Beiträge von Aurelia Helena

    Marcus schien ungeahnt gute Laune zu haben. Helena sah immer wieder zu ihm hoch während sie über den Markt schlenderten. Bis zum heutigen Tag hatte sie ihn immer nur müde und erschöpft gesehen, von seiner Arbeit vollkommen beansprucht. Doch jetzt schien er wie ausgewechselt. Helena machte sich nicht die Illusion, dass es an ihr lag. Aber zumindest schien ihm der Spaziergang mit ihr Spaß zu machen. Bei seinen Worten schmunzelte Helena und wandte dann ebenfalls den Kopf, um sich ein wenig genauer umzusehen. Die Menschen hier waren größer und ihre Hautfarbe um einiges heller. Zudem fand man fast nur blonde Haare. Helenas Blick blieb ein wenig länger auf einer jungen Frau hängen, die ihre blonde Haarpracht offen zu Schau stellte. Da konnte man fast neidisch werden. Trotzdem musste sie zugeben, dass auch hier einige recht ansehnliche Kleider zu finden waren. Zwar waren die Schnitte anders und auch der Stoff schien irgendwie auf eine andere Art und Weise hergestellt zu werden, und doch gefiel ihr das was sie sah.


    "Nun, ist es nicht für eine Frau, die etwas auf sich hält, normal viele Kleider zu besitzen? Stell dir doch mal vor wie peinlich es wäre zweimal hintereinander das gleiche Kleid auf einer Feier zu tragen. Oder schlimmer noch: Eine andere Frau trägt genau das Gleiche! Unvorstellbar sowas!"


    Helenas Stimme klang ernst, doch nachdem sie geendet hatte fing sie an zu grinsen. Auch sie legte viel Wert auf stilgerechte Kleidung, aber man konnte es auch übertreiben. Zumal sie auch nicht genug Geld zur Verfügung hatte, um sich so viele Kleider zu kaufen. Das Grinsen wurde noch ein wenig breiter, als Marcus ihr einen weiteren Hinweis für sein kleines Geheimnis gab. Allerdings wurde dieses Grinsen bald von einem nachdenklichen Gesichtsausdruck abgelöst. Er wollte auf den Tiermarkt? Was hatte er denn da zu suchen? Nach einem Pferd konnte er sich kaum umsehen. Helena ging davon aus, dass das Geschenk für Deandra sein sollte und ihr würde er mit Sicherheit kein Pferd kaufen. Aber vielleicht einen von diesen schönen Singvögeln, die sie auf den italienischen Märkten schon des Öfteren gesehen hatte. Gab es die in Germanien überhaupt?


    "Du machst es aber wirklich spannend. Ich muss zugeben, dass ich immer noch neugierig bin, aber es könnte alles mögliche sein. Am Besten ist wohl, ich warte bis ich es selbst sehe. Falls ich bis dahin nicht vor Neugier gestorben bin."


    Sie zog einen kleinen Schmollmund, doch da Marcus sich gerade einem Obsthändler zuwandte sah er das nicht. Helena blieb ebenfalls stehen und bei dem süßen Angebot lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Deswegen nickte sie auch erfreut und wies auf die Maroni. Während Marcus mit dem Händler verhandelte dachte sie über Sisenna nach. Als Marcus wieder zu ihr trat hatte sie eine Entscheidnung getroffen.


    "Also Puppen hat sie mit Sicherheit genug. Aber eine Kette wäre nett. Vielleicht etwas, was sie an Germanien erinnert. Etwas, das für Germanien steht vielleicht. Aber auch da kennst du dich besser aus. Du müsstest mich also beraten."

    "Nun, man kann ja nicht etwas vermissen was man nicht kennt, nicht wahr?"


    Helena lächelte leicht, auch wenn ihr nicht danach war. Sie hatte nicht gelogen. Bis jetzt wusste sie nicht was es für ein Gefühl war geliebt zu werden. Da Deandra allerdings so gestrahlt hatte als sie Marcus erwähnte, musste es ein sehr schönes Gefühl sein. Sie sollte also ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Wenn überhaupt war das nur in einem kleinen Rahmen möglich. Vielleicht im Rahmen der Familie, obwohl ihr auch da nicht viele Möglichkeiten offen standen. Allerdings hatte Deandra Recht. So wie es im Moment lief konnte es nicht weitergehen. Die Gestaltung des Gartens war ein kleiner Anfang, aber sie würde sich etwas suchen woran sie Spaß hatte und wo sie sinnvoll ihre Zeit für einsetzten konnte.


    Helena wiegte ihren Kopf leicht nachdenklich hin und her und kickte dabei einen kleinen Stein zur Seite. Während sie seiner Bahn mit den Augen folgte lauschte sie Deandra weiterhin. Glücklicherweise konnte sie ihr Gesicht nur von der Seite sehen und bekam deswegen hoffentlich nicht mir, wie sich Helenas Augen bei ihren Worten weiteten. Hindernis? Du bist das Hindernis, Deandra! Helena presste ihre Lippen zusammen und schloß kurz die Augen um einen klaren Kopf zu behalten. In ihrem Inneren tobte es, doch sie versuchte einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu behalten. Wenn Deandra wüsste was gerade in ihr vorging...darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.


    "Ja, ich verstehe was du meinst. Wobei aber die Entscheidung, ob man einen anderen Weg geht oder ob man das Hindernis umrundet die schwierigste Entscheidung bei der ganzen Sache ist. Man kann so viel falsch machen..."


    Was würde wohl geschehen, wenn sie Marcus ihre Gefühle offenbarte und offensichtlich anfing um ihn zu kämpfen? Da war es doch einfacher ihn zu vergessen, zumal sie mittlerweile wusste, dass ihre Chancen gegen Null gingen. Also der andere Weg. Wieder etwas was für eine Beschäftigung in ihrem Leben sprach. So musste sie wenigstens nicht mehr ständig daran denken. Auch Helena stoppte als sie die Begrenzung erreichten. Während sie sich umdrehte um den Weg zurück zu gehen beschloß sie ein anderes Thema anzuschneiden, um ihres eigenen Seelenfriedens.


    "Sag mal, was ist eigentlich zwischen dir und Camryn vorgefallen?"


    Zwar wusste sie das schon von Marcus, aber sie wollte es aus Deandras Mund hören. Die Frage war natürlich, ob sie ihr davon erzählen würde. Sie standen sich für so ein Gespräch eigentlich nicht nahe genug. Trotzdem würde Helena gerne Deandras Seite der Geschichte hören. Vielleicht schätze Marcus sie ja vollkommen falsch ein.

    Der Vorschlag einen kleinen Spaziergang zu machen überraschte Helena ein wenig, denn sie hatte eher vermutet, dass Deandra die Sklaven weiter im Auge behalten wollte. Trotzdem nickte Helena kurz um ihre Zustimmung zu zeigen und folgt ihr dann zum Wildpark. Deandra schien eine Weile über ihre Worte nachdenken zu müssen und auch Helena schwieg, denn dieses Thema behagte ihr nicht sehr. Es befand sich viel zu nahe an Marcus und das war in der Gegenwart seiner Verlobten gefährlich. Sie durfte sich auf keinen Fall verplappern, aber einen Rückzieher konnte sie jetzt auch nicht mehr machen. Das wäre noch viel auffälliger gewesen. Da Helena ein wenig nervös war zupfte sie an dem Saum ihres Umhanges herum. Schnell jedoch schloß sie ihre Hand zu einer Faust und presste sie gegen ihre Seite. Wenn sie so weiter machte, dann brauchte sie überhaupt nichts mehr zu sagen um Deandra mißtrauisch zu machen.


    Als ihre Begleiterin wieder zu sprechen begann wandte Helena sich ihr zu und lächelte leicht. Ihre Worte klangen ein wenig hochtrabend, aber sie wurden mit so einer Überzeugung rübergebracht, dass Helena nachdenklich wurde. War sie wirklich selbst für ihr Glück verantwortlich? Wie konnte man im Inneren glücklich sein, wenn die äußeren Anzeichen vollkommen dagegen sprachen? Das hieße doch, dass man in einer Traumwelt lebte. Trotzdem verstand Helena zumindest ungefähr was Deandra ihr sagen wollte. Es hatte keinen Sinn nur zu klagen. Man musste selbst etwas tun, um das Schicksal wenigstens zu beeinflußen, wenn man es schon nicht ändern konnte.


