Beiträge von Aurelia Helena

    Marcus ging auf ihren kleinen Scherz nur halbherzig ein, was ein erneutes Stirnrunzeln bei Helena hervorrief. Zumindest aber schien seine schlechte Laune nicht direkt etwas mit ihr zu tun zu haben. Sie drehte sich noch einmal um, um seine Bitte zu erfüllen und schloß die Tür. Worüber auch immer Marcus reden wollte, es schien nicht für die Ohren Dritter bestimmt zu sein. Wollte er vielleicht...? Aber nein, das war unmöglich. Helena schüttelte kurz den Kopf und überlegte dann, wo sie sich hinsetzten sollte. Schließlich entschied sie sich dafür, neben ihm auf dem Bett Platz zu nehmen. Immerhin hatte er ihr das ja angeboten. Was dann allerdings passierte ließ Helenas Herz für einen Schlag aussetzten. Marcus nahm ihre Hand und teilte ihr mit, dass sie ihm gefiel. Zumindest indirekt. Aber das war ihr in diesem Moment egal. Helena hoffte, dass man ihre Gefühle nicht auf ihrem Gesicht ablesen konnte. Um das zu verhindern senkte sie die Augen und starrte auf eine Falte ihrer Tunika. Dieses Kribbeln in ihrer Magengegend war wieder da, diesmal aber um einiges stärker. Sie wusste überhaupt nicht, wie sie reagieren sollte. Sollte sie ihm sagen, was sie empfand? Vielleicht war das der richtige Zeitpunkt.


    Noch bevor sie sich entschieden hatte sprach Marcus allerdings schon weiter. Seine nächsten Worte sorgten dafür, dass der kleine Traum den sie gerade gehabt hatte wie eine Seifenblase zerplatze und ein sehr ungutes Gefühl hinterließ. Das Kribbeln wandelte sich in einen stechenden Schmerz und Helena musste all ihre Willenskraft aufbringen um nicht die Lippen zu verziehen. Marcus hatte Probleme mit Deandra und wollte jetzt ihre Meinung dazu hören! Am Liebsten wäre Helena aufgesprungen und gegangen, aber das wäre zu auffällig gewesen. Sie hätte sich beinahe völlig blamiert und das musste sie jetzt nicht nachholen. Zudem waren die Fragen, die er ihr stellte gar nicht so einfach zu beantworten. Es war ja nicht so, dass sie Ahnung von der Beziehung zwischen Mann und Frau hatte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich ihrer Stimme wieder sicher war. Trotzdem wusste sie nicht wirklich, was sie sagen sollte. Marcus war unglücklich, das war deutlich zu sehen, aber sie wollte ihm nicht helfen! Nicht in dieser Sache! Allerdings erwartete er eine Antwort und zwar jetzt.


    "Es tut mit leid, dass du und Deandra Probleme habt."


    Noch immer sah sie ihn nicht an, deswegen kam ihr diese Lüge auch leichter von den Lippen. Es würde aber wahrscheinlich komisch aussehen, wenn sie die ganze Zeit auf ihre Oberschenkel starrte, so dass sie nach einer kurzen Pause dann doch den Kopf hob und Marcus in die Augen sah. Seinen Vorschlag mit dem Bad überhörte sie absichtlich. Lieber wollte sie es sofort hinter sich bringen und nicht jederzeit darauf gefasst sein müssen, dass er dieses Thema nochmal ansprach.


    "Ich weiß nicht, warum ihr euch gestritten habt. Natürlich ist mir aufgefallen, dass euer Umgang miteinander seit dem Zwischenfall mit der Geburt ein wenig...abgekühlt ist. Da ich den Grund eures Problems nicht kenne ist es schwer auf deine Frage eine Antwort zu geben. Zumal müsstest du ja eigentlich wissen, dass ich keine Erfahrung mit Männern habe, was das ganze noch schwieriger macht. Aber ich werde trotzdem versuchen dir zu helfen, soweit es in meiner Macht steht. Ihr zu sagen, dass sich nichts geändert hat wäre gelogen, denn immerhin machst du dir Gedanken und das müsstest du nicht, wenn alles in Ordnung wäre. Deandra hat sich bei dir entschuldigt, aber was immer sie auch gesagt hat, es muss dich sehr verletzt haben. Diese Entschuldigung hat also nicht ausgereicht. Wahrscheinlich merkt sie genauso wie du, dass etwas zwischen euch steht. Ich kenne sie nicht gut genug um zu wissen, wie sie mit soetwas umgeht. Du könntest darauf warten, dass sie zu dir kommt. Wenn du aber nicht warten willst, dann musst du zu ihr gehen und ihr müsst darüber sprechen. Wie gesagt, ich war noch nie in so einer Situation. Wenn man jemanden wirklich liebt und man merkt, dass der andere immer noch verletzt ist, dann finde ich es normal, das man noch einmal das Gespräch sucht. Das ist aber nur meine Meinung. Deandra sieht das vielleicht anders."


    Helena verstummte, weil der Kloß in ihrem Hals nicht zuließ, dass sie noch mehr sagte. Nur mit Mühe schluckte sie ihn herunter und sah sich dann nach einem Krug mit Wasser um, aber sie konnte keinen finden. Man könnte doch meinen, dass die Zimmer vorbereitet waren, wenn die Herrschaften ankamen. Dieser Gedanke lenkte sie aber nur kurz von dem eigentlichen Geschehen ab. Erneut sah sie zu Marcus und das was sie in seinem Gesicht sah ließ ihr Herz weich werden. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum sie plötzliche ihre Hand hob und ihm sanft über die Wange strich. Genauso wie Deandra es getan hatte und genauso wie in der Kutsche. Nur diesmal war er wach und als sie regististrierte, was sie da gerade getan hatte nahm sie die Hand ruckartig wieder hinunter und wandte den Kopf ab. Ihre Wangen mussten glühen, zumindest fühlte es sich so an.


    "Entschuldige..."

    Als Helena endlich aus der Kutsche steigen konnte hatte sie anfangs das Gefühl, sie wäre vollkommen steif. Die Stimmung während der letzten Tage war irgendwie komisch gewesen. Von dem Geschrei des Kindes mal abgesehen. Es hatte nur wenige Gespräche gegeben, so dass Helena das Gefühl bekam, dass zwischen Marcus und Deandra etwas vorgefallen war, was sie nicht mitbekommen hatte. Anfangs versuchte sie noch ein Gespräch in Gang zu bringen, gab das aber später auf. Auch deswegen war sie unheimlich froh diese beengte Atmosphäre endlich verlasse zu können. Noch vom Fenster der Kutsche aus musterte sie die Villa, vor der sie kurze Zeit später anhielten. Sie war nicht mit der Villa ihrer Familie in Mantua zu vergleichen, aber sie hatte es sich schlimmer vorgestellt. Nachdem sie aus der Kutsche gestiegen war streckte sie sich etwas undamenhaft, was aber nicht weiter auffiel, denn die anderen waren schon auf dem Weg zum Haus. Helena blieb ein Stück zurück und sortierte erstmal die Falten ihrer Tunika, die durch das Sitzen etwas gelitten hatten.


