Beiträge von Aurelia Helena

    Er hatte es nicht gewollt...das glaubte Helena ihm sogar. Sie ging nicht davon aus, dass er es mit bösem Willen getan hatte. Nein, er hatte einfach so gehandelt wie immer und es war ihm nicht aufgefallen, dass er sie damit verletzte. "Von Schuld zu sprechen hat keinen Sinn. Und es ist noch nicht mal wirklich deine Schuld. Immerhin hast du das Messer nicht geführt, sondern ich." Warum sagte sie das? Natürlich war es seine Schuld, zumindest versuchte sie sich das einzureden. Aber scheinbar hatte ihr Verstand so langsam wieder Überhand über ihre Gefühle und ließ sie erkennen, dass sie sich vielleicht doch etwas zu sehr in die Sache hinein gesteigert hatte. Trotzdem wollte sie ihm nicht so einfach vergeben! Sie wehrte sich dagegen und wenn es auch nur aus kindlichem Trotz war. Noch immer sah sie ihn an, das Gesicht fast regungslos. Es musste ihm unheimlich schwer fallen so mit ihr zu reden. Seine Mimik sprach Bände. Was würde er wohl tun, wenn sie jetzt in Tränen ausbrechen würde? Aber selbst wenn sie es gewollt hätte, sie hätte es nicht gekonnt. Ihre Tränen waren versiegt und das war vielleicht auch ganz gut so.


    Mittlerweile war Marcus aufgestanden und wanderte durch das Zimmer. Helena blieb ruhig sitzen und wandte nur den Kopf, um seinen Bewegungen zu folgen. Er suchte nach einer Lösung, doch das was er vorschlug gefiel ihr nicht sonderlich. Er wollte ihr helfen, aber das konnte er nicht. Wie denn auch? Leider konnte er ihre Gefühle nicht für sie beherrschen. "Ich denke, es ist besser wenn wir uns erstmal aus dem Weg gehen." Diesem Satz folgte ein längeres Schweigen. Machte sie es ihm nicht zu einfach? Wahrscheinlich war er erleichtert, dass sie ihn in der nächsten Zeit nicht sehen wollte. "Ich werde natürlich bei allen familiären Anlässen dabei sein und dich auch wieder auf die nächsten Feste begleiten. Nach außen hin bleibt der Anschein einer friedlichen Familie gewahrt. Ansonsten bin ich einfach noch nicht bereit normal mit dir umzugehen. Ich brauche noch Zeit. Und dabei kannst du mir nicht helfen, auch wenn du es willst." Nun endlich wandte Helena den Blick ab und sah zum Fenster hinaus. Sie hatte geahnt, dass es schwer werden würde wieder ein normales Leben zu führen. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn sie eine Weile weggehen würde? Möglicherweise zu ihrer Tante zurück? Aber damit würde sie den Gerüchten, die es sicher schon gab, nur zuspielen. Nein, wenn sie wirklich irgendwann wieder ein alltägliches Leben in Rom verbringen wollte, dann musste sie hier bleiben.

    Helena war mit den anderen ihrer Familie angekommen. Sie freute sich auf das Theaterstück und hatte wie immer bei solchen Anlässen Stunden damit verbracht sich dem Anlass entsprechend herrichten zu lassen. Und doch löste sich genau in dem Moment, als sie den Gastgeber und die schon anwesenden Gäste begrüßen wollte, ein Teil ihrer Frisur. Helene errötete peinlich berührt und zog sich unter gemurmelten Entschuldigungen ein wenig zurück. Hinter einem großen Blumekübel bemühte sie sich, ihre Haare wieder so in Form zu bringen, dass sie sich sehen lassen konnte. Wenn sie an diesem Abend nach Hause kam, würde Marina etwas zu hören bekommen. Wie peinlich!


    Es dauerte eine ganze Weile bis Helena mit dem Ergebnis zufrieden war. Ohne Spiegel war es sehr schwer und vielleicht würde sie Prisca im Laufe des Abends bitten ihr noch einmal helfend zur Hand zu gehen. Demenstprechend kam Helena erst zu dem Theaterstück, als es schon längst angefangen hatte. Sie ließ ihre Blicke über die Gäste schweifen und suchte sich dann so unauffällig wie möglich einen Weg zu Prisca und den Anderen. Glücklicherweise hatten die ihr einen Platz freigehalten, so dass sie sich direkt niederlassen konnte. Die Masken auf der Bühne zogen sie sofort in den Bann, doch zuerst grüßte sie den Gastgeber und die nahesitzenden Gäste mit einem charmanten Lächeln. Eigentlich konnte es jetzt nur noch besser werden.

    Helena zuckte ebenfalls zusammen als es ganz in ihrer Nähe plötzlich polterte. Tilla schien gestolpert zu sein und nun kugelten die erlesenen Früchte vor ihren Füßen herum. Helena verdrehte kurz entnervt die Augen und wandte sich dann mit einem entschuldigenden Lächeln an Octavius Dragonum. Mittlerweile musste er doch wirklich denken, dass sie ihre Sklaven nicht im Griff hatten. Da aber Prisca schon mit dem Mädchen sprach beschloß Helena sich daraus zu halten und konzentrierte sich lieber wieder auf das Geschehen in der Arena. Wie auch ihr schienen Prisca die Tiger sehr zu gefallen. Die Tiere hatten mittlerweile in der Arena ein ziemliches Blutbad angerichtet und den sandigen Boden an manchen Stellen tiefrot gefärbt.


