Beiträge von Titus Decimus Verus

    "Vielleicht wird der Mensch eines Tages fliegen können. Wir haben Träume und der Mensch hat die Fähigkeit Träume in Realität zu verwandeln. Früher war Rom und unsere Res Publica nur ein Traum und schau sie dir heute an," sprach Verus und seine Augen leuchteten. "Ich glaube daran, dass der Mensch zu großen Dingen befähigt ist, auch wenn er diese Fähigkeiten oft für Niedertracht und Hass missbraucht. Wir brauchen nur Zeit und die Gunst der Götter."

    Hatte diese Frau dort Ähnlichkeit mit ihm? Ihr Blick trug den selben Ausdruck von Stärke aber auch von Traurigkeit, wie der seine. Auch, wenn sie eine Fremde war, fühlte sich Verus mit ihr verbunden. Sie teilten zwar nicht die selben Ansichten aber schienen beide einen gewissen Grundton der Verständigung zu treffen.


    "Du hast Recht," sprach Verus kleinlaut. "Die Welt ist nicht nur von mir bevölkert, leider fühle ich aber nur für mich selbst. Ich bin in meinem Körper alleine und teile mit niemanden meine Gedanken, meine Ängste und meine Hoffnungen. Jeder Mensch steht für sich da und das macht es umso wichtiger, dass wir Menschen uns austauschen und versuchen den anderen zu verstehen. Das Leben ist zu kurz, um es in Disharmonie zu verbringen." Sein Blick legte eine süße Traurigkeit an den Tag,


    "Das ist lobenswert. Doch sollte man nicht blindwütig weiterkämpfen. Ich als Soldat musste lernen, dass es Kämpfe gibt, die man nicht gewinnen kann, vorallem den gegen die eigenen Gefühle und die Liebe. Die Liebe hat schon viele Männer gestürzt. Was einem bleibt, ist es sein Schicksal in solchen Fällen zu akzeptieren, sofern man wirklich nichts ändern kann."

    Verus saß traurig an seinem Schreibtsich. Seine Depression war erneut zurückgekehrt und drückte ihn förmlich in den Schlamm seiner Selbstsucht. Allein saß er hier und machte sich Gedanken über seine Welt, seine Entscheidungen und sein Schicksal. Er war ein zutiefst gebrochener Mann, auch wenn man es ihm nach Außen hin nichts anmerkte. Leider hatte er sich mit einer Geschäftsidee teilweise in kriminelle Kreise begegeben und war somit nun auch noch Bandenchef in Transtiberim. Zwar machte sein Adlatus dort die ganze Arbeit aber dieses Gefühl des Unrechts blieb. Wie ist er nur in diese Sache geraten? Wahrscheinlich durch seine Unfähigkeit Dinge zu akzeptieren und diese verändern zu wollen. Doch das belastete Verus nicht.


    Es belastete ihn viel mehr, dass er sein Leben lang, kein Vater für seine Kinder war und seine beiden geliebten Frauen verloren hat. Seine große Liebe Sicinia hatte er aus Egoismus verlassen. Wieder einmal ein Fehler. Sein Leben war von seinen Fehlern durchzogen.


    Er zog eine Tabula hervor und kritzelte ein paar Zeilen.


    Erinnerungen verbrauchen mich
    Öffnen meine Wunden
    Sie alle gehen davon aus, dass ich stark bin
    Ich bin sicher hier in meinem Zimmer
    Es sei denn, ich versuche, wieder zu leben


    Ich möchte nicht mehr kämpfen
    Ich realisiere,
    Dass ich die Verwirrung bin


    Ich weiß nicht, was sich lohnt
    Ich schreie meinen Schmerz still in die Welt
    Ich weiß nicht, warum ich mich erheben soll
    Und ich weißt nicht, was ich damit sagen will,
    Ich weiß nicht, wie ich diese Weise ändern soll
    Ich weiß:
    Ich bin gegen die Gewohnheit meines Lebens
    Ich bin gegen die Gewohnheit des Lebens


    Ich umklammere Halme aus Licht
    Meine Türen sind geschlossen
    Ich versuche meinen Atem zu fangen
    Doch es schadet mir
    Als jederzeit zuvor
    Ich habe keine Möglichkeiten, mich zu ändern


    Ich möchte nicht sein, was ich bin
    Diese Kämpfe zerbrechen mich
    Denn ich realisiere
    Dass ich die Verwirrung bin


    Verus warf den Griffel und die Tabula gegen die Wand. Diese Worte waren seine Seele und zeigten ihm auf, wie verloren er war. Er wollte sie nicht sehen und schloss die Augen. Die Tabula fiel krachend zu Boden, gefolgt von dem Griffel. Mit Tränen in den Augen sank er müde auf den Tisch. Seinen Kopf legte er sanft ab und seine Gedanken begannen sich erneut im Kreis zu drehen, im Kreis des Schmerzes.