    "Vielleicht hast du sogar Recht. Trotzdem muss man erstmal etwas finden was einen glücklich macht um es im Inneren Pflegen zu können."


    Die Tiefsinnigkeit dieses Gesprächs überraschte Helena. Eigentlich hatte sie vermutete, dass Deandra eine der Letzten sein wüde, mit der sie so sprechen würde. Ohne sie wirklich zu kennen hatte sie beschloßen, dass sie Deandra nicht leiden konnte. Allein aus dem Grund, da sie Marcus' Verlobte war und ihn somit für sie unerreichbar machte. Jetzt jedoch stellte sie fest, dass man sich mit ihr gut unterhalten konnte. Die Bemerkung über jemanden, mit dem man sein Glück teilen konnte bschloß Helena einfach zu überhören. So wollte nicht an Marcus denken, was allerdings durch die Anwesenheit Deandras nicht gerade einfach war. Viel interessanter waren da doch ihre Worte über Beschwerden. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, dass Deandra ihrem Unmut Luft machte wenn es nötig war. Oder eben einer Sklavin auf die Nase schlug wenn ihr danach war. Helena schmunzelte leicht bei diesem Gedanken, wurde dann aber wieder ernst.


    "Ist es nicht schon eine Beschwerde sich einer Gegenbenheit nicht unterzuordnen? Man erwartet doch von uns Frauen das wir uns fügen, egal was wir dabei denken oder fühlen. Zumindest ist mir das in den letzten vier Jahren so begebracht worden. Aber dazu kann ich nicht viel sagen. Bei meiner Tante zog freie Meinungsäußerung meistens Bestrafung nach sich. Irgendwann lernt man einfach sich zurück zu halten und es einfach hinzunehmen. Vielleicht wird sich das mit der Zeit wieder ändern."


    Ein leichter Windstoß fuhr durch Helenas Haare und trieb ihr ein paar Strähnen ins Gesicht. Sie hob eine Hand und schob sie wieder hinter das Ohr zurück, während ihr Blick an einer großen Tanne hing. Wieviele solcher Gespräche hatte dieser Baum wohl schon gehört? Bei seiner Größe musste er etliche Jahre alt sein. Plötzlich fröstelte Helena, was zu einem Teil auch an Deandras Antwort auf ihre Frage lag. Natürlich war sie glücklich! Immerhin hatte sie Marcus. Ein leises Seufzen drang über Helenas Lippen und sie wandte den Blick ab, damit Deandra das Flackern in ihren Augen nicht sehen konnte.


    "Auch dazu kann ich nichts sagen. Bis zum heutigen Tag hat mich noch niemand geliebt und das wird in nächster Zeit wohl auch nicht passieren."

    Irgendwie war die Stimmung im Raum seltsam. Da Helena nicht gehört hatte, worüber sich die Beiden unterhalten hatten brachten Vermutungen sie auch nicht weiter. Zumindest aber sah es nicht so aus, als hätten sie sich gestritten. Marcus hielt ihr seinen Teller hin, auf dem einige Köstlichkeiten lagen und zeigte ihr damit, dass sie noch nicht angefangen hatten zu essen. Helena seufzte erleichtert und gab einem Sklaven dann ebenfalls ein Zeichen, dass sie etwas zu essen haben wollte. Marcus wurde indess wieder ernst und erzählte ihr, dass ihre Tante Severina schwer krank war. Helena schluckte und es wurde ihr schwer ums Herz. Severina war Marcus Mutter. Dementsprechend musste er sich gerade fühlen. Helena beugte sich ein wenig zur Seite und legte ihre Hand auf Marcus Unterarm.


    "Das tut mir sehr leid, Marcus!"


    Mehr sagte sie nicht, denn in so einer Situation waren die meisten Worte fehl am Platz. Zudem kam diese Nachricht vollkommen überraschend und hatten sie unvorbereitet getroffen. Trotzdem schenkte sie ihm ein mitfühlendes Lächeln. Mehr konnte sie nicht für ihn tun und sicherlich würde er eher mit Deanda als mit ihr über seine Sorgen reden. Auch Deandra hatte sie kurz begrüßt, sich dann aber wieder direkt an Marcus gewandt um ihr Gespräch fortzuführen. Damit war der Versuch eines Themenwechsels von Marcus hinfällig, obwohl Helena nicht umhin kam kurz amüsiert zu grinsen. Sie lehnte sich wieder auf ihrer Liege zurück und griff nach dem Teller, den der Sklave ihr reichte. Sie schwieg, denn es gab nichts was sie sagen konnte. In dieses Gespräch mischte sie sich besser nicht ein, denn immerhin kannten Marcus und Deandra Severina wesentlich besser als sie.


    Vorsichtig begann sie zu essen und bemühte sich dabei die Beiden nicht anzusehen. Helena wollte nicht das Gefühl vermitteln das sie lauschte, obwohl das recht schwierig war, immerhin saß sie direkt daneben. Ein Gefühl der Ausgeschloßenheit machte sich in ihr breit, auch wenn sie selbst wusste wie albern das war. Gerne wäre sie jetzt mit Marcus alleine um mit ihm zu reden und ihn zu trösten. Immerhin hatte er schon einmal ihren Rat gesucht. Da sie ziemlich hungrig war leerte sich der Teller recht schnell. Zwar hätte sie noch etwas zu sich nehmen können, doch stattdessen stellte sie den Teller auf einem kleinen Beitisch ab und richtete sich wieder auf.


    "Vielleicht sollte ich euch besser alleine lassen. Ihr habt mit Sicherheit einiges zu bereden."

    Helena lächelte als sie die Zustimmung Deandras bekam. Unweigerlcih würde sie sich bei dieser Arbeit die Hände schmutzig machen, aber das war ihr egal. Was Gartenarbeit betraf machte sie da gerne eine Ausnahme, zumal sie dann endlich etwas Sinnvolles zu tun hatte. Natürlich würde sie die schwereren Vorarbeiten einem Sklaven überlassen, aber das Pflanzen der Rosen würde sie selbst übernehmen. Deandra schien zum wiederholten Male an diesem Tag abwesend zu sein. Ihre Gedanken schienen nicht im Garten bleiben zu wollen, auch wenn sie den Sklaven genaue Anweisungen gab wie sie vorgehen sollten. Ob die Männer alles so ausführen würden wie sie es sich wünschte war fraglich. Den meisten Sklaven musste man eine Anweisung mehrmals geben bevor sie sie verstanden.


    Auch danach schwieg Deandra weiterhin und beobachtete die Sklaven bei ihrer Arbeit. Helena war kurz davor sich zu verabschieden, da sie das Gefühl bekam Deandra zu stören. Doch dann stellte sie eine Frage, mit der Helena absolut nicht gerechnet hatte. Dementsprechen blinzelte sie ein paar Mal verwirrt, während sie über diese Frage nachdachte. Was sie glücklich? Sie selbst hatte sich diese Frage noch nie gestellt. Es war nicht ihre Entscheidung gewesen hier her zu kommen, aber sie hatte auch nichts dagegen tun können. Und dann war da auch noch Marcus, für den sie Gefühle hegte, die nicht da sein durften. Aber davon würde sie Deandra nichts erzählen, denn dann wäre der Frieden zwischen den beiden Frauen unweigerlich verloren.


    "Glücklich...wann ist man denn wirklich glücklich? Ich hatte mich darauf gefreut nach Hause zu kommen, doch als ich in Mantua ankam, war so gut wie niemand von meiner Familie anwesend. Nur Marcus war da und er wusste noch nicht einmal, dass ich nach Hause zurückkehre. Ein freudiges Willkommen stell ich mir eigentlich ein wenig anders vor." Helena seufzte und machte dann eine weitausholende Geste, die nicht nur den Garten, sondern ganz Germanien einzuschließen schien. "Zudem teilte Marcus mir noch am gleichen Abend mit, dass wir nicht in Mantua bleiben würden. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich nicht begeistert war ihn nach Germanien begleiten zu müssen. Ich war vier Jahre in Spanien und hatte mich auf meine Heimat gefreut. Aber naja, einer wohlerzogenen Frau steht es nicht zu sich zu beschweren, nicht wahr? Da ist das persönliche Glück erstmal unwichtig."


