder zu unterwürfig noch provozierend dreinzuschauen. Sie rührte sich nicht und sagte auch nichts, bis auf einmal...


    Ihr Kopf wurde von dem Aufprall zur Seite geschleudert. Es war erst der Schreck, den sie spürte, dann den Schmerz. Sie riss ihre Augen überrascht auf, aber machte keinerlei Anstalten sich zu wehren oder sonstwie zu reagieren. Sie wusste, dass sie diese Ohrfeige mehr als verdient hatte und sollte sie damit davon kommen, konnte sie sich wohl glücklich schätzen. Die Haut auf ihrer Wange pochte noch immer, als die rauhe Hand ihres Bruders erneut ihr Gesciht traf. Aber dieses Mal sanft und verzeihend. Wie aus Reflex lehnte sie ihr Gesicht der großen Hand entgegen und blickte Lando in die Augen. Es tut mir Leid, stand in ihrem Blick geschrieben.


    Doch schon wandte er sich wieder ab und schlurfte von dannen. Ich dich auch, Bruder, dachte, aber sagte sie nicht. Sie war wieder zu Hause. Ohne ein weiteres Wort nahm sie den Sack mit ihrem Kram und machte sich auf den Weg in die Casa, auf den Weg in ihr altes Zimmer. Sie wusste, dass sich dort trotz ihrer Abwesenheit nichts verändert haben würde. Nicht, so lange ihr Bruder noch lebte.

    Eila wollte gerade ein "Da hast du vielleicht ausnahmsweise mal Recht." erwidern, als Elfleda sich anscheinend doch durchring sie selbst zu informieren. Was dann jedoch folgte, traf Eila wie ein Schlag in die Magengrube... Callista tot? Was war mit Witjon? Ein Überfall? Nicht, dass Eila zu Callista oder zu Sontje vor ihrer Abreise ein allzu enges Verhältnis aufgebaut hatte, aber dennoch gehörten sie zur Familie? Wie musste es den anderen gehen?


    "Ich..." setzte Eila dann noch immer überrumpelt an, brachte den Satz aber nicht zu Ende. Sie wusste schlichtweg nicht, was sie sagen sollte. "Was ist mit Witjon? Ist er gesund?" War die nächstwichtige Frage. Wenn es um seine Trauer und sein Leid ging, war das eine Sache. Aber so wie Elfleda klang, hätte er auch tot oder verletzt sein können. Witjon... sie betete, dass es ihm gutging. Viel hatte sie auf ihrer Reise an ihn denken müssen, mehr als sie vorher vermutet hätte. Das war etwas, worüber sie in der nächsten Zeit noch genauer würde nachdenken müssen. Jetzt ging es jedoch erst einmal darum, herauszufinden, ob es er wohlauf war.


    Eila bis sich auf die Zunge, um nichts zu sagen, was sie später bereuen würde. Wie hatte all das passieren können, fragte sie sich insgeheim. Hätte Elfleda, die in ihrer Anwesenheit die Verantwortung für das Haus gehabt hat, das nicht verhindern können? Oder war es vielmehr ihre eigen Schuld, weil sie abgereist war? Sie musste mehr über das Alles wissen. Gerade stürmten zu viele Gedanken auf einmal auf sie ein, als dass sie wirklich klar hätte urteilen können.

