Beiträge von Aurelia Helena

    Es waren also doch die Sklaven gewesen. Während Helena in das Triclinium hinüber ging dachte sie über das Theaterstück und dessen Folgen nach. Ihr Daumn hatte ebenfalls nach unten gedeutet, was aber noch lange nicht hieß, dass es keine Bestrafung geben würde. Aber Ursus hatte Recht: Das sollte eine Angelegenheit der Familie sein. Wie auch die anderen Räume war das Triclinium wunderbar geschmückt. Helena blieb in der Nähe der Tür stehen und sah sich um. Sie hatte sich an den anderen Gästen vorbeigeschoben, die sich zum Teil noch angeregt über das Stück unterhielten und war somit eine der Ersten. Sie lächelte kurz zu Ursus hinüber als er das Wort erhob, blieb aber erstmal dort wo sie war. Sie hatte vor mit Prisca zu reden, falls es ihr gelingen würde sie abzufangen.

    Helena zuckte erschrocken zusammen als sie Ursus' Warnung hörte. Sie zog den Kopf zwischen die Schultern, doch das was auf sie zugeflogen kam erreichte sie nicht ganz. Sie richtete sich etwas auf und überprüfte sofort den Sitz ihrer Frisur, während sie einen doch recht bissigen Blick zur Bühne warf. Das wurde ja immer besser! Doch das leichte Erschrecken auf den Gesichtern der Sklaven zeigte ihr, dass das nicht ganz so geplant gewesen war. Helena atmete tief durch und rutschte ein wenig unruhig auf ihrem Platz herum, bevor sie zu Ursus sah. Auch er schien es in dem Raum kaum noch aushalten zu können, doch würden sie jetzt gehen, würde das nur unnötige Fragen aufwerfen.


    "Man könnte fast meinen die Sklaven wissen selbst nicht so genau was sie da treiben. Ich hoffe, ich bilde mir das nur ein."


    Wieder war leises Lachen zu hören, doch Helena sah sturr gerade aus. Wie lange würde dieses Stück wohl noch gehen? Auch ein erneuter Blick in Richtung Prisca brachte ihr keine neuen Aufschlüsse. Helena verschränkte ihre Beine übereinander und wippte mit einem Fuß. Ein deutliches Zeichen ihres Unwohlseins, auch wenn in ihrem Gesicht nichts davon zu sehen war. Was für ein Abend! Vielleicht hätte sie in ihrem Zimmer bleiben sollen. Dann wäre auch das mit Marcus nicht passiert. Eine Ausrede hätte sie sicher gefunden. Immerhin wussten ja alle, dass sie in der letzten Zeit öfter aufgrund von Kopfschmerzen in ihrem Zimmer geblieben war. Auch Ursus wusste das. Helena beschloß, dass ein Themenwechsel ihn vielleicht ein wenig ablenken würde.


    "Wir haben bis jetzt kaum Zeit gehabt uns miteinander bekannt zu machen. Ich hoffe, dass wir das nun aufholen können. Es beschämt mich ein wenig, dass ich so gut wie gar nichts über dich weiß, obwohl du doch ein Familienmitglied bist."

    Helena konnte Ursus' Gesichtszüge im Halbdunkeln nicht genau sehen, aber schon sein Kopfschütteln und der Ton seiner Stimme sagte ihr, dass er mehr als angesäuert war. Helena konnte ihn gut verstehen. Ihr würde es wahrscheinlich genauso gehen, wenn sie in seiner Lage war. Sie kannte ihn nicht gut genug um zu erkennen, ob die Charakterzüge des Upsus auf der Bühne den wahren Ursus, natürlich überspitzt, wiederspiegelte. Seine Reaktion allerdings war Antwort genug auf diese Frage. Prisca tat ihr leid. Wenn das wirklich alles so geplant gewesen war, dann würde sie sich in den nächsten Stunden wohl einiges anhören müssen.


    Die folgenden Gespräche auf der Bühne zogen Helenas Aufmerksamkeit wieder auf sich. Das Thema wurde etwas derbe und das gerade Diana -Deandra- davon sprach verwunderte sie etwas. Ihr war auch der Blick nicht entgangen, den die Schauspielerin Camryn zuwarf. Helena musste Deandra nicht gut kennen um zu wissen, dass diese von dieser Sache nicht gerade begeistert war. Und trotzdem lauschte sie interessiert den Dingen, von denen da gerade gesprochen wurde. Ob es wirklich so war? Helena hatte davon keine Ahnung und normalerweise sprach auch niemand so offen darüber. Doch schon wenige Augenblicke Später schalt sie sich eine Idiotin. Es war nur ein Bühnenstück, etwas, dass sich jemand ausgedacht hatte. Um ihre Gedanken wieder in geregelte Bahnen zu lenken wandte sie sich erneut an Ursus.


    "Das Thema wird jedenfalls dafür sorgen, dass man dieses Stück nicht so schnell vergisst. Ich schätze, dass wir noch in den folgenden nächsten Wochen das Gesprächsthema Nummer Eins sein werden. Ob im positiven oder negativen Sinne wird sich noch zeigen."


    Helena schüttelte leicht den Kopf und glättete mit den Händen den Stoff ihres Kleides. Einem vorbeikommenden Sklaven nahm sie zwei Becher ab, von denen sie einen an Ursus weiterreite. Er sah so aus, als könne er einen Schluck Wein gut vertragen. In diesem Moment stürzte Camryn auf der Bühne und Helena konnte nicht genau erkennen, ob es zum Stück gehörte oder nicht.


    "Ich frage mich wie lange das noch geht. Die ersten Augenblicke nach dem Stück werden wohl entscheidend sein. Mir tut derjenige leid, der gleich das Wort ergreifen muss."

    Auf Helenas Befehle hin verließ Tilla erneut kurz den Raum und Helena nutzte diese Gelegenheit um einen Moment die Augen zu schließen. Das Wasser war so heiß, dass sie sich nicht mehr einreden konnte zu träumen. Aber dafür lenkte das Prickeln auf ihrer Haut sie von den unangenehmen Gedanken ab. Langsam hob Helena eine Hand und fuhr sich damit über das Gesicht. Als sie sie vor die Augen hob konnte sie deutlich die Spuren von Schminke darauf erkennen. Sie musste furchtbar aussehen. Das aber interessierte sie in diesem Moment kaum. Den restlichen heutigen Tag würde sie wohl auf ihrem Zimmer verbringen. Sie wusste nicht wie sie reagieren würde, falls sie Marcus noch einmal über den Weg lief.


