Beiträge von Quintus Octavius Vocula

    Was dann geschah, kann ich nicht mehr genau sagen: Auf einmal waren ein paar Leute um mich herum, waren es drei, vier, ein Dutzend? Keine Ahnung. Aber sie schlugen auf mich ein, traten mich, brachen mir jeden Knochen im Leib. Notdrüftig zappelte ich mit den Armen aber es half nichts. Langsam schwanden mir die Sinne.


    Ich wachte wieder auf: Die Morgenröte leuchtete hell durch die Nachtwolken und alles war friedlich. Wie in Trance schaute ich mich um. Ich konnte meinen Körper nicht spüren. Dann sah ich zu Boden: Dort lag mein Körper: Kaputt, zerschunden und leblos in einer Blutlache. Ich wollte Weinen, aber es ging nicht. So stand ich da und trauerte über meinen Tod.


    Dann raschelte ein Wind durch die Äste der Bäume. Ich wollte stehen bleiben, aber der Wind zog mich mit. Was nun? Ich konnte mich nicht wehren, ich war wie eine Feder. Ich kramte in meiner Tasche. Ich hatte keinen Obulus für den Fährmann dabei! Mein Gott, was geschieht mit mir! Der Wind trug mich immer höher, immer weiter weg, bald war mein Körper nur noch ein kleiner Punkt, die Straße ein breites Band durch den ewigen Wald. Und bald war da nur noch Wald...


    Der Wind trug mich davon, in Richtung Süden. Nach Italia.


    Ahnen, bald werde ich bei euch sein.

    Ich hatte mich an einen Baum am Wegesrand gelegt. Ich wusste es war unklug, denn die Gefahr, dass mich eine Patroullie erwischen und ausfragen würde, war groß. Aber langsam war mir alles egal. Müde und erschöpft legte ich mich hin und schlief sofort wie ein Stein.


    Auf einmal weckten mich Geräusche und ich bemerkte, dass sich irgendeine Gestalt an meinem Gepäck vergriff.


    "Was ist hier los!" brüllte ich sofort, woraufhin die Gestalt erschrocken von ihrem Treiben abließ. Geistesanwesend zuckte ich mein Gladius, das ich mitgenommen hatte und stand auf, zum Kampf bereit.


    Aber die Gestalt rannte nicht davon. Im Gegenteil: Jetzt sah ich, dass sie nicht allein war. In der leichten Morgenröte zeichneten sich die Schemen mehrerer Männer ab.


    "Was wollt ihr von mir?" sagte ich fest, aber ganz konnte ich die Furcht in meiner Stimme nicht verbergen. Einer der Männer lachte dunkel und böse.


    "Wenn du uns dein Hab und Gut gibst, lassen wir dich laufen!" sagte die Stimme höhnisch. Aber ich legte mein Schwert nicht nieder, im Gegenteil: Ich war bereit, die dümmste und zugleich letzte Aktion meines Lebens zu starten: Ich stürzte mich auf einen der Männer und stach zu.

    Einige Stunden später befand ich mich auf der Landstraße in Richtung Süden. (Zumindest hoffte ich, dass ich mich in Richtung Süden bewegte) In meinem Kopf kreisten allerlei Gedanken, die sich hauptsächlich darum drehten, ob meine Flucht eine gute Idee war oder nicht. Ich konnte immer noch umkehren, das Lager war keine 2 Stunden von hier entfernt. Wahrscheinlich würde es einen riesigen Ärger geben, aber einen geringeren als wenn ich irgendwo anders aufgegabelt werden würde.


    Ich malte mir meine Ankunft zu Hause aus: Wie ich zerfetzt und abgekämpft den Hof meiner Kindheit erreichen würde. Ich würde am Tor klopfen und man würde mir öffnen. Freudig würde der Wächter meine Ankunft ausrufen und dann würde meine Mutter herbeieilen und mich, ihren Sohn, in die Arme nehmen, begrüßen und mit tausend Küssen übersehen... Bei dem Gedanken kullerte mir eine Träne aus den Augen.