    Als sie wieder hochsah verschwand Marcus gerade im Haus und auch von Deandra war nur noch der Zipfel ihrer Tunkia zu sehen. Helena seufzte und zuckte dann mit den Schultern. Irgendwie hatte sie sich ihre Ankunft in Germanien anders vorgestellt. Vielleicht eine Führung durch die Villa, die ja in nächster Zeit ihr zu Hause sein sollte. Oder aber eine kleine Erfrischung, von einigen Sklaven gereicht. So aber blieb ihr nichts anderes übrig, als alleine in das Haus zu gehen und sich umzusehen. Die Sklaven waren schon dabei das Gepäck abzuladen und Helena beobachtete sie eine Weile, bis sie sicher war, dass mit ihren Truhen alles in Ordnung war. Erst dann stieg sie die Stufen zur Villa hoch und trat ein. Man hatte dafür gesorgt, dass das Innere des Hauses für ihre Ankuft vorbereitet war. Helena sah sich neugierig um und wurde dabei fast von Marcus umgerannt. Sie machte einen erschrockenen Schritt zur Seite, aber bevor sie fragen konnte was los war, war er schon wieder verschwunden. Helena schüttelte leicht verärgert den Kopf und sah sich dann weiter um. Der Gesichtsausdruck, den Marcus zur Schau getragenhatte reichte aus um ihm nicht zu folgen.


    Sie war gerade im Atrium angekommen, als sie plötzlich seine Stimme hörte, sie recht herrisch nach ihr rief. Helena blieb stehen und drehte sich in die Richtung aus der der Ruf gekommen war. Was war denn bloß los hier? Fast könnte man meinen, sie hätte etwas angestellt, zumindest ließ sein Tonfall das vermuten, doch sie war sich keiner Schuld bewusst. Da man einen gereizten Stier nicht warten lassen sollte suchte Helena schließlich das Zimmer, in dem Marcus war. Das war gar nicht so einfach, denn da noch niemand die Zimmer eingeteilt hatte, konnte er eigentlich überall stecken. Nach ein paar Minuten aber fand sie ein Zimmer, dessen Tür offen stand. Helena fuhr sich einmal kurz durch die Haare und befeuchtete ihre Lippen, bevor sie eintrat. Marcus saß auf einem Bett und sah alles andere als glücklich aus. Helena runzelte die Stirn und tart ein Stück näher, bevor sie kurz vor ihm stehen blieb und sich leicht verbeugte. Ihre Stimme hatte einen Unterton von Spott als sie sprach, aber Marcus konnte auch einen Hauch Sorge heraushören.


    "Du hast nach mir gerufen?"

    Das Marcus das alles so lustig fand verwunderte Helena ein wenig. So kannte sie ihren Cousin überhaupt nicht. Früher hätte er sich mit Sicherheit über so ein Schlamasel nicht so gut amüsiert. Sie erwiderte sein Lächeln und sah dann hoch, als auf einmal ein Schatten auf sie fiel. Marcus Leibwächter war zu ihnen getreten um ihnen zu helfen. Helena seufzte erleichtert, denn so langsam wurde es ihr in dem Schlamm doch ein wenig unbequem. Bevor sie etwas sagen konnte hatte Trautwini sie schon geschnappt und auf die Füße gestellt. Helena beobachtete aus den Augenwinkeln, wie auch Marcus wieder sicheren Boden unter den Füßen fand, während ihre Hände vorsichtig ihre Tunika abtasteten. Sie musste einfach furchtbar aussehen, so verdreckt und nass.


    In diesem Moment kam Deandra auf sie zu. Von der Kutsche aus hatte sie ihren kleinen Unfall gesehen und sich schon köstlich amüsiert. Helena wäre es wahrscheinlich genauso ergangen. Sie lächelte der anderen Frau entgegen und hielt dann Ausschau nach Marina, damit diese ihr weiter helfen würde. Die ältere Sklavin war auch schon auf dem Weg zu ihr, mit dem typischen besorgten Gesichtsausdruck den sie immer zur Schau trug, wenn sie der Meinung war Helena hätte etwas ausgefressen. Helena schüttelte grinsend den Kopf und sah dann wieder zu Marcus und Deandra. Sie sah, wie Deandras Finger sanft über Marcus Wange strichen, woraufhin das Grinsen aus ihrem Gesicht verschwand. Die Beiden verhielten sich fast so, als wäre Helena nicht anwesend. Sie schluckte und wandte den Blick ab, während sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog. Sie verstand zwar nicht, was die Beiden flüsterten aber es war ihr peinlich, dass sie überhaupt etwas davon mitbekam. Schließlich räusperte sie sich kurz und sah mit einem möglichst neutralen Gesichtsausdruck wieder zu ihnen hinüber.


    "Ich werd dann mal dafür sorgen, dass ich eine saubere Tunika bekomme."


    Mehr sagte Helena nicht und sie drehte sich auch sofort um, damit niemand Zeit für eine Reaktion hatte. Obwohl sie vorgehabt hatte auf Marina zu warten ging sie ihr nun doch entgegen. Um ihre Tunika musste sie sich jetzt eh keine Sorgen mehr machen, selbst wenn sie nochmal im Schlamm landen würde. Sie wollte einfach nur noch weg. Warum sie so fühlte wusste Helena selbst nicht so genau. Einfach nicht mehr dran denken. Sie würde Trautwini beauftragen eine ihrer Truhen vom Wagen zu laden, damit sie sich eine neue Tunika heraussuchen konnte. Und danach würde sie mit Marina im anliegenden Wald verschwinden, damit ihre Sklavin sie umziehen konnte. In die Kutsche wollte sie nicht gehen. Zum einen, da sie den Innenraum nicht versauen wollte und zum anderen um Marcus aus dem Weg zu gehen.

    Helana spürte noch, wie Marcus sie am Arm packte, aber die erhoffte Auswirkung blieb aus. Stattdessen landete sie mit einem saftigen Klatschen mitten im Schlamm. Helena quietschte erneut und schloß kurz die Augen, als der Dreck um sie herum aufspritze. Als sie sie wieder öffnete sah sie Marcus, der bei seinem Versuch ihr zu helfen ebenfalls gestürzt war. Er sah furchtbar aus. Seine edle Kleidung war total eingesaut und auch in seinem Gesicht hatte der Schmutz seinen Platz gefunden. Erst nach und nach wurde ihr bewusst, dass ihr Anblick wahrscheinlich genauso scheußlich war. Helena hob eine Hand und musterte den Schlamm, der träge von ihren Fingern tropfte. Plötzlich bewegte Marcus sich neben ihr und bevor sie reagieren konnte berührte er mit seinem verdreckten Finger ihre Nase. Helena blinzelte ein paar Mal ungläubig, besonders als er lauthals anfing zu lachen. Das Lachen war ansteckend und nur einige Augenblicke später fing auch sie an zu prusten.


    "Du bist mein Held, Marcus. Wirklich!"


    Was mussten sie bloß für einen komischen Anblick geben? Sie saßen im Schlamm und anstatt sich zu ärgern fanden sie das Ganze unheimlich komisch. Helena schüttelte grinsend den Kopf und machte dann erste Anstalten aufzustehen. Allerdings war das gar nicht so einfach. Ihre Tunika hatte sich vollgesogen und klebte an einigen Stellen fast unsittlich an ihrem Körper. Ihr Fuß fand keine feste Stelle, so dass Helena ihren Versuch aufzustehen bald aufgab. Die Sklaven hatten bestimmt gesehen was passiert war und würden ihnen bald zur Hilfe eilen. Halb sitzend, halb hockend sah sie wieder zu Marcus und musterte ihn einen Moment, bevor sie ebenfalls die Hand hob und damit leicht gegen seine Brust stieß.


    "Ich befürchte, unsere Weiterreise wird noch eine Weile dauern. Mein Gepäck befindet sich irgendwo ganz unten im Wagen. Oder leihst du mir eine Tunika von dir?"