    Als Tilla zurückkam öffnete Helena nur widerwillig die Augen. Doch da die Sklavin nicht reden konnte musste sie sie wohl oder übel ansehen, damit sie ihre Gesten sehen konnte. Mit einer Hand griff sie nach dem kalten Tuch, doch bevor sie es auf ihre Augen legte nickte sie mit dem Kopf in Richtung Becken.


    "Zuerst den Körper, mit Schwamm und Seife. Wenn du damit fertig bist die Haare. Nimm dafür ebenfalls die Seife mit dem Rosenduft. Nach dem Bad brauche ich noch eine Massage."


    Nach diesen Worten lehnte sie sich erneut zurück und schloß die Augen. Das kalte Tuch im Gesicht ließ sie kurz zusammenzucken, doch sie wusste, dass das das beste Mittel gegen Augenringe war. Wollte sie morgen nicht noch genauso aussehen musste sie etwas tun. Während sie dort lag und darauf wartete, dass Tilla anfing ließ sie ihren Gedanken freien Lauf. Hatte es sich wohl schon herumgesprochen, dass es heute in ihrem Zimmer sehr laut gewesen war? Unter Sklaven ging soetwas immer sehr schnell. Sie sollte Tilla jedenfalls noch genau klar machen, dass es niemanden zu interessieren hatte, was sie hier gesehen hatte.

    In den nächsten Minuten wusste Helena nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Auf der einen Seite war das Stück durchaus lustig. Die Rollen waren gut verteilt und irgendwie hatten die Sklaven es geschafft, sich jeden Charakterzug ihrer 'Opfer' genau einzuprägen. Zudem schien sie auf der Bühne nicht aufzutauchen. Bis auf diesen einen Satz hatte man sie aus der ganzen Sache heraus gelassen. Auf der anderen Seite aber, war so ein Theaterstück sehr gewagt. Es war ja nicht so, dass ihr der Ruf ihrer Familie egal war. Man konnte nur hoffen, dass diejenigen, die auf der Bühne karikatiert wurden es mit Humor nahmen. Helena ließ kurz ihre Blicke durch den Raum schweifen, aber in dem Halbdunkeln konnte sie kaum etwas sehen. Zu gerne hätte sie die Reaktion der Anwesenden beobachten können. In diesem Moment sprach Ursus sie an. Bis jetzt hatte er schweigend dem Stück gelauscht, genauso wie sie und er schien ungefähr das Gleiche zu denken.


    "Nun, es ist sehr gewagt." Sie erwiderte sein Lächeln und sah dann fragend zu der Stelle, an der sie Prisca vermutete. "Ich frage mich, ob Prisca das so geplant hat. Wenn ja ist ihr die Überraschung auf jeden Fall gelungen."


    Die dritte Szene war mittlerweile in vollem Gange. Es war fast ein wenig beängstigend, so einfach war es den Betreffenden hinter der Rolle zu erkennen. Und Marcus? So wie sie ihn kannte schämte er sich gerade in Grund und Boden. Helena grinste kurz und nickte beifällig. Schadenfreude war doch etwas Schönes! hier und da waren vereinzelte Lacher zu hören und trotz all ihrer Gedanken fiel Helena ein Stein vom Herzen. Ein Skandal wäre wohl das Letzte gewesen, was die Familie nun gebrauchen könnte. Erneut lehnte sie sich ein Stück zu Ursus hinüber und senkte die Stimme.


    "Am Besten ist wohl, wir nehmen es mit Humor. Wie gefällst du dir denn dort auf der Bühne?"

    Es dauerte eine Weile bis Tilla mit dem Bad fertig war. Diese Zeit nutzte Helena, um ihr Inneres ein wenig zu ordnen. Sie genoß die Stille in ihrem Zimmer, die nur von dem leisen Plätschern aus dem Nebenraum unterbrochen wurde, wenn Tilla heißes Wasser nachfüllte. Ihr Herzschlag hatte sich mittlerweile wieder beruhigt, doch der Schmerz den sie fühlte wollte nicht einfach so verschwinden. Schließlich stand Helena auf und legte sowohl ihren Morgenmantel ab als auch das dünne Nachtgewand das sie trug. Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf ihrem Körper, doch die Kälte tat ihr irgendwie gut. Wenn sie lange genug so stehen blieb würde die Kälte vielleicht in sie hineinkriechen und den Schmerz betäuben. Dennoch nahm sie nach kurzer Zeit den Mantel wieder auf und warf ihn sich über die Schulter.


    Kurz darauf tauchte Tilla wieder auf und hielt ihr mit einem fragenden Blick zwei verschiedene Sorten Badesalz entgegen. Als Helena sah wie sehr sich die Kleine angestrengt hatte um ihr alles recht zu machen lächelte sie ihr freundlich zu und wies dann auf das rechte Badesalz. Der Duft von Rosen hatte schon immer eine belebende Wirkung auf sie gehabt. Nachdem Tilla das Zimmer wieder verlassen hatte ging auch Helena langsam hinüber in den Baderaum. Tief atmete sie den Rosenduft ein, der sich langsam im ganzen Zimmer ausbreitete. Ein entspannendes Bad war jetzt genau das Richtige. Der Morgenmantel landete irgendwo auf dem Boden. Tilla würde ihn schon aufheben. Als Helena in das heiße Wasser eintauchte bildete sich erneut eine Gänsehaut auf ihrem Körper, doch diesmal war es eine angenehme. Wohlig seufzend ließ sie sich in das Wasser sinken, bis es ihr bis zum Kinn stand.


    "Besorg mir eine Schale mit sehr kaltem Wasser und einige kleine Tücher. Ich muss dringend etwas gegen meine Augenringe tun. Und danach will ich das du mich wäscht."

    Wie lange Helena auf ihrem Bett gesessen hatte wusste sie nicht, aber es konnte nicht lange gewesen sein, als sie plötzlich ein Klopfen an der Tür wahrnahm. Wollte Marcus vielleicht doch noch einmal mit ihr sprechen? Helena konnte sich das kaum vorstellen, aber selbst wenn es so war würde sie ihn nicht einlassen. Ihre Worte waren ernst gemeint gewesen als sie ihm gesagt hatte er sollte verschwinden. Gesagt? Geschrieen verbesserte sie sich selbst und lachte dabei humorlos auf. Das Klopfen an der Tür ließ sie unbeantwortet und einen Moment lang dachte sie, dass derjenige vor der Tür gegangen war, aber dem war nicht so. Das Klopfen erklang erneut, doch diesmal war es anderer Art. Helena hob den Kopf und runzelte die Stirn. Ihr Verstand schien irgendwie langsamer geworden zu sein, denn noch bevor sie reagieren konnte stand Tilla im Zimmer.