    Allerdings würde daraus nichts werden. Sicherlich würde die Armee mich suchen. Ich war ein Fahnenflüchtiger. Aber mit Glück würde es mir gelingen, meine Identität zu ändern. Niemand würde wissen, dass ich Quintus Octavius Vocula wäre. Langsam wurde ich müde, ich musste mich irgendwo hinlegen und schlafen...

    Es war stockfinster mitten in der Nacht. Kein Geräusch durchbrach die nächtliche Welt Germaniens, nur ab und zu knackste ein Zweiglein draußen, welches irgendein unbedarftes Tier auf der Suche nach Beute oder auf der Flucht um nicht selbst Beute zu werden zerbrach. Nur Probatus Tullius, der rechts neben mir lag, sägte und schnarchte schon wieder wie jede Nacht. Ich war hellwach und hatte meinen Entschluss gefasst: Abhauen! Nichts wie weg!


    Das Legionärsleben war einfach nichts für mich. Jeden Tag der gleiche Trott und das für die nächsten Jahrzehnte. Im Lager hielt ich das noch aus aber hier draußen, auf der Straße nach Confluentes, wohin die Legion unterwegs war um den Kaiser irgendeinen Tempel zu errichten, vermisste ich die Heimat, vermisste ich die Sonne Etruriens, vermisste ich mein warmes Bett, den Wein und die Frauen.


    Leise zog ich mich an und schlich mich nach draußen...

    Fast wollte ich schon wiedersprechen, denn "totprügeln" war nie meine Absicht und so schlimm hatte ich mein Gegenüber auch nicht zugerichtet. Aber ich hatte wirklich keine Lust, mit dem Centurio eine Debatte angefangen, die wahrscheinlich sowieso nur auf noch mehr Strafarbeit für mich hinausgelaufen wäre. Außerdem hatte der Centurio ja irgendwo recht. Also sagte ich nur, ganz auf meine Haltung achtend:


    "Jawohl, Centurio!"


    Dann trollte ich mich. Die Frage, ob die für den Wachdienst eingeteilten Milites länger schlafen durften, erübrigte sich wohl.

    Oh das war ja wohl klar. Wahrscheinlich würde ich an diesem Tag nichts mehr tun können, ohne mir des scharfen Blickes des Centurio sicher sein zu können. Schlimmer: Ich betete, dass dies nur heute so sein würde. Ich sparte mir also das tief durchatmen und bemühte mich, um Willen zu zeigen und in der Hoffnung, der Centurio würde ein neues Opfer erspähen.

    Auch wenn der Centurio mich gebeten hätte, mich hinzusetzen, es wäre egal gewesen. Logischerweise hatte ich nämlich Haltung angenommen und salutierte, als der Centrio öffnete. Allerdings merkte ich schnell, dass dem Centurio nicht nach Formalitäten zumute war, ich notierte das in meinem Gedächtnis als Minuspunkt für mich.


    Als mich der Centurio so direkt fragte, antwortete ich militärisch: "Jawohl, Centurio Petronius! Ich weiß warum ich hier bin, Centurio Petronius!" Und ich wusste es wirklich. Das war ja das schlimme.

    Mit einem mulmigen Gefühl ging ich nach der Ausbildung zur Unterkunft des Centurios. Besser gesagt: Ich trottete, bzw. noch besser: ich schleppte mich voran. Die nächsten Minuten waren gerade so ziemlich das Letzte worauf ich Lust hatte. Aber irgendwie tauchte die Türe schneller vor meiner Nase auf als ich vermutet hatte. Ich nahm tief Luft und klopfte an der Türe...

    Zitat

    Original von Marcus Hadrianus Pictor
    Schon bei Bauarbeiten mitgearbeitet?, murmelte er ebenso leise zurück.