    Helena zwinkerte und betrachtete dann den Handabdruck, den sie auf der noch sauberen Stelle seiner Tunika hinterlassen hatte. Das Marcus sich ihr gegenüber auf einmal so gelöst gab ließ ihr Herz schneller schlagen und sorgte dafür, dass die dreckige Kleidung in den Hintergrund rückte. Nicht aber die Kälte. Unerbittlich kroch die Kälte durch die nasse Tunika und ließ Helena frösteln. Sie schlang die Arme um den Körper und warf einen Blick auf den Sklavenwagen. Doch so wie es aussah, waren immer noch alle mit dem Neugeborenen beschäftigt.

    Als Marcus sich plötzlich umdrehte und zu ihr sah zuckte Helena wie ertappt zusammen und verbannte das Lächeln aus ihrem Gesicht. Stattdessen sah sie ihm nun mit einem neutralen Gesichtsausdruck entgegen und hoffte inständig, dass er den träumerischen Ausdruck in ihren Augen nicht gesehen hatte. Seine Laune schien im Gegensatz von der Deandras um einiges besser zu sein. Und das obwohl seine Stiefel mindestens genauso dreckig waren wie die Schuhe Deandras, aber das schien ihn nicht zu stören. Als Helena sein Zwinkern sah konnte sie nicht anders als amüsiert zu grinsen, doch sie sah dabei zu Boden, so dass er es nicht wirklich sehen konnte. Bei seiner Frage zuckte sie kurz mit den Schultern und seufzte dann leise.


    "Mir geht es gut, Marcus. Das lange Sitzen in der Kutsche fällt mir nicht leicht, aber das geht euch sicher genauso. Und es ist recht kühl. Aber daran gewöhne ich mich sicher."


    Erst jetzt sah sie wieder zu Marcus hoch. Das war beileibe nicht die ganze Wahrheit, aber von dem Rest durfte er nichts erfahren. Niemand durfte das. Glücklicherweise sprach er schon weiter, so dass Helena ihre Gedanken auf etwas anderes lenken konnte. Zwei Wochen also noch. Sie spürte wie ihr der Mut sank. Das war eine lange Zeit, zu dritt eingepfärcht in einer Kutsche. Aber da musste sie durch und sie würde nicht meckern. Marcus sollte nur den besten Eindruck von ihr haben, auch wenn es ihr schwerfiel sich so zu verstellen. Zudem würde der Gedanke an ein Bad sie bei Laune halten. Schon jetzt sehnte sie sich nach ihrer großen Wanne aus Mamor zurück, die sie in Matua zurück gelassen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass die Villa in Germanien den gleichen Standart hatte.


    "Ja, auf ein Bad freue ich mich wirklich. Wir werden uns die verbleibende Zeit schon irgendwie vertreiben. Wenn es gleich weitergeht, sollten wir vielleicht zur Kutsche hinüber gehen. Ach ja, Deandra ist übrigens wirklich nett."


    Ein dicker Kloß schien ihr die Kehle zuzuschnüren als sie das sagte. Helena wandte sich um in Richtung Kutsche um und ging los, immer darauf bedacht, dass Marcus ihr Gesicht nicht sehen konnte. Das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass sie nicht auf den Weg achtete. Sie spürte erst, dass sie auf eine rutschige Stelle getreten war, als sie schon den Halt verlor. Ein leises erschrockenes Quieken kam über ihre Lippen während sie mit den Armen ruderte um ihr Gleichgewicht zu halten. Leider erfolglos. Der Boden kam immer näher und der einzige Gedanke, der Helena in diesem Moment durch den Kopf huschte galt ihrer Kleidung, die furchtbar aussehen würde, wenn sie im Schlamm landete.

    Helena hatte nichts dagegen in die Kutsche zurück zu gehen, denn mittlerweile spürte sie, wie ihr ein wenig kühl wurde. Zwar war sie warm angezogen, aber die ganze Zeit draußen rumzustehen sorgte nicht gerade dafür, dass ihr Körper sich aufwärmte. Deswegen nickte sie auf Marcus Worte und sah ihm dann hinterher. Auch Deandra sollte zurück in die Kutsche, aber sie hatte scheinbar andere Pläne. Sie stand dem Sklavenwagen ein Stück näher und hatte wohl etwas gesehen, was ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Zumindest lief sie plötzlich hinüber, was Marcus überhaupt nicht gefiel. Helena sah noch, wie Marcus auf Deandra einredete bevor sie sich umwandte und zur Kutsche hinüber ging. Was zwischen den Beiden vor sich ging, ging sie nichts an. Vorsichtig machte sie einen Schritt nach dem anderen um die schlammigsten Stellen zu umrunden. Sie war eindeutig froh, wenn sie wieder gepflasterte Straßen unter ihren Füßen hatte.


    Schon kurze Zeit später hörte Helena Schritte hinter sich. Sie wandte sich um und sah Deandra auf sich zukommen. Egal was Marcus auch zu ihr gesagt hatte, scheinbar hatte es gewirkt. Helena lächelte ihr entgegen und registrierte nebenbei, dass die Laune der anderen Frau nicht gerade blendend war. Ihr Blick huschte zu Deandras Schuhen als diese sie ansprach. Die Schuhe sahen wirklich schlimm aus. Wahrscheinlich konnte man sie wegschmeißen. Helena bekam eine Gänsehaut als sie sah, wie Deandras nackte Füße in den Schlamm sanken. Alles in allem sah es recht lustig aus, wie sie dort im Schlamm herumhüpfte, aber Helena hütete sich davor zu lachen. Vor allem, weil ihre Schue nicht viel besser aussahen. Bei Deandras Frage huschte Helenas Blick zum Gepäckwagen. Sie wusste wo ihre Truhe war, aber das half nicht viel, denn da Deandra zuletzt gekommen war, lagerte ihr Gepäck auf dem von Helena. Es war also unmöglich an ihre eigenen Schuhe heran zu kommen.


    "Setzt dich am Besten schonmal in die Kutsche. Ich werde Marina rufen, damit sie dir die Füße wäscht. Sonst erkältest du dich noch. Und ich werde auch dafür sorgen, dass du neue Schuhe bekommst. Warte einen Moment."


    Helena lächelte erneut und dieses Lächeln war ehrlich gemeint. Zwar wusste sie immer noch nicht, ob sie Deandra mochte oder nicht und auch ihre Beziehung zu Marcus versetzte ihr jedesmal einen Stich, wenn sie daran dachte. Trotzdem war Deandra wohl die einzige Frau, mit der sie sich in der nächsten Zeit vernünftig würde unterhalten können. Da war es wichtig, dass man sich mit dem anderen gut stellte. Helena warf einen Blick auf den Sklavenwagen, doch Marina war im Moment nicht zu sehen. Da sie nicht über die ganze Straße brüllen wollte musste sie wohl oder übel hinüber gehen. Helena raffte ihre Tunika und stiefelte langsam los. Es dauerte lange, bis sie überhaupt in der Nähe des Wagens war, denn sie umkurvte jede Pfütze und wich jedem Schlammloch aus. Irgendwann blieb sie stehen und atmete tief durch. Was tat sie eigentlich hier? Das sollte ein Sklave übernehmen, aber irgendwie schienen gerade alle beschäftigt zu sein. Helena atmete tief durch und erhob dann ihre Stimme.


    "Marina, wo steckst du?"


    Es dauerte nicht lange und Marinas Kopf schaute hinter dem Sklavenwagen hervor. Als sie ihre Herrin sah wurden ihre Augen groß und sie beeilte sich zu Helena zu kommen.


