Beiträge von Aurelia Helena

    Helena war nicht in der Lage dazu irgendetwas zu tun als Marcus ihr die Bürste aus der Hand nahm. Zum einen kam es sehr überraschend, zum anderen schien seine Anwesenheit sie regelrecht zu lähmen. Ihre Hände berührten sich, aber nur kurz, bevor die Bürste verschwand. Helena sah einen Moment auf diese Stelle, bevor sie die Hand sinken ließ und sie zusammen mit der anderen in ihrem Schoß verbarg. Er wollte also reden? Ihre Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln, doch sie schwieg, während Marcus sich einen Stuhl heranzog. Dann jedoch, als er neben ihr saß und sie seine Augen auf sich ruhen spürte, antwortete sie ihm.


    "Du wilst also reden? Interessant, wo ich doch gedacht habe, dass dieses Gespräch schon gestern hätte stattfinden sollen. War es dir vielleicht doch nicht wichtig genug? Oder warst du etwa bei deiner Verlobten? Sicherlich habt ihr euch köstlich über mich amüsiert, nicht wahr?"


    Ihre Stimme klang bissig und zeigte deutlicher als ihr lieb war, wie verletzt sie war. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, kneteten den Stoff ihres Morgenmantels. Warum sah er sie so an? Helena wandte ihre ganze Kraft auf und sah zu ihm. Zu gerne würde sie wissen, was er gerade in ihren Augen sah. Die Gefühle in ihrem Inneren spielten verrückt und sie konnte selbst nicht sagen, welches Gefühl gerade Oberhand hatte.


    "Taten sagen manchmal mehr als tausend Worte, Marcus. Reden ist also nicht mehr notwendig."


    Sie wandte den Blick wieder ab und straffte die Schultern. Zumindest nach außen hin wollte sie den Anschein wahren. Sie wollte stark sein, auch wenn sie es nicht war. Trotz war im Moment das Einzige, das ihr half diese Situation zu überstehen.

    Der Tag war bis jetzt recht ereignislos verstrichen. Helena hatte sich mit unnützen Dingen beschäftigt, um nicht zu sehr nachdenken zu müssen. Es war ihr mehr oder weniger gelungen. Schließlich hatte sie sich dazu entschloßen ein Bad zu nehmen. Eigentlich tat sie das meistens am Abend, oder aber am frühen Morgen, aber sie hoffte in dem heißen Wasser wenigstens ein bißchen Entspannung zu finden. Marina hatte ihr Bestes getan um sie aufzumuntern, aber Helena konnte ihre Nähe nicht ertragen. Schließlich hatte sie sie hinausgeschickt. So kam es auch, dass sie alleine war als es an ihrer Zimmertür klopfte. Helena, die sich gerade gedankenverloren die Haare gekämmt hatte, hielt in der Bewegung inne und seuftze genervt. Sicher war es wieder Marina oder eine der anderen Sklavinnen, die ihr etwas Gutes tun wollten. Einen Moment zögerte sie. Vielleicht war es besser so zu tun als würde sie schlafen, doch dann entschied sie sich doch anders.


    Diesen Entschluß bereute sie sofort. Auf ihren Ruf hin öffnete sich die Tür und Marcus trat ein. Helena zuckte fast unmerklich zusammen und all die Gefühle, die sie so verzweifelt versucht hatte zu unterdrücken schlugen wieder über ihr zusammen. Ihre Hand fing an zu zittern und damit er es nicht merkte fuhr sie fort ihre Haare zu kämmen. Durch den Spiegel beobachtete sie, wie Marcus näher trat. Sie wollte nicht das er hier war! Sie wollte nicht hören was er ihr zu sagen hatte! Helena kämpfte darum einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu behalten. Sie war blaß geworden, dass konnte sie an ihrem eigenen Spiegelbild sehen.


    "Marcus! Was willst du?"


    Zu ihrer eigenen Überraschung klang ihre Stimme fest, wenn auch ein wenig tonlos. In seinem Gesicht war nicht zu erkennen was er gerade dachte. Ja, die römische Erziehung war in diesem Zusammenhang ein Vorteil. Helena löste ihren Blick von seinem Bild im Spiegel und starrte auf ihre Lippen. Ihre Hand krampfte sich um den Stiel der Bürste. So fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Hätte sie sich doch bloß nicht dazu hinreißen lassen ihm ihre Gefühle zu gestehen.

    Auch Helenas Blick wanderte erneut über die tadellose Erscheinung des Tribuns. Das was sie sah lockte ihr ein Lächeln auf die Lippen. Octavius Dragonum war durchaus ein Mann, nachdem die Frauen sich umdrehten, doch bis jetzt hatte sie gedacht, dass sie nicht zu solchen Frauen gehörte. Wie man sich doch irren konnte! Seine Leibwächter sorgten unterdessen mit Hilfe der aurelianischen Sklaven dafür, dass sie wesentlich schneller voran kamen. Helena war sich durchaus bewusst, dass sie Aufsehen erregten. Ganz so wie es ihr gefiel. Sie straffte die Schultern und hob ihren Kopf etwas an, was ihr einen stolzen Ausdruck gab. Nach der Vorstellung ergriff nun auch Prisca das Wort und Helena lauschte den gewählten Worten ihrer Freundin und nickte zustimmend. Dem Ausdruck in Priscas Augen nach fand auch sie Interesse an dem Tribun. Insgeheim fragte sie sich, ob dieser Tag noch weitere Überraschungen für sie parat hatte. Als Prisca die Frage an sie weiterleitete sah Helena sie einen Moment verwundert an. Sie kannte ihre Freundin gar nicht so zurückhaltend.


    "Nun, wir sind erst vor Kurzem aus Germanien zurückgekehrt. Nach den doch sehr barbarischen Verhältnissen dort wollten wir das Leben in Roma ein wenig genießen. Ich selbst war die letzten vier Jahre in Hispania. Wahrscheinlich hat sich die Stadt in dieser Zeit sehr verändert und ich werde wohl nicht viel wiedererkennen." Erzählte sie vielleicht zu viel? Nein, es war nur ein normales Gespräch und wollte sie das Intersse des Mannes aufrecht erhalten, musste sie ein wenig von sich preisgeben. "Und wo kann man in dieser Stadt mehr Spaß haben als im Kolosseum? Zumal mit dieser galanten Begleitung. Die Götter müssen uns heute sehr gewogen sein."


    Helena senkte den Blick und sah dann durch ihre Wimpern zu Octavius Dragonum auf. Wen fand er wohl interessanter? Helena erschrack selbst bei diesem Gedanken. Zwischen ihr und Prisca sollte doch kein Wettstreit herrschen! Doch sie war nunmal eine junge Frau, die bestimmte Vorstellungen hatte und da interessierte sie die Antwort auf diese Frage sehr. Ob Prisca genauso dachte? Aber warum verhielt sie sich dann so zurückhaltend? Helena warf ihrer Freundin einen prüfenden Blick zu und schüttelte dann fast unmerklich den Kopf. Darüber nachzudenken war einfach albern. Stattdessen wandte sie sich wieder an den Tribun.