    Nein, glücklich war sie im Moment wirklich nicht. Sie wusste aber, dass der Aufenthalt in Germanien nicht von Dauer sein würde und deswegen würde sie sich nicht bei Marcus beschweren. Zudem passte das nicht zu dem Bild, das sie ihm vermitteln wollte. Noch immer gab es einen kleinen Funken Hoffnung in ihr, dass er irgendwann doch seine Gefühle für die entdecken würde. Auch wenn ihm dafür wahrlich nicht mehr viel Zeit blieb. Helena schüttelte kurz den Kopf und sah dann wieder zu Deandra.


    "Und was ist mit dir? Bist du glücklich?"

    Helena wartete schweigend bis Deandra mit ihrer Sklavin die letzten Details besprochen hatte. Ihre Gedanken wanderten unweigerlich zurück zu ihrer Tante nach Spanien. Obwohl sie die ältere Dame und ihre strengen Erziehungsmethoden gehasst hatte, musste sie nun zugeben, dass sie sie vermisste. Zumindest ein klein wenig. Das lag aber wahrscheinlich eher daran, dass sie hier kaum jemanden kannte. Marcus hatte kaum Zeit, Deandra und sie waren noch nicht wirklich miteinander warm geworden und die Sklaven waren wenn überhaupt nur für ein kurzes Gespräch gut. Helene verdrängte diese unschönen Gedanken mit der Vorstellung von blühenden Blumen, die spätestens im kommenden Frühjahr den Garten in ein kleines Paradies umwandeln würden. Als Deandra wieder zu ihr sprach bildete sich ein kleines Lächeln auf ihren Lippen.


    "Schön, dass dir der Vorschlag gefällt. Wenn du nichts dagegen hast würde ich mich gerne darum kümmern."


    Helena bemerkte wie Deandras Augen einen Moment träumerisch wurden. Diesen Moment nutze sie um über ihre Worte über Camryn nachzudenken. Scheinbar konnte Deandra die Sklavin wirklich nicht leiden. Helena gingen Marcus Worte über den Grund dieser Abneigung durch den Kopf. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Deandra sich durch die Sklavin wirklich bedroht fühlte. Dafür war sie viel zu selbstbewusst. Wahrscheinlich behagte ihr die Vorstellung nicht, Marcus möglicherweise teilen zu müssen. Helena hätte sie in dieser Hinsicht beruhigen können, aber sie hielt sich zurück. Deandra würde es sicher nicht toll finden wenn sie erfuhr, dass Marcus mit seiner Cousine über das Ganze gesprochen hatte. Als sie bemerkte, dass Deandra wieder bei der Sache war sprach sie weiter.


    "Wann möchtest du eigentlich anfangen? Ich denke es wird ein wenig dauern bis alle Pflanzen hier ankommen."

    Der Tag war recht anstrengend gewesen, deswegen hatte Helena sich schon am Nachmittag in ihr cubiculum zurück gezogen. Müde wie sie war schlief sie auf der Liege ein und träumte von Mantua. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen, das erst verschwand als es an der Tür klopfte. Helena öffnete verschlafen die Augen und gähnte ausgiebig. Es war schon sehr spät und im Zimmer war es dunkel. Mit Schrecken dachte sie, dass sie das gemeinsame Abendessen mit Marcus und Deandra verschlafen hatte. Hastig richtete sie sich auf und fuhr kurz über ihre Tunika, die durch den Schlaf ein wenig knittrig geworden war. Erst dann rief sie den Wartenden vor der Tür hinein. Es war ein Sklave, der Helena davon unterrichtete, dass Marcus mittlerweile angekommen war und sie im Speisezimmer erwartete. Helena sankte ihm und atmete dann erleichtert auf. Sie hatte also nicht verschlafen, denn Marcus schien im castellum sehr beschäftigt gewesen zu sein.


    So wie sie jetzt aussah konnte sie allerdings nicht zu ihm gehen. Helena stand auf und öffnete die Tür um nach Marina zu rufen. Nur wenige Augenblicke später war ihre Leibsklavin damit beschäftigt eine passende Tunika aus einer der Truhen zu suchen, während Helena ihre Haare auskämmte. Bei einem dunkelgrünen Kleid nickte sie schließlich und stand auf um sich beim Anziehen helfen zu lassen. Der Stoff wurde mit mehreren goldfarbenen Kordeln geschickt am Körper gehalten und obwohl es recht schlicht war gefiel es Helena sehr gut. Nach einem kurzen Blick in den Spiegel entschied sie sich ihre Haare offen zu tragen. Für eine anspruchsvolle Frisur fehlte jetzt einfach die Zeit. Schon so kam sie zu spät. Zudem erwarteten sie keinen Besuch mehr und Marcus würde wohl kaum auffallen, dass sie anders aussah als sonst.


    Ihre Füße flogen fast als sie sich auf den Weg zum Speisesaal machte. Erst als sie die Stimmen von Marcus und Deandra hörte ging sie ein wenig langsamer. Sie wollte die Beiden ungern in einer prikären Situation erwischen, wobei sie eigentlich nicht davon ausging, dass Deandra sich auf soetwas einlassen würde. An der Tür angekommen räusperte Helena sich kurz bevor sie eintrat. Sie wusste nicht worüber die Beiden gerade sprachen, aber sie wollte ihnen zumindest di Möglichkeit geben rechtzeitig auf sie aufmerksam zu werden. Die Sklaven hatten das Essen schon gebracht und bei dem wunderbaren Geruch machte sich ihr Magen bemerkbar. Mit einem Lächeln nickte sie Deandra und Marcus zu und ging an ihnen vorbei um sich auf einer der freien Liegen nieder zu lassen.


    "Es tut mir leid, dass ich so spät komme. Die germanische Luft scheint mich recht schnell zu ermüden. Ich hoffe, ihr musstet jetzt nicht mit dem Essen auf mich warten."

    Wären die Sklaven nicht gewesen hätte Helena sich in der Menschenmenge auf dem Markt eindeutig unwohl gefühlt. So aber hatten sie wenigstens ein wenig Platz um sich herum und Helena musste nicht das Gefühl bekommen, als würde ihr jemand den Atem abschnüren. Das Marcus ihr anbot mit ihr zusammen zu einem Schneider zu gehen freute Helena sehr. Sie legte viel Wert auf ihr Aussehen und das Aussehen ihrer Kleidung. Momentan auch aus dem Grund, da sie Marcus beeindrucken wollte. Er hatte einen guten Geschmack und sicher wäre es hilfreich, wenn er ihr beratend zur Seite stehen würde. Zudem konnte sie so erfahren was er bei Frauen mochte und was nicht.


    "Nun, wenn dem so ist, dann lass uns zu einem Schneider gehen. Vielleicht kommt es noch so weit, dass ich mich für die germanische Mode begeister."


    Helena lächelte amüsiert und warf dann einen kurzen Blick auf Marcus Hand, die auf ihrer lag. Es war nur ein einfacher Einkaufsbummerl, aber träumen durfte sie trotzdem. Ob Deandra wohl eifersüchtig wäre, wenn sie sie so sehen könnte? Wahrscheinlich eher nicht, denn immerhin verhielten sie sich den Regeln entsprechend. Der träumerische Ausdruck in Helenas Augen verschwand und machte einem neugierigen Funkeln Platz als Marcus davon sprach, dass er ebenfalls etwas kaufen wollte. Er wurde nicht genauer und vielleicht war das sogar beabsichtigt von ihm. Sein Lächeln schien drauaf hin zu deuten. Ihre Neugier war jedenfalls geweckt.


    "Dann hast du mich also doch nicht ganz uneigennützig begleitet? Also sowas..." Helena schüttelte gespielt empört den Kopf und zwinkerte ihm dann gut gelaunt zu. "Verrätst du mir was du zu erwerben gedenkst oder soll ich es erraten?"