    "Herrin, was tust du denn hier. Ach ja, dass Kind ist da. Es ist soo süß, aber all das Blut. Es war..."


    "Marina, das interessiert mich jetzt nicht. Sieh zu, dass du irgendwo warmes Wasser herbekommst und geh zur Kutsche hinüber. Deandra wartet dort und du sollst ihre Füße waschen. Danach schnappst du dir einen der Sklaven von ihr und suchst aus dem Gepäck neue Schuhe für sie heraus. Beeil dich, im Moment ist sie barfuß."


    Marina blinzelte ein paar Mal und nickte dann. Was die ältere Frau dachte, konnte Helena nicht sagen, denn Marina hatte ihr Gesicht gut unter Kontrolle. Nachdem die Sklavin verschwunden war und ihre Anweisungen befolgte sah Helena wieder zu dem Sklavenwagen hinüber. Das Kind war also da und da es recht ruhig war, war auch alles gut verlaufen. Na wenigstens etwas... Ihr Blick ruhte einen Moment auf Marcus, der ebenfalls noch beim Wagen stand. Erneut huschte dieses Lächeln über ihre Lippen, das immer erschien, wenn sie ihn beobachtete, ohne das jemand etwas bemerkte.

    Der große Vogel war irgendwann davongeflogen. Helena starrte noch eine Weile auf die Stelle an der er seine Kreise gezogen hatte. Frei wie ein Vogel, das wäre sie gerne. Im Moment zumindestens. Eigentlich legte sie viel Wert auf die Familie. Wenn es auch immer mal wieder kleine Streitigkeiten gab, sie würde nicht ohne ihre Verwandten leben wollen. Das schloß sogar ihre Tante mit ein. Aber in diesem Moment wäre sie gerne allein und vor allem ganz woanders. Als Helena plötzlich erneut eine Stimme hinter sich hörte drehte sie sich langsam um, um auf dem rutschigen Boden nicht hinzufallen. Marcus stand dort und seine Worte sorgten dafür, dass ein Lächeln über ihre Lippen huschte. Ihm war also doch nicht entgangen, dass sie etwas störte. Oder war ihr Gesichtsausdruck mal wieder so verräterisch gewesen, dass er gar nicht anders gekonnt hatte als sie anzusprechen? Egal, er war zu ihr gekommen und schien ehrlich besorgt zu sein.


    Bevor sie allerdings antworten konnte hörte sie die laute Stimme eines Mannes. Helena wandte den Blick und musterte den Wagen, der mit Fässern vollgestellt war. Auch der Mann wurde einer Musterung unterzogen, bevor sie wieder wegsah. Von dem was er sagte verstand sie kein Wort. So hört sich also germanisch an... Auch Marcus schien nicht zu wissen was der Kerl wollte. Zumindest entnahm sie das seinem etwas hilflosen Blick. Und egal was er gesagt hatte, es schien sehr lustig zu sein, denn der Mann bekam sich gar nicht mehr ein vor Lachen. Helenas Blick war ein wenig konsterniert über die rüde Art des Mannes. Sie hoffte nur, dass nicht alle Germanen so waren. Schließlich sah sie zu Marcus.


    "Vielleicht sollte Camryn mit ihm reden. Sie kann doch Germanisch. Ich persönlich habe keine Ahnung was er will."


    Helena zuckte mit den Schultern und schwieg dann erstmal. Die Fragen von Marcus konnte sie auch später noch beantworten. Jetzt war es wichtiger in Erfahrung zu bringen, was der Mann mit dem Karren wollte. Zudem würde sie nur zu gerne wissen, warum er so gelacht hatte. Helena hoffte inständig, dass es dort wo sie hinreisen würde ein paar Leute gab, die ihre Sprachen sprachen. Ansonsten würde es ein sehr einsamen Aufenthalt werden, wenn sie sich nicht dazu bereit erklärte germanisch zu lernen. Und das hatte sie eigentlich nicht vor gehabt.

    Helena liebte es, wenn ihr jemand die Haare machte. Es war so wunderbar entspannend, zumindest wenn derjenige wusste was er tat. Normalerweise war Marina dafür zuständig, doch die saß im Sklavenwagen und war für diesen Moment unerreichbar. Aber diese Aintzane, mittlerweile hatte Helena herausgefunden, dass sie die Sklavin von Deandra war, verstand ihr Handwerk ebensogut. Großartig geredet wurde auf der Fahrt nicht. Helena hatte Deandra sofort wiedererkannt als sie sie gesehen hatte, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie sich nicht wirklich kannten. Helena war zwar nicht schüchtern, aber ein Gespräch beginnen wollte sie auch nicht. Das Geschaukel der Kutsche war anfangs so gewöhnungsbedürftig, dass sie damit beschäftigt war gegen eine leichte Übelkeit anzukämpfen, so dass sie sich auch nicht an der Unterhaltung zwischen Marcus und Deandra beteiligte. Das die Beiden mehr verband als nur Freundschaft war mittlerweile offensichtlich. Helena gefiel das nicht und auch deswegen sagte sie nur wenig. Wahrscheinlich würde Marcus das als Schüchternheit sehen, aber das war ihr immer noch lieber, als wenn er ihre wahren Beweggründe erkannt hätte.


    Irgendwann, Helena hatte das Zeitgefühl verloren, stoppte die Kutsche. Helena hörte die aufgeregte Stimme Camryns, doch sie saß auf der falschen Seite der Kutsche, so dass sie nicht aus dem Fenster sehen konnte. Stattdessen warf sie einen Blick auf Marcus, der von dem ganzen Theater aber scheinbar nichts mitbekam. Als Deandra den Vorschlag machte hinaus zu gehen nickte Helena zustimmend. Sie slbst hatte mittlerweile das Gefühl, dass sie nicht mehr lange würde sitzen können und frische Luft wäre auch nicht schlecht. Nachdem Deandra und ihre Sklavin den Wagen verlassen hatten stand auch Helena auf. Vor Marcus blieb sie noch einmal kurz stehen und hob schließlich eine Hand, mit der sie ihm sanft über die Wange strich. Glücklicherweise schlief er so fest, dass er davon nichts mitbekam. Danach versuchte sie so elegant wie möglich aus der Kutsche hinaus zu kommen. Das war gar nicht so einfach, denn der Boden war schlammig und sah äußerst rutschig aus. Als sie endlich stand versanken ihre Füße ein wenig im Schlamm, wass Helena mit einem angewiderten Stirnrunzeln quitierte. Sie hob den Stoff ihrer Toga ein wenig an und lief ein paar Schritte, bevor sie stehen blieb und tief durchatmete. Eines war sicher, hier war die Luft um einiges besser als in Mantua.


    Schließlich wanderte Helenas Blick zu dem Sklavenwagen hinüber. Um den Wagen herum hatte sich eine regelrechte Menschentraube gebildet und alles redete durcheinander. Helena wusste noch immer nicht was los war, aber sie hatte nicht vor den Weg bis zum Sklavenwagen zurück zu legen. Also blieb sie einfach stehen und genoß das Gefühl ihr Hinterteil entlasten zu können. Die Umgebung war einfach traumhaft. Zwar unterschied sie sich sehr von Italia und Hispania, war aber auf ihre Art trotzdem berauschend. Helena ließ diese Eindrücke auf sich einwirken und schloß die anderen Geräusche aus ihren Gedanken aus. Hatte da nicht eine Frau geschrien? Möglicherweise hatte sie sich verletzt und es ging bei dem ganzen Theater darum sie zu verarzten. Irgendwie fühlte Helena sich ausgeschloßen. Sie gehörte hier nicht hin. Marcus beschäftigte sich mit Deandra und die Sklaven kochten ihr eigenes Süppchen. Sie fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen. Als sie plötzlich eine Stimme neben sich hörte zuckte sie zusammen. Marina war neben ihr erschienen und das lockte immerhin ein Lächeln auf Helenas Lippen.