    Helenas Gesicht blieb ausdruckslos während sie die junge Sklavin musterte. Auf irgendeine Art und Weise mochte sie die Kleine. Vielleicht weil sie nicht so ungemein viel plapperte wie die meisten anderen Sklaven. Doch in diesem Augenblick wollte sie lieber alleine sein. Tilla musterte indes die Scherben auf dem Boden und eilte dann zum Schminktisch hinüber. Helenas Blick löste sich von ihr und wanderte auf den Boden. In Gedanken fuhr sie die Linien des Mosaiks nach und sah erst wieder auf als Tilla vor ihr kniete. Auf den fragenden Blick des Mädchens reagierte sie zuerst überhaupt nicht, bevor ihr bewusst wurde, dass eine Sklavin sie gerade in einer Situation erwischt hatte, die eine Sklavi nicht zu sehen hatte. Egal wie es ihr momentan ging, sie musste zumindest versuchen den Schein zu wahren. Helena straffte ihre Schultern und nahm Tilla das Tuch ab.


    "Beseitige die Scherben und lass mir dann ein Bad ein."

    Als Helena den Ort des Geschehens betrat war dieser schon abgedunkelt und Saba stand auf der Bühne, um die Rollenverteilung kundzugeben. Helena blieb einen Moment stehen um sich zu orientieren. Viele Plätze waren schon besetzt, denn sie war als eine der Letzten hinein gekommen. Einfach irgendwo hinsetzten wollte sie sich aber auch nicht. Plötzlich blieb ihr Blick auf Ursus hängen, neben dem glücklicherweise noch ein Platz frei war. Man konnte zwar nicht davon sprechen, dass sie sich kannten, aber er gehörte zur Familie und war damit den anderen Gästen eindeutig vorzuziehen. Zumindest in ihrer momentanen Gefühlslage dachte sie so, denn auf einfaches Geplänkel hatte sie keine Lust. Zudem war es auch von Vorteil, dass sie bis jetzt kaum Zeit gefunden hatten miteinander zu reden. Ursus würde sicher nicht auffallen, dass sie ihre wahren Gefühle unter einer Maske verbarg.


    Helena schlängelte sich durch die Reihen und ließ sich neben Ursus nieder. Sie lächelte ihm zu und legte kurz eine Hand auf seinen Arm, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne lenkte. Dort waren mittlerweile die Sklaven in ihren Rollen aufgetaucht und das Stück war in vollem Gange. Helena blinzelte ein paar Mal als ihr bewusst wurde, worum es da gerade ging. Helvetia? Esskastanien? Trösten? Ihre Augen wurden ein wenig größer als sie sich selbst in dieser Rolle erkannte. Nun gut, wahrscheinlich würde kaum jemand anders das bemerken, außer Marcus. Und ihm war hoffentlich klar, dass die Zeit des Tröstens nun vorbei war. Helena, nun gespannt auf den weiteren Verlauf des Stücks lehnte sich ein wenig vor. Unter den neuen Gesichtspunkten erkannte sie die wahren Gestalten hinter den Rollen und während sie lauschte wurde ihr Schmunzeln immer breiter.

    Helena hatte mit einer Reaktion gerechnet, und wenn es nur ein amüsiertes Lachen gewesen wäre, aber was erstmal kam war gar nichts. Sie konnte förmlich sehen, wie Marcus endlich verstand was mit ihr los war und ihr Verhalten in der letzten Zeit mit dem in Verbindung setzte was sie gerade gesagt hatte. Die Starre hatte sich mittlerweile aus ihrem Körper gelöst, dafür trat sie nun unruhig von einem Fuß auf den anderen. Und plötzlich sah sie das schlechte Gewissen auf seinem Gesicht aufblitzen. Nur leider konnte sie mit dieser Gefühlsregung absolut nichts anfangen. Als Marcus endlich sprach verschwand das doch leicht hoffnungsvolle Glänzen in ihren Augen. Er dachte an das Fest, das Theaterstück und schob sie einfach zur Seite! Helena senkte den Kopf und nickte dann leicht.


    "Morgen...natürlich. Wir wollen die Gäste ja nicht warten lassen."


    Ihre eigene Stimme klang stumpf in ihren Ohren. Was hatte sie denn auch erwartet? Marcus war inzwischen zur Seite getreten, um sie vorbei zu lassen. Ohne ihn anzusehen ging sie an ihm vorbei, doch bevor sie hinter dem schützenden Pflanzenkübel hervor trat straffte sie ihre Haltung und legte einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck auf. Immerhin durfte ja niemand wissen was gerade passiert war. Was sollten die Gäste sonst denken! Helena verzog bei diesem Gedanken kurz verbittert die Lippen. Sie achtete nicht darauf ob Marcus ihr folgte oder nicht. Stattdessen legte sie sich kurz eine Hand auf die Wange, nur um zu fühlen, dass diese immer noch erhitzt war. So konnte sie sich jedenfalls nicht unter die Gäste mischen.


    Helena hielt einen Sklaven an und nahm ihm einen Becher Wasser ab. Wein könnte sie jetzt auch gut vertragen, aber sie entschied sich dagegen. Mit dem Becher in der Hand verschwand sie hinter einer Säule und schüttete das kühle Wasser hinunter. Dann schloß sie kurz die Augen und lehnte sich gegen den kalten Mamor. In ihr keimte der Wunsch auf einfach das Fest zu verlassen. Vielleicht sollte sie sich in ihr Zimmer zurückziehen. Doch das würde bei den Gästen sicher einige Fragen aufwerfen. Nein, sie würde gute Miene zum bösen Spiel machen. Marcus sollte nicht merken, dass er sie schon wieder verletzt hatte. Nachdem Helena sich sicher war, dass sie ihrem Äußeren trauen konnte trat sie hinter der Säule hervor und reihte sich in die Traube der Menschen ein, die gerade zum Theaterstück hinüber gingen. Niemand der sie nicht gut kannte konnte nun noch erkennen, das es ihr schlecht ging.

    Marcus war wütend, dass konnte sie in seinem Gesicht und an seinem Verhalten erkennen. Aber auch das war Helena in diesem Moment vollkommen egal. Auch das Marcus gerade irgendwie versuchte seine verrutschte Toga wieder zu richten war nebensächlich. Seine Worte allerdings nicht. Einen Moment lang war Helena fast fassungslos, dass er immer noch nicht verstand worum es hier eigentlich ging. War es denn für ihn so abwegig, dass in ihr Gefühle für ihn schlummerten? Wobei schlummern gerade eher das falsche Wort war. Helenas Hände ballten sich zu Fäusten.