    Eila fuhr bei der Lautstärle von Elfledas Gebrüll ein wenig zusammen. Ein Vorteil der Einsamkeit der letzten Zeit war unter Anderem die Ruhe gewesen. Ein Hausdrache, so dachte Eila, könnte nicht besser keifen. Eila hoffte gleichzeitig, dass Loki einerseits bald hier auftauchen würde, denn so allein mit Elfleda wollte sie sich einfach nicht wohlfühlen und andererseits, dass er sich zeitließe, denn sie wusste nicht, ob das, was da kommen mochte, so viel angenehmer sein würde.
    Einen Moment fragte sie sich, was genau so schlecht an Nordgallien gewesen war, wies sich dann aber insgeheim selbst zurecht für diesen Gedanken. Sie war ja wohl in der Lage sich dem, was sie angestellt hatte, zu stellen... jedenfalls sollte sie das eigentlich. Andererseits hatte sie schon in dem Moment, als sie damals ihren Entschluss gefasst, den Brief geschrieben und ihr Zeug gepackt hatte, gewusst, was das in ihrem Bruder auslösen würde. Wie hätte sie sich schließlich gefühlt, hätte ihr Bruder sie so mir nichts dir nichts über Nacht im Stich gelassen. Doch damals hatte sie trotzig noch gedacht, mit seiner Frau an seiner Seite bräuchte er sie ohnehin nicht. Obwohl sie es tief im Innern sehr viel besser gewusst hatte...
    Während sie wartete und grübelte trat sie von einem Fuß auf den Anderen und schwieg, bis das Schweigen schwer in der Luft hing und schlicht schwerer zu ertragen war, als das Gespräch mit Elfleda...
    "Und, geht es allen gut?" fragte sie daher.

    Und nicht nur Elfleda war überrascht... Eila hatte mit vielem gerechnet. Wohl überlegt, hätten sicher mindestens fünf andere Leute diese Tür öffnen können, aber bei ihrem Glück, war das erste, was sie begrüßte einer der Gründe für ihre Abreise. Ebenso wie Elfleda nach einem eindeutig längeren Moment des Schrecks ordnete Eila ihre Gesichtszüge und versuchte ein Lächeln.
    "Ehm... ja...natürlich." meinte sie dann schlicht und trat ein. Wie groß die Freude ihres Bruders jedoch sein würde, war ihr nicht ganz so klar und sie fragte sich, ob entweder Elfleda ihren Mann noch immer so schlecht einzuschätzen vermochte oder nicht vielmehr ein unterdrückter Hauch von Schadenfreude in ihr war, der genau wusste, dass das kein ausschließlich freudiges Wiedersehen werden würde.
    "Ist er da?", brachte sie es kurzum auf den Punkt. Egal was noch kommen würde, an dessen Beginn würde zwangsläufig die Konfrontation mit ihrem Bruder stehen.

    Eila hatte der Gewohnheit widerstanden, die Casa einfach durch das Tor zu betreten oder Neisti direkt zum Stall zu bringen. Zu viel Zeit war vergangen und sie hatte keinerlei Ahnung, was sie erwarten würde. Daher hatte sie ihre Stute vor dem Haus angebunden und stand nun schon seit mehreren Minuten unentschlossen vor der Porta. Schon dreimal hatte sie ihre Hand angehoben, jedes Mal ein Stück weiter, aber nicht den Mut aufgebracht, zu klopfen. Sie fürchtete sich ein wenig vor dem, was kommen würde. Vor den Vorwürfen und Fragen, vor den Dingen, die sie verpasst hatte. Sie wusste, dasssie zurecht ein schlechtes Gewissen hatte. Aber langsam begann sie in dem frischen Frühlingswind durch die mangelnde Bewegung zu frieren und so fasst sie sich ein Herz und unternahm den vierten Anlauf. Ihre Hand hob sich, zog sich zu einer Faust zusammen, die Fingerknöchel voraus und nach einem tiefen Atemzug, trafen ihre Knöchel dreimal auf das Holz.


    *klopf klopf klopf*


    Sie trat einen Schritt zurück, senkte ihren Blickte und harrte der Dinge, die nun folgen würden.

    Es war der beginnende Vogelgesang nach diesem kalten und düsteren Winter gewesen, der das Heimweh für Eila unerträglich gemacht hatte. Sie hatte sich an die Blumen auf der Hros erinnert, die sicher langsam zu blühen beginnen würden und daran, wie sie früher am ersten sonnigen Tag eines jeden Jahres sich mit ihrem Bruder auf eine Wiese gelegt hatte, um sich zu überlegen, was sie sich vom jeweiligen Sommer wünschte. Ihre Wünsche hatten sich Jahr für Jahr gewandelt, doch ein jedes Jahr hatte sie diese mit Loki geteilt.