    "Eigentlich haben wir geplant uns nach dem Besuch im Kolosseum die Stadt noch ein wenig weiter anzusehen. Wenn es nicht zu viel verlangt ist könntest du uns vielleicht ein wenig herumführen? Sicher können wir kaum einen Besseren für einen Stadtrundgang finden."

    Innerlich ein Lied summend stieg Helena die Treppe hinab um zum triclinium zu gelangen. Schon den ganzen Tag über hatte sie eine fast unnatürlich gute Laune gehabt und sie war sich selbst nicht wirklich bewusst, was sie ausgelöst hatte. Aber zumindest war das immer noch besser als die leichten Depressionen, die sie in der letzten Zeit des Öfteren heimgesucht hatten. Deswegen hatte sie auch nicht vor etwas daran zu ändern. Im Gegensatz zu sonst trug Helena diesmal nur ein einfaches weißes Kleid. Auf Schminke hatte sie verzichtet und auch die Haare fielen offen über ihre Schultern. Immerhin handelte es sich hier nur um ein Abendessen innerhalb der Familie. Da durfte sie sich durchaus mal gelöst und offen zeigen. Im Gegensatz zu den Festen war das ab und zu eine richtige Erholung.


    Helena war nicht die Erste, die der Hunger ins triclinium gelockt hatte. Als sie eintrat sah sie, dass auch Ursus anwesend war und ein Mann, den sie nach kurzem Überlegen als Philonicus erkannte. Er war auf Reisen gewesen und deswegen hatten sie bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt sich miteinander zu unterhalten. Mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen ging sie zu den Männern hinüber und ließ sich neben ihnen auf einer Liege nieder. Mit einer fließenden Handbewegung schob sie ein paar Haarsträhnen hinter das Ohr, bevor sie sich an Ursus und Philonicus wandte.


    "Ich wünsche euch einen wunderschönen guten Abend. Hoffentlich die Küche hat etwas Gutes gezaubert."


    Helena machte es sich auf der Liege etwas bequemer und musterte die Männer aufmerksam. Von Philonicus wusste sie eigentlich überhaupt nichts, deswegen freute sie sich, dass er anwesend war. Er schien nicht viel älter zu sein als sie. Möglicherweise entpuppte er sich als angenehmer Gesprächspartner. Ursus hingegen schien sich nicht recht wohl zu fühlen. Helena verfügte über eine gute Menschenkenntnis, und obwohl sie ihn noch nicht lange kannte, spürte sie doch, dass ihn etwas beschäftigte. Nachdem sie ihn einen Moment nachdenklich gemustert hatte wandte sie sich den Sklaven zu, um ein Getränk zu ordern. Noch ein neues Gesicht! Die blonde Sklavin hatte Helena bis jetzt noch nicht gesehen. Sie war also noch nicht lange im Haus. Auch sie schien nicht sonderlich begeistert zu sein. Aber im Gegensatz zu Ursus kümmerte sie das Wohlbefinden einer Sklavin wenig, also winkte sie sie herbei, bevor sie wieder zu den Männern sah.


    "Ich hoffe euer Tag ist angenehm verlaufen?"

    Helena bekam nur am Rande mit wie Prisca erneut nach Tilla rief. Was interessierte sie schon eine Sklavin, wenn man mit so charmanten Worten bedacht wurde. Trotz allem war sie ein wenig unsicher, denn bis jetzt hatte sie noch nie einen Mann einfach so angesprochen. Nach außen hin aber ließ sie sich davon nichts anmerken. Wieder einmal bedankte sie sich im Stillen bei ihrer Tante, die ihr beigebracht hatte ihre Gefühle zu verbergen. Bei seinem Kompliment errötete sie aber doch ein wenig. Er war um einiges älter als sie selbst, wie alt genau konnte Helena nur schätzen. Aber vielleicht war es auch gerade da, gepaart mit seinem guten Aussehen, dass sie an ihm reizte. In ihren Augen funkelte die Neugier als sie dem Mann ein neckisches Lächeln schenkte.


    "Nein, entlaufen ist sie nicht. Sie ist jung und kann ihr Temperament wohl noch nicht wirklich zügeln. Aber das wird sie noch lernen." Helena legte den Kopf leicht schief und musterte den Soldaten unverholen. "Du hast Recht, wir wollen zum Kolloseum. Ist es denn üblich, dass du wildfremde Frauen auf eure Tribüne einlädst?"


    Helena schmunzelte und wandte dann den Kopf, als sie leise Schritte hinter sich hörte. Prisca war zu ihnen getreten und sie konnte deutlich in ihren Augen sehen, dass sie sich sehr über das Verhalten ihrer Freundin wunderte. Aber sie sah noch etwas: die stumme Aufforderung diese Einladung unbedingt anzunehmen. Helena konnte ihr eigentlich nur zustimmen, aber trotzdem zögerte sie einen Moment. Schon alleine das sie ihn angesprochen hatte war sehr gewagt gewesen und jetzt sollten sie ihn auch noch auf seine Tribüne begleiten? Sie wussten doch nichts von ihm! Helena biss sich kurz auf die Unterlippe, doch dann stand ihr Entschluß fest. Sie wollte Spaß haben und da musste man manche Regeln eben mal zur Seite schieben. Prisca hatte bis jetzt nichts gesagt und Helena zwinkerte ihr erneut kurz zu, bevor sie sich wieder an den Mann wandte.


    "Nun ich denke, wir nehmen diese Einladung gerne an. Aber damit du weißt, mit wem du es zu tun hast: mein Name ist Aurelia Helena und das hier ist Aurelia Prisca. Und mit wem haben wir die Ehre?"

    Helena konnte nicht anders als Priscas freudestrahlendes Lächeln zu erwiedern. Ihre Freundin schaffte es schon durch Kleinigkeiten sie wieder aufzumuntern. Schweigend beobachtete sie, wie Prisca ihrem Leibwächter den Befehl gab für sie Plätze frei zu halten. Eine gute Idee, denn im Kolosseum würde es sicher voll werden. Egal zu welcher Tageszeit, es kamen immer so viele Besucher, dass es besser war sich Plätze reservieren zu lassen. Trautwini schien von diesem Vorschlag nicht sonderlich begeistert zu sein. Helena runzelte erneut die Stirn und schüttelte verärgert den Kopf. Hatten sich die Sklaven heute abgesprochen, um ihren Herrinen besonders viel Ärger zu machen? Trotzdem schwieg Helens weiterhin, denn sie wollte sich in das Gespräch nicht einmischen.