    "Bei den Göttern, Marcus! Es geht nicht um diese Heirat! Es..."


    Sie verstummte als ein Sklave ganz in ihrer Nähe vorbei ging. Auch sie hatte natürlich den Aufruf zum Theaterstück gehört, aber sie würde nicht zulassen, dass Marcus jetzt ging. Nicht jetzt! Momentan machte er allerdings keine Anstalten zu gehen, so dass Helena ihn nicht erneut festhalten musste. Sie hatte sich diese Situation schon oft vorgestellt, aber das war ganz anders. Es war weder romantisch, noch waren sie allein. Nichts stimmte. Helena öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Wenn Marcus wenigstens ein wenig Verständnis zeigen würde. Ihr ein wenig entgegen kommen würde...


    "Ich liebe dich!"


    Dieser Satz war ihr einfach so über die Lippen gerutscht. Eigentlich hatte sie vorgehabt danach zu verschwinden, aber sie war selbst so überrascht, dass sie regungslos stehen blieb und Marcus mit großen Augen anstarrte. Sie spürte regelrecht, wie ihr das Blut in die Wangen rauschte und wenn der Boden auf dem sie stand nicht so hart gewesen wäre, wäre sie darin versunken. Aber zumindest war es jetzt raus. Sie hatte es ihm gesagt. Endlich.

    Noch während Helena auf Marcus zuging hatte er sie gesehen und kam ihr nun entgegen. Mitten im atrium blieben sie voreinander stehen, doch die anderen Gäste interessierten Helena in diesem Moment überhaupt nicht. Schon wieder so ein Blick! Und wieder schien er nicht zu erkennen wie es wirklich um sie stand. Warum sollte sie sich entschuldigen? Er war es doch gewesen, der...Helena atmete tief durch und schloß kurz die Augen. Wut würde sie nicht weiterbringen. Allerdings fiel es ihr recht schwer sich zu beherrschen, besonders als Marcus sie nun auch noch einem gewissen Tiberius Drusus vorstellen wollte. Normalerweise hätte Helena noch nicht einmal etwas dagegen, denn Marcus hatte ihr ja von ihm erzählt. Aber jetzt gerade, in diesem Moment konnte sie den Gedanken einfach nicht ertragen, dass Marcus ihr den Mann vorstellte, den sie möglicherweise heiraten sollte. Deswegen tat sie etwas, was sie sich normalerweise nicht gewagt hätte: Sie unterbrach Marcus.


    "Nein! Es hat keine Zeit! Es ist...tut mir leid, aber es ist sehr wichtig!"


    Mit diesen Worten packte sie Marcus einfach am Arm und zog ihn hinter sich her. Helena ließ ihre Blicke kurz schweifen und entschied sich dann für eine Ecke des atriums, in der sich gerade niemand befand. Zudem stand dort ein Pflanzenkübel, der sie vor neugierigen Blicken schützen würde. Die meisten Gäste waren immer noch mit dem Opfer beschäftigt, so dass wohl niemand auf sie aufmerksam werden würde. Helena wusste ja nur zu gut, dass Marcus sehr darauf bedacht war dem Ruf der Familie nicht zu schaden. Dort angekommen blieb Helena stehen und ließ Marcus los.


    Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, dass er nicht gerade begeistert von ihrem Verhalten war. Wieder einmal! Doch bevor Marcus irgendetwas sagen konnte beschloß Helena die Initiative zu übernehmen. Es musste einfach raus! Er musste endlich wissen, dass er sie verletzt hatte, es immer wieder tat, wenn er andere Frauen so ansah, wie er es bei Calista getan hatte. Allerdings war Helena gerade so in ihren Gefühlen verstrickt, dass ihr nicht bewusst war, dass Marcus mit ihren folgenden Fragen wohl nicht viel anfangen konnte.


    "Warum quälst du mich so? Was hab ich dir denn getan?"

    Helena freute sich sehr über Priscas Zusage. Es würde ihr sicher gut tun mal aus der Villa heraus zu kommen und an etwas anderes denken zu können. In diesem Moment sprach Prisca Deandra an. Helena hatte die Verlobte von Marcus bis jetzt nicht gesehen und doch gelang es ihr, ihr ebenfalls freundlich zu zu lächeln. In ihr sah es allerdings anders aus. Der Anblick von Deandra erinnerte sie wieder an ihr Gespräch mit Marcus. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen als sie an den mißbilligenden Ausdruck auf seinem Gesicht dachte. Und natürlich hatte sie auch ihr eigenes, peinliches Verhalten nicht vergessen. Jetzt wo Deandra wieder da war, dachte Marcus wahrscheinlich gar nicht mehr an sie. Wahrscheinlich tat er ihren Ausraster als Reaktion einer pubertierenden Göre ab.


    Glücklicherweise lenkte Caius Flavius sie in diesem Moment ab, als er sie ansprach. Es dauerte einen Moment, bis Helena ihre bedrückenden Gedanken zur Seite schieben konnte. Deswegen kam ihr Nicken und das dazugehörige Lächeln vielleicht ein wenig zu spät. Helenas Hände hielten die kleine Amphore mittlerweile so fest umschloßen, dass sie befürchten musste sie zu zerbrechen. Sie trat neben Caius Flavius und lauschte seinen Worten. Nachdem er geendet hatte hob sie selbst die Amphore und ließ den Wein langsam in die Schale laufen, die mittlerweile schon gut gefüllt war. Ihre Stimme war leise und sie schloß die Augen während sie sprach.


    "Ihr Götter, nehmt dieses kleine Opfer an und wacht über die, die ihre Hoffnung auf euch legen. Nehmt das Leiden von denjenigen, die schon so lange gelitten haben und spendet ihnen Trost."


    Helena blieb noch einen Moment so stehen, bevor sie zur Seite trat um Prisca vorzulassen. Sie atmete einmal tief durch und fühlte sich gleich ein wenig ruhiger. Dieser Zustand hielt allerdings nicht lange an, denn ihr Blick fiel auf Marcus. Er stand ganz in der Nähe und schien sich köstlich zu amüsieren. Scheinbar wollte er seinen Charme nicht nur an Plotina ausprobieren, sondern auch an Callista. Regungslos beobachtete sie ihn, sah sein Lächeln und das verschwörerische Zwinkern. Warum tat er ihr das an? Ihre Gefühle redeten ihr Dinge ein, die nicht da waren, aber dessen war Helena sich nicht bewusst. Sie spürte nur, dass der Schmerz wieder da war und sie wollte, dass es endlich aufhörte. Ein Entschluß keimte in ihr auf und bevor sie es sich noch anders überlegen konnte drehte sie sich zu Caius Flavius um und neigte leicht den Kopf.