    "Herrin, geht es dir gut? Kann ich etwas für dich tun?"


    "Du kannst mir sagen, was dort hinten los ist. Die Frau schreit ja wie am Spieß."


    "Oh ja, das ist Tullia. Sie bekommt gerade ein Kind."


    Ein Kind? Jetzt und hier? Helena sah nun doch zum Wagen hinüber und schüttelte den Kopf. Wer hatte denn befohlen eine schwangere Sklavin mitzunehmen? Das das nur Ärger bringen konnte war doch klar. Helena seufzte und sah dann wieder zu Marina.


    "Na wunderbar. Geh am Besten zum Wagen zurück und sieh zu, dass du irgendwie helfen kannst. Ich will so schnell wie möglich weiterkommen."


    Marina nickte und machte sich dann so schnell es eben ging auf den Rückweg. Helena sah ihrer rutschenden und strauchelnden Sklavin nach und erwartete jeden Augenblick, dass die ältere Frau im Schlamm landen würde, aber sie kam sicher am Wagen an. In diesem Moment traten Marcus und Deandra aus der Menge heraus und blieben etwas abseits stehen. Helena hatte noch nicht einmal mitbekommen, dass er die Kutsche verlassen hatte, so sehr war sie in ihre eigenen Gedanken vertieft gewesen. Jetzt aber drehte sie ihm demonstartiv den Rücken zu und betrachtete einen großen Vogel, der schräg über ihr seine Kreise zog. Wahrscheinlich würde es ihm noch nicht einmal auffallen. In Helena begann der Wunsch zu keimen niemals in diese Reise eingewilligt zu haben.

    Die letzten Tage waren bei weitem nicht so entspannend verlaufen wie Helena sich das gewünscht hatte. Marina hatte ihr Hab und Gut gerade ausgepackt, als es schon wieder darum ging alles für die Reise nach Germanien zu verstauen. Ihre Leibsklavin war im Gegensatz zu Helena begeistert von der Idee nach Germanien zu reisen. Ihre Aufregung war ansteckend, so dass Helena am letzten Tag zu Hause kaum ruhig sitzen bleiben konnte. Natürlich hatte sie Marcus ihr Einverständins gegeben ihn zu begleiten. Es hatte eine Weile gedauert, aber mittlerweile freute sie sich auf das neue Abenteuer. Zwar stand sie der Begegnung mit Deandra immer noch skeptisch gegenüber, aber sie würde ihr Möglichstes tun um nicht negativ aufzufallen. Macus selbst hatte Helena in den letzten Tagen nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Er war so damit beschäftigt alles für seinen neuen Posten vorzubereiten, dass er kaum Zeit für seine Cousine hatte. Doch jedesmal, wenn sie ihn kurz sah machte ihr Herz einen Satz und sie gab sich ihm gegenüber so freundlich, als hätte es die Streitereien von früher nie gegeben.


    Am Tag der Abreise lief Helena gedankenverloren durch die große Villa und prägte sich jedes Zimmer genau ein. Marcus hatte nicht gesagt wie lange sie in Germanien bleiben würden, aber es sah nicht so aus, als ob ihr Aufenthalt nur von kurzer Dauer wäre. Sie hörte die Sklaven, die gerade dabei waren das Gepäck zu verstauen und seufzte leise. Es ging alles so schnell! Viel zu schnell ihrer Meinung nach und doch war sie machtlos etwas daran zu ändern. Als sie die Stimme Camryns hörte ging sie zur großen Einganstür und trat hinaus. So wie es aussah würden sie bald aufbrechen, auch wenn weder von Marcus noch von Deadra bis jetzt etwas zu sehen war. Marina überwachte gerade das Verladen ihrer letzten Truhe und trat dann zu ihrer Herrin. Die Wangen der älteren Frau waren leicht gerötet und ihre Augen glänzten. Helena schmunzelte leicht als sie das sah.


    "Ich bin so aufgeregt! In Germanien zu leben ist sicher wunderbar. Und ich bin so gespannt auf die Villa dort."


    Helena verzog leicht das Gesicht und trat dann ein Stück nach vorne und zur Seite, um den Weg in das Innere der Villa frei zu machen. Noch immer wurden die letzten Gepäckstücke herausgetragen und Helena beobachtete Camryn eine Weile bei ihrer Arbeit, bevor sie ich an ihre Leibsklavin wandte.


    "Vergiss nicht, dass wir erst noch eine lange und beschwerliche Reise vor uns haben. Wenn wir die überstanden haben, dann teile ich vielleicht deinen Enthusiasmus. Ich hoffe Marcus kommt bald. Ich habe keine Lust hier herum zu stehen. Immerhin war er es der es so eilig hatte."


    Glücklicherweise stand ausser Marina niemand in ihrer Nähe, der ihre kindlichen und zickigen Worte hören konnte. Helena wusste, dass sie in der Gegenwart ihrer Leibsklavin sich so verhalten konnte wie sie wollte, wie sie sich wirklich fühlte. Marina verdrehte auf Helenas Worte hin auch nur die Augen gegen den Himmel und huschte dann mit einem Grinsen wieder zu den Karren. Helena sah ihr mit einem Stirnrunzeln hinterher. Bei jedem anderen Sklaven hätte sie dieses respektlose Verhalten rigeros bestraft, aber nicht bei Marina. Ihre Aufgeschloßenheit und lockere Art taten Helena gut. Da sie im Moment nichts zu tun hatte ging Helena zu der Kutsche hinüber und schaute hinein. An sich sah sie ganz bequem aus, aber sie würde sich den Platz mit Marcus und Deandra teilen müssen. Ihre erste große Herausforderung.

    Ich werde sie mögen...soso! Das würde sie immer noch selbst entscheiden. Helena sagte nichts dazu sondern flüchtete sich in ein leichtes Lächeln. Natürlich wollte er, dass sie sich gut verstanden. Man konnte Marcus ansehen, dass er fieberhaft überlegte, wie er sie in seine Planung mit unterbringen sollte. Ihre Ankunft war scheinbar nicht nur überraschend gewesen, sondern auch unpassend. Wäre sie doch nur ein paar Tage später gekommen! Dann wäre niemand hier gewesen, der über sie bestimmen wollte. Helena seufzte leise und zog dann zweifelnd eine Augenbraue hoch, als er davon sprach, dass sie noch drei Tage hatte, bevor sie nach Germanien aufbrechen würden.


    "Drei Tage sind nichts im Vergleich zu den vier Jahren in denen ich fort gewesen bin."


    Sie hatte gehofft, dass sie wenigstens noch ein paar Wochen Zeit haben würde. Das es jetzt wirklich so schnell gehen sollte passte ihr überhaupt nicht. Am Liebsten hätte sie unwillig eine Schmolllippe gezogen, aber ihr Gesicht blieb ruhig. Helena wusste selbst, dass sich ihre Worte recht zickig anhörten, aber Marcus verstand sicherlich, dass sie keine Begeisterungssprünge machte. Vielleicht sollte sie ihr vorbildliches Gehabe ablegen und ihn erneut so nerven wie früher. Dann würde er es sich bestimmt zweimal überlegen, ob er sie mitnehmen würde. Die Gefahr bestand allerdings, dass er sie dann zurück zu ihrer Tante schicken würde und das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Schließlich lächelte sie einnehmend und lehnte sich etwas vor, um Marcus eine Hand auf den Oberschenkel zu legen.