    Stattdessen warf sie immer wieder einen Blick über die Schulter. Irrte sie sich, oder folgte der Soldat ihnen? Sicher war das nur pure Einbildung, doch trotzdem spürte Helena wie sich ihr Herzschlag ein wenig beschleunigte. Was war bloß los mit ihr? Seit den Geschehnissen mit Marcus verhielt sie sich Männer gegenüber anders. Helena wusste das nur zu gut, aber sie konnte weder etwas dagegen machen, noch wusste sie, was dieses Verhalten auslöste. Wollte sie Marcus vielleicht nur zeigen, dass sie auch ohne ihn Spaß haben konnte? Helena schob diesen unfeinen Gedanken zur Seite und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sich die Menge vor dem Mann teilte. Als Prisca sie ansprach zuckte Helena ein wenig zusammen, als wäre sie bei einer Missetat ertappt worden.


    "Mhhh? Äh, nein ich kenne ihn nicht. Er hat vorhin mit Tilla gesprochen als sie bei diesem Händler stand. Und du meinst er folgt uns? Vielleicht hat er auch einfach nur den gleichen Weg." Helena sah noch einmal zu dem besagten Soldaten hinüber. Dann neigte sie den Kopf ein wenig zu ihrer Freundin und senkte die Stimme. "Aber er sieht gut aus, nicht wahr?"


    Helena spürte wie ihre Wangen leicht erröteten und damit Prisca das nicht bemerkte wandte sie den Kopf wieder ab. Ihr Blick fiel auf das Kolosseum, dass nun schon zu sehen war. Einen Moment wurde ihre Aufmerksamkeit von dem Mann abgelenkt, denn der große Bau war wirklich ein atemberaubender Anblick. Dann jedoch fasste sie einen Entschluß. Sie straffte ihre Schultern, zwinkerte Prisca kurz zu und verlangsamte ihren Schritt dann soweit, dass der Soldat immer näher kam. Schließlich ruhte ihr Blick mit einem schüchternen Augenaufschlag auf ihm und sie neigte leicht den Kopf zur Begrüßung.


    "Ich grüße euch. Hoffentlich hat unsere freche Sklavin euch nicht zuviel Ärger gemacht. Zuweilen vergessen sie ihre guten Manieren."


    Was tat sie da eigentlich? Sie sprach einen ihr wildfremden Mann an, nur weil er unheimlich anziehend auf sie wirkte. Prisca würde über soviel Dreistigkeit sicher nicht erbaut sein. Doch jetzt konnte sie nicht mehr zurück.

    Prisca wusste also auch nicht wer assistieren würde. Helena schüttelte ebenfalls nachdenklich den Kopf, denn auch sie hatte noch nicht die Ehre gehabt die Frau des Consuls kennenzulernen. Das war aber auch nicht weiter verwunderlich, denn immerhin war sie erst vor kurzer Zeit nach Italien zurückgekehrt. Immer öfter fiel Helena auf, dass sie hier so gut wie niemanden konnte. Weder ihre Familienmitglieder, noch so wichtige Persönlichkeiten wie die Frau des Consuls. Das würde sich aber in der nächsten Zeit ändern. Helena würde nicht nach Hispania zurückkehren. Dafür hatte sie einige Menschen hier viel zu lieb gewonnen. Unter anderem Prisca. Helena warf ihrer Freundin ein Lächeln zu und wandte sich dann wieder an die Männer.


    Ob sie wirklich ihre Zukunft mit einem von ihnen verbringen würde? Helena konnte sich das noch nicht vorstellen. In ihren Gedanken war bis jetzt kaum Platz für die Ehe gewesen. Doch nun, da sie einem von ihnen gegenübersaß wurde es immer realer. Helena schenkte Tiberius Durus ein charmantes Lächeln als dieser sprach. Er drückte sich sehr gewählt aus, aber das war nichts Besonderes, bedachte man, dass er Senator war. Ob er sich privat auch so gab? Auf so einem Fest wie diesem musste man sehr genau darauf achten wie man sich ausdrückte. Aber möglicherweise würde es eine Möglichkeit geben ihn ungestört zu treffen. Vielleicht bei dem Abendessen, von dem Marcus erzählt hatte? Helena hoffte zumindest, dass Tiberius Durus von ihr angetan war.


    Mittlerweile wurden die Süßspeisen gereicht und Helena bemerkte, wieviel Zeit schon vergangen war. Die ersten Gäste begannen bereits sich zu verabschieden. Helena warf Prisca einen erschrockenen Blick zu und sah dann entschuldigend zu den Männern.


    "Entschuldigt uns bitte, aber wir haben über eure charmante Anwesenheit die anderen Gäste vollkommen vernachlässigt. Ich habe mich sehr gefreut euch kennenzulernen. Vielleicht haben wir noch einmal die Möglichkeit dieses Gespräch fortzusetzten. Doch zumindest für diesen Moment müssen wir euch verlassen."

    Hatte Marcus seinen Sklaven überhaupt keine Manieren beigebracht? Vielleicht hätte man sie warnen sollen, dann hätten Prisca und sie eine andere Sklavin mitgenommen. Helena war nicht gewillt ihren kleinen Ausflug damit zu verbringen, ständig auf eine frechen Göre aufzupassen. Scheinbar hatte ihre laute Stimme mehr Aufmerksamkeit erregt als sie beabsichtigt hatte. Ein Soldat auf Patrouille hatte ihren Unwillen ebenfalls gehört und trat nun auf Tilla zu. Was er sagte konnte Helena nicht verstehen. Dafür ruhte ihr Blick bewundert auf seiner Erscheinung. Er war ein sattlicher Mann und sein kerniges Gesicht gefiel ihr. Als er zu ihnen hinübersah wandte Helena das Gesicht peinlich berührt ab. Es gehörte sich nicht, dass eine Frau ihres Standes einen ihr fremden Mann in der Öffentlichkeit so ansah. Sie konnte nur hoffen, dass er nichts bemerkt hatte.


    Was immer er auch zu Tilla gesagt hatte, der Kleinen schien es nicht zu gefallen. Helena runzelte die Stirn, als sie den Gesichtsausdruck der Sklavin sah, aber immerhin führte das dazu, dass sie wieder zu ihnen zurückkam. Auch Prisca war mittlerweile auf das Schauspiel aufmerksam geworden und Helena konnte sehen, dass sie ebenfalls nicht begeistert war. Der Griff nach Tillas Ohr sorgte dafür, dass das Mädchen erstmal nicht mehr davonlaufen konnte. Helena trat ein Stück auf sie zu und senkte die Stimme. Sie hatten schon genug Aufmerksamkeit erregt.


    "Tilla, so langsam ist meine Geduld mit dir am Ende! Hat dir denn niemand gesagt, wie du dich zu verhalten hast, wenn du mit deinen Herren unterwegs bist? Du bleibst in unserer Nähe und tust was wir dir sagen! Eigenständige Ausflüge sind nicht gestattet. Das war die letzte Warnung. Erlaubst du dir nochmal sowas schick ich dich nach Hause!"