    "Bitte entschuldige mich einen Moment. Ich hoffe, wir haben später noch die Gelegenheit unser Gespräch fortzuführen."


    Sie lächelte dem Mann noch einmal kurz zu und wandte sich dann ab. Während sie sich durch die Gäste schlängelte behielt sie Marcus genau im Auge. Er schien sich gerade nicht zu unterhalten, aber selbst wenn wäre ihr das in diesem Moment egal gewesen. Helena spürte, wie ihr wieder ein wenig übel wurde bei der Vorstellung von dem, was sie gleich tun würde. Aber diesmal würde niemand sie aufhalten. Auch kein noch so absurder Vorwurf von Marcus. Bei ihm angekommen legte sie ihm eine Hand auf den Arm, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Zu einem Lächeln war sie allerdings in diesem Moment nicht in der Lage.


    "Marcus, hast du einen Moment Zeit für mich? Allein!"

    Hätte Helena logisch denken können, dann wäre sie entsetzt über ihr eigenes Verhalten gewesen. So aber stand sie einfach nur schwer atmend da und starrte durch einen Tränenschleier zu Marcus. Trotzdem hatte sie den mißbilligenden Ausdruck auf seinem Gesicht gesehen. Natürlich mißbilligend, was auch sonst. Kurz hatte Helena das Bedürfnis noch etwas an die Wand zu schmeißen, aber glücklicherweise stand nichts mehr in ihrer Reichweite. Zudem hatte Marcus mittlerweile die Flucht angetreten und hatte das Zimmer verlassen. Nun ruhte Helenas Blick auf der Tür, die sich kurzzeitig noch einmal öffnete und Marcus Kopf erschien. Auf seine Worte antwortete sie nicht, da sie nicht wusste was sie sagen sollte. Was tat ihm leid? Das er sie nicht verstanden hatte, oder das er ihr einen ungeheuren Vorwurf gemacht hatte?


    Nachdem sich die Tür ein zweites Mal geschloßen hatte stand Helena noch einen Moment steif da, bevor ihre Knie unter ihr nachgaben. Sie sackte auf den Boden, ein Häuflein Elend, dem die Tränen über die Wangen liefen. Am Liebsten hätte sie laut geschrieen, aber sie konnte sich gerade noch zurückhalten. Sie hatte wahrscheinlich schon genug Lärm gemacht, um die ganze Villa darauf aufmerksam zu machen, dass es um ihre Laune nicht gerade zum Besten stand. Hatte sie es denn nicht verdient glücklich zu sein? Seit Helena hier war, war irgendwie alles schief gelaufen. Vielleicht sollte sie einfach zurück nach Hispania gehen. Dort war sie zumindest zufrieden gewesen und hier würde sie eh niemand vermissen.


    Erst als die Kälte des Mamorbodens in ihre Knochen kroch stand Helena langsam auf. Sie musste furchtbar aussehen. Die leichte Schminke, die Marina ihr aufgelegt hatte war mit Sicherheit verwischt und ihre Augen verquollen. Eigentlich müsste sie sich jetzt vor ihren Spiegel setzten und zumindest versuchen ihr Äußeres ein wenig zu richten. Aber dazu hatte sie momentan keine Kraft. Stattdessen ging sie zu ihrem Bett hinüber und ließ sich darauf nieder. Vielleicht sollte sie sich einfach hinlegen und schlafen. Wahrscheinlich würde sie danach aufwachen und es würde sich alles als schlimmer Albtraum herausstellen. Trotz dieser Gedanken blieb Helena sitzen. Sie musste sich überlegen wie das alles weitergehen sollte.

    Im atrium war es mittlerweile so voll, das von allen Seiten ein ständiges Gemurmel an Helenas Ohr drang. Das störte sie aber nicht im Mindesten, denn wie alle Frauen war sie recht neugierig und liebte es den neusten Klatsch und die neusten Gerüchte zu hören. Im Moment jedoch konzentrierte sie sich auf Caius Flavius, der sich als durchaus angenehmer Gesprächspartner erwies. Plötzlich erklang eine Stimme über Gemurmel, die Helena sofort erkannte. Marcus rief zum Opfer auf. Sofort begaben sich einige zum Altar hinüber, aber Helena blieb noch einen Moment stehen. Mit Interesse vernahm sie, das Caius Flavius in Hispania aufgewachsen war. Vielleicht würde sich im Laufe des Abends noch die Gelegenheit ergeben mit ihm ein paar Erinnerungen auszutauschen.


    "Das Klima unseres schönen Landes lässt sich ohne weiteres mit Hispania vergleichen. Vielleicht ist es mir deswegen recht leicht gefallen mich dort einzugewöhnen. Und du hast recht, Athen ist eine wunderbare Stadt. Ich hatte das Vergnügen dort einige Male Bekannte meiner Tante besuchen zu dürfen. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, dass wir uns genauer darüber unterhalten können."


    Diesen Worten folgte ein galanter Augenaufschlag und ein strahlendes Lächeln. Helena wusste wie sie sich zu verhalten hatte, denn die Schule ihrer Tante war gut gewesen. Zudem fiel ihr das bei dem Mann ihr gegenüber auch recht leicht. Ihr Unterbewusstsein fragte sich, ob Marcus sie nicht vielleicht beobachtete und ein wenig eifersüchtig war. Aber diesen Gedanken schob sie tapfer beiseite. Zudem hatte Caius Flavius ihr und Prisca gerade eine Frage gestellt und Helena wollte ihn nicht zu lange auf ihre Antwort warten lassen.


    "Das ist eine sehr gute Idee. Es wird sicher eine Weile dauern, bis jeder Gast sein Opfer dargebracht hat. Es würde mich freuen dies an deiner Seite tun zu dürfen."


    Helena nahm einer vorbeigehenden Sklavin zwei kleine Amphoren Wein ab, von denen sie eine an Prisca weitergab. Caius Flavius hatte sicher an der porta den Opferwein bekommen. Dabei lehnte sie sich kurz zu ihr hinüber und senkte die Stimme.


    "Prisca, es würde mich freuen, wenn du in irgendwann in den nächsten Tagen ein wenig Zeit für mich hättest. Was hälst du von einem kleinen Stadtspaziergang?"


