Marcus ging auf ihren kleinen Scherz nur halbherzig ein, was ein erneutes Stirnrunzeln bei Helena hervorrief. Zumindest aber schien seine schlechte Laune nicht direkt etwas mit ihr zu tun zu haben. Sie drehte sich noch einmal um, um seine Bitte zu erfüllen und schloß die Tür. Worüber auch immer Marcus reden wollte, es schien nicht für die Ohren Dritter bestimmt zu sein. Wollte er vielleicht...? Aber nein, das war unmöglich. Helena schüttelte kurz den Kopf und überlegte dann, wo sie sich hinsetzten sollte. Schließlich entschied sie sich dafür, neben ihm auf dem Bett Platz zu nehmen. Immerhin hatte er ihr das ja angeboten. Was dann allerdings passierte ließ Helenas Herz für einen Schlag aussetzten. Marcus nahm ihre Hand und teilte ihr mit, dass sie ihm gefiel. Zumindest indirekt. Aber das war ihr in diesem Moment egal. Helena hoffte, dass man ihre Gefühle nicht auf ihrem Gesicht ablesen konnte. Um das zu verhindern senkte sie die Augen und starrte auf eine Falte ihrer Tunika. Dieses Kribbeln in ihrer Magengegend war wieder da, diesmal aber um einiges stärker. Sie wusste überhaupt nicht, wie sie reagieren sollte. Sollte sie ihm sagen, was sie empfand? Vielleicht war das der richtige Zeitpunkt.
Noch bevor sie sich entschieden hatte sprach Marcus allerdings schon weiter. Seine nächsten Worte sorgten dafür, dass der kleine Traum den sie gerade gehabt hatte wie eine Seifenblase zerplatze und ein sehr ungutes Gefühl hinterließ. Das Kribbeln wandelte sich in einen stechenden Schmerz und Helena musste all ihre Willenskraft aufbringen um nicht die Lippen zu verziehen. Marcus hatte Probleme mit Deandra und wollte jetzt ihre Meinung dazu hören! Am Liebsten wäre Helena aufgesprungen und gegangen, aber das wäre zu auffällig gewesen. Sie hätte sich beinahe völlig blamiert und das musste sie jetzt nicht nachholen. Zudem waren die Fragen, die er ihr stellte gar nicht so einfach zu beantworten. Es war ja nicht so, dass sie Ahnung von der Beziehung zwischen Mann und Frau hatte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich ihrer Stimme wieder sicher war. Trotzdem wusste sie nicht wirklich, was sie sagen sollte. Marcus war unglücklich, das war deutlich zu sehen, aber sie wollte ihm nicht helfen! Nicht in dieser Sache! Allerdings erwartete er eine Antwort und zwar jetzt.
"Es tut mit leid, dass du und Deandra Probleme habt."
Noch immer sah sie ihn nicht an, deswegen kam ihr diese Lüge auch leichter von den Lippen. Es würde aber wahrscheinlich komisch aussehen, wenn sie die ganze Zeit auf ihre Oberschenkel starrte, so dass sie nach einer kurzen Pause dann doch den Kopf hob und Marcus in die Augen sah. Seinen Vorschlag mit dem Bad überhörte sie absichtlich. Lieber wollte sie es sofort hinter sich bringen und nicht jederzeit darauf gefasst sein müssen, dass er dieses Thema nochmal ansprach.
"Ich weiß nicht, warum ihr euch gestritten habt. Natürlich ist mir aufgefallen, dass euer Umgang miteinander seit dem Zwischenfall mit der Geburt ein wenig...abgekühlt ist. Da ich den Grund eures Problems nicht kenne ist es schwer auf deine Frage eine Antwort zu geben. Zumal müsstest du ja eigentlich wissen, dass ich keine Erfahrung mit Männern habe, was das ganze noch schwieriger macht. Aber ich werde trotzdem versuchen dir zu helfen, soweit es in meiner Macht steht. Ihr zu sagen, dass sich nichts geändert hat wäre gelogen, denn immerhin machst du dir Gedanken und das müsstest du nicht, wenn alles in Ordnung wäre. Deandra hat sich bei dir entschuldigt, aber was immer sie auch gesagt hat, es muss dich sehr verletzt haben. Diese Entschuldigung hat also nicht ausgereicht. Wahrscheinlich merkt sie genauso wie du, dass etwas zwischen euch steht. Ich kenne sie nicht gut genug um zu wissen, wie sie mit soetwas umgeht. Du könntest darauf warten, dass sie zu dir kommt. Wenn du aber nicht warten willst, dann musst du zu ihr gehen und ihr müsst darüber sprechen. Wie gesagt, ich war noch nie in so einer Situation. Wenn man jemanden wirklich liebt und man merkt, dass der andere immer noch verletzt ist, dann finde ich es normal, das man noch einmal das Gespräch sucht. Das ist aber nur meine Meinung. Deandra sieht das vielleicht anders."
Helena verstummte, weil der Kloß in ihrem Hals nicht zuließ, dass sie noch mehr sagte. Nur mit Mühe schluckte sie ihn herunter und sah sich dann nach einem Krug mit Wasser um, aber sie konnte keinen finden. Man könnte doch meinen, dass die Zimmer vorbereitet waren, wenn die Herrschaften ankamen. Dieser Gedanke lenkte sie aber nur kurz von dem eigentlichen Geschehen ab. Erneut sah sie zu Marcus und das was sie in seinem Gesicht sah ließ ihr Herz weich werden. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum sie plötzliche ihre Hand hob und ihm sanft über die Wange strich. Genauso wie Deandra es getan hatte und genauso wie in der Kutsche. Nur diesmal war er wach und als sie regististrierte, was sie da gerade getan hatte nahm sie die Hand ruckartig wieder hinunter und wandte den Kopf ab. Ihre Wangen mussten glühen, zumindest fühlte es sich so an.
"Entschuldige..."