    "So wie es aussieht ist es gleich vorbei. Was sie uns wohl noch bieten werden? Wobei die Tiger ja eigentlich kaum zu schlagen sind."


    Sie grinste und nahm dann einen Schluck aus ihrem Becher. Wie spät es jetzt wohl war? Von ihrer Position aus konnte Helena die Sonne nicht sehen, aber sie hoffte, dass der Tag noch lange andauern würde. Schon lage hatte sie nicht mehr so einen Spaß gehabt und sie befürchtete, dass es in Zukunft auch nicht mehr so oft dazu kommen würde. Doch sie wollte sich den schönen Tag nicht mit trüben Gedanken vermiesen. Ihr war der Blick, den Prisca ihr zugeworfen hatte durchaus nicht entgangen, aber sie beschloß nicht weiter darauf einzugehen, sondern stattdessen auf eine ihrer Fragen zu antworten.


    "Also ich glaube nicht, dass man Tiger wirklich zähmen kann. Im Inneren werden sie doch immer das Raubtier bleiben und irgendwann wird es wieder hervorbrechen. So schön der Gedanke auch ist, aber ich glaube nicht, dass wir uns so ein Haustier zulegen können. Es sei denn wir wollen die restliche Familie schockieren."


    Helena lachte ausgelassen während sie sich die Gesichter der anderen Familienmitglieder vorstellte, sollten sie wirklich mit einem Tiger nach Hause kommen. Ein Raunen des Publikums ließ sie wieder aufmerksam werden. Sie wollten den letzten Teil des Spektakels auf keinen Fall verpassen.

    Es war seltsam. Helena hatte den Blick wieder gehoben und je länger sie Marcus beobachtete, desto ruhiger wurde sie. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass sie anfangen würde zu weinen, vielleicht sogar zu schreien, denn sie wusste genau, dass sie über die ganze Sache noch nicht hinweg war. Doch dem war nicht so. Sie konnte sehen wie er litt und je mehr er litt, desto besser ging es ihr. Helena erschrak fast ein wenig über sich selbst, denn solche Gefühle kannte sie gar nicht. Normalerweise hätte sie alles dafür getan, um ihn von seinem Leid zu erlösen, oder es zumindest zu lindern. Aber jetzt...Helena sah ihn unverwandt an und genoß diesen Anblick. Sie sah, wie sich seine Finger um die Armlehne klammerten und hörte, wie er sich fast jedes Wort herausquälen musste. Es war Genugtuung die sie verspürte und die sie auskostete. Vielleicht auch, um nicht an ihre eigenen Gefühle denken zu müssen, die unter dem süßen Geschmack der kleinen Rache verborgen blieben.


    Die Frage war nun, was sollte sie ihm antworten? Natürlich hatte er gewusst, dass sie ihn liebte, immerhin hatte sie es ihm selbst gesagt. Er hatte es einfach nur nicht genug beachtet, es wahrscheinlich sogar als eine dumme kleine Verliebtheit seiner jungen Cousine abgetan. Und jetzt, wo es fast zu spät war, glaubte er angekrochen kommen zu können und alles wäre wieder gut... Helena atmete tief durch als sie bemerkte, dass ihre Gedanken nur dazu führten, dass der Zorn in ihr wieder hoch kochte. Dabei wusste sie nur zu gut, dass sie eigentlich hauptsächlich auf sich selbst wütend war. Marcus Blick lastete auf ihr und sie wusste, dass er eine Antwort erwartete. "Auch die Liebe einer Frau in meinem Alter kann stark sein, Marcus, auch wenn, oder vielleicht gerade weil sie noch nicht so viele Erfahrungen gemacht hat." Ihre Stimme klang immer noch seltsam, aber wenigstens zitterte sie nicht mehr so. Helena zwang sich seinem Blick stand zu halten und sich nicht so wie früher in seinen Augen zu verlieren. Diese Zeiten waren vorbei, mussten vorbei sein. "Ich weiß, dass ich der Familie sehr viel Kummer bereitet habe und ich habe mich, sofern es mir möglich war auch schon dafür entschuldigt. Ich kann meine eigenen Gedanken kaum nachvollziehen. Ich kann dir nur sagen, dass sie von Verzweiflung und Schmerz gekennzeichnet waren und ich alleine aus diesem Abgrund nicht mehr herausgekommen bin. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass du hier bist um mich nach meinen Gefühlen zu fragen."


    Helena senkte den Blick um auf die Narbe an ihrem Handgelenk hinunter zu sehen. Decimus Mattiacus hatte die Fäden schon gezogen. Es war gut verheilt, doch noch war die Narbe rot und gut zu sehen. Plötzlich schämte Helena sich deswegen. Es war ein Zeichen der Schwäche und in seinen Augen wahrscheinlich ein Zeichen der Dummheit. Sie legte die andere Hand auf die Narbe und verbarg sie somit vor seinen Augen. "Ich weiß warum du hier bist und ich kann dir versichern, dass von mir keine Gefahr mehr ausgeht. Ich werde weder dir nochmal zu nahe treten, noch die Familie in der Öffentlichkeit diskreditieren. Das war dir doch immer das Wichstigste. Ich habe aus der Sache gelernt, wenn es auch ein schmerzhaftes Lernen war. Du kannst also beruhigt sein und wieder gehen. Ich werd dich nicht aufhalten."