    Bei der Erwähnung ihrer Schwester wurde Helenas Gesichtsausdruck ein wenig nachdenklich. Als sie Mantua verlassen hatte um zu ihrer Tante zu gehen war ihre Schwester noch sehr jung gewesen. Und in den wenigen Tagen in Italien, bevor sie nach Germanien aufgebrochen waren hatte sie sie auch nicht gesehen. Sie wusste noch nicht einmal wie die Kleine mittlerweile aussah. Trotzdem würde sie sich sicher über ein Geschenk freuen. Das taten alle Kinder. Deswegen nickte Helena nach kurzem Überlegen.


    "Ja, das ist eine gute Idee. Obwohl ich zugeben muss, dass ich da wohl ein wenig fantasielos bin. Ein Spielzeug vielleicht? Oder ein kleines Schmuckstück?"

    Helena war überrascht und erfreut zugleich gewesen, als Marcus mit dem Vorschlag an sie heran getreten war zusammen in die Stadt zu gehen. Bis jetzt hatte Marcus kaum Zeit gehabt, denn seine neue Aufgabe beanspruchte ihn vollkommen. Nur selten hatte sie die Möglichkeit gehabt ein paar Worte mit ihm zu wechseln, deswegen freute sie sich um so mehr, dass er sich nun scheinbar den ganzen weitern Tag für sie freigenommen hatte. Deandra begleitete sie nicht. Helena kannte den Grund dafür nicht, wahrscheinlich hatte sie einfach keine Lust gehabt. Sie selbst konnte es kaum erwarten endlich die Stadt zu sehen, die für die nächste Zeit ihre Heimat war. Helena war noch nicht dazu gekommen die Villa für einen Stadtbummel zu verlassen, zumal sie nicht alleine hatte gehen wollen. Deswegen hatte sie auf seinen Vorschlag hin freudestrahlend genickt und sich sogleich zurückgezogen, um sich entsprechend zu kleiden.


    Schon in der Sänfte hörte man das geschäftige Treiben der Stadt. Helenas Wangen waren vor Aufregung leicht gerötet als die Sänfte schließlich anhielt. Mit fliegenden Händen überprüfte sie den Sitz ihres Umhangs und ihrer Haare, bevor sie den Vorhang zur Seite schon. Während sie ausstieg hob sie den Kopf und sah sich neugierig um. Die Sänftenträger hatten sie direkt zum Markt gebracht und nachdem Helena die letzten Tage abgeschieden in der Villa verbracht hatte, kam er der Lärmpegel nun ungeheuerlich vor. Die Menschenmenge war kaum zu übersehen und sie fühlte sich fast ein wenig verloren. Doch als sie Marcus sah, der ebenfalls aus seiner Sänfte ausgestiegen war huschte ein Lächeln über ihre Lippen. Leichtfüßig stieg Helena endgültig aus und ging zu Marcus hinüber, der ihr seinen Arm anbot. Mit einem dankbaren Nicken hakte sie sich unter. In seiner Nähe fühlte sie sich gleich besser. Bei seinen Worten schmunzelte sie und drückte leicht seinen Arm.


    "Ich war doch noch nie hier, Marcus. Ich verlasse mich da ganz auf dein Urteil. Du wirst schon wissen was sehenswert ist. Ich bräuchte ein paar neue Kleider, aber das muss nicht heute sein. Sicherlich hast du keine große Lust mich zu einem Schneider zu begleiten. Wo du doch schonmal soviel Zeit hast sollten wir sie für etwas Sinnvolleres nutzen. Zudem bist du doch sicher hier, weil du ebenfalls etwas kaufen möchtest. Vielleicht sollten wir dort zuerst hingehen?"


    Helena wusste nur zu genau, dass Marcus mit diesem heutigen Ausflug einfach nur nett zu seiner Cousine sein wollte. Trotzdem war sie sich sicher, dass er nicht so handeln würde, wenn er sie nicht zumindest mögen würde. In Anbetracht ihrer Vergangeheit war das schonmal ein guter Anfang. Helena ließ ihre Blicke schweifen und versuchte in dem Getümmel etwas zu erkennen. Im Endeffekt unterschied sich dieser Markt wirklich kaum von denen in Italien. Er war genauso laut, genauso bunt und genauso voller Gerüche wie zu Hause. Sie meinte den ein oder anderen neidischen Blick einer Frau zu sehen, doch das konnte sie sich auch einbilden. Trotzdem war sie im gewissen Maße stolz darauf mit ihm hier zu sein.

    Egal ob Deandra das geplant hatte oder nicht, sie nahm Helena mit den nächsten Worten ordentlich den Wind aus den Segeln. Sie hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass auch Deandra vorhaben könnte den Spielplatz zu nutzen. Zu ihrer Vertreidigung wäre vielleicht zu sagen, dass Deandra sich selbst bei diesem Vorschlag auch mit keinem Wort erwähnt hatte. Natürlich hatte Helena früher auch Freude an Ballspielen gehabt. Doch während ihrer Zeit in Spanien hatte sie dafür kaum Zeit gehabt und sich irgendwann einfach für andere Dinge interessiert. Mittlerweile kam ihr das Herumtoben auf einem Spielplatz kindisch vor. Aber möglicherweise würde sich das wieder ändern, wenn sie sah, wieviel Spaß Deandra hatte. Helena räusperte sich kurz und nickte dann.


    "Gut, also entsteht dort ein Spielplatz. Vielleicht kannst du mir die bekanntesten Ballspiele noch einmal zeigen. Ich befürchte, ich habe in Spanien das meiste verlernt."


    Das war zwar etwas ganz anderes als sie kurz zuvor noch von sich gegeben hatte, aber Helena hoffte, dass Deandra in diesen Worten soetwas wie eine Entschuldigung für ihre harschen Worte heraushören würde. In ihrem Alter war es nunmal nicht leicht sich zu beherrschen, auch wenn Helena sich wirklich bemühte. Deandra war mittlerweile ein Stück weiter gegangen um mit Aintzane zu reden. Helena folgte ihr schweigend und ließ dabei ihre Blicke weiterhin durch den Garten schweifen. Währenddessen lauschte sie dem Gespräch und nickte kurz anerkennend. Sie musste zugeben, dass Deandra sich scheinbar sehr gut mit den unterschiedlichesten Pflanzen auskannte. Wesentlich besser als sie selbst, auch wenn diese Erkenntnis sie ein wenig wurmte. Als Deandra sich ihr wieder zuwandte blieb Helena stehen und legte den Kopf leicht schief. Schließlich nickte sie lächelnd.


    "Ich denke, ich kann mir ungefähr vorstellen was du meinst, auch wenn ich jetzt kein konkretes Bild vor Augen habe. Der Garten meiner Tante war so wie du es nennst, langweilig. Zumindest von der Gestaltung her. Das hat mich aber nicht sonderlich interessiert, denn die schönen Blumen haben darüber hinweggetäuscht. Aber ich bin mir sicher, dass das was du dir denkst wunderbar aussehen wird."


    Sie wusste selbst nicht so genau warum sie auf einmal so freundlich war. Vielleicht hatte sie einfach keine Lust sich zu streiten, oder aber die ganze Sache machte ihr doch mehr Spaß als sie zugeben wollte. Obwohl sie dabei mit Deandra zusammen war. Sie trat ein Stück vor und warf einen Blick zurück auf den Pavillion. Das Gebäude an sich war sehr schön, aber es fehlte etwas Dekoration. Erneut hatte sie eine Idee, aber sie fragte sich, ob Deandra die auch wieder ablehnen würde. Auf einen Versuch musste sie es wohl ankommen lassen. Bevor sie Deandra allerdings danach fragen konnte hatte die sich schon wieder an Aintzane gewandt. Helena wartete einen Moment und mischte sich dann ein.


    "Vielleicht sollten wir auch Camryn fragen. Sie kennt sich damit sicher aus. Und ich hab da möglicherweise noch eine Idee. Was hälst du davon, wenn wir an dem Pabillion rankende Rosen pflanzen. Es wird eine Weile dauern, aber wenn sie erstmal eine bestimmte Höhe erreicht haben sieht es bestimmt toll aus. Und Rosen müssten hier ja auch wachsen."