    Da ich natürlich mal wieder nicht zugehört hatte, wurde mir erst jetzt klar, worum es sich wohl bei unserer "besonderen Mission" handelte. Und diese Erkenntnis gefiel mir überhaupt nicht.


    "Nein, bisher noch nicht. Ich hab mich immer erfolgreich gedrückt, muss ich sagen. :D "

    Auch ich war mal wieder (wie immer) unter den Leidtragenden. Kaum dass ich all meine sieben Sachen ordentlich hergerichtet hatte um endlich den wohlverdienten Schlaf zu kriegen, riss mich das Geschrei des Tribunen wieder hoch und ich beeilte mich, gerade da zu stehen und zu salutieren. Die gesamte Belegschaft der Barracke stand auf einmal so da und jeglicher ausgelassener Lärm, der um diese Zeit gewöhnlich im Raum herrschte, war verstummt. Eine irgendwie fast gespenstische Szene.

    Ich war schon fast dabei, mich genauso zur Rast zu begeben, als der Centurio uns zum Weiterlaufen zwang. Innerlich schimpfte und fluchte ich, ich wusste nicht genau, ob auf den Centurio oder den Kameraden von der anderen Centurie, die sich nun demonstrativ in den Rasen legten um ein gemütliches Päuschen zu machen. Einer zog sogar mit offensichtlich uns geltendem Grinsen die Würfelbecher raus. Aber mir blieb keine andere Wahl. Ich marschierte weiter.


    "Elender Sklaventreiber" murmelte ich leise zu Probatus Hadrianus, der neben mir in der Reihe ging.

    Ahh! Mein Rücken brannte ob des brennenden Schmerzes, den der Centurio mir zufügte, aber ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte jedweden Schrei. Wahrscheinlich hatte ich die Abreibung wohl verdient. Wie ein begossener Pudel stand ich nun vor dem Centurio, den Blick voll Demut auf dem Boden gerichtet. Immerhin erging es meinem Kameraden nicht besser.

    Schamesröte stieg mir ins Gesicht als der Centurio mich anbrüllte. So eine Demütigung, und das an dem Tag, an dem ich endlich mit der Waffe kämpfen durfte. Doch schnell verwandelte sich die Scham in Wut und blitzschnell hatte ich mein Gladius wieder in der Hand, zog es hoch und schlug meinen hilfsbereiten Gegner voll auf die Hand, so dass er, überrascht wie er war, nun seinerseits sein Gladius fallen ließ. Überrascht schaute er auf seine Hand. Sein Fehler, denn ich war wütend und ließ ihn keine Zeit. Mich so vor dem Centurio lächerlich machen! Der hatte eine Abreibung verdient.


    Sofort riss ich auch mein Scutum in die Höhe, zog es in Richtung meines Kampfpartners und donnerte es ihm voll in die Magengrube. Er stürzte und ich war auf ihn. Immer noch konnte ich mich nicht beherrschen. Mit den Füßen trat ich auf den am Boden liegenden ein. Ich trat und trat und trat.


    Aber mein Kamerad hatte sich wieder erholt, packte meinen Fuß und zog mich nach unten, wo ich unsanft auf dem Bauch fiel. Er rollte von mir weg, griff sein Gladius und stürzte auf mich. Ich konnte mich gerade noch umdrehen und entkommen, da stand ich schon wieder.


    Verschwitzt und außer Atem standen wir uns gegenüber, Hass loderte in unser beider Augen und schon stürzten wir erneut aufeinander los.

    Ich nahm den Gladius in die Hand und balancierte ihn ein bisschen hin und her. Tatsächlich, das Ding war viel leichter und filigraner als das klobige Holztrumm der letzten Tage. Edel blitzte das Eisen in meiner Hand. Ich nahm das Scutum und auch dieses fühlte sich viel leichter und handlicher an.