    Lange war sie fort gewesen, hatte, von Venusia inspiriert, die Gebiete westlich der Alpen und Britannien besucht, vieles gesehen und gelernt. Dennoch hatte sie keinen einzigen Tag nicht das Gefühl, dass sie nur eine Hälfte ihres Herzens mit auf die Reise genommen hatte. Die andere war bei den Menschen geblieben, die sie liebte...allen voran ihrem Bruder, aber auch Witjon, Phelan, Marga und alle anderen Bewohner der Casa Duccia.


    Und es war jener erste, warme Frühlingsmorgen, der nun schon ein paar Wochen zurücklag, an dem Eila gerade von Augustodorum weiter Richtung Westen ritt, weil sie von hohen Steilküsten gehört in dieser Richtung gehört hatte, die zu sehen sie sich wünschte, als sie während einer kurzen Pause auf einer Wiese rastete und auf einmal spürte, wie die Sonne das erste Mal in diesem Jahr ihren Nacken zu wärmen vermochte. Die Sehnsucht nach ihrem Heim, die sie lange unterdrückt hatte, brach sich Schlag auf Schlag bahn und eine Träne kullerte über ihre Wange. In diesem Moment wusste sie, dass es Zeit war...


    Sie war zu Neisti geeilt, aufgesessen und die Straße, die sie gerade erst entlang geritten war, Richtung Osten galoppiert. Der Galopp hatte allzu nicht lange angehalten, das wollte sie Neisti dann doch nicht zumuten, und so hatte sie einige Zeit gebraucht, um die Strecke zwischen Augustodorum und Mogontiacum zurückzulegen, doch nun war sie da. Sie sah, wie am Ende des Weges das Stadttor aufzuragen begann und ihr Herz schlug schneller. Eine Mischung von Freude und Furcht war die Ursache dafür. Würden die Anderen sie ohne Weiteres wieder aufnehmen. Hatten sie ihr ihren überraschenden und heimlichen Aufbruch verziehen? Was war mit ihrem Bruder? Hatte er ihre Beweggründe verstanden? All dies herauszufinden, war nun ihre Aufgabe.


    Neisti, die die Unruhe ihrer Reiterin spürte, nahm diese auf und tänzelte unsicherer als sonst über den Weg. Sie erkannte die Wache am Stadttor und diese sie ebenso, sodass sie ohne Weiteres passieren durfte. Sie war wieder in Mogontiacum...

    Vier Monate Auszeit sollten vorläufig genügen...
    Eila sehnt sich nach der Casa Duccia zurück. :)


    Liebe SL, bitte einmal aus dem Exil zurück!



    P.S.: Habt ein wenig Geduld und Erbarmen, es dauert sicher etwas, bis ich mich komplett eingelesen habe.

    Männer, Kinder, Zukunft, Alter, das Leben selbst... Eila hatte in dieser Nacht, einer der ersten in der sie Tante war über vieles nachgedacht. Viel zu vieles... Sie hatte gedacht bei ihrer letzten Romreise hätte sie die Dämonen, die sie verfolgten abgeschüttelt, aber sie hatte sich getäuscht. Sie schaffte einfach nicht in ein glückliches Leben zurückzukehren. Und dann die Hochzeit ihres Bruders und nach dazu das Kind. Es war schlichtweg zu viel für Eila. Sie wurde das Gefühl nicht los, hier überflüssig zu sein. Kurz entschlossen packte sie einiges notwendiges in eine Tasche, setzte sich dann kurz an ihren Tisch und verfasste zwei Briefe. Den einen an die Schola, in dem sie aus privaten Gründen Urlaub nahm und dann einen weiteren, an den Menschen der ihr am meisten bedeutete. Sie wollte so vieles sagen und erklären, doch nur wenig Worte fanden den Weg auf das Papier:



    Loki, mein Bruder, mein Herz,


    es ist schwer für mich, aber ich muss hier weg. Ich habe ein paar Sachen eingepackt, auch mein Sax, und werde noch vor Morgengrauen auf Neisti die Stadt verlassen. Ich weiß, du wirst es verstehen.
    Ich kehre zurück, das schwöre ich dir bei den Göttern, aber erst einmal muss ich gehen. Erklär du es den anderen und verzeih mir,


    Ich liebe dich,


    Eila



    Dann schnappte sich besagte Gegenstände, ging in den Stall, sattelte und bestieg ihre Stute und machte sich auf den Weg... wohin? Das wusste sie noch nicht. Wie lange? Auch das wusste sie nicht. Das einzige, was sie wusste war, dass sie früher oder später zurückkehren würde.