    Helena folgte Deandras Blick und versuchte sich gleichzeitig vorzustellen, wie der Garten aussehen mochte, wenn sie erstmal Hand an ihn gelegt hatten. Es schien fast unmöglich zu sein, dem dichten Geflecht der Pflanzen überhaupt zu Leibe zu rücken, doch mit Hilfe einiger Sklaven dürfte das zu schaffen sein. Als Deandra auf eine bestimmte Stelle wies nickte Helena zustimmend. Dort gab es keine der hohen Tannen, sondern nur Gestrüpp und war somit wahrscheinlich am Besten geeignet, um zu einem gepflegten Stück Land umgearbeitet zu werden. Zumindest dachte Helena das. Deandra schien da andere Pläne zu haben. Helena hatte gehofft, dass die Sache mit dem Spielplatz vielleicht nur ein Scherz gewesen war. Immerhin musste Deandra doch wissen, dass sie 17 Jahre alt war. Doch scheinbar hatte sie sich da geirrt. Helena spürte wie ihr das Blut ins Gesicht schoß und der Unmut, der sich schon bei Deandras ersten Worten in ihr breit gemacht hatte brodelte nun an die Oberfläche.


    "Ich weiß ja nicht wie das bei dir war, als du 17 Jahre alt warst. Immerhin ist das ja schon einige Jahre her. Aber ich spiele schon seit längerem keine Ballspiele mehr. Wenn du also nicht ständig irgendwelche tobenden Nachbarskinder in deinem Garten haben willst, solltest du dir das mit dem Spielplatz nochmal überlegen."


    Helenas Augen blitzen als sie Deandra musterte, doch dann atmete sie tief durch und zwang sich zu einem Lächeln. Sie wusste, dass ihre Worte verletztend klangen und das hatte sie eigentlich nicht vor gehabt. Sie wollte sich nicht mit ihr streiten. Wobei das nicht an Deandra selbst lag, sondern eher an Marcus. Auch wenn es ihr gegen den Strich ging, jetzt sogar noch mehr als zuvor, so musste sie sich doch mit Deandra verstehen. Es wäre wohl das Beste, wenn sie versuchte einen Schritt auf die Frau zuzumachen, in der Hoffnung, dass sie ihr ihre Worte nicht übel nahm.


    "Meiner Meinung nach sollten wir lieber versuchen ein Blumenbeet anzulegen. Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, was es hier für Blumen gibt, aber es gibt sicher ein paar, die im Frühling in den schönsten Farben blühen. Das Beet wäre zudem nicht weit vom Pavillion entfernt und man hätte somit einen wunderbaren Blick auf die Pracht, wenn man dort sitzt."


    Anfangs klang Helenas Stimme noch ein wenig gezwungen, doch schon bald hörte man die Begeisterung heraus, die sie immer versprühte wenn es um einen Garten und dessen Gestaltung ging. Sollte sie irgendwann einmal verheiratet sein, dann würde sie sich höchstpersönlich um ihren Garten kümmern. Zumindest was die Planung betraf. Zwar war sie immer noch wütend, aber sie unterdrückte das Gefühl mit dem Gedanken, dass Deandra es wahrscheinlich einfach nicht besser wusste. Sie konnte nicht glauben, dass die Verlobte von Marcus das aus reiner Boshaftigkeit gesagt hatte.

    Als Helena leise Schritte hörte hob sie den Blick, der gerade noch eine Ameise auf dem Boden fixiert hatte. Deandra hatte in Begleitung einer wahren Horde von Sklaven den Garten betreten. Helena runzelte kurz die Stirn, stand dann jedoch mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen auf. Dieses Lächeln wurde ein wenig eisig, als sie Deandras Worte hörte. Helena blinzelte ein paar Mal, während sie sich bemühte ihren verletzten Stolz nicht zu zeigen. Ein bissiger Spruch lag ihr auf den Lippen, aber sie wusste, dass es keinen Sinn hatte mit Deandra zu streiten. Wahrscheinlich würde sie direkt danach zu Marcus laufen und Helena wollte auf jeden Fall einen Streit mit ihm vermeiden. Selbst wenn das hieß, sich wie ein kleines Kind behandeln lassen zu müssen. Trotzdem brauchte sie einen Moment, bis sie sicher war, dass ihre Stimme nicht zu kalt klang.


    "Salve, Deandra. Ich hoffe, du hattest eine angenehme erste Nacht in der Villa. Deine Idee ist gut. Ich würde dir gerne dabei helfen."


    Das Lächeln war immer noch da und sie vermied es bewusst auf die Nachbarskinder einzugehen. Ihr gefiel die Idee wirklich. Auch in Spanien hatte sie sich um ein paar ausgewählte Blumenbeete gekümmert, auch wenn die grobe Arbeit von einem Gärtner übernommen worden war. Helena liebte Blumen, doch jetzt fragte sie sich, wie Deandra hier etwas verändern wollte. Scheinbar hatte man schon lange den Pflanzen ihren Willen gelassen und sie so wachsen lassen, wie sie es wollten. Der Garten sah nicht ernsthaft verwildert aus. Eigentlich war er sogar schön, so wie er war. Trotzdem würde es schwierig werden den Garten so zu verändern, wie Deandra es haben wollte.


    "Hast du dir schon eine Stelle ausgesucht, an der du anfangen möchtest?"


    Wahrscheinlich war es unmöglich die schönen Pflanzen aus Italien hier anzusiedeln. Dafür war es in Germanien viel zu kalt. Helena war sich aber sicher, dass es auch hier schöne Blumen gab. Dabei könnte ihnen Camryn vielleicht helfen und somit hatte sie einen Grund mehr mit der Sklavin zu sprechen. Sie konnte nur hoffen, dass das Gebiet, das Deandra ihr 'zuweisen' wollte möglichst weit entfernt von dem ihren lag. Sie hatte nichts gegen Gartenarbeit und machte sich auch mal die Finger schmutzig, wenn es nötig war. Aber auf ein längeres Gespräch mit Deandra legte sie keinen Wert. Zumindest im Moment nicht. In ihrer Kehle saß immer noch der Kloß des verletzten Stolzes und um nicht Gefahr zu laufen irgendetwas falsches zu sagen, sollte sie möglichst wenig reden.

    Schon bei ihrer Ankunft hatte Helena bemerkt, dass die Villa über einen großen Garten verfügte. Allerdings war er vollkommen anders als das, was sie von Mantua oder Spanien gewohnt war. Irgendwie...wilder. Helena zog den Umhang näher um ihre Schultern und unterdrückte ein Frösteln. Es war nicht unbedingt kalt, aber kühl genug, um ihr eine Gänsehaut auf die Arme zu zaubern. Und es war ruhig. Außer ihr befand sich niemand im Garten. Marcus war wahrscheinlich schon auf dem Weg zu seinem neuen Posten und Deandra schlief vielleicht noch. Helena befand sich nun hinter der Villa und ging langsam auf einen Pavilion zu. Er war leer, aber wenn es wärmer wurde, konnte man dort sicher bequem sitzen.


    Sie blieb in der Nähe einiger hoher Bäume stehen. Nadelbäume so wie es aussah, aber wesentlich größer als in ihrer Heimat. Die Natur in Germanien schien generell auf Größe und Maße Wert zu legen. In Itaien, besonders zur Sommerzeit, konnte man froh sein überhaupt einen grünen Fleck zu finden. Die Gärten der Villa überlebten das nur, weil sich die Gärtner liebevoll um jede einzige Blume kümmerten. Hier aber schien es niemals so trocken zu sein, dass die Pflanzen in ihrem Wachstum begrenzt wurden. Helena sah sich noch einen Moment um und ging dann zum Pavillion hinüber. Er bot Platz für sicherlich sechs Leute, vielleicht auch für mehr, aber dann wurde es eng. Ihre Finger strichen sanft über das Holz, dass durch den oft vorkommenden Regen ein wenig aufgequollen war.