    Dann drehte ich mich um. Mal wieder mein Lieblingspartner, mit dem ich mich auch so schon ganz gut angefreundet hatte.


    "Na, dann mal los." meinte ich zu ihm.


    Und schon waren wir mitten im Gefecht: Die neuen, echten Waffen waren ein bisschen anders zu handhaben als die alten, schweren, mit weniger Kraft. Allerdings konnte ich das noch nicht so gut einschätzen und als ich meinen Schuld hoch zog um der Attacke zu entgehen, schleuderte ich den Schild fast weg von mir. Und als ich dann meinen ersten Stich setzte, knickte ich mir ordentlich das Handgelenk nach außen. Scutum und Gladius fielen mir herunter und ich hielt meine Hand - eine Schwäche, die mein Trainingspartner ausnützte um mir mit der flachen Seite seines Gladius auf den Kopf zu schlagen.


    "Was ist los, du Mädchen? Weiter gehts!"

    Frisch ausgeruht und erholt (oder zumindest so ähnlich und sehr optimistisch formuliert) erschien ich wieder auf dem Exerzierplatz. Obwohl immer noch Probatus, schien es mir, als würden die Offiziere und Legionäre uns seit gestern etwas anders behandeln. Irgendwie freundlicher.


    Trotzdem änderte das nichts an der allmorgentlichen Qual. Der Centurio brüllte und wir rannten in Reih und Glied und geordnet los. Der Lauf um den Platz war nicht mehr wirklich ein Problem, nur noch eine Aufwärmübung. Ebenso verhielt es sich mit den Liegestützen.

    Das hätte der Centurio eigentlich nicht extra zu erwähnen brauchen, denn hier war es die Übung, die bekanntlich sowieso den Meister machte. Beim nächsten Angriff meines Gegenübers stürmte ich nicht sofort nach vorne, sondern duckte mich hinter meinem Schild um den Aufprall abzuwehren.


    Mit lautem Krachen schlug mein Gegner seinen Schild auf meinen. Ich stemmte mich dagegen und hielt den Aufprall auf. Bevor Velius auch nur reagieren konnte, stieß ich hinter meinem Schild zu und traf meinen Gegner direkt in die Flanke. Ein schöner Treffer! Wäre das Schwert echt, er würde wohl innerhalb der nächsten halben Stunde verbluten. So zuckte er nur vor Schmerz zusammen. Ich drückte zu und er fiel zu Boden. Dann stand ich über ihm und stach mit dem Gladius dorthin, wo das Herz lag. Natürlich drückte ich nicht wirklich rein, denn das war mit dem Holzding weniger sinnvoll und außerdem übten wir ja nur.


    Grinsend stand ich auf und wartete, bis Velius sich erholt hatte und zum Gegenschlag bereit war.

    Ah! Jetzt kam der interessante Teil. Und ich landete schon wieder bei Velius, mit dem ich mich beim Ringen so gedroschen hatte. Wieder grinsten wir beide uns an. Gleichzeitig stürmten wir vor und schlugen uns gegenseitig auf die Schilder. Sowohl er als auch ich versuchten, mit dem Schwert zum anderen durchzukommen aber es klappte eher schlecht, denn durch die Schilde sahen wir den anderen kaum und mussten ins Blinde zielen.


    Dann riss ich meinem Schild hoch, woraufhin Velius nach hinten kippte und in den Sand fiel natürlich war ich sofort auf ihm drauf und stach mit dem Schwert auf ihn ein. Diesmal wollte ich es aber nicht zu weit treiben. Also stand ich auf und rief ihm zu:


    "Los, nochmal!"


    Was er dann auch tat. Wieder schmissen wir uns aufeinander, aber diesmal war er klüger. Er schlug meinen Schild zur Seite und stach das Schwert direkt in meinem Bauch. Grinsend meinte er:


    "Gleichstand! Nächste Runde!"


    Und so gings dann weiter...