    Helena atmete tief durch und straffte die Schultern. Hoffentlich hatte Tilla ihre Aufgabe nun verstanden. Mittlerweile überlegte sie, ob es so eine gute Idee Marcus darum zu bitten, Tilla in ihre Dienste zu stellen. Sie würde viel Geduld haben müssen, bis sie die Sklavin derart geformt hatte, wie sie sie haben wollte. Helena schüttelte den Kopf und wandte sich an Prisca.


    "Lass uns weitergehen. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren. Vor allem, wenn wir uns noch nach den Gladiatoren umsehen wollen. Ob diesmal wohl auch Frauen dabei sind? Zu gerne würde ich sie kämpfen sehen, aber wir sind sicher nicht zum letzten Mal im Kolosseum. Und ich verspreche dir, wenn wir einen guten Platz gefunden haben, dann erzähl ich dir das, was ich dir schon die ganze Zeit erzählen will."


    Das Lächeln, mit dem sie Prisca bedachte war etwas schief und zeigte deutlich, dass es etwas gab was sie sehr beschäftigte. Während sie weitergingen warf Helena einen Blick über die Schulter. Ob der Soldat noch da war?

    Helena hielt die Augen geschloßen während Tilla ihre Haare wusch. Eine Gänsehaut rieselte über ihren Rücken und sie seufzte mehrfach genießerisch. Schon als kleines Mädchen hatte sie es geliebt, wenn jemand sie durch die Haare gekrault hatte. Und das hatte sich bis heute nicht geändert, auch wenn es natürlich wesentlich seltener vor kam. Deswegen blieb sie still liegen, um diesen kurzen Moment so lange wie möglich auskosten zu können. In der Zwischenzeit überlegte sie, wie sie Marcus davon überzeugen konnte ihr Tilla zu geben. Momentan stand so viel zwischen ihnen, dass sie sich kaum vorstellen konnte ein normales Gespräch mit ihm zu führen. Doch davon wollte sie sich nicht abhalten lassen. Marcus sollte nicht das Gefühl haben, dass er ihr ganzes Leben beherrschte, auch wenn es momentan so war.


    Ob Tilla gespürt hatte, dass Helena die sanfte Behandlung so gut gefiel wusste Helena nicht. Trotzdem hatte sie das Gefühl, als ob die Sklavin sich ein bißchen mehr Zeit gelassen hatte als eigentlich notwendig gewesen wäre. Deswegen ignorierte Helena das Niesen auch und lächelte dem Mädchen stattdessen dankbar zu, als diese fertig war. Zumindest für den Moment war die Anspannung von ihr abgefallen und sie fühlt sich wesentlich besser als in den letzten Tagen. Nachdem auch der letzte Rest Schaum entfernt worden war richtete Helena sich langsam auf und wartete darauf, dass Tilla ihr ein Handtuch reichte. Die kühle Luft außerhalb des Wassers machte sich sofort bemerkbar, so das ein leichtes Frösteln über ihren Körper lief.


    "Beherrscht du das Massieren, Tilla?"

    Helena spürte durchaus, dass Prisca mit ihrer Frage nicht einverstanden war. Und auch Ursus schien nicht gerade begeistert zu sein, dass sie gerade dieses Thema ansprach. Sie schenkte Beiden ein unschuldiges Lächeln und wartete dann gespannt auf die Antworten der Männer. Wie sie es sich schon gedacht hatte schien es weder Tiberius Durus, noch Decimus Mattiacus übel aufgestoßen zu sein, dass das Theaterstück nicht so gelaufen war, wie Prisca es geplant hatte. Nun mit einem zufriedenen Lächeln sah sie erneut zu ihrer Freundin. Prisca hatte sich einfach zu viele Gedanken gemacht und Helena hoffte, dass sie ihr das mit diesem kleinen Einwurf gezeigt hatte.


    Während Helena nach einem kleinen Stück Käse griff, dass ihnen gerade auf einem goldenen Tablett gereicht wurde, lauschte sie dem weitere Gespräch. Der politische Unterton, der dabei herausklang faszinierte sie nicht sonderlich, doch ihr interessierter Gesichtsausdruck blieb. Selbst als sie über ihre eigene Niederlage nachdachte, die sie am heutigen Abend erfahren hatte blieb ihr Blick freundlich und ihre Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Alle drei Männer stellten sich als angenehme Gesprächspartner heraus und sie war froh, dass sie Ursus Einladung angenommen hatten, um sich zu ihnen zu setzten. Bei Tiberius Durus' letzten Worten nickte sie beifällig und heftete den Blick ihrer blauen Augen auf sein Gesicht.


    "Weise gesprochen, verehrter Tiberius Durus. Wer kann schon wissen was sich am nächsten Tag ereignen wird. Schon eine eher zufällige Begegnung kann das ganze Leben verändern." Ihr Blick ruhte noch einen Moment auf ihm, geheimnisvoll, vielleicht sogar ein wenig verführerisch, bevor sie fragend zu Prisca sah. Allerdings traf auch Decimus Mattiacus vorher noch ein blaues Blitzen, denn noch konnte sie sich nicht entscheiden, wen sie interessanter fand. "Ich meine gehört zu haben, dass eine Iulierin assisiteren darf. Leider weiß ich nichts Genaueres. Es wäre eine große Ehre für jede Frau. Prisca, hast du vielleicht etwas in derart gehört?"

    Auch Helena fiel das unmögliche Verhalten der Sklavin auf, doch da Prisca sie schon zurechtwies, hielt Helena sich zurück. Stattdessen warf sie einen Blick auf das Täfelchen, das Tilla ihnen entgegenhielt und runzelte bei der Menge der Fragen die draufstanden die Stirn. Die alle zu beantworten würde eine Weile dauern und Helena bezweifelte, dass sie die Geduld dafür haben würde. Doch bevor Sie auch nur zu einer Antwort ansetzten konnte blieb Tilla erneut stehen und da Prisca sie weiterzog, hatte Helena keine Möglichkeit mehr auf sie einzugehen. Sollte Marcus Tilla in ihre Dienste stellen, würde die Kleine einige Lektionen lernen müssen, denn so würde es auf keinen Fall weitergehen.


    Als hätte Prisca ihre Gedanken gelesen, sprach sie sie plötzlich auf Marcus an. Nicht direkt natürlich, denn sie wusste ja nicht, warum Helena mit ihr reden wollte, aber es reichte, um Helene kurzzeitig ein wenig blass werden zu lassen. Dann jedoch fing sie sich wieder und versuchte sich an einem kleinen Lächeln.