    Helena bedauerte es ein wenig, dass Decimus Mattiacus nicht viel zu berichten wusste, doch an sich hätte ihr das von Anfang an klar sein müssen. Männer hielten meistens nicht viel von Tratsch, oder zumindest nicht von dem Tratsch den Frauen unter sich erzählten und versuchten sich möglichst galant aus der Affaire zu ziehen. Decimus Mattiacus hielt es scheinbar genauso. Helena hatte einfach nicht daran gedacht, da sie so sehr auf Neuigkeiten jeglicher Art brannte. Als er von den Spielen erzählte, leuchteten Helenas Augen auf und sie beugte sich ein wenig nach vorn.


    "Da wäre ich gerne dabei gewesen. Ich liebe es diesen Rennen zuzusehen. Manchmal wünschte ich fast, ich könnte selbst fahren." Sie lachte leise um zu zeigen, dass sie das natürlich nicht ernst meinte. Aber trotzdem waren diese Rennen etwas, das sie sich immer wieder ansehen konnte. Es wurde einfach nicht langweilig und brachte ein wenig Abwechslung in den doch manchmal eintönigen Alltag. "Ich bin mir sicher, dass es demnächst wieder solche Rennen geben wird. Und dann werd ich auch wieder dabei sein. Natürlich nur, wenn mein medicus nichts dagegen hat." Sie zwinkerte Decimus Mattiacus schelmisch zu und warf dann eher aus Zufall einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne war schon ein ganzes Stück gewandert und sie erinnerte sich daran, dass sie vor dem Abend noch ein ausgedehntes Bad nehmen wollte. Helenas Blick wanderte wieder zu ihrem Besucher und diesmal war ihr Lächeln eindeutig entschuldigend.


    "Es tut mir leid, aber ich wollte vor dem Abendessen noch ein Bad nehmen. Bitte sei mir nicht böse, dass ich dich jetzt so einfach hinausschmeiße. Ich habe mich sehr über deinen Besuch gefreut und hoffe, dass du bald mal wieder vorbei kommst. Vielleicht sehen wir uns demnächst ja auch schon auf einem Fest wieder."

    Von Marcus' sonst so souveränen Gehabe war nicht viel zu sehen. Da Helena sich verzweifelt bemühte nicht an ihre eigenen Gefühle zu denken, die gerade in ihr brodelten, konzentrierte sie sich auf Marcus. Seine Mimik und seine Gestik deuteten darauf hin, dass er sich sehr unwohl fühlte und sie konnte nicht anders als eine gewisse Genugtuung zu verspüren als sie das sah. Er stotterte...Helena hätte fast spöttisch gelächelt, doch ihre Gesichtszüge schienen wie festgefroren. Noch wirkte der Schock ihn so plötzlich zu sehen und bewahrte sie vor dem inneren Chaos. Allerdings wusste sie nicht, wie lange das noch so anhalten würde. Er wollte also mit ihr reden. Helena hatte gewusst das es dazu kommen würde und es hatte keinen Sinn sich länger davor zu drücken. Unter großer Willensanstrengung trat sie ein Schritt zurück und zur Seite, um ihn eintreten zu lassen.


    "Komm rein!"


    Ihre Stimme klang seltsam in ihren Ohren. Unschlüßig sah sie sich im Zimmer um, denn sie wusste nicht was sie als nächstes tun sollte. Sie drehte Marcus den Rücken zu und ging zum Bett hinüber, um sich darauf nieder zu lassen. Doch der Anblick des Bettes rief wieder die Erinnerungen an diese Nacht wach und nun reagierte auch ihr Körper darauf. Sie begann zu zittern und sie musste sich beherrschen um die Schriftrolle, die sie immer noch in der Hand hielt nicht zu zerdrücken. Vorsichtig legte Helena die Rolle auf dem Nachttisch ab. Ihr Blick wanderte dabei über den Weinkrug und normalerweise hätte sie Marcus etwas davon angeboten, aber sie brachte es nicht über sich. Sie musste sich unbedingt beherrschen! Schreien, weinen, all das würde nichts bringen und sie schwächer aussehen lassen, als sie ihm gegenüber zeigen wollte. Was dachte er wohl gerade? Es war ihm unangenehm hier zu sein, da war sie sich sicher. Wahrscheinlich war es nur eine Art Pflichtbesuch und es wäre ihm wohl lieber, wenn sie ihn sofort wieder hinausgeschickt hätte. Aber diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun. Schon alleine sich selbst zu Liebe, denn Helena wusste, dass sie sich mit ihm auseinander setzten musste, wenn sie ihr Leben wirklich wieder in den Griff bekommen wollte.