    "Es tut mir leid. Du verstehst bestimmt, dass ich mich ein wenig überfordert fühle. Ich denke, ich werde jetzt ein Bad nehmen und über all das nachdenken. Mach dir keine Sorgen. Ich werde dir keine Schwierigkeiten bereiten."


    Mit diesen Worten stand Helena auf, beugte sich noch einmal herunter um Marcus einen sanften Kuss auf die Wange zu drücken und verließ dann das atrium. Auf dem Weg hielt sie einen Sklaven an, der ihr den Weg zu ihrem Zimmer zeigen sollte und folgte ihm schweigend. Helena brannte darauf Marina von der ganzen Sache zu erzählen. Ihre Leibsklavin war sicher begeistert von der Idee Marcus. Die ältere Frau hoffte, dass Helena hier einen guten Mann finden würde und vielleicht würde sich in Germanien eine gute Chance dazu finden. Daran wollte Helena aber lieber nicht denken. Jetzt galt es erstmal ein Bad zu nehmen und dann musste sie sich einen Plan überlegen.

    Helena drehte den Becher leicht in den Händen während sie Marcus lauschte. Sie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen als sie sich vorstellte, wie er sie über den neusten Klatsch aufklärte. Das passte so gar nicht zu dem jungen Mann von früher, dem es herzlich egal gewesen war, wer welche Kleidung trug oder wer in diesem Moment in welche Familie hinein heiratete. Marcus bestätigte diese Gedanken und sprach sie dann auf Deandra an. Helena runzelte nachdenklich die Stirn, als sie versuchte sich Deandra vorzustellen. Der Name sagte ihr etwas, aber es wollte sich kein passendes Gesicht dazu einstellen. Hatte Verina in einem ihrer Briefe nicht mal erwähnt, dass Deandra jemanden aus ihrer Familie heiraten wollte? Noch während sie überlegte sprach Marcus schon weiter. Das was er sagte sorgte dafür, dass Helena überrascht aufblickte.


    "Ich gratuliere dir, Cousin. Das hast du dir sicher verdient!"


    Mehr sagte sie erstmal nicht, denn diese Neuigkeiten mussten verdaut werden. Marcus war nun also Tribun in Germanien. Ein hoher Posten, dass wusste Helena. Sie musterte Marcus über den Rand ihres Bechers, während sie noch einen Schluck Fruchtsaft nahm. Das was er über Deandra sagte interessierte sie allerdings noch viel mehr. So wie es sich anhörte waren die Beiden ein Paar, immerhin würde sie ihn nicht umsonst nach Germanien begleiten. Diese Erkenntnis versetzte ihr irgendwo in ihrer Magengegend einen kleinen Stich, den Helena aber geflissentlich ignorierte. Und sie sollte ihn begleiten, aber nicht, weil er es sich für sich wünschte, sondern weil er hoffte damit Deandras Langeweile zuvor zu kommen. Helena stellte den Becher nun endgültig auf den Tisch und sah Marcus ernst an.


    "Das kommt sehr überraschend, Marcus. Ich bin gerade erst zu Hause angekommen und du willst, dass ich sofort wieder weiterreise. Ich hatte gehofft mich erstmal eine Weile ausruhen zu können. Eine Reise nach Germanien ist lang und sicher nicht einfach."


    Helena wusste nur zu gut, dass sie eigentlich keine andere Wahl hatte. Marcus würde sie nicht alleine hier in Rom zurücklassen, da war sie sich sicher. Scheinbar meinte er, dass man noch genauso auf sie aufpassen musste, wie vor vier Jahren. Ein Aufenthalt in Germanien hatte sicher auch etwas positives an sich. Helena liebte es neue Kulturen kennenzulernen, aber eigentlich wollte sie lieber selbst bestimmen wann es dazu kam. Jetzt aber hatte sie diese Möglichkeit nicht. Trotzdem wollte sie nicht, dass Marcus das Gefühl bekam, dass sie alles tat was er wollte. Deswegen lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und wiegte nachdenklich den Kopf.


    "Ich werde darüber nachdenken. Aber ich muss zugeben, dass ich einige Zweifel habe, ob das so eine gute Idee ist. Ich kann mich an Deandra nicht mehr wirklich erinneren. Was ist, wenn wir uns nicht verstehen? Das würde die ganze Reise nicht nur für mich unangenehm machen. Du willst schon heute Abend eine Entscheidung haben? Ist es denn so dringend?"

    Bis auf einen komischen Blick den Marcus ihr zuwarf, reagierte er so gut wie gar nicht auf Helenas kleinen Ausbruch. Helena selbst hätte sich am Liebsten auf die Zunge gebissen. Sie hatte sich geschworen ihr wahres Ich verborgen zu halten, denn mittlerweile wusste sie, dass sie mit dem was ihre Tante ihr beigebracht hatte wesentlich weiter kam. Wenn sie es schon bei Marcus nicht schaffte, wie sollte sie es dann erst bei den wirklich wichtigen Leuten überzeugend rüberbringen? Helena ließ sich nach außen hin von diesen Gedanken nichts anmerken. Ruhig und aufmerksam hörte sie Marcus zu und lächelte hin und wieder leicht. Wenn sie ihn richtig verstand, dann wusste wirklich niemand von ihrer Rückkehr. Nun ja, das würde sich jetzt nicht mehr ändern lassen, aber sie beschloß, dass sie ihrem Vater einen Brief schicken würde, um ihm wenigstens jetzt mitzuteilen, dass sie wieder zu Hause war. Bei Marcus Frage nach einem Bad nickte Helena.


    "Ja, ich habe meiner Leibsklvin aufgetragen mein Zimmer herzurichten und dann ein Bad vorzubereiten. Zwar konnte ich auch während der Reise ein Bad nehmen, aber da standen meistens nur Holzzuber zur Verfügung und ich will gar nicht wissen, wer da schon seinen Schweiß drin hinterlassen hat."


    Helena schüttelte sich leicht als sie daran zurück dachte. Sie schickte den Sklaven, der auf eine Antwort gewartet hatte mit einer kurzen Handbewegung fort und widmete sich dann den kleinen Erfrischungen. Das vor ihr nur Fruchtsaft stand registrierte sie mit einem leichten Stirnrunzeln, aber sie sagte nichts dazu. Zu gerne hätte sie jetzt einen erfrischenden Wein getrunken, aber um Marcus nichts zu verärgern begnügte sie sich mit dem Fruchtsaft. Sie nahm einen kleinen Schluck und stellte fest, dass er gut schmeckte, auch wenn der leichte Geschmack des Alkohols fehlte. In diesem Moment lud Marcus sie zum Abendessen ein. Helena lächelte erfreut und nickte dann zustimmend. Er war mit Sicherheit ein angenehmer Gesprächspartner und irgendetwas in ihr wünschte sich in seiner Nähe bleiben zu können. Sie schob diesen verwirrenden Gedanken zur Seite und veränderte dann etwas ihre Position, um ihre Beine zu entlasten.


    "Die Einladung nehme ich sehr gerne an. Das Essen in Hispania war lecker, aber ich freue mich schon die ganze Reise über auf das Essen hier zu Hause. Zudem kannst du mich bei der Gelegenheit über alles Neue aufklären. Wahrscheinlich ist in den vier Jahren sehr viel passiert. Ich habe zwar mit Verina ab und zu Briefe ausgetauscht, aber in einen Brief kann man nunmal nicht alles schreiben. Du kannst dir sicher vorstellen, dass es mich geradezu nach dem neusten Tratsch dürstet."