    Eine kleine Treppe führte in den Pavillion hinein und nachdem Helena ihren Umhang ein wenig gerafft hatte setzte sie sich auf die unterste Stufe. Ihre Wangen fühlten sich kalt an, genauso wie ihre Finger, die nicht durch den Umhang verdeckt wurden. Helena hob eine Falte des schweren wärmenden Stoffes und versteckte ihre Hände darunter. So ragte nur noch ihr Kopf aus dem Umhang heraus, aber es war sehr bequem und vor allem warm. Ihre Gedanken wanderten zum vergangenen Tag zurück und zu dem Gespräch mit Marcus. Sie fragte sich, ob er und Deandra schon miteinander gesprochen hatten und ihre Probleme gelöst hatten. Vielleicht sollte sie ihn darauf ansprechen heute Abend. Immerhin hatte er sie eingeladen.

    Ein Sklave betrat den Raum und legte den Brief und die dafür notwendigen fünf Sesterzen auf den Tisch.


    "Einmal auf dem normalen Weg nach Mantua zur Villa Claudia."



    An
    Claudia Epicharis
    Villa Claudia
    Mantua, Italia


    Liebe Freundin,


    es ist so lange her, dass wir uns gesehen haben. Ich hatte mich darauf gefreut dich zu treffen, aber dazu ist es nicht gekommen. Die Abreise nach Germanien ging auch für mich eigentlich viel zu schnell. Wie du sicher weißt, wurde Marcus zum tribunus laticlavius der legio secunda germanica ernannt und er musste so schnell wie möglich nach Mogontiacum. Da Vater auf Reisen war musste ich ihn wohl oder übel begleiten. Es ist mir nicht leicht gefallen. Die vier Jahre in Spanien haben mir gezeigt, wie sehr ich Mantua vermisse. Zudem ist Germanien in nichts mit unserer schönen Heimat zu vergleichen. Es ist kalt hier, sehr kalt sogar. Wölfe habe ich zwar noch nicht gehört, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es sie hier gibt.
    Aus meinen früheren Briefen weißt du sicher noch, dass ich mich nicht sonderlich gut mit meiner Tante verstanden habe. Sie ist sehr streng und duldet keine Vergehen. Allerdings muss ich zugeben, dass die Lektionen bei ihr mir nun helfen. Trotzdem werde sich sie wohl nicht vermissen.
    Es freut mich zu hören, dass du bald den Bund der Ehe eingehen willst. Ein Flavier ist mit Sicherheit eine gute Wahl. Ich bin mir sicher, dass du glücklich werden wirst. Mir scheint, dass die Zeit einfach viel zu schnell vergeht. Auch ich werde wohl bald heiraten, auch wenn die Verhandlungen dafür noch nicht angefangen haben. Aber da wir gerade davon reden: Ich habe Marcus vier lange Jahre nicht gesehen und ich muss zugeben, er hat sich sehr verändert. Zum Positiven. Er ist charmant und sieht so gut aus. Ich glaube, ich empfinde mehr für ihn als eigentlich gut wäre. Er ist mit Deandra verlobt, die ebenfalls hier ist. Du kannst dir vorstellen, in was für einer Situation ich mich befinde. Jedesmal wenn er in meiner Nähe ist schlägt mein Herz höher. Was soll ich bloß tun? Gib mir einen Rat, Freundin!
    Vielleicht ist es uns irgendwann einmal möglich einander zu besuchen. Ich weiß nicht, wie lange ich hier bleiben muss, aber ich hoffe, dass Marcus es mir ermöglichen wird in absehbarer Zukunft zumindest für einen Besuch nach Mantua zurückzukehren. Wenn dem so ist werde ich dich davon unterrichten. Bis dahin wünsche ich dir viel Glück und hoffe auf eine baldige Antwort.


    Aurelia Helena


    Der Sklave verabschiedete sich und verließ das Gebäude wieder.

    Am Nachmittag betrat Helena ihr Zimmer und warf achtlos den schweren Umhang auf den Boden. In der Hand hielt sie einen Brief von Claudia Epicharis, den ihr ein Sklave gegeben hatte. Es hatte sie sehr gefreut von ihrer Freundin zu hören. Sie hatte es nicht geschafft sie zu besuchen, als sie in Mantua angekommen war. Helena setzte sich an ihren Tisch und breitete eine frische Rolle Pergament vor sich aus. Sie nahm die Feder zur Hand und überlegte kurz, bevor sie anfing zu schreiben.



    An
    Claudia Epicharis
    Villa Claudia
    Mantua, Italia


    Liebe Freundin,


    es ist so lange her, dass wir uns gesehen haben. Ich hatte mich darauf gefreut dich zu treffen, aber dazu ist es nicht gekommen. Die Abreise nach Germanien ging auch für mich eigentlich viel zu schnell. Wie du sicher weißt, wurde Marcus zum tribunus laticlavius der legio secunda germanica ernannt und er musste so schnell wie möglich nach Mogontiacum. Da Vater auf Reisen war musste ich ihn wohl oder übel begleiten. Es ist mir nicht leicht gefallen. Die vier Jahre in Spanien haben mir gezeigt, wie sehr ich Mantua vermisse. Zudem ist Germanien in nichts mit unserer schönen Heimat zu vergleichen. Es ist kalt hier, sehr kalt sogar. Wölfe habe ich zwar noch nicht gehört, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es sie hier gibt.
    Aus meinen früheren Briefen weißt du sicher noch, dass ich mich nicht sonderlich gut mit meiner Tante verstanden habe. Sie ist sehr streng und duldet keine Vergehen. Allerdings muss ich zugeben, dass die Lektionen bei ihr mir nun helfen. Trotzdem werde sich sie wohl nicht vermissen.
    Es freut mich zu hören, dass du bald den Bund der Ehe eingehen willst. Ein Flavier ist mit Sicherheit eine gute Wahl. Ich bin mir sicher, dass du glücklich werden wirst. Mir scheint, dass die Zeit einfach viel zu schnell vergeht. Auch ich werde wohl bald heiraten, auch wenn die Verhandlungen dafür noch nicht angefangen haben. Aber da wir gerade davon reden: Ich habe Marcus vier lange Jahre nicht gesehen und ich muss zugeben, er hat sich sehr verändert. Zum Positiven. Er ist charmant und sieht so gut aus. Ich glaube, ich empfinde mehr für ihn als eigentlich gut wäre. Er ist mit Deandra verlobt, die ebenfalls hier ist. Du kannst dir vorstellen, in was für einer Situation ich mich befinde. Jedesmal wenn er in meiner Nähe ist schlägt mein Herz höher. Was soll ich bloß tun? Gib mir einen Rat, Freundin!
    Vielleicht ist es uns irgendwann einmal möglich einander zu besuchen. Ich weiß nicht, wie lange ich hier bleiben muss, aber ich hoffe, dass Marcus es mir ermöglichen wird in absehbarer Zukunft zumindest für einen Besuch nach Mantua zurückzukehren. Wenn dem so ist werde ich dich davon unterrichten. Bis dahin wünsche ich dir viel Glück und hoffe auf eine baldige Antwort.


    Aurelia Helena




    Helena überflog den Brief noch einmal und rollte ihn dann mit einem zufriedenen Nicken zusammen. Ein Sklave würde ihn mit anderen Briefen zusammen zur Epistolae Curia Mogontiaci bringen.

    Obwohl Helena Camryn nicht direkt ansah konnte sie förmlich spüren wie sehr ihre Frage die Sklavin überraschte. Es dauerte einen Moment bevor Camryn überhaupt antwortete. In dieser Zeit überlegte Helena, wie sie es am Besten anstellen sollte das von Camryn zu erfahren, was sie wissen wollte. Obwohl sie sehr ungeduldig war musste sie Vorsicht walten lassen. Die Sklavin war jetzt schon mißtrauisch. Helena musste wohl oder übel mit der Zeit ein freundschaftliches Verhältnis zu ihr aufbauen. Etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Als Camryn schließlich antwortete sah Helena zu ihr und lächelte freundlich.


    "Das freut mich. Vielleicht kannst du dich ja mal mit Marina zusammensetzten. Auch sie kennt einige Kräuter, mit denen man Salben herstellen kann. Vielleicht könnt ihr euch ja austauschen. Du kannst jetzt gehen."