    "Das ist jetzt erstmal nicht so wichtig. Dafür bin ich viel zu neugierig, was bei dir alles geschehen ist. Deinem freudigen Gesichtsausdruck nach muss es ja etwas positives sein." Als Prisca das Wort Senator so eindrucksvoll betonte grinste Helena und schüttelte dann den Kopf. "Nun ja, falls Tiberius Durus anwesend ist, könnten wir möglicherweise in den Genuß kommen. Wenn nicht...es wäre wohl äußerst unpassend uns dort niederzulassen, ohne dass wir in der Gesellschaft dieses Senators sind. Immerhin hat sich seit der cena noch nichts weiter ergeben." Helena konnte sich nur zu genau vorstellen, warum Prisca sie darauf angesprochen hatte. Wahrscheinlich erhoffte sie ein kleines Geheimnis zu erfahren, doch da gab es nichts zu erzählen. Zumindest nicht in der Hinsicht. "Vielleicht sollten wir warten bis wir im Kolosseum angekommen sind. Dort haben wir sicher die Möglichkeit uns in Ruhe zu unterhalten."


    Eher aus Zufall sah Helena Trautwini, der gerade versuchte sich durch die Menge zu ihnen zu kämpfen. Helena wartete, bis der Leibwächter bei ihnen angekommen war und nahm ihm dann die kleine Wachstafel ab, auf der er sich Notizen gemacht hatte. Es war nicht gerade einfach seine Schrift zu entziffern, aber schließlich sah Helena mit einem Lächeln zu Prisca hinüber.


    "Nun, wir haben Glück. In einer Stunde wird tatsächlich eine venationes geben. Wir haben also genug Zeit um zum Kolosseum zu gelangen und einen passenden Platz zu finden." Helena sah noch einmal auf die Tafel und wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. "Gladiatoren werden heute ebenfalls vorgestellt, aber erst Abends. Ich denke, dass wir dann nicht mehr hier sein werden, nicht wahr?"


    Ein seltsames Geräusch sorgte dafür, dass Helena den Kopf wandte. Es dauerte einen Moment, bevor sie Tilla in der Menge fand, wieder viel zu weit von ihnen entfernt. Also sowas! Helena reichte die Tafel an Prisca weiter und blieb stehen. "Tilla! Komm sofort hier her!"

    Helena beobachtete Priscas Reaktion auf ihre Worte genau und schmunzelte leicht bei den verschiedenen Gefühlsregungen, die kurz hintereinander über das Gesicht ihrer Freundin huschten. Also hatte ihr Instinkt sie doch nicht betrogen. Mehr als Instinkt war es aber auch nicht, da sie seit der cena nicht mehr über Aquilius gesprochen hatten. Helena hoffte, dass Prisca sich ihr anvertrauen würde, denn einmal abgesehen davon, dass sie unheimlich neugierig war, war sie begierig darauf eine vielleicht wachsende Liebe zu sehen, die nicht wie ihre eigene zum Scheitern verurteilt war. Da sie Prisca aber in Gegenwart Tillas nicht direkt darauf ansprechen wollte antwortete sie nicht auf die Frage ihrer Freundin, sondern schüttelte nur amüsiert den Kopf. Sie würde warten, bis es eine passende Gelegenheit gab.


    Tilla schien, nachdem auch Prisca sie zurecht gewiesen hatte ein wenig verlegen zu sein, was sich darin äußerte, dass sie sich m Kopf kratze. Auch etwas, woraufhin Helena sie mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte, aber sie beschloß für heute Gnade über Recht ergehen zu lassen. Sie hatte keine Lust sich diesen Spaziergang mit Erziehungsmaßnahmen zu vermiesen und solange Tillas Verhalten sich in einigermaßen annehmbaren Grenzen hielt, würde sie ein Auge zudrücken. Die Sklavin schien ihre Verlegenheit auch recht schnell wieder zu vergessen, sobald sie vom Kolosseum hörte. Helena musste sich konzentrieren, um die schnelle Abfolge von Gesten zu verstehen, doch schließlich nickte sie zustimmend.


    "Du hast recht, aber heute werden wir bei den Geschichtenerzählern nicht Halt machen."


    Im Gegensatz zu dem was im Kolosseum vor sich ging waren die kleinen Aufführungen davor kaum erwähnenswert. Helenas Herz begann ein wenig schneller zu klopfen, als sie darüber nachdachte und auch Prisca schien es kaum noch erwarten zu können. Nach dem leichten Stupser an ihren Oberarm hakte Helena sich bei ihrer Freundin unter und zusammen machten sie sich langsam auf den Weg. Genauso wie Prisca überlegte sie, was sie im Kolosseum erwarten würde. Doch solange Trautwini noch nicht zurück war, war das bloße Spekulation. Doch eine venationes würde sie ebenfalls gerne sehen, deswegen nickte sie zustimmend.


    "Ich hoffe, sie lassen Tiger in die Arena. Diese Kämpfe sind immer so aufregend. Und egal was angeboten wird, wir sollten uns ein wenig beeilen. Ich möchte einen guten Platz haben." Sie senkte die Stimme ein wenig und lehnte den Kopf zu Prisca hinüber. "Und ich hoffe natürlich, dass du mir später erzählst, was es mit diesen beiden ominösen Besuchen auf sich hat."

    Helena summte leise ein Lied vor sich hin, dass ihr ihre Mutter beigebracht hatte, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Sie hatte den Vorhang ein wenig zur Seite geschoben, um die Sonnenstrahlen zu genießen. Seit Germanien war sie geradezu süchtig nach Sonne. Das sanfte Schaukeln der Sänfte hatte Helena ein wenig schläfrig gemacht, so dass sie sich ersteinmal streckte, als sie an ihrem Bestimmungsort angekommen waren. Sie hörte Priscas ungehaltene Stimme und schmunzelte leicht. Scheinbar konnte ihre Freundin es kaum erwarten den Tag genießen zu können. Ihr ging es genauso, denn bis jetzt war sie noch nicht allzu oft aus der Villa heraus gekommen. Nicht nur ihre ständigen Kopfschmerzen hatten sie davon abgehalten, sondern auch ihre trüben Gedanken, die oft dafür gesorgt hatten, dass sie das Zimmer nicht verlassen wollte.


    Als Tilla zu ihrer Sänfte kam um ihr zu helfen lächelte Helena der Sklavin entgegen, bevor sie aufstand und mit Tillas Hilfe ihr Äußeres richtete. Auch die junge Frau schien vor Tatendrang fast zu vibrieren. War Tilla überhaupt schon einmal in der Stadt gewesen? Mit Helena zumindest nicht und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass jemand anders aus der Villa sie mitgenommen hatte. Aufgrunddessen konnte sie die Aufregung sehr gut verstehen. Prisca war mittlerweile damit beschäftigt die vielen Möglichkeiten aufzuzählen, die sie hatten und auch Tilla schien sehr neugierig zu sein. Helena lachte und hob abwehrend die Hand.