    Das Marcus nun ihre Hand nahm, überraschte Helena doch ein wenig. Eine ihrer Augenbrauen huschte kurz nach oben und sie blickte auf die Hände hinunter. Seine Finger fühlte sich rauh an auf der weichen Haut ihres Handrückens. Als sie hörte, dass die Sklavin dafür verantwortlich war, dass sie so lange hatte warten müssen, runzelte sie kurz die Stirn und beschloß sich nachher darum zu kümmern. Jetzt aber war erst mal Marcus wichtig, dessen Anwesenheit ein Kribbeln in ihrem Magen auslöste, das sie sich nicht erklären konnte. Helena schob dieses Gefühl zur Seite und konzentrierte sich auf das was Marcus zu sagen hatte. Es verwunderte sie, dass scheinbar niemand von ihrer Ankunft gewusst hatte. Das ihr Vater nicht da war bereitete ihrer guten Launen einen kleinen Dämpfer. Doch auch das ließ sie sich nicht anmerken.


    "Natürlich habe ich einen Brief geschickt. Vater müsste ihn schon vor längerer Zeit bekommen haben. Allerdings habe ich darin meine Ankuft schon vor einigen Tagen angekündigt. Das Schiff musste an einem Hafen einen längeren Zwischenstopp machen. Wahrscheinlich hat sich meine Ankunft mit seiner Abreise deswegen überschnitten. Warum er allerdings nichts gesagt hat weiß ich nicht. Du hättest eine Vorwarnung scheinbar gebrauchen können."


    Da war es wieder, dieses helle und aufgeweckte Lachen, das Marcus noch von früher kennen musste. Helenas Augen leuchteten und sprühten geradezu vor Lebensfreude. Doch dann wurde sie schnell wieder ernst. So schnell, dass dieser Hauch einer Erinnerung auch eine Einbildung hätte sein können. Eine Maske fiel über ihr Gesicht und hinterließ wieder das unschuldige Lächeln und den eleganten Gesichtsausdruck, den sie sich in den letzten Jahren angelernt hatte. Mittlerweile hatte Marcus ihre Hand wieder losgelassen und Helena blickte noch einen Moment auf ihre nun wieder einsame Hand, bevor sie ihm in die Augen sah. Sie wartete, bis er dem Sklaven seine Anweisungen gegeben hatte und neigte dann den Kopf.


    "Mir geht es gut. Ich bin erschöpft und brauche dringend ein Bad, aber das ist nach der Reise ja nur verständlich. Sieben Wochen auf einem schaukelnden Schiff gehen nunmal nicht spurlos an einem vorbei. Und der Aufenthalt bei meiner Tante war...nun ja, sagen wir lehrreich. Du kennst sie. Sie ist streng und unnachgiebig, aber ich denke, es war gut, dass ich die Jahre dort gewesen bin."


    Eine glatte Lüge, verborgen hinter einem weiteren koketten Augenaufschlag. Sie hasste ihre Tante, hatte aber mit der Zeit gelernt das zu verbergen. Genauso wie sie es gelernt hatte all ihre Gefühle zu verbergen, wenn sie nicht in die Normen passten. Nicht immer gelang ihr das. Das Lachen kurz zuvor hatte es mal wieder bewiesen. Aber Helena gab sich Mühe. Eines hatte sie bei ihrer Tante gelernt: Eine Frau konnte alles erreichen, wenn sich ihr scharfer Verstand und ihr Wille hinter einer eleganten Fassade verbarg.

    Marcus ließ sich Zeit. Helena spürte den alten Groll von früher wieder in sich aufsteigen. Wahrscheinlich wollte er sie damit ärgern, dass er sie so lange warten ließ. Dann jedoch grinste sie kurz und schüttelte den Kopf. Sie wollte versuchen ihrem Cousin so objektiv wie möglich gegenüber zu treten. Es war nicht fair jetzt sofort wieder da anzufangen, wo sie aufgehört hatten. Wahrscheinlich hatte er einfach noch etwas zu tun. Immerhin konnte er nicht alles stehen und liegen lassen, um sie zu begrüßen. Doch, natürlich kann er das! Immerhin gehöre ich zu seiner Familie! Helena schnaubte äußerst undamenhaft und war im gleichen Moment froh, dass niemand da war. Ihre Tante hätte ihr jetzt einen langen Vortrag über das Benehmen einer jungen Frau gehalten. Das war in den letzten vier Jahren leider viel zu oft vorgekommen.


    So in Gedanken versunken hatte Helena nicht mitbekommen, dass jemand hinter sie getreten war. Deswegen zuckte sie auch leicht zusammen, als plötzlich eine Stimme erklang. Sie wandte den Kopf und sah leicht hoch. Marcus stand neben ihr und ihm stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Er hatte sich verändert, natürlich. Vier Jahre gingen an niemandem spurlos vorbei. Doch Helena sah ihn nun nicht mehr mit kindlichen Augen, sondern mit den Augen einer jungen Frau. Hatte ihr Cousin schon immer so gut ausgesehen? Aus einem ersten Reflex heraus wäre sie beinahe aufgesprungen und hätte ihn umarmt. Egal wie sie sich voneinander getrennt hatte, er war das erste Familienmitglied, das sie nach langer Zeit sah. Erneut spürte sie, wie sehr sie ihre Heimat vermisst hatte. Doch Helena beherrschte sich noch rechtzeitig und neigte leicht den Kopf, bevor sie kokett die Augen niederschlug.


    "Marcus! Auch ich freue mich, dich zu sehen. Es ist lange her...Hat dich denn niemand von meiner Ankuft informiert?"


    Zu gerne würde sie wissen, was er nun dachte. Mittlerweile hatte er sich ebenfalls in einem der Sessel niedergelassen und wüsste Helena es nicht besser, würde sie meinen, dass die Situation ihn ein wenig überforderte. Es wäre ihm nicht zu verübeln. Das Marcus sie überhaupt wiedererkannt hatte sprach jedenfalls schonmal für ihn. Sie wusste selbst, dass sie sich äußerlich sehr verändert hatte. Zum Besseren, wie sie sich jedesmal sagte, sobald sie in den Spiegel sah. Und auch ihr Verhalten musste für ihn neu sein. Natürlich konnte er nicht wissen, dass ihr damenhaftes Verhalten ihr Inneres nicht erreichte. Sie hatte dafür gesorgt, dass auch unter den strengen Augen ihrer Tante ihr starker Wille und ihr Selbstbewusstsein nicht verloren gingen.

    Helena war schon auf dem halben Weg zur Tür als sie hörte, dass Marcus anwesend war. Ihr Herz begann wieder schneller zu schlagen, als sie an ihren Cousin dachte. Die Beiden hatten sich nicht gerade in Freundschaft getrennt. Um genau zu sein hatte Helena ihn damals nicht leiden können. Er war arrogant und von sich selbst überzeugt. Wenn er sie überhaupt beachtet hatte, dann hatte er sie wie ein kleines Kind behandelt. Natürlich hatte sie sich nicht alles bieten lassen und dem sieben Jahre Älteren oftmals kleine Streiche gespielt. Das war jetzt aber auch vier Jahre her und sie hatte sich verändert. Er möglicherweise auch. Trotzdem entbehrte es nicht einer gewissen Ironie, dass gerade er es sein würde, der sie im Haus ihrer Familie willkommen heißen würde.