    Sie nickte der Sklavin noch einmal zu und stand dann wieder auf, um erneut zum Fenster zu gehen. Das Wetter lud nicht gerade dazu ein nach draußen zu gehen, aber Helena hatte nicht vor den ganzen Tag in ihrem Zimmer zu bleiben. Sie spürte schon jetzt, dass ihr langweilig wurde und dabei waren sie gerade mal einen Tag hier. Helena seufzte leise und fuhr sich dann durch die Haare, die sie im Moment noch offen trug. Marina würde sie wahrscheinlich aufstecken wollen, doch ihr gefielen sie so. Camrynwar mittlerweile gegangen und als Helena sich umdrehte kam ihr das Zimmer riesig vor. Sie vermisste die Villa in Mantua und vor allem das wärmere Wetter das dort herrschte. Sollte sie heute nach draußen gehen würde sie auf jeden Fall einen dicken Umhang tragen.


    Kurze Zeit später kam Marina wieder und brachte ihr das kleine Frühstück. Helena griff nach ein paar Weintrauben und hing beim Essen ihren Gedanken nach. Marina huschte derweil im Zimmer hin und her um es weiter einzurichten. Dabei war sie so leise, dass Helena bald ihre Anwesenheit vergass. Sie beschloß noch heute einen Brief zu schreiben, aber erst nachdem sie sich die Umgebung der Villa etwas näher angesehen hatte. Als sie den Teller geleert hatte befahl sie Marina ihren Umhang aus einer der Truhen zu holen. Wie sie es sich schon gedacht hatte wollte sich ihre Sklavin an ihren Haaren zu schaffen machen, doch Helena ließ das nicht zu. Sie hatte nicht vor sich weit vom Haus zu entfernen, so dass ihre offene Haarpracht niemanden stören würde. Schließlich gab sie Marina noch ein paar Befehle für den weiteren Tag und verließ dann ihr Zimmer.
    ----------------------------------
    weiter im Garten

    Helena stand immer noch am Fenster als es an der Tür klopfte. Etwas erstaunt drehte sie sich um, denn Marina hatte sich mit der Zeit angewöhnt immer öfter einfach so in das Zimmer zu treten. Eine Unart die sie ihr dringend noch austreiben musste. Nach einem kurzen "Herein!" ihrerseits öffnete sich die Tür und Camryn trat ein. Helena sah ihr entgegen währned ihr Herz etwas schneller schlug. Immerhin war sie Marcus' Sklavin und bestimmt sollte sie ihr etwas von ihm ausrichten. Dem war auch so und nach Camryns Worten stahl sich ein leichtes Lächeln auf Helenas Lippen.


    "Du kannst deinen Herren ausrichten, dass ich seine Entschuldigung annehme und seine Einladung gerne annehme."


    Sie musste sich bemühen, dass ihr ihr Lächeln nicht zu einem Grinsen wurde. Dann jedoch fiel ihr das wieder ein, was sie sich gestern vorgenommen hatte. Ein bessere Verhältnis zu Camryn würde vielleicht Informationen bringen, die sich verwerten ließen. Helena verließ ihren Platz am Fenster und nahm erneut auf einem der Sessel Platz. Sie musste vorsichtig vorgehen, damit Camryn nicht sofort wusste, dass sie etwas plante. Kurz überlegte sie, ob sie der Sklavin nicht ebenfalls einen Sessel anbieten sollte, entschied sich dann aber dagegen. Das wäre eindeutig eines der Dinge, die zu auffällig wären. Sie drehte sich auf dem Sessel so, dass sie die Sklavin direkt sehen konnte und lächelte ihr freundlich zu.


    "Wie geht es deinen Füßen, Camryn?"


    Wahrscheinlich war sie die erste der Herrschaften, die sich an diesem Tag dafür interessierte. Oder es zumindest vorgab. Sie fand die Bestrafung die Marcus ihr angedacht hatte für angemessen. Camryn hatte sich Deandra gegenüber vollkommen respektlos verhalten. Zwar hätte sie selbst die Sklavin deswegen nicht geschlagen (sie hatte noch nie Hand an einen Sklaven gelegt) aber eine Bestrafung war angebracht gewesen. Das zeigte sie Camryn aber nicht. Ihr Blick drückte Mitgefühl und Verständnis aus und auch das Lächeln lag immer noch auf ihren Lippen. Wieder zeigten sich die vier Jahre bei ihrer Tante als sehr nützlich.

    Nachdem Helena nach dem Verlassen von Marcus' Zimmer eine Richtung recht wahrlos eingeschlagen hatte, begegnete sie schon nach kurzer Zeit Marina. Helena lächelte erleichtert als sie ihre Sklavin sah, denn die Villa war recht groß und es hätte sicher eine Weile gedauert, bis sie das Zimmer gefunden hätte, dass für sie passend war. Als Marina sie sah eilte sie auf ihre Herrin zu und blieb kurz vor ihr stehen. Helena sah, dass die ältere Frau etwas sagen wollte, doch dann musterte sie ihre Herrin nachdenklich. Helena konnte gerade noch verhindern, dass ihre Hand zu ihrer Wange wanderte. Wahrscheinlich war sie immer noch gerötet und Marina viel soetwas sofort auf. Auch jetzt warf die Sklavin einen kurzen Blick hinter ihre Herrin, schüttelte dann jedoch fast unmerklich den Kopf. Glücklicherweise waren sie schon ein Stück von Marcus' Zimmer entfernt, so dass Marina keine voreiligen Schlüsse ziehen konnte.


    "Ich habe schon ein Zimmer für dich vorbereitet, Herrin. Zwei Zimmer weiter auf der rechten Seite. Ich komme gleich zurück. Jemand hat deine kleine Truhe wohl in ein falsches Zimmer gebracht und ich werde sie suchen. Danach helfe ich dir beim umzukleiden."


    Nach diesen Worten verbeugte sich Marina noch einmal und huschte dann an Helena vorbei. Sie sah ihrer Sklavin einen Moment nach und ging dann zu dem Zimmer, dass Marina ihr beschrieben hatte. Es unterschied sich kaum von dem, in dem sie gerade mit Marcus geredet hatte. Nur das Mosaikbild war anders. Es stellte einen kleinen Teich dar, mitsamt Schilfgürtel und Enten. Marina hatte den Staubschutz schon von den Möbeln entfernt und mit ein wenig Dekoration würde sie sich hier ganz wohlfühlen. Helena seufzte und ließ sich dann auf einem der zwei Sessel nieder, die vor einem großen Fenster standen. Zu dieser Jahreszeit war es von einem schweren Vorhang bedeckt, damit die kalte Luft draußen blieb. Aber im Sommer musste man einen wunderbaren Blick auf den Garten haben. Helena lehnte sich entspannt zurück und schloß die Augen. Sie war müde und sehnte sich nach einem Bett, in dem sie sich endlich wieder ausstrecken konnte.


    Es dauerte eine Weile bis Marins zurückkam, dafür aber mit der Truhe. Helena öffnete ein Auge und wäre am Liebsten einfach sitzen geblieben, aber sie wusste, dass das nicht möglich war. Schwerfällig erhob sie sich und legte mit Marinas Hilfe ihre Tunika ab, die auf der Reise ein wenig gelitten hatte. Nackt wie sie war ging sie danach in das Badezimmer, dass direkt an ihr cubiculum grenzte. Mit einem wohligen Seufzen ließ sie sich in das warme Wasser sinken, dass Marina schon für sie vorbereitet hatte. Sie kam allerdings nicht dazu sich zu entspannen, denn ihre Sklavin war sofort an ihrer Seite und begann ihr energisch die Haare zu waschen. Helena brummte ein paar mal unwillig, konnte aber nicht verbergen, dass sie die Prozedur eigentlich genoß. Nachdem auch der letzte Dreck der Reise verschwunden war verließ Helena das Bad wieder und schlüpfte in eine neue Tunika. Die noch feuchten Haare ließ sie offen über die Schulter hängen.