    Sie hatte das dingende Bedürfnis sich jemandem mitzuteilen. Das Chaos in ihrem Inneren hatte sich noch lange nicht wieder beruhigt und sie würde platzen, würde sie nicht bald jemandem davon erzählen. Zudem wusste sie, dass sie Prisca vertrauen konnte. Sie reihten sich in die Schlange der Wartenden ein und während Helena auf eine Antwort von Prisca wartete überlegte sie, was sie sagen sollte, sobald sie den Altar erreicht hatten.

    In den kommenden Minuten war Helena ausschließlich damit beschäftigt die nun eintreffenden Gäste zu begrüßen. Die Wenigstens kannte sie wirklich, aber jedem trat sie mit der gleichen Höflichkeit und dem feinen Lächeln auf den Lippen gegenüber. Bei den vielen Komplimenten die sie zu hören bekam röteten sich ihre Wangen, so dass die kränkliche Blässe mit der Zeit kaum noch zu sehen war. Als sie kurz zu Prisca hinüber sah bemerkte sie, dass es ihr genauso ging und sie erwiderte das Zwinkern mit einem schelmischen Grinsen. Sie hätte gelogen wenn sie behaupten würde, dass ihr die Aufmerksamkeit nicht gefiel. Auch die Dekoration der Villa hatte bis jetzt nur Bewunderung hervorgerufen und Helena kam nicht umhin ein wenig Stolz zu verspüren. Marcus hingegen hatte sie irgendwann einfach stehen lassen, denn sie hatte nicht vergessen was er ihr vorgeworfen hatte. Die Höflichkeit gebot ihr ihre Gefühle nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen, aber das hieß ja nicht, dass sie mehr Zeit mit ihm verbringen musste als nötig war. Zumal schien er das noch nicht einmal zu bemerken, denn er war als Gastgeber ständig von einer kleinen Menschentraube umringt.


    Schließlich kam es, dass sie und Prisca in ein Gespräch mit Caius Flavius vertieft waren. Er war ein durchaus ansehnlicher Mann, so wie viele auf diesem Fest und es kam ihr fast so vor, als hätte Marcus einige von ihnen nur wegen ihr und Prisca eingeladen. Ein Seitenblick auf Prisca zeigte ihr, dass sie wohl ähnlich denken musste. Doch daran wollte Helena in diesem Moment keinen Gedanken verschwenden. Sie wollte sich amüsieren. Sie teilte das verschwörerische Schmunzeln und schüttelte leicht den Kopf.


    "Nein, es wird nichts verraten. Manchmal muss man sich auch überraschen lassen. Vor allem wenn es sich um eine angenehme Überraschung handelt."


    Helena schob eine der Strähnen zur Seite, die ihr in die Stirn fielen und ließ, während Prisca die Frage nach Germanien beantwortete, kurz ihre Blicke durch den Raum schweifen. Natürlich blieb ihr Blick erneut auf Marcus hängen, obwohl sie nicht nach ihm gesucht hatte. Er unterhielt sich gerade mit Plotina und obwohl Helena wusste, dass es unsinnig war versetzte dieses Bild ihr einen leichten Stich. Sie zwang sich dazu den Blick zu lösen und sah wieder zu ihrem eigentlichen Gesprächspartner.


    "Ich muss mich Priscas Meinung anschließen. Auch ich konnte diesem Land nichts abgewinnen. Es hat sicher seinen eigenen Charme, doch dafür war ich wohl nicht empfänglich. Zumal ich kurz zuvor erst aus Hispania zurückgekehrt bin. Die Unterschiede könnten nicht größer sein."


    In diesem Moment beschloß sie Marcus für diesen Abend einfach zu vergessen. Ja, sie hatte lange genug deswegen gelitten, aber diese Zeiten waren jetzt vorbei. Erneut sah sie zu Caius Flavius hoch, doch diesmal war ihr Blick offener. Nun konnte man erkennen, dass sie sich auf das Fest wirklich freute und die Anwesenheit ihres Gegenübers genoß. Es würde ein schöner Abend werden, dafür würde sie sorgen!

    In den nächsten Augenblicken hatte Helena das Gefühl als würde sie schweben. Marcus Stimme war sanft, fast zärtlich als er ihren Namen aussprach. Wie sehr hatte sie sich gewünscht das zu hören! Ihre Augen begannen zu leuchten und die kränliche Blässe auf ihren Wangen wurde von einer leichten Rötung abgelöst. Marcus hatte ihren Kummer verstanden, besser noch, er fühlte genauso. Die Umarmung war die letzte Bestätigung dafür. Helena schloß die Augen und kuschelte sich an Marcus' Brust. Tief atmete sie seinen Duft ein und ihr Herz klopfte schneller. Würde er sie jetzt küssen? Helena hatte fast das Gefühl, als würden ihre Lippen brennen vor Verlangen. Sanft ließ sie eine Hand über seinen Rücken wandern. Dieser Moment konnte nicht schöner sein.


    Doch dann...Helena hatte sich noch nie geprügelt, aber ein heftiger Schlag in den Magen musste sich so ähnlich anfühlen. Im ersten Moment begriff sie gar nicht, was Marcus da sagte. Es passte nicht in diesen Traum, der sich gerade für sie erfüllte. Doch dann drangen die Vorwürfe hinter seinen Worten zu ihr durch und sie versteifte sich in seinen Armen. Vollkommen unfähig etwas zu tun stand sie einfach nur da. Warum sagte er das? Ihre Hände fielen von seinem Rücken und hingen leblos an ihrer Seite herab. Unendlich langsam löste Helena sich von Marcus. Wortlos ging sie an ihm vorbei zum Tisch hinüber. Mechanisch griff sie nach ihrem Becher, ohne jedoch etwas davon zu trinken. Es kostete sie all ihre Kraft zu ihm aufzusehen.


    "Marcus, was... wie kommst du darauf? Ich..."


    Als ihr bewusst wurde was das alles bedeutete stiegen Tränen in ihren Augen auf. Er hatte sie nicht verstanden! Stattdessen warf er ihr vor sich unsittlich verhalten zu haben. Er befürchtete, dass sie ihm und ihrer Familie Schande bereitete. Das Glück, das sie gerade noch verspürt hatte verwandelte sich so schnell in Wut und Verzweiflung, dass sie fast meinte den Schmerz körperlich zu spüren. Helena krümmte sich leicht, so dass die Tränen aus ihren Augen den Weg auf ihre Wangen fanden. Heiß liefen sie über ihre Haut, die unnatürlich kalt war. Helena wusste, dass ihre Stimme zittern würde wenn sie jetzt sprach, aber sie tat es trotzdem.