    "Wie du siehst geht es mir gut. Man hat sich sehr liebevoll um mich gekümmert." Klang da ein leichter Vorwurf mit, das er sich nicht hatte blicken lassen? Das Zittern in ihrer Stimme war kaum zu hören, aber Marcus kannte sie mittlerweile gut genug um vielleicht auch das heraus zu hören. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen." Machte er sich wirklich Sorgen? Helena konnte in seinem Blick nicht lesen und sie hielt dem Ausdruck in seinen Augen auch nicht lange stand. Stattdessen senkte sie ihren Blick auf ihre Hände, die sie verschränkt hatte, um sie nicht zu Fäusten zu ballen.

    Helena war schon wieder einige Zeit auf ihrem Zimmer. Nachdem sie ein kleines Abendessen zu sich genommen hatte und nochmal eine kleine Runde durch den Garten gedreht hatte, wollte sie sich nun noch in den Schriftrollen vertiefen, die sie aus der Bibliothek mitgenommen hatte. Sie hatte Titus' Vorschlag sogleich in die Tat umgesetzt und sich ein paar Exemplare mit politischem Inhalt besorgt. Nun lief sie, über eben jenen politischen Inhalt sinierend durch ihr Zimmer. Die Schriftrolle in der einen Hand, einen Becher Wein in der anderen. Da sie sich bis jetzt für dieses Thema noch nie interessiert hatte fiel es ihr sehr schwer hinter die wahren Intentionen des Schreibers zu blicken. Sie musste sich konzentrieren um nicht den Faden zu verlieren und zweifelt oftmals daran, ob sie sich das alles überhaupt würde merken können.


    Schließlich ließ sie mit einem resignierendem Seufzen die Schriftrolle sinken und nahm einen Schluck Wein. Er war nicht verdünnt, aber das störte sie nicht. Im Gegenteil. Sie hatte sich angewöhnt abends noch einen guten Wein zu trinken. Helena spürte wie ihre Gedanken abschweifen wollten und schüttelte energisch den Kopf. Sie nahm den Weg durch ihr Zimmer wieder auf, wedelte dabei mit der Rolle und zitierte einige Sätze, die ihr noch im Kopf geblieben waren. In diesem Moment klopfte es an der Tür. Helena reagierte nicht darauf, denn sie war überzeugt davon, dass es sich um Marina handeln musste, die eh nur ein paar Augenblicke später eintreten würde. Das trat allerdings nicht ein und auch das Klopfen wiederholte sich nicht noch einmal. Helena blieb stehen und starrte auf die Tür bevor sie entnervt die Augen verdrehte, das kurze Stück zur Tür überbrückte und sie energisch aufriss.


    "Marina, seit wann wartest..." Die Worte blieben ihr sprichwörtlich im Hals stecken als sie nicht Marina, sondern Marcus gewahr wurde, der vor der Tür wartete. Seit ihrer Tat hatten sie sich nicht mehr gesehen, geschweige denn miteinander gesprochen. In den wenigen Augenblicken die sie ihn anstarrte brach plötzlich wieder alles über sie herein. Sie spürte Angst, Verzweiflung und auch Hass. Auf ihn aber hauptsächlich auf sich selbst. Wahrscheinlich konnte man auf ihrem Gesicht deutlich sehen was sie spürte, denn sie war noch nie gut darin gewesen ihre Gefühle zu verbergen. Sie hatte gewusst, dass dieser Zeitpunkt kommen würde, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so unverhofft passieren würde. Sie war nicht vorbereitet, hatte keine Möglichkeit gehabt sich innerlich zu verschließen. "Marcus?!" Keine sonderlich gelante Begrüßung aber zu mehr war sie momentan nicht fähig. Auch rührte sie sich nicht von der Stelle, denn sein plötzliches Auftauchen schien sie regelrecht zu lähmen.

    Es war also nicht ungewöhnlich? Helena nickte nachdenklich und obwohl es ihr schwer fiel sich vorzustellen, dass auch andere Menschen soetwas erlebt hatten war es in einer gewissen Art und Weise tröstlich. Decimus Mattiacus schien über ihre Worte ein wenig überrascht zu sein. Helena fragte sich, ob es an dem Inhalt lag, oder daran, dass sie sich ihm anvertraute. Genau erklären konnte sie es sich selbst nicht. Sie kannte ihn kaum und doch vertraute sie ihm. Ob es daran lag, dass er ihr schlußendlich das Leben gerettet hatte? Helena wusste keine Antwort darauf aber vielleicht musste es auch keine Antwort geben. Vielleicht sollte sie es einfach so hinnehmen.


    "Es war ein wunderbares Gefühl. Ich habe mich geliebt und geborgen gefühlt und vielleicht war das auch einer der Gründe, warum ich anfangs nicht zurück wollte. Das Leben im Jenseits schien mir zu diesem Zeitpunkt um einiges verlockender." Helenas Blick war immer noch verträumt, doch schnell wurde er wieder klar und ein Lächeln lag auf ihren Lippen. "Aber jetzt sehe ich das anders. Ich bin froh hier zu sein und ich weiß, dass ich mich vor dem Tod nicht fürchten muss, wenn er mich denn irgendwann mal ereilt. Ich denke, dass dieser Schritt vielleicht wirklich notwenig war, um mich erkennen zu lassen, wie glücklich ich mich eigentlich schätzen kann dieses Leben zu haben." Helena nickte, wie um ihre eigenen Worte zu bestätigen und legte dann ein Bein über das andere um entspannter sitzten zu können. "Aber jetzt lass uns über etwas angenehmeres sprechen. Ich habe in der letzten Zeit ziemlich viel verpasst. Wie alle Frauen interessiere ich mich für Klatsch und Tratsch. Vielleicht hast du ja etwas interessantes gehört und bist bereit mir davon zu erzählen, bevor du zu meinem Onkel gehen musst."

    Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich mich die letzten Wochen so selten hab blicken lassen. Ich werd so schnell ich kann alles aufarbeiten. Sorry an die, die so lange auf mich warten mussten! :(

    Helena musste auf eine Antwort warten, denn Flaivus Lucanus musste scheinbar erst etwas mit den Angestellten klären. Sie verzog kurz die Lippen und begann dann schonmal sich die Auslagen anzusehen. Was er zu dem Verkäufer sagte verstand Helena nicht, da es geflüstert war. Scheinbar kam er wirklich oft hier her. Lange musste sie sich allerdings nicht gedulden, denn schon kurze Zeit später kam er zu ihr zurück. Sie drehte sich zu ihm herum und lächelte entwaffnend. Noch immer war sie sich darüber bewusst, dass sie selbst ein recht heikles Thema angesprochen hatte. Würde sie enttäuscht sein, wenn sie erfuhr, dass Flavius Lucanus sein Herz schon einer anderen Frau geschenkt hatte? Sie wusste keine wirkliche Antwort auf diese Frage und das machte sie nervös. Mit seinen nächsten Worten half er ihr auch nicht unbedingt dabei eine Antwort zu finden. Auf die Weisheit der Götter vertrauen konnte manchmal so unglaublich frustrierend sein.


    "Das Meiste was du als schwülstigen Unsinn beschreibst finden viele Frauen durchaus romantisch. Wenn auch nur eine romantische Phantasie. Das wirkliche Leben ist oft ganz anders. Aber manchmal kann es ganz schön sein sich in solchen Phantasien zu verlieren." Helena schwieg einen Moment während sie über seine Worte nachdachte. "Ein Herz spricht zu einem anderen...das ist eine sehr schöne Vorstellung. Aber wie findet man denjenigen, dessen Herz die Sprache des eigenen versteht? Was ist, wenn diese Suche ein Leben lang andauert? Und damit sind wir wieder bei den arrangierten Ehen. Ich habe mal ein Sprichwort gehört: Nimm dir die Frau zu Gemahlin, die, wäre sie ein Mann, dein Freund wäre. Ich denke, dieses Sprichwort passt ganz gut."


    Helena wirkte recht nachdenklich, aber dieser Zustand währte nur einen kurzen Moment, denn Flavius Lucanus schaffte es wieder einmal, dass ihr Herz einen kleinen Satz machte, bevor es schneller weiterschlug. Bis gestern noch nicht... Sie konnte sich nur zu gut vorstellen was das bedeutete, aber sie wollte sich keiner vorschnellen Einbildung hingeben. Sie war kurz davor etwas zu erwiedern, doch dann schlug sie nur gelant die Augen nieder und lächelte. Sie wusste auch gar nicht so genau was sie sagen sollte. Immerhin konnte sie ihn nicht einfach fragen was genau er damit meinte. Vielleicht war es besser diesen Satz so gut es ging zu ignorieren. Helena atmete tief, aber leise durch und straffte dann die Schultern.


    "Nun gut, wenn du dich hier so gut auskennst, dann kannst du mir doch sicher die schönsten Stücke zeigen. Und was hattest du da gerade eigentlich zu flüstern?"

    Verwaltungsaufgaben also...Normalerweise hätte Helena dieses Thema überhaupt nicht interessiert, aber genau das wollte sie ja ändern. Sie wollte nicht mehr dieses kleine naive Mädchen sein, dass bei bestimmten Themen einfach nicht mitreden konnte. Sie wollte, dass die Männer sie in Zukunft ernst nahmen. "Naja, ich muss ja zugeben, dass ich davon bis jetzt überhaupt keine Ahnung habe. Aber ich habe vor, mich ein wenig schlau zu machen. Gerade was Politik angeht. Sicher dauert es eine Weile, aber vielleicht kann ich ja in nicht allzu entfernter Zeit politische Diskussionen mit dir führen." Helena lächelte zwar, aber ihr war durchaus anzusehen, dass sie das ernst meinte. Zwar wusste sie noch nicht, wie sie an die Informationen die sie haben wollte herankommen sollte, aber irgendwie würde es schon funktionieren. Die Männer der Familie hatten wahrscheinlich weder Zeit noch Lust ihr einen Einführungskurs in Politik zu geben. Aber vielleicht fand sie ja in der Bibliothek ein paar Schriftrollen, die ihr für den Anfang ausreichen würden.