    Den Abend verbrachte sie dann doch alleine. Marcus war nicht aufzufinden und auch Deandra sah sie nicht. Wahrscheinlich waren gerade beide reglich damit beschäftig Wiedergutmachung zu leisten. Helena ließ sich die Laune davon aber nicht verderben. Sie ließ sich von Marina etwas zu essen auf das Zimmer bringen und ging früh ins Bett. Die anstrengende Reise machte sich nun bemerkbar und sie schlief schon fast bevor ihr Kopf das Kissen berührte. Am nächsten Morgen weckte Marina sie etwas später als gewöhnlich. Helena war ihr sehr dankbar dafür, denn nun fühlte sie sich erfrischt und voller Tatendrang. Allerdings wusste sie noch nicht, was sie mit dem angefangenen Tag anstellen sollte. Sie gähnte herzhaft und sah dann zu ihrer Sklavin.


    "Hast du Marcus oder Deandra heute schon gesehen?"


    Marina schüttelte den Kopf, was Helena mit einem Schulterzucken quitierte. Sie würde schon eine Beschäftigung finden, da war sie sich sicher. Die Sklavin verschwand, um ihrer Herrin ein kleines Frühstück zu bringen. Helena streckte sich ausgiebig und trat dann ans Fenster. Sie zog den Vorhang zur Seite und schauderte kurz, als ein kalter Luftzug ihre Haut traf. Was auch immer sie heute tun würde, am Besten wäre es wenn sie dabei in der Villa blieb.

    Helena war sich selbst nicht so sicher, ob zwischen ihr und Deandra eine Freundschaft entstehen würde. Eigentlich war das ja fast unmöglich, da sie immerhin mit dem Gedanken spielte ihr den Mann wegzunehmen. Oder es zumindest zu versuchen. Sie war allerdings ehrlich genug zu sich selbst, um sich keine großen Chancen auszurechnen. Vielleicht sollte sie doch versuchen Deandra ein wenig besser kennenzulernen. Aus welchem Grund auch immer. Deswegen nickte sie auch nur auf Marcus Worte und erwiderte sein Lächeln. Helena wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, ja noch nichtmal der nächste Tag. Marcus schien sich zu wünschen, dass sich die beiden Frauen verstanden, aber sie konnte ihm nicht etwas versprechen, was sie möglicherweise nicht würde einhalten können.


    Als sie hörte, dass er stolz auf sie war begannen ihre Wangen erneut zu glühen. Wenn Marcus gewusst hätte wie es wirklich in ihr aussah, hätte er mit Sicherheit andere Worte gewählt. Helena würde sich in Zukunft zusammenreißen müssen. Niemand durfte etwas von ihren wahren Gefühlen erfahren. Bis auf Epi vielleicht, denn ihr würde sie in den nächsten Tagen einen langen Brief schreiben. Als Marcus aufstand folgten ihm Helenas Blicke. Er wollte ein Bad nehmen und auch sie sehnte sich nach dem kühlen Nass. Zuerst aber wollte sie sich ein Zimmer suchen, so wie es Marcus in diesem Moment vorschlug. Helena stemmte sich ebenfalls in die Höhe und fuhr sich kurz über die Tunkia, bevor sie zu Marcus sah.


    "Ich denke, dass Marina schon ein Zimmer für mich ausgesucht haben wird. Mittlerweile kennt sie meinen Geschmack recht gut. Ein Bad werd ich nachher auch noch nehmen. Vielleicht hast du ja heute Abend ein wenig Zeit? Es ist leider zu kühl um im Garten zu sitzen, aber wir finden sicher einen schönen Platz, an dem wir uns in Ruhe unterhalten können. In Mantua hattest du ja kaum Zeit für mich. Es sei denn natürlich, du möchtest mit Deandra reden."


    Da Helena spürte, dass sich ihre Worte auch wie ein Vorwurf anhören konnten, begleitete sie sie mit einem Zwinkern. Dann nickte sie Marcus noch einmal zu und verließ das Zimmer. Nachdem sie die Tür hinter sich geschloßen hatte blieb sie mitten auf dem Gang stehen, schloß die Augen und atmete tief durch. Glücklicherweise kam in diesem Moment niemand, denn derjenige hätte sich sicher gefragt, was sie da tat. Helena ballte die Hand zur Faust, deren Finger gerade noch Marcus' Wange berührt hatten. Das durfte nie wieder geschehen. Zumindest nicht in nächster Zeit. Sie öffnete sowohl ihre Augen als auch ihre Hand wieder und machte sich auf die Suche nach Marina.

    Helena wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Marcus hatte ihre Geste vollkommen falsch verstanden. Zum einen war das natürlich ein glücklicher Umstand, denn sie wäre in arge Erklärungsnöte gekommen, wenn er sie nach dem wahren Grund dieser Berührung gefragt hätte. Zum anderen aber hätte sie sich fast gewünscht, dass er ihre Gefühle erkannte und vielleicht sogar das Gleiche für sie fühlte, aber davon war er weit entfernt. Cousinchen... Helen wiederholte dieses Wort in Gedanken mit einem geradezu ätzenden Tonfall. Ja, mehr war sie nicht für ihn und würde es wohl auch nie sein. Mittlerweile hatte Marcus auch ihre andere Hand ergriffen, so dass sie sich notgedrungen zu ihm wenden musste. Das Lächeln auf ihren Lippen war so ehrlich wie sie es im Moment zustande brachte, aber sie war sich sicher, dass er das leichte Zucken ihrer Mundwinkel noch nicht einmal mitbekommen würde.


    "Ich kann die Probleme nicht für dich lösen. Aber wenigstens kann ich dich trösten, auch wenn das wahrscheinlich nicht reichen wird."


    Helena drückte seine Hände kurz und sah dann wieder zur Seite. Seine Worte klangen noch in ihren Ohren. Wenn sie Marcus ein Jahr früher unter diesen Umständen begegnet wäre, dann wäre alles vielleicht anders gekommen. Immerhin hatte er ja selbst gesagt, dass er kein Kind von Traurigkeit gewesen war. Jetzt aber...er liebte Deandra und dagegen konnte sie wohl nichts tun. Auch wenn sie derzeit Probleme hatten, er machte sich Gedanken um eine Lösung, anstatt es einfach hinzunehmen. Das war ein deutliches Zeichen. Helena unterdrückte ein Seufzen und zwang das ungeute Gefühl in ihrer Magengegend dazu zu verschwinden. Es gelang ihr nicht vollständig. Zumindest aber war das Lächeln, dass sie Marcus nun schenkte wirklich echt.


    "Keine Frau hört gerne, dass es vor ihr schon anderer gegeben hat, Macus, auch wenn das vollkommen verständlich ist. Es kommt halt nur darauf an, wie die Frau mit solchen Informationen umgeht. Deandra scheint ein feuriges Temperament zu haben. Aber die meisten Leute mit feurigem Temperament beruhigen sich auch schnell wieder. Sie wird zu dir kommen, da bin ich mir sicher."


    Eine gewisse Spur von Resignation klang in ihrer Stimme mit. Marcus hätte ihr nicht deutlicher sagen bzw zeigen können, dass sie keine Chance bei ihm hatte. Sie konnte also aufgeben, aber normalerweise war sie niemand, der einfach so aufgab. Allerdings wusste sie im Moment überhaupt nicht, wie sie es bewerkstelligen sollte sich zwischen Marcus und Deandra zu stellen. Er war nur ein Mann, also würde es in dieser Hinsicht vielleicht die ein oder andere Möglichkeit geben. Zudem hatte Marcus ihr unbewusst geholfen. Sie beschloß, sich mit Camryn gut zu stellen. Möglicherweise hatte die Sklavin ein paar Informationen, die ihr hilfreich sein konnten. Helenas Blick wanderte wieder zu Marcus. Ihre Laune hatte sich ein gutes Stück gehoben. Eigentlich konnte er ihr sogar fast ein wenig Leid tun. Sie zwinkerte ihm zu und drückte noch einmal seine Hände.


    "Wenn du das nächste Mal Trost brauchst kannst du gerne sofort zu mir kommen. Dafür brauchst du nicht das ganze Haus zusammen zu schreien. Ich bin für dich da."