    Die Sklavin war mittlerweile im Inneren der Villa verschwunden. Helena betrat die Eingangshalle und blieb kurz stehen, um sich umzusehen. Hier hatte sich nicht viel verändert. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich selbst als kleines Mädchen durch die verschiedenen Räume streifen. Oft hatte sie die Sklavinnen, die auf sie aufpassen sollten zur Verzweiflung getrieben, in dem sie sich in der weitläufigen Villa versteckt hatte. Ein wunderbares Glücksgefühl breitete sich in ihr aus. Hier war sie zu Hause und würde es immer sein. Die Villa selbst war seltsam still. Scheinbar war der größte Teil ihrer Familie nicht anwesend. Weiter hinten sah sie einen Sklaven vorbeihuschen, der ein Tablett trug. Ansonsten sah Helena niemanden. Sie drehte sich zu Marina um, die hinter ihr stand. Vor ihr musste sie das glückliche, fast kindliche Lächeln nicht unterdrücken. Ihre Freundin wusste mit Sicherheit eh, wie es in ihr aussah.


    "Begleite die Sklaven nach und beaufsichtige mein Gepäck. Du solltest schon damit anfangen das Wichtigste auszupacken. Sobald es möglich ist, will ich ein Bad nehmen."


    Marina verbeugte sich kurz und folgte den Gepäckträgern weiter in die Villa hinein. Helena blieb alleine zurück und erinnerte sich dann an die Worte der Sklavin, die ihr die Tür geöffnet hatte. Langsam, fast schon schlendernd ging sie in das atrium hinüber. Dort angekommen fuhren ihre Finger über den kühlen Mamor der Säulen, die das atrium einfassten. Durch die Öffnung in der Decke fiel Licht hinein und ließ den hellen Stein strahlen. Da Helena nicht wusste, wie lange Marcus brauchen würde, ließ sie sich schließlich auf einem der Sessel nieder. Mit gestrecktem Rücken und erhobenen Kinn saß sie da, die Hände elegant in ihrem Schoß gefaltet. Genauso, wie ihre Tante es ihr beigebracht hatte. Die Reise war anstrengend gewesen und sie spürte die Erschöpfung, die sich in ihr ausbreiten und sie dazu verleiten wollte, sich einfach entspannt zurück zu lehnen. Doch Helena schob die Müdigkeit beiseite. Jetzt war nicht der Zeitpunkt um dieser Schwäche nachzugeben.

    Der Sklave war einen Schritt zurück getreten, als sich die Tür geöffnet hatte. Auch Helena warf kurz einen Blick auf den Spalt, um zu sehen, wer dort erschien. Natürlich wusste sie, dass keiner ihrer Familienangehörigen selbst die Tür öffnen würde, aber vielleicht erkannte sie ja den ianitor von früher. Sie wurde allerdings enttäuscht, denn die junge Frau war ihr gänzlich unbekannt.


    "Die Herrin Aurelia Helena ist nach Hause zurückgekehrt und bittet um Einlass."


    Helena lauschte den Worten des Sklaven und ein Schauer huschte über ihren Rücken. Nach Hause, endlich! Kurz nachdem die Sänfte an der Villa angekommen war, hatte auch der Karren mit ihrem Gepäck das Haus erreicht. Mehrere Truhen mit den Besitztümern der jungen Frau türmten sich auf dem wackeligen Karren und hatten mit Sicherheit dafür gesorgt, dass die Sklaven ordentlich ziehen mussten, um ihn überhaupt zu bewegen. Nachdem Helena sicher an der Hand Marinas die Sänfte verlassen hatte, strich sie sorgsam über den weißen Stoff ihrer Tunika, um mögliche Falten zu entfernen. Dann sah sie zu den Sklaven hinüber und wies mit einer herrischen Kopfbewegung auf die Villa.


    "Sorgt dafür, dass mein Gepäck in mein Zimmer gebracht wird. Und seid vorsichtig! Wenn etwas zu Bruch geht, werden ihr dafür büßen."


    Natürlich wartete Helena nicht darauf, dass die Sklavin an der Tür ihr Einverständnis gab. Niemand würde ihr den Eintritt in die Villa ihrer Familie verwehren.

    Langsam bewegte sich die Sänfte durch die Straßen Mantuas. Helena lag auf den bequemen Kissen und versuchte schon eine ganze Zeit lang vergeblich ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen. Vier Jahre war sie nicht mehr hier gewesen. Vier lange Jahre, in denen sich die Stadt verändert hatte. Zwischenzeitlich warf das Mädchen immer wieder einen Blick hinaus, wobei sie die schweren Vorhänge leicht zur Seite schob. Die Sänftenträger wussten genau, wo sie sie hinbringen sollten und Helena war froh, dass sie ihnen nicht den Weg weisen musste. Obwohl sie die ersten dreizehn Jahre ihres Lebens in dieser Stadt verbracht hatte, erkannte sie nur einzelne Straßen wieder, die sie passierten. Schließlich lehnte Helena sich wieder zurück und atmete tief durch. Während der Jahre in Hispania hatte sie sich diesen Moment immer wieder vorgestellt, geradezu herbeigesehnt und doch war jetzt alles anders.


    "Es wird schon alles gut gehen, Herrin!"


    Helena sah zu ihrer Leibsklavin, die neben der Sänfte lief. Marina war in der Zeit bei ihrer Tante eine große Stütze für sie gewesen und mittlerweile verband die Beiden eine enge Freundschaft. Sie war ein paar Jahre älter als Helena und hatte ihr besonders in der Anfangszeit über das Heimweh hinweg geholfen. Auf die Worte ihrer Sklavin gab Helena ein unbestimmtes Brummen von sich, sagte aber ansonsten nichts. Würde man sie erwarten? Natürlich hatte sie ihrem Vater über ihre Ankunft unterrichtet, aber das Schiff hatte ein paar Tage länger gebraucht. Vielleicht war niemand da, der sie willkommen heißen würde. Helena schob diesen Gedanken zur Seite und sah erneut auf die Straße hinaus. Auch wenn sich viel verändert hatte, eines war immer noch gleich: Der Geruch der Stadt. Eine Welle von Erinnerungen überspülte Helena und ein feines Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.


    Als die Sänfte schließlich vor der Villa Aurelia anhielt und sanft auf dem Boden abgesetzt wurde, schickte Helena einen der Träger vorraus zur Tür, um zu klopfen. Es mutete ein wenig seltsam an, dass sie nicht einfach hineingehen konnte, aber nach einer jahrelangen Abwesenheit gebührte es der Respekt und die Höflichkeit nicht einfach unangemeldet hinein zu gehen. Sorgfältig überprüfte Helena den Sitz ihrer eleganten Tunika und ihrer Frisur. Für ihre Heimkehr hatte sie keine Mühen gescheut, um ihren Familienmitgliedern zu zeigen, dass sie nicht mehr das kleine Mädchen von früher war. Sie war stolz auf ihr Aussehen und zeigte das gerne. Helena schloß noch einmal kurz die Augen und ließ sich dann von Marina aus der Sänfte helfen. Dabei wanderte ihr Blick zur Tür und sie fragte sich, wer ihr wohl als erstes begegnen würde.

    Salve, Bürger Roms!


    Aurelia Helena würde gerne, nach mehrjähriger Erziehung bei einer Tante in Spanien, wieder in den Schoß ihrer Familie, der gens Aurelia zurückkehren. Ihr Wohnort sollte Mantua sein und ihr Stand Civis.


    Vielen Dank!