    Minervina würde also in den nächsten Tagen ankommen. Helena überlegte, welches Zimmer sie wohl bekommen würde. In der Villa waren immer einige Zimmer frei, aber Helena würde es schön finden, wenn es ein Zimmer in ihrer Nähe wäre. So würde sie sich vielleicht nicht ganz so einsam fühlen wie in der letzten Zeit. Helena zog kurz die Schultern hoch und nickte dann. "Wenn du sie siehst, dann schlag ihr doch einfach mal vor, dass sie zu mir kommen soll. In den nächsten Tagen werde ich ja noch in der Nähe meines Zimmers zu finden sein." Sie rollte gespielt genervt mit den Augen und lachte dann. Bei Ursus Frage nach einem gemeinsamen Familienabendessen nickte sie erfreut, doch als sie daraufhin an sich hinunter sah, verdüsterte sich ihre Miene. So konnte sie jedenfalls nicht nach unten gehen. Sie würde Marina rufen und dafür sorgen, dass sie wieder gesellschaftsfähig war. "Ja ich denke, dafür sollten meine Kräfte ausreichen. Allerdings nicht so!" Eine entsprechende Geste auf ihr einfaches Gewand folgte diesen Worten. "Ich müsste mich also vorher noch fertig machen." Da sie nicht wollte, dass Ursus das Gefühl bekam, sie wolle ihr rausschmeißen, beugte sie sich wieder vor und umarmte ihn herzlich. "Ich weiß, ich habe dir schon gedankt, aber ich will es nochmal tun. Du hast mich nicht nur aus dem Teich gezogen, du hast meinem Leben auch wieder einen Sinn gegeben. Wenn du mich nicht so oft besucht hättest und mir gezeigt hättest, dass es durchaus noch Gründe für ein Weiterleben gibt...ich weiß nicht was dann aus mir geworden wäre."

    Helena konnte nicht verhindern, dass sie erleichtert aufatmete, als sie hörte, dass Ursus eigentlich nicht aus Rom weg wollte. Direkt danach lächelte sie etwas beschämt, denn eigentlich hatte sie ja nicht gewollt, dass er sich von ihr irgendwie unter Druck gesetzt fühlte. Zwar konnte sie sich momentan nicht vorstellen wie es ohne ihn sein würde, aber das durfte ihn nicht stören. Sie räusperte sich kurz und nickte dann, als er die Briefe ansprach. "Natürlich werden wir uns schreiben. Ich liebe es Briefe zu bekommen und natürlich auch sie zu schreiben. Auch wenn du sicher Interessanteres zu berichten haben wirst als ich. Es sei denn, du interessierst dich für Klatsch und Tratsch. Da bin ich dann wohl die richtige Ansprechpartnerin." So langsam fand Helena ihre Sicherheit wieder und auch das fröhliche Leuchten kehrte in ihre Augen zurück. Ursus schaffte es eben immer wieder sie aufzumuntern.


    Minervina war also zwanzig Jahre alt. Ob sie da überhaupt etwas mit ihr zu tun haben wollte? Gerade in diesem Alter machten schon ein paar Jahre einen großen Unterschied. Aber genauso wie Ursus musste sie sich wohl überraschen lassen. Vielleicht war Minervina sogar ganz froh, wenn man sich ein wenig um sie kümmerte. Helena konnte sich noch zu gut daran erinnern, wie einsam sie sich gefühlt hatte als sie nach vier Jahren zurückgekehrt war. Jedenfalls würde sie sich bemühen, um Minervina den Einstieg in Rom so angenehm wie möglich zu gestalten. "Wann kommt sie denn? Und weißt du vielleicht wann das nächste Fest stattfinden wird? Auf so einem Fest ist es immer am Einfachsten die Familie und Freunde kennenzulernen. Und wenn sie möchte zeig ich ihr natürlich auch die Stadt. Aber gut, das werde ich sie dann selbst fragen." Helena lächelte und atmete dann einmal tief durch. Es wurde wirklich Zeit, dass sie aus diesem Zimmer heraus kam. Sie hatte das gefühl, als würde sie unheimlich viel verpassen und das konnte sie sich eigentlich nicht leisten. Vielleicht hatte sie ja die Möglichkeit ihr Leben so normal wie möglich fortzusetzten. Aber das erfuhr sie nicht, wenn sie hier weiterhin eingesperrt war.

    Helena wiegte nachdenklich ihren Kopf hin und her während sie Decimus Mattiacus' Worten lauschte. Es stimmte schon, dass es gar nicht mal so unüblich war, aber trotzdem hatte sich diese Nachricht bestimmt schon wie ein Lauffeuer verbreitet. Obwohl sie sich darauf freute die Viall bald wieder verlassen zu können spürte sie plötzlich Angst. Angst vor den Blicken und dem Getuschel. Oder bildete sie sich das alles nur ein? Helena schluckte schwer und lächelte ihrem Besucher dann zu.


    "Vielen Dank für deine lieben Worte. Und ich bin nie davon ausgegangen, dass du darüber sprechen würdest. Wir kennen uns zwar kaum, aber in diesem Belange vertrau ich dir vollkommen."


    Helena lächelte erneut, doch die Hand mit der sie den Becher hielt zitterte leicht. Sie hatte noch keinem erzählt was sie gesehen hatte. Noch nicht einmal Ursus oder Prisca. Aber irgendetwas in ihr drängte sie dazu es loszuwerden. Vielleicht war Decimus Mattiacus dafür der richtige Ansprechpartner? Vielleicht hatten auch andere Menschen schon soetwas erlebt wie sie? Er als Arzt wusste das möglicherweise. Helena zögerte noch einen Moment und man konnte ihr deutlich ansehen, dass es ihr schwer viel darüber zu sprechen.