    "Nun mal langsam. Wir haben doch noch den ganzen Tag Zeit. Oder hast du noch etwas vor? Aquilius treffen zum Beispiel?" Helena grinste und zwinkerte Prisca dann schelmisch zu. Sie wusste es zwar nicht genau, aber sie hatte das Gefühl, als würde der Gute um ihre Freundin werben. "Also ich würde gerne zuerst zum Kolosseum gehen. Ich war schon so lange nicht mehr dort. Wenn ihr also nichts dagegen habt..." Ein leises schabendes Geräusch ließ sie innehalten und ihr Blick wanderte nach unten. "Tilla, unterlass das!"

    Am Tisch angekommen schenkte Helena den beiden Männern ein bezauberndes Lächeln, bevor sie zur Begrüßung leicht den Kopf neigte. Sie war sehr neugierig mehr über Tiberius Durus zu erfahren, aber auch über Decimus Mattiacus, den sie bis jetzt noch nicht einmal namentlich gekannt hatte. Mit einer fließenden Bewegung ließ sie sich nieder, wobei sie darauf achtete, dass der Stoff ihrer Tunika nicht zu viele Falten warf. Wie auch Prisca nahm sie dankend den Wein an. Einge gute Möglichkeit ihre Augen einen Moment länger auf Decimus Mattiacus ruhen zu lassen, ohne das es aufdringlich wirkte. Er schien der jüngere von Beiden zu sein, aber auch Tiberius Durus war werder alt noch grauhaarig, wie die Frauen befürchtet hatten. Nachdem Prisca sich ebenfalls gesetzt hatte ergriff Helena das Wort.


    "Auch ich freue mich euch kennenzulernen. Nach den Jahren in Hispania sind mir die meisten Freunde unserer Familie fremd. Ein bedauerlicher Zustand, den ich so schnell wie möglich ändern möchte."


    Etwas verwundert sah sie Ursus hinterher, der sich, kurz nachdem er sie vorgestellt hatte, verabschiedete. Sie beschloß aber sich nicht weiter darum zu kümmern, sondern nahm stattdessen einen Schluck Wein, wobei sie die Männer ihr gegenüber über den Becherrand hinweg musterte. Sie war sich der Blicke der Männer im Raum durchaus bewusst und es wäre gelogen, wenn sie behaupten würde, dass es ihr nicht gefiel. Vorsichtig stellte sie den Becher wieder auf den Tisch und lauschte dann Ursus' Worten. Er wollte sich also der Wahl zum vigintvir stellen. Ein großer Schritt für seine Kariere, doch da sie auch Ursus nicht wirklich kannte, konnte sie sich kein Urteil darüber erlauben, ob er für dieses Amt geeignet war. Trotzdem schenkte sie ihm ein aufmunterndes Lächeln, als er wieder an ihren Tisch kam.


    "Ich wünsche dir viel Glück für die Wahl, Cousin."


    Nun aber widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder Tiberius Durus und Decimus Mattiacus. Mit einer Hand strich sie eine gelockte Strähne zur Seite, die ihr in die Stirn gefallen war. Was ging wohl gerade in ihnen vor? Machte sie einen guten Eindruck? Aus der Mimik der Männer war bis jetzt noch nicht viel zu erkennen. Zumindest von Tiberius Durus wusste sie ja, dass er auf der Suche nach einer Ehefrau war, aber wie sah es mit Decimus Mattiacus aus? Fragen würde sie ihn danach natürlich nicht, aber vielleicht würde sich das ja im Laufe des Gespräches herausstellen. Helena beschloß sich nicht zu verstellen, sondern sie selbst zu sein. Immerhin ging es hier auch im ihre Zukunft, auch wenn sie das immer noch nicht wirklich realisiert hatte.


    "Ich hoffe, euch gefällt das Fest, obwohl es einige, nunja, unerwartete Wendungen gegeben hat."

    Alt und grauhaarig? Na wenn schon! Was erwartete sie von einer Ehe? Die große Liebe? Wohl kaum, denn der Mann den sie liebte wollte sie nicht haben. War es da nicht besser einen Ehemann zu haben, den man vielleicht am Tag nur zum Essen sah? Welch bittere Gedanken! Helena ließ sich nur durch einen bitteren Zug um die Mundwinkel ihre Gedanken anmerken. Während Prisca sich etwas zu essen nahm starrte Helena auf das feine Mosaik an einer Säule in ihrer Nähe. Sie war noch so jung! Es gab viele gutaussehende Männer und sie war hübsch, das wusste sie. Sollte sie es zulassen, dass Marcus über ihr restliches Leben bestimmte? Nein, das wollte sie nicht! Es wäre ein Fehler die Augen zu verschließen, auch wenn es der einfachere Weg wäre.


    "Ja, Flavius Aquilius sieht wirklich gut aus. Da hast du Recht." Noch war ihr Blick ein wenig abwesend, doch als sie Priscas folgende Worte hörte, blinzelte sie verblüfft und dann war wieder dieses fröhliche Lachen zu hören. Prisca schaffte es wirklich sie aufzumuntern, obwohl sie noch nicht einmal wusste wie es in ihr aussah. "Marcus wäre bestimmt nicht begeistert davon, wenn wir unsere potentiellen Ehemänner vorher 'ausprobieren' würden. Aber ich verstehe was du meinst. Allerdings, was du Wahl betrifft, kennst du Männer, die noch auf der Suche sind? Ich leider nicht und das wird die Wahl wohl um einiges einschränken. Immerhin können wir ja wohl kaum selbst auf die Suche gehen."


    In diesem Moment trat Ursus zu ihnen an den Tisch. Helena war einigermaßen überrascht, denn in den letzten Minuten hatte sie kaum auf etwas geachtet, das um sie herum geschah. Trotzdem freute sie sich ihn zu sehen, denn die kurzen Gespräche, die sie heute mit ihm geführt hatte, waren sehr angenehm gewesen. Zudem erwähnte Ursus Tiberius Durus. Verwundert sah Helena zu Prisca und erwiderte dann das schelmische Zwinkern. Manchmal musste man wohl einfach nur Glück haben.


    "Das ist sehr freundlich von dir, Ursus. Ja, ich denke, wir sollten den Männern ein Gespräch über Politik ersparen."


    Nun lächelte auch Helena ihm zu bevor sie aufstand. Gegessen hatte sie nun immer noch nichts, doch den Sklaven, den sie herbeigewunken hatte, um ihn nach den Namen der Gäste zu fragen, schickte sie ohne ein Wort wieder fort. Essen konnte sie auch später noch. Während sie Ursus zum anderen Tisch hinüber folgte musterte sie unauffällig die beiden Männer die dort saßen. Wer von ihnen war wohl dieser ominöse Tiberius Durus?