    "Ich bin nicht schwanger, Marcus! Wie kommst du dazu mir soetwas vorzuwerfen? Ich würde nie Schande über unsere Familie bringen! Nie!" Helenas Stimme wurde während sie sprach immer lauter. Ein Ausdruck ihrer Verzweiflung, denn normalerweise war sie recht besonnen. "Ich glaube es ist jetzt besser wenn du gehst. Lass mich alleine! VERSCHWINDE!" Das letzte Wort hatte sie geschrien. Unfähig etwas dagegen zu tun, sich auch nur ein wenig zu beherrschen hob sie den Becher und warf ihn in Marcus Richtung. Mit einem lauten Scheppern knallte er an die Wand und landete schließlich auf dem Boden.

    Es hatte lange gedauert bis Helena mit ihrem Äußeren so zufrieden war, dass sie sich hinunter ins atrium getraut hatte. Wie immer hatte sie von Marina und der extra angeforderten ornatrix alles abverlangt, denn sie wollte perfekt aussehen. Nun stand sie, gekleidet in einer hellblauen Tunika auf der Treppe die hinunter führte und warf einen Blick in die Halle. Sie war stolz auf die Dekoration, die sie und die anderen Frauen in die Wege geleitet hatten. Momentan war niemand zu sehen und Helena nutzte diese Gelegenheit, um noch einmal den Sitz ihrer Kleidung und ihrer Frisur zu überprüfen. Es hatte sehr lange gedauert, bis sich ihre widerspenstigen Haare zu Locken hatten drehen lassen, aber es hatt sich gelohnt. Nun fielen ihr nur noch zwei Strähnen ins Gesicht, während die restlichen Haare geschickt aufgesteckt worden waren.


    Helena spürte, wie es in ihrem Magen angenehm kribbelte. Das Fest war ein großes Ereignis. Besonderns für sie, denn immerhin war sie lange fort gewesen und hatte es bis jetzt nicht geschafft alle bekannten Gesichter von früher wieder zu sehen. Das würde sich nun ändern. So wie es sich anhörte waren auch schon einige Gäste da. Sie kam also zu spät, aber ziemte es sich nicht für eine Frau ein wenig später zu kommen? Helena lächelte bei diesem Gedanken und ging langsam die Treppe hinunter. Der seidene Stoff ihrer Tunika raschelte leise bei jedem Schritt, doch Helena horchte nicht darauf, sondern auf die Stimmen, die aus dem atrium zu ihr hinüber klangen. War da nicht Marcus' Stimme? Und auch Prisca meinte sie zu hören. Helena atmete noch einmal tief durch, bevor sie sich den Blicken der Anderen stellte.


    Marcus war wirklich schon da und sie lächelte kurz zu ihm hinüber, bevor sie sich ersteinmal umsah. Von den vielen Gästen, die sie eingeladen hatten waren noch niemand da. Bis jetzt waren nur die Bewohner der Villa anwesend und doch...Helenas Blick fiel auf die Frau, die sich gerade mit Prisca unterhielt und die ihr vollkommen unbekannt war. Helena hatte eigentlich vorgehabt, sich zu Prisa zu gesellen, aber sie wollte das Gespräch nicht stören. Stattdessen ging sie zu den Männern hinüber um sie zu begrüßen. Keinen von ihnen hatte sie am heutigen Tag schon gesehen, denn sie war viel zu beschäftigt mit den Vorbereitungen des Festes gewesen. Die Drei schienen recht ausgelassen zu sein und auch auf Helenas Lippen bildete sich ein schelmisches Grinsen, während sie kurz den Kopf zur Begrüßung neigte.


    "Salvete! Wartet ihr etwa auf mich? Das wird ein wunderbarer Abend werden, das spüre ich. Bei der Anwesenheit von drei so charmaten Herren kann es gar nicht anders sein."

    Wie würde Marcus reagieren? Immerhin hatte Helena gerade zugegeben, dass sie gelogen hatte. Mittlerweile hatte sie den Kopf wieder gesenkt, doch bewegen konnte sie sich nicht. Es war, als hätte jemand sie am Boden festgenagelt. Ihr Köper war seltsam gefühllos und ihre Hände waren kalt. Müsste es nicht anders sein? Sollte es nicht befreiend sein ihre Gefühle endlich eingestehen zu können? Wie auch immer es eigentlich sein sollte, sie fühlte sich schrecklich. Als Helena hörte wie Marcus sich erhob zog sie wie zum Schutz die Schultern hoch. Wahrscheinlich würde er jetzt gehen und sie mit dem Chaos in ihrem Inneren alleine lassen. Aber stattdessen spürte sie plötzlich seine Hand auf ihrer Schulter. Sie konnte nicht verhindern, dass sie zusammenzuckte als hätte sie sich an etwas furchtbar Heißem verbrannt. Vielleicht war ihm nun doch bewust geworden was sie wirklich quälte. Seine Worten drangen nur langsam zu ihr durch und hinterließen einen verwirrten Gesichtsausdruck.


    "Was? Einen medicus? Nein,...ich..."


    Helena verstummte und endlich traute sie sich auch wieder ihn anzusehen. Als würde sie in Marcus' Augen nach einer Antwort suchen ruhte ihr Blick einen Moment auf ihm, bevor sie den Kopf schüttelte. Seine Hand ruhte immer noch auf ihrer Schulter und obwohl sie nicht damit gerechnet hatte spendete sie ihr doch soetwas wie Trost. Ihm war nicht egal wie es ihr ging. Sie bedeutete ihm etwas! Mit zittrigen Händen strich sie sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und trat dann ein Stück zurück, so dass seine Hand von ihrer Schulter rutschte. Sie wollte nicht getröstet werden, denn sonst würde sie sich nie trauen ihm die Wahrheit zu sagen. Wie schon kurz zuvor huschte ihr Blick durch das Zimmer und blieb schließlich auf dem Bett hängen. Vielleicht träumte sie ja und würde gleich wieder aufwachen. Allein und bequem gebettet auf ihren Kissen.


    "Auch ein medicus wird mir nicht helfen können, es sei denn er kennt sich in Herzensangelegenheiten aus."


    Wäre es nicht schön, wenn es ein Medikament gegen Liebeskummer geben würde? Dann würde sie jetzt hier mit Marcus sitzen, sich ungezwungen unterhalten, lachen...aber so? Wenn sie nicht doch noch einen Rückzieher machen würde, würde sich ihr Leben ab heute vollkommen verändern. Und wie Marcus darauf reagieren würde, konnte sie sich noch nicht einmal vorstellen. In ihren Träumen nahm er sie in die Arme, gestand ihr, dass es ihm ebenso ging, dass er sie liebte, schon seit Langem. Ein tiefer Seufzer drang über Helenas Lippen. Sie hatte sich schon zu weit vorgewagt.