    "Weißt du...ich hab meine Mutter und meinen Vater gesehen..."

    Lag es an seinem Lächeln, dass die Röte plötzlich wieder auf Helenas Wangen zurückkehrte? Es hatte etwas geheimnisvolles an sich und sorgte dafür, dass sie fast schüchtern ihren Blick senkte und auf ihre Füße starrte. Sei nicht albern! Er will nur nett sein! Helena hob den Kopf wieder und räusperte sich kurz, bevor sie ihm mit sicherer Stimme antworten konnte.


    "Lebenserfahrung? Naja wenn du es so nennen willst. Ich bin schon recht viel gereist, das ist wohl wahr, aber ich weiß nicht ob dich das, was ich erlebt habe interessiert. Einen Versuch wäre es natürlich wert. Vielleicht ist die Idee, unsere Kenntnisse zusammenzuschmeißen gar nicht mal so schlecht. Meinst du denn, wir sehen uns in absehbarer Zeit wieder? Ich kann recht ungeduldig sein."


    Konnte diese furchtbare Röte nicht endlich verschwinden? Und warm wurde ihr plötzlich auch noch. Erneut strich Helena sich mehrere Haarsträhnen hinter die Ohren. Wieder dieses Lächeln! Noch nie hatte ein Mann sie so angesehen. Es war vollkommen neu für sie, aber es gefiel ihr. Ihr Herz klopfte ein wenig schneller, obwohl sie immer noch versuchte sich einzureden, dass er einfach nur nett sein wollte. Trotzdem lösten seine Worte bei ihr etwas anderes aus als es die Komplimente seines Onkels getan hatten. Während sie versuchte ihr aufgewühltes Inneres wieder ins Gleichgewicht zu bekommen lauschte sie seinen Erklärungen, wie er die Liebe betrachtete. Er hatte eine interessante Einstellung, aber Helena wollte ihm nicht so ganz glauben.


    "Aber warst du denn noch nie verliebt? Hast du noch nie eine Frau kennengelernt und schon beim ersten Blick ein Kribbeln im Bauch gespürt? Herzklopfen? Hast du noch nie gedacht: Das ist die Richtige!?" Helena räusperte sich erneut, als ihr bewusst wurde wovon sie da gerade sprach. Das gehörte sich eigentlich nicht, zumindest nicht bei einem Mann, den sie kaum kannte. "Jemanden zu heiraten, den man lieben möchte kann sehr gefährlich sein. Was passiert, wenn sich dieser jemand nach der Hochzeit als Ekel herausstellt? Deswegen werde ich auch nie von jetzt auf gleich heiraten. Ich will meinen Zukünftigen erst kennenlernen, um zu wissen worauf ich mich einlasse."


    Das was Flavius Lucanus als nächstes sagte ließ Helena leise nach Luft schnappen. Meinte er das ernst? Vorsichtig wandte sie den Kopf zur Seite und sah ihn an. Leider war er in diesem Moment damit beschäftigt den Sklaven vor Tiffanius' Tür Anweisungen zu geben, so dass sie sein Gesicht nur von der Seite sehen konnte. Nach all den Worten, die sie als Scherz verstanden hatte, schien es jetzt fast so, als würde er eine Heirat mit ihr wirklich in Erwägung ziehen. Konnte er nicht einfach grinsen? Lachen? Ihr zu zwinkern? Dann hätte sie gewusst, wie sie seine Worte zu deuten hatte. Aber so? Nun gut, das ließ sich sicher herausfinden. Nachdem sie den Laden betreten hatten ignorierte sie den Angestellten, der auf sie zukam und drehte sich so zu Flavius Lucanus um, dass er stehenbleiben musste, wollte er sie nicht über den Haufen rennen.


    "Dürr und hässlich? Wen meinst du damit? Ich sehe hier nur einen gutaussehenden jungen Mann. Aber es ist wohl vermessen von mir anzunehmen, dass du es in Erwägung ziehen könntest mich zu heiraten. Welcher von deinen Verwandten ist denn mit Dürrheit und Hässlichkeit gezeichnet? Dann weiß ich wem ich nie begegnen will." Helena grinste und wedelte dann ungeduldig mit einer Hand, als der Angestellte sie unbedingt begrüßen wollte. "Nach dem Tod meines Vaters ist Marcus Aurelius Corvinus mein Vormund. Wahrscheinlich ist er ganz froh, wenn er eine Frau weniger in seinem Haushalt hat, auf die er aufpassen muss."

    Natürlich ergaben sich Gespräche mit Händlern fast zwangsläufig. Helena kannte das nur zu gut, doch trotzdem würde sie keinen dieser Männer oder Frauen gleich als einen Freund bezeichnen. Entweder vergab Flavius Lucanus einen Freundschaftsbonus also recht schnell, oder aber er war sehr oft in diesem Laden. Was er dort wohl suchte? Vielleicht Geschenke für andere Frauen? Aus den Augenwinkeln musterte Helena ihren Begleiter, bevor sie mehr für sich selbst den Kopf schüttelte. Nein, das konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen. Es sei denn Flavius Lucanus hatte das ein oder andere Geheimnis, das er sehr gut verbergen konnte. Helena war so in ihren Gedanken vertieft, dass sie seine nächsten Worte fast überhört hatte. Deswegen antwortete sie auch erst etwas verspätet.