    Die kühlen Tücher halfen, zumindest bildete Helena sich das ein. Entspannt lag sie im warmen Wasser, ihr Körper fühlte sich fast schwerelos an. Die Last, die momentan auf ihren Schultern lag schien an Gewicht zu verlieren. Aber Helena wusste genau, dass dieses Gefühl nicht lange anhalten würde. Daran wollte sie aber momentan keinen Gedanken verlieren. Vielmehr genoß sie das Gefühl von Tillas Händen auf ihrer Haut, die ihr ein gewisses Maß an Entspannung gaben. Sie musste wieder an die Reise nach Germanien denken, auf der sie sich nach so einem Bad gesehnt hatte. Es schien schon Jahre her zu sein. Als Tilla sie anstupste entfernte Helena das Tuch von den Augen und seufzte leise, bevor sie der Sklavin leicht zulächelte.


    "Das nächste Mal solltest du ebenfalls in die Wanne steigen. Sie ist groß genug für uns Beide und so hast du weniger Schwierigkeiten. Nimm dir diesen Rat zu Herzen, denn die übrigen Herren werden das wahrscheinlich von dir erwarten."


    Tilla war noch nicht lange in der Villa und hatte noch einiges zu lernen. Unter anderen Umständen hätte Helena vielleicht anders reagiert, aber sie hatte keine Lust auf einen weiteren Streit. Und irgendjemand musste Tilla ja sagen was sie zu tun hatte. Da Tilla ihr nicht wörtlich antworten konnte wartete sie auf ein bestätigendes Nicken, bevor sie ein Stück tiefer ins Wasser rutschte. Sie holte einmal tief Luft und tauchte unter, damit Tilla auch ihre Haare waschen konnte. Wieder an der Oberfläche fuhr Helena sich kurz durch das Gesicht, bevor sie sich wieder zurücksinken ließ. Während Tilla sich um ihre Haare kümmerte zerteilte Helena mit den Fingern den Schaum, der ihre Brüste umspielte.


    "Ich hab mir übrigens überlegt Marcus zu bitten, ob er dich in meine Dienste stellt."

    Scheinbar war Helenas Offenheit für Prisca ein wenig zu viel, denn sie reagierte darauf äußerst überrascht und mit einem Hustenanfall, den sie kaum unterdrücken konnte. Helena schmunzelte leicht, wunderte sich dabei aber über sich selbst. Früher wäre sie mit diesem Thema nicht so locker umgegangen, aber nach diesem Tag, nach diesem Abend, war alles anders. Vielleicht sollte sie Prisca die ganze Sache erklären, damit diese sich nicht wunderte, warum ihre Freundin sich so seltsam verhielt. Andererseits lachte nun auch Prisca, also schien sie ihre Worte vielleicht nicht ganz so ernst zu nehmen. Helena trank einen Schluck, bevor sie einmal tief durchatmete und sich wieder an Prisca wandte.


    "Viel mehr als das was ich dir gerade gesagt habe weiß ich auch nicht. Marcus kam zu mir und unterrichtete mich davon, dass ein Essen mit ihm geplant ist. Und nicht nur mit ihm. Flavius Aquilius wird auch dabei sein. Er hat nicht explizit gesagt, dass es um eine mögliche Ehe geht, aber sein Blick war eindeutig. Zumal er uns Beide dabei haben will. Das ist offensichtlich genug." Das Lächeln war von Helenas Gesicht verschwunden. Viel mehr könnte man den Eindruck bekommen, als würde sie von etwas ganz alltäglichem erzählen. "Vielleicht sollten wir jemanden fragen. Ich würde schon gerne wissen wer dieser Manius Durus ist." Helena wollte ihn wenigstens zuvor einmal sehen, um zu wissen, wen Marcus sich als zukünftigen Mann für sie oder Prisca vorstellte. "Ach ja, noch etwas. Er ist Senator. Das weiß ich wohl."


    Als Prisca ihre Stimme senkte neigte Helena den Kopf zu ihr. Woher sollte sie wissen, ob die Entscheidung schon gefallen war? Da Marcus ihnen aber Flavius Aquillius vorgestellt hatte, konnte sie sich das kaum vorstellen. Nachdenklich wiegte sie mit dem Kopf, zuckte schließlich mit den Schultern.


    "Ich weiß nicht ob die Entscheidung schon gefallen ist. Aber ich denke, dass Marcus uns nicht abstreiten kann, dass wir auch ein gewisses 'Wahlrecht' haben."


    Den fragenden Blick beantwortete Helena mit einem fast schon traurigen Lächeln. Was sie tun sollten? Konnten sie überhaupt etwas tun? Eigentlich hätte irgendetwas in Helena sich dagegen wehren müssen, dass jemand über ihre Zukunft bestimmen wollte. Ihr Temperament war normalerweise nicht dazu geschaffen einfach ruhig dazusitzen und nichts zu tun. Aber das Geständnis gegenüber Marcus hatte so viel verändert. Sie konnte ihn nicht haben, natürlich nicht, seine Reaktion war recht eindeutig gewesen. Diese Einsicht sorgte dafür, dass Helena alles andere im Moment mehr oder weniger egal war.


    "Ich glaube wir können einfach nur abwarten. Selbst wenn wir wüssten wer Manius Durus ist wäre es unschicklich einfach auf ihn zuzugehen, solange uns noch niemand vorgestellt hat. Wir könnten höchstens..." Helena verstummte um einen Sklaven heran zu winken, mit der Absicht ihn über die Gäste zu befragen.

    Helena hatte nichts dagegen das Theaterstück für den heutigen Abend zu vergessen. Ob ihnen das allerdings gelingen würde war fraglich. Sobald sie sich in der Gesellschaft der anderen Gäste befanden, würde es wohl oder übel einige Fragen geben. Und sie konnten sich wohl kaum den ganzen Abend verstecken. Trotzdem nickte sie zustimmend, zumal sie deutlich erkennen konnte, dass es Prisca gleich besser ging, als sie über etwas Anderes nachdachte. Mittlerweile hatte ein Sklave eine Platte mit Leckereien zu ihnen gebracht. Helena griff nach einem kleinen Stück Käse, nachdem sie Prisca zugeprostet hatte. Sie war erleichert, dass ihre Freundin nicht weiter nachfragte, sondern damit einverstanden war, dass sie später redeten. Das machte es Helena einfacher doch noch ein wenig Spaß an diesem Fest zu haben. Auf Priscas Frage hin schüttelte sie kurz den Kopf und schluckt in Stückchen Käse hinunter, bevor sie antwortete.


    "Nein, ich muss zugeben, dass ich hier kaum jemanden kenne. Seit wir hier sind habe ich die meiste Zeit auf meinem Zimmer verbracht. Die Kopfschmerzen haben es mir kaum möglich gemacht an gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen. Ich hoffe, dass sich das nun ändern wird. Ich fühle mich mittlerweile doch ein wenig außen vor. Ursus jedenfalls scheint sehr symphatisch zu sein."