    Verus hatte sich weit hinten eingereiht. Seine Gedanken flogen bereits wieder in seine Amtsstube. Er hatte noch viel zu tun und hatte sich nur kurz freigenommen, um seinem Verwandten zu beglückwünschen und dann wieder zu verschwinden. Er empfand es auch als recht langweilig aber seine Höflichkeit gebot ihm hier zu sein. So wartete er.

    "Worte sind nur Worte. Große Politiker handeln und bluten dann ebenso, wie jeder Soldat. Worte an sich tun niemanden weh und sind geduldig, sofern sie vom Richtigen gesprochen werden. Wahre Politiker leben für ihre Politik und stehen auch zu ihr, wenn der dunkle Winter kommt."


    Er erinnerte sich an seinen alten Mentor, den er leider an einem Kreuz verlor. Sein griechischer Leibsklave, der von großen Freiheit, der Philosophie und der Liebe sprach. Verus kam ein altes Zitat von ihm in den Sinn:


    "Freiheit heißt nicht nur das zu tun, was man will, sondern das zu unterlassen, was man nicht will. Freiheit muss man atmen und ausüben. Wahre Freiheit kann einem niemand nehmen, solange der Geist ein Vogel im Himmel ist," murmelte Verus dahin. Er kehrte zurück und verknüpfte das Zitat schnell mit dem vorhandenen Thema, um nicht negativ aufzufallen.


    "Auch Politiker mögen frei sein, doch die meisten sind es nicht wirklich, da sie sich vor dem politischen Winter und dem Chaos fürchten. Dabei muss man die Welt leben und atmen, was das Volk atmet. Dort stehen, wo der Feind gestanden hat und das tun, was das Richtige ist, auch wenn es das eigene Blut kostet. Ideale stehen über uns Menschen und eines dieser Ideale ist die Freiheit."


    Verus ging mal wieder in seinen philosophischen Reden auf. "Ein Soldat mag zwar körperlich und mit seinem Leben an das Militär gebunden sein, doch dadurch erlangt er geistige Freiheit und die Macht zu handeln. Er erhält die Macht Freiheit zu bringen und Frieden zu schaffen oder eben das Gegenteil. Deswegen ist es so wichtig, dass man als Soldat weiß, was Freiheit ist und was Frieden bedeutet. Man muss erlernen, was es heißt Frieden zu schaffen. Leider begreifen die Meisten zu spät, wann der Winter im Land ist."

    "Nein, soweit ist alles besprochen. Sofern etwas die Regio-Kasse betrifft, wende dich bitte direkt an mich. Momentan sieht die Kasse recht dünn aus, wenn du verstehst," sagte Verus im Gehen. "Größere Ausgaben müssen genauestens untersucht werden."


    Als er in der Tür stand, wandte er sich noch einmal um. "Hast du noch einen Wunsch?"

    "Durch mein Leben. Alles, was ich heute bin, bin ich dank dieser Träume. Es mag verrückt klingen aber sie lenken mich in vielen Entscheidungen. Nicht das ich ihnen blind vertraue. Ich überlege schon, doch meistens geben sie den entscheidenen Hinweis, der mich zur Entscheidung führt."

    "Salve Vestinus," grüßte Verus freudig und deutete mit zwei Fingern einen kleinen Salut an der rechten Schlefe an. "Nein, bis jetzt nicht aber das kann man ja ändern." Als Verus an die Flotte erinnert wurde, verzogen sich einige Barthaare in seinem Gesicht. Eine recht unangenehme Sache war dieses Trauma.


    "Du dienst als Soldat? Interessant. Ich bin der Meinung, dass nur ein Soldat weiß, was Aufopferung und Verantwortung bedeutet. Denn wir geben unser Blut, unseren Geist und unser Schicksal für den Erhalt Roms und unserer Traditionen."


    Verus verdrängte schnell die Erinnerungen an die Flotte und begann dieses erheiternde Gespräch mit seinen Verwandten. "Ja, ich diente in der Flotte als Centurio und Schreiber des Präfekten. Ich habe diesem Dienst meinen heutigen Status und Posten zu verdanken." Hoffentlich war das Thema Flotte somit abgehakt. Als Serapio auf seine Tochter zu sprechen kam, war Verus erleichtert.
    "Das ist meine Tochter: Serrana. Sie ist heute ein wenig schüchtern. Sie ist so viele Menschen nicht gewohnt."

    Verus zuselte sich durch den Bart. "Da hast du Recht. Wir sollten nicht uns nicht gegenseitig Türen verschließen und unsere Meinung dem anderen aufzwingen. Solange wir gegenseitig Toleranz üben und den anderen in seiner Meinung akzeptieren, ist dies gut."