    Betriebe? Was interessierten sie schon die Betriebe ihres Vaters? Die Vernunft sagte ihr, dass es klüger wäre zuzuhören und keine übereilten Entscheidungen zu treffen, aber ihre Gefühle hatten in diesem Moment eindeutig die Überhand. Da konnte sie sich noch so sehr mahnen sich zu konzentrieren. Marcus war sicherlich überrascht, dass sie ihm keine Fragen stellte und wahrscheinlich war er nicht gerade begeistert davon. Zeigte das nicht, dass sie für geschäftliche Dinge noch zu unerfahren war? Gut, sie hatte keine Ahnung davon, aber das hätte sie ja nicht so zeigen müssen! Jetzt war es zu spät sich darüber Gedanken zu machen. Viel eher war sie damit beschäftigt ihre Übelkeit unter Kontrolle zu bekommen.


    Und das machte sie scheinbar nicht besonders gut. Ihre Maske schien für einen Moment gefallen zu sein. Lang genug, dass Marcus etwas von ihren wahren Gefühlen erkannt hatte. Erschrocken blitzen Helenas Augen auf als sie ihn ansah. Sie öffnete den Mund um beruhigende Worte zu sagen, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Stattdessen stand sie ruckartig auf und ging an Marcus vorbei zum anderen Ende des Zimmers. Eine Hand presste sie auf ihren Bauch, doch der Dämon, der schon wochenlang in ihrem Inneren schlummerte, zog die Krallen diesmal nicht mehr ein. Wie ein wildes Tier verlangte es nach draußen. Helena warf einen hastigen Blick zur Tür, sie war kurz davor einfach Reißaus zu nehmen. Doch sie bewegte sich nicht und starrte stattdessen auf einen imaginären Punkt an der Wand.


    "Ich...ähm... mir geht es gut..."


    Schon als sie das sagte bemerkte sie, dass ihr Stimme keinesfalls überzeugend klang. Unruhig biss sie auf ihrer Unterlippe herum, bis diese weh tat. Es ging nicht mehr! Sie konnte Marcus nicht anlügen. Aber konnte sie ihm die Wahrheit sagen? Helena warf den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Hatte den niemand Mitleid mit ihr? Irgendein Sklave vielleicht, der in diesem Moment mit einer unheimlich wichtigen Nachricht hereinkam? Leider nicht. Als sie schließlich sprach klang ihre Stimme zittrig und sie traute sich nicht sich zu Marcus herum zu drehen.


    "Nein, das ist gelogen. Mir geht es nicht gut..."

    Marcus blieb, also hatte Helena diese Hürde schonmal überwunden. Und er hatte scheinbar auch noch etwas, worüber er mit ihr reden wollte. Besser gesagt zwei Dinge. Sie wunderte sich über seinen plötzlich recht neutralen Gesichtsausdruck, doch sobald er sein erstes Anliegen vorgetragen hatte, wusste sie warum er sich so verhielt. Für sie kam das allerdings recht plötzlich und riss sie so unsanft aus ihren Tagträumen, dass sie im ersten Moment nicht verhindern konnte, dass sie ein wenig blass wurde. Das einige Freunde zum Essen kommen wollten war nicht weiter schlimm. In der Villa gingen tagtäglich Freunde, Bekannte und Bittsteller ein und aus, die auch mal zum Essen blieben. Das allerdings auch Tiberius Durus kam, und zwar alleine, konnte nur eines bedeuten. Die Gedanken an eine Heirat, die Helena nun schon monatelang verdrängte, kamen nun mit Macht zurück und diesmal würden sie sich nicht wieder so einfach verscheuchen lassen. Dafür hatte Marcus nun gesorgt.


    Helena wusste nicht, ob Marcus gesehen hatte was in ihr vor ging, deswegen senkte sie ihren Blick und verbarg das Gesicht schließlich hinter ihrem Becher. Während sie trank versuchte sie sich wieder in den Griff zu bekommen. Rein gefühllos gesehen war Tiberius Durus eine gute Partie. Sie kannte ihn zwar nicht gut, aber er war ein gutaussehender Mann und zudem war er Senator. Etwas Besseres konnte ihr eigentlich nicht passieren. Aber Helena war eine Frau, der es recht schwer fiel ihre Gefühle zu unterdrücken. Was hatte Marcus gesagt? Auch Prisca würde an diesem Essen teilnehmen? Da blieb ja immerhin noch die Möglichkeit, dass er sich für sie entschied. Erst nachdem Helena sich sicher war, dass ihr der Schreck nicht mehr ins Gesicht geschrieben stand setzte sie den Becher wieder ab. Sie schaffte sogar ein einigermaßen freundliches Lächeln.


    "Natürlich werde ich an diesem Essen teilnehmen, wenn du das wünscht."


    Was sollte sie auch anders sagen? Sie hatte keine Wahl, außer sie würde sich entschuldigen lassen. Vielleicht konnte sie ihre Kopfschmerzen vorschieben? Helena hatte gar keine Möglichkeit länger darüber nachzudenken, denn Marcus sprach schon weiter. Und bei diesem Thema war es wichtig, dass Helena konzentriert zuhörte. Deswegen runzelte sie kurz die Stirn und setzte sich dann gerader hin. Wieder sprach er von Heirat, doch wichtiger war, was er über ihren Vater sagte. Helena wusste, dass man in diesem Haus nicht gerne von ihm sprach und zu hören, dass er jetzt auch noch einen illegalen Betrieb besessen hatte verstärkte ihren Groll noch. Marcus wollte also ihr Treuhänder sein. Da sprach nichts gegen, denn Helena hätte eh nicht gewusst, was sie mit den Betrieben hätte anstellen sollen und zudem vertraute sie Marcus vollkommen. Deswegen nickte sie auch kurz, während sie ihre Hände im Schoß zusammenfaltete.


    "Es würde mich freuen, wenn du dich darum kümmern könntest bis...ich heirate."


    Die Knöchel ihrer Finger traten weiß hervor, da sie ihre Hände mit Gewalt zusammenpresste. Spürte er es denn nicht? Natürlich nicht, denn sie war eine gute Schauspielerin und soalnge sie ihre Maske nicht fallen ließ, würde er weiter ahnungslos bleiben. Dieses Prickeln, was sie gerade noch verspürt hatte war nun dem dumpfen Gefühl der Verzweiflung gewichen. Einer Verzweiflung, die sie wohl so schnell nicht wieder loslassen würde. Helena blickte auf ihre Hände und atmete tief durch. Ihr war übel.