    Helena warf einen kurzen Blick zu ihn hinüber, doch er konnte sie nicht sehen, da er sich gerade mit mehreren Männern unterhielt. Von Marcus war bis jetzt keine Spur zu sehen und das war auch ganz gut so. Sie wusste nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Helena lächelte kurz als sie Priscas belustigten Worte hörte. Es stimmte, sie Beide kannten Caius Flavius so gut wie gar nicht, aber sie hatte bemerkt, dass Prisca ihm gefiel. Natürlich war er auch zu Helena sehr höflich gewesen, doch sie war nicht so vermessen sich darauf etwas einzubilden. Sie wollte schon antworten, als Prisca plötzlich weitersprach. Bei ihrem Herumgedruckse musste Helena lachen und es war das offenste und hellste Lachen seit langer Zeit.


    "Ja, genau das meine ich. Ich weiß, dass Marcus auf der Suche nach passenden Ehemännern für uns ist. Das hat er mir selbst gesagt. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Caius Flavius in seine engere Wahl fällt. Er schein einen angenehmen Charakter zu haben und er hat ein Auge für die Schönheit..." Sie zwinkerte Prisca kurz zu. "Ich denke, dass es wesentlich schlechtere Partien gibt. Hat Marcus dir denn nicht gesagt, dass es in den nächsten Tagen ein Abendessen mit einem gewissen Manius Tiberius Durus geben soll? Aus genau dem gleichen Grund, aus dem er uns auch Caius Flavius vorgestellt hat. Leider kenn ich Tiberius Durus nicht. Du vielleicht? Möglicherweise ist er sogar heute Abend hier?"

    Prisca schien es wirklich eilig zu haben den Bereich des Eingangs zu verlassen. Widerstandslos ließ Helena sich an ihrer Hand hinter ihrer Freundin herziehen. Gerne hätte sie versucht Prisca ein wenig aufzumuntern, aber dazu hätte sie wissen müssen was die Anderen dachten. Bis jetzt konnte sie nur Vermutungen aufstellen. Und scheinbar wollte Prisca genau diese Vermutungen hören, denn sie fragte, ob Helena während des Stückes etwas aufgefallen war. Helena lächelte einer Gruppe Männern zu, an der sie sich vorbeischlängelten, bevor sie ebenfalls die Stimme senkte.


    "Ich habe nicht viel sehen können, dafür war es zu dunkel. Während des Stücks habe ich neben Ursus gesessen und er war...nun ja, sagen wir mal nicht begeistert. Verärgert wäre wohl das passende Wort. Aber ich glaube nicht, dass er es dir nachtragen wird. Die Sklaven allerdings haben noch einiges zu befürchten. Und natürlich glaube ich dir!"


    Helena drückte kurz Priscas Hand, um ihre Worte zu bestätigen, bevor sich die Frauen an den Tisch setzten. Während Helena eine Sklavin heranwinkte, damit diese ihnen etwas zu essen und zu trinken besorgte, beobachtete sie ihre Freundin aus den Augenwinkeln. Sie wollte in diesem Moment nicht in ihrer Haut stecken, aber dafür hatte sie genug eigene Probleme. Bis jetzt hatte sie gehofft, dass Prisca ihre Bemerkung vielleicht überhört hatte, doch nachdem sie sich scheinbar vergewissert hatte, dass niemand ihr folgte um auf sie loszugehen, sprach sie Helena doch darauf an. Helena zuckte kurz zusammen und sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoß. Sie wollte Prisca nicht anlügen, zudem sie sich ja eh vorgenommen hatte mit ihr darüber zu reden, aber hier auf dem Fest, wo schon so viel schiefgegangen war...Nein, das würde sie auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Helena zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte leicht den Kopf.


    "Ach, zwischen mir und Marcus hat es eine Meinungsverschiedenheit gegeben. Aber davon erzähl ich dir ein anderes Mal. Hier ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür."


    Sie konnte nicht verhindern, dass ein kurzes schmerzhaftes Flackern über ihre Züge glitt, als sie Prisca diese Halbwahrheit erzählte. Dann jedoch hatte sie sich wieder im Griff. Statt über das Geschehene nachzudenken ließ nun sie ihre Blicke durch den Raum schweifen. Mittlerweile war das Triclinium recht voll. Die meisten Gäste schienen ebenfalls Hunger zu haben und es hatten sich schon mehrere Gruppen gefunden, die sich angeregt unterhielten. Ihr Blick blieb auf Caius Flavius hängen, der soeben den Raum betreten hatte. Helena erwiderte seinen Gruß mit einem bezaubernden Lächeln und einem kurzen Neigen des Kopfes, bevor sie sich leicht zu Prisca hinüberlehnte.


    "Sieh mal, dort ist Caius Flavius Aquilius. Ihr scheint euch gut zu verstehen. Ich glaube, er ist recht angetan von dir."

    Als Prisca das Triclinium betrat war auch Helenas Aufmerksamkeit gerade nicht auf die Tür gerichtet. Sie musterte die Gäste, die nach ihr eintraten und schenkte ihnen ein einnehmendes Lächeln, falls diese in ihre Richtung sahen. Hätte Prisca also nicht eben noch anhalten können, hätte auch Helena einen Zusammenstoß nicht vermeiden können. Kurz huschte Erschrecken über ihre Züge, doch dann lachte sie leise über den überraschten Gesichtsausdruck ihrer Freundin. Prisca schien nicht ganz bei der Sache zu sein. Kein Wunder bei dem was gerade passiert war und sofort ging sie auch auf dieses Thema ein. Helena nickte zustimmend und an ihrem Stirnrunzeln konnte Prisca erkennen, dass sie sich ebenfalls Gedanken darüber machte.


    "Natürlich hab ich es gesehen. Alle haben es gesehen und ich denke, dass wir auch noch in den nächsten Wochen das Gesprächsthema Nummer eins sein werden. Ob wir den Sklaven dafür danken sollten ist fraglich. Aber es schient den meisten trotzdem gefallen zu haben."


    Helena versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln, denn sie konnte sich ungefähr vorstellen, wie es in Prisca aussah. Immerhin wussten alle, dass sie für dieses Theaterstück verantwortlich war. Sie bemerkte den gehetzten Blick, den Prisca hinter sich warf und plötzlich verspürte sie Mitleid mit der jungen Frau. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich einfach nur zu viele Sorgen machte. Bei den folgenden Worten verdüsterte sich Helenas Gesichtsausdruck von jetzt auf gleich. Sie schluckte schwer und schüttelte kurz den Kopf.


    "Verstecken? Dann sind wir ja schon zu zweit..."


    Diese Worte waren ihr eher unbewusst herausgerutscht und als Helena das bemerkte zwang sie sich zu einem gequälten Lächeln. Dann wies sie auf einen der Tische, die noch frei waren.


    "Lass uns doch dort hinüber gehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Marcus in den nächsten Stunden so damit beschäftigt sein wird Fragen zu dem Stück zu beantworten, dass er zu nichts anderem Zeit hat. Außerdem könnte ich jetzt einen kleinen Bissen vertragen."