    Er ließ von seinem Bart ab. "Man erlebt vieles und davon ist einiges erinnerungswürdig, anderes nicht. Leider prägen sich die negativen Momente am ehesten ein. Ich habe vieles erlebt, vorallem als Soldat. Ich würde gerne vergessen aber jeder muss mit seinen Gedanken und Erinnerungen leben, du und ich." Seine Augen blitzten kurz als er sich selbst an seine Zeit als Centurio erinnerte. All' das Blut und all' die Schlachten schwammen vor seinem geistigen Auge. Er war kurz abwesend, bis er wieder an den Ort des Gespräches zwischen ihm und Alaina zurückkehrte.

    Verus nickte ernstlich. "Ich verstehe." Er lächelte wieder. "Dann werde ich ihn wohl zu einem anderen Amt prügeln müssen oder ihn den Cursus Architectus ablegen lassen. Ich werde mit ihm sprechen."


    Verus erhob sich leicht. "Ich danke Dir, mein Curator." Er wandte seinen Blick zum Gehen.

    Verus lachte leicht. Er war ertappt. "Nein, das würde ich nicht aber ich würde einem guten Mann eine Gelegenheit geben sich zu beweisen. Viele Männer wachsen an ihren Aufgaben. Somit stellt sich nur noch die Frage, was kann er für Regio tun? Schließlich würde ich ihm ungerne sagen: Mein Sohn, du bist nicht geeignet Karriere zu machen und die Regio hat keine Aufgabe für dich. Als Vater muss ich ihm Träume offerieren, wenn du verstehst, mein Curator."

    "Zu glauben, die Fäden in der Hand zu halten, ist ein Trugschluss. Niemand hat die Macht über sein Leben oder sein Schicksal. Man kann nur versuchen damit zu leben. Wahre Kontrolle wirst du niemals haben," sagte Verus dahin. "Natürlich hast du im begrenzten Maße Einfluss auf dein Leben aber die wahre Macht darüber, hast du niemals."


    "Unsere Entscheidung? Die gibt es nicht. Wir entscheiden auf Basis von äußeren Einflüssen und aus Gefühlen heraus. Ich sehe das nicht als wissende Entscheidung, sondern viel mehr als Instinkthandlung. Was uns zu Menschen macht, ist unser Schicksal und unsere Träume."

    "Er hat ein, zwei Insulae bauen lassen, um neuen Wohnraum zu schaffen," antwortete er knapp. Soviel wusste er nicht über die Aktivitäten seines Sohnes. Verus hatte nur den Namen seines Sohnes im Zusammenhang mit diesen Neubauten gelesen, zumindest in irgendeinem Finanzbuch.


    "Den Cursus Rei Vulgarium," war die zweite Antwort auf die Frage des Curators. "Ebenso besitzt er das Examen Primum, dies hat zwar nichts mit der Schola zu tun aber es zeichnet sich doch als Ausbildung aus."

    "Mein Sohn hat Erfahrungen als Duumvir und errichtete einige kleinere Gebäude in Mantua, sofern du das meinst." Verus nickte.


    "Ich denke, dass die Hauptstraßen ausgebessert werden müssten. Dies könnte mein Sohn organisieren. Gelder dafür sind noch vorhanden. Bedarf hätten wir schon, Curator."

    "Warum sagen alle Menschen immer, dass ihre Götter nicht, die Unserigen sind? Ich bin der Meinung, dass die Götter Abbild einer noch höheren Macht sind, die uns lenkt und damit meine ich alle Menschen. Die Götter treten nur in den uns bekannten Formen auf, weil die andere Macht zu unbegreifbar ist und uns wahnsinnig machen würde. Somit ehre ich alle Götter, da sie Abbild einer großen Macht des Lebens sind. - Zumal ich als Römer, die Pflicht habe, unsere Götter zu ehren. Rom braucht seine Götter."


    Verus strich sich durch den feinen aber starren Bart.
    "Wie werden immer gelenkt. Die Illusion ist es eben, dass wir frei wären. Wir sind abhängig von dem Leben um uns und abhängig vom Schicksal. Spielst du Kartenspiele? Das Leben teilt Karten aus und was du damit machst, ist deine Entscheidung, je nach Spiellage. Doch dieses Spiel kann man nur verlieren, weil jeder Mensch, der frei entscheidet, gierig wird und zu viele Karten spielt. Die Götter greifen hier als Spielführer ein und retten uns vor unserer Spielsucht. Aus diesem Grund habe ich auch kein Problem damit, mich an Pflichten zu binden, da es zu etwas Gutem gereicht. Solange ich im Amt sitze, kann dort kein Falscher sitzen, sofern ich nicht der Falsche bin. Das ist natürlich zu überprüfen. Man muss sich binden, sonst fliegt man davon."