    "Dann wäre die Bibliothek wenigstens einmal ausgelastet.", lachte Eila bei der Vorstellung, wie Callista die Hälfte aller Bücher aus der Bibliothek hinaustrug.


    Eila kannte die Stute natürlich. Sie persönlich liebte die Pferde der Hros und selbst wenn sie wenig Zeit in der Casa verbracht hatte, so hatte sie es sich nicht nehmen lassen immerhin ab und an mal bei den Stallungen vorbei zu schauen. Mit Sirwing hatte Marsus ein gutes Tier für seine junge Frau ausgewählt. Eila erinnerte sich daran, als ihr Bruder ihr Neisti geschenkt hatte, kaum, dass sie im römischen Reich angekommen war.


    "Nun, so würde ich es eigentlich nicht sagen. Es reiten längst nicht alle germanischen Stämme und Sippen so gern, wie die Duccier hier es tun. Es gibt eher viel mehr, die weitesgehend auf Pferde verzichten, weil ihr Land, von Wäldern und Sümpfen überzogen, sich dazu nicht anbietet." antwortete EIla dann. Nicht überall waren die Wege so wegsam und die Felder so frei, dass es sich so unbeschwert wie hier reiten ließe.

    "Du kannst mich gerne einfach mal in der Schola besuchen kommen, wenn du möchtest. Dann könnte ich dir die Bibliothek zeigen." bot Eila an, als Callista meinte, sie fände ihre Arbeit interessant. Das Angebot war aufrichtig, aber unverfänglich. Sollte die junge Römerin doch weniger Interesse haben oder dies nur aus Höflichkeit gesagt haben, so konnte sie auch einfach andere Dinge vorschieben.


    "Deine Mühe ist wirklich lobenswert und so schlecht ist es garnicht, wenn man bedenkt, dass das Germanische für einen Römer sehr fremdartig sein muss und du ja erst ein paar Monate hier bist." Eila fragte sich einen Moment, ob sie ihr diesbezüglich auch ihre Hilfe anbieten sollte, beschloss aber, dies nicht zu tun. Sie wollte Callista nicht in die Bedrängnis bringen, sich zwischen den diversen Helfern entscheiden zu müssen. Wenn sie wollte, dann wüsste sie ja, wo sie zu finden war.


    Sie überlegte, ob sie die Prudentierin fragen sollte, ob sie und Witjon glücklich sein, aber entschied sich auch hierbei dagegen. So genau wollte sie es eigentlich derzeit nicht wissen. Dazu war sie selbst in ihren Gefühlen zu unstet.
    "Kannst du eigentlich auch reiten? Oder lernst du das bereits?"

    "Nunja, das kommt immer drauf an. Das übliche ist die Vorbereitung der Schüler auf den Kursus Res Vulgares. Dem Ein oder Anderen helfe ich auch dabei, sein Latein zu verbessern. Die spezielleren Kurse werden von anderen Lehrern unterrichtet, manche sogar ausschließlich in Rom." Häufig kamen Leute zu ihr ins Büro, um festzustellen, dass sie für den gewünschten Kurs ins weit entfernte Rom reisen müssten. "Ich kümmere mich um die Bibliothek, bringe sie auf den aktuellen Stand oder unterstütze Leute bei ihrer Suche dort, wenn ich gerade nicht anderweitig beschäftigt bin. Aber wie gesagt, am meisten Zeit nimmt noch der Papierkram in Anspruch und die Organisation der Schola." Und es stimmte, die meiste Zeit verbrachte Eila in ihrem Officium bei diversen Angelegenheiten und beim Bewältigen ihrer Korrespondenzen.
    "Ich bin ehrlich gesagt überrascht gewesen, zu hören, dass du bereits unsere Sprache gelernt hast. Das ist sicher nicht leicht für dich."