    "Interessante Gespräche...ja, das ist so eine Sache. Mir ist es schon oft genug passiert, dass ich mir ziemlich dumm vorkam, weil ich bei einem bestimmten Thema nicht mitreden konnte. Meistens handelte es sich dabei um Politik. Ja ich weiß, die meisten Frauen interessieren sich dafür einfach nicht und bis jetzt war es bei mir genauso. Aber ich habe mir vorgenommen etwas daran zu ändern. Mhhh was meinst du? Vielleicht kannst du mir sogar ein wenig dabei helfen?"


    Wenn er wirklich so viel lernte, dann musste er doch sicher dazu in der Lage sein auch ihr etwas davon zu vermitteln. Ob er dazu Lust hatte war natürlich eine ganz andere Frage. Sie wusste schon jetzt, dass er wahrscheinlich sehr viel Geduld mit ihr haben musste. Aber jemanden aus der Familie fragen? Nein, das kam für sie irgendwie nicht in Frage. Bei seinem Versprächer stockte Helenas Schritt kurz. Etwas ungläubig sah sie Flavius Lucanus an, bevor ihr helles Lachen erklang. "War da vielleicht der Wunsch Vater des Gedanken?" Sie zwinkerte ihm zu, denn selbstverständlich konnte man bei einem ersten Treffen noch nicht wirklich über soetwas nachdenken. "Ein Dutzend Kinder?! Du meine Güte! Ich hoffe, du teilst deine Pläne deiner Frau vor der Hochzeit mit." Sie kicherte leise, bevor sie wieder ernst wurde. "Ich glaube nicht, dass eine Heirat soetwas natürliches ist. Früher, als kleines Mädchen habe ich immer davon geträumt später nur den Mann zu heiraten, den ich wirklich liebe. Aber heute weiß ich, dass das nur sehr selten passiert. Eine arangierte Ehe ist wesentlich häufiger und vielleicht sogar besser. Liebe kann so schnell vergehen..." Helenas Augen flackerten kurz und ein trauriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht, bevor sie sich wieder gefangen hatte. Obwohl es ihr schon wesentlich besser ging würde es wohl noch eine ganze Weile dauern bis sie über die ganze Sache hinweg war.


    "Eigentlich sind junge Frauen in meinem Alter meistens schon verheiratet. Mir Sicherheit plant mein Vormund schon etwas, auch wenn ich noch nichts davon weiß. Aber eines sag ich dir: Sollte er mir einen dicken, fetten, hässlichen, alten Kerl aussuchen, dann kann er mich erleben. Nicht umsonst sind Tiger meine Lieblingstiere."


    Nun war auch das fröhliche Grinsen wieder da. Sollte es wirklich soweit kommen wusste Helena nicht, ob sie wirklich den Mut dazu haben würde Einwände zu erheben. Aber, so die Götter es denn wollten, würde sich vielleicht bald ein junger und gutaussehnder Mann für sie interessieren. Sojemand wie Flavius Lucanus vielleicht?

    Von den Ufern des Styx zurückgeholt...ja, das hatte er sie wohl. Es war knapp gewesen, sehr knapp sogar und Helena hatte eine ganze Weile gebraucht, bis der Wunsch, dass man sie nicht gerettet hätte wieder verschwunden war. Jetzt aber saß sie hier und so langsam kam ihre Lebensfreude wieder zurück. Zumal wenn man solch nette Komplimente bekam. Helena spürte, wie sich ihre Wangen leicht rötetetn und sie lächelte leicht.


    "Ich fühle mich geehrt und es tut mir noch nachträglich Leid, dass unser erstes Treffen so schnell beendet war. Aber du kennst das sicher. Auf einem Fest, das zudem auch noch in der eigenen Villa ausgerichtet wird hat man selten seine Ruhe und muss zudem noch den gastgeberlichen Pflichen nachgehen. Ich hätte mich wirklich gerne länger mit dir unterhalten."


    Das Fest schien schon ewig her zu sein. Dieses verrückte Fest auf dem sie Marcus ihre Liebe gestanden hatte. Hätte sie das nicht getan, wäre dann vielleicht alles ganz anders geworden? Helena schüttelte kurz den Kopf um diesen Gedanken zu vertreiben. Sie sollte sich lieber auf Decimus Mattiacus konzentrieren. Ein leises Lachen erklang, auch wenn sie sich nicht unbdeingt danach fühlte.


    "Nachdem was passiert ist hälst du mich doch sicher für verrückt. So wie alle anderen das bestimmt auch tun. Ich bin mir sicher, dass diese Geschichte schon die Runde gemacht hat."

    Sie hatten also von Anfang an Ärger gehabt? Natürlich hatte Helena auch davon mal wieder nichts mitbekommen. Sie fragte sich, was wohl der Grund für Ursus' Geladenheit gewesen war. Aber danach wollte sie ihn nicht fragen, denn sie sah auch so schon, dass die ganze Sache ihn sehr mitnahm. Er schien sehr verletzt zu sein und natürlich wütend. Was irgendwie verständlich war, wenn Marcus sich wirklich so verheilt wie Ursus es darstellte. Als er dann aber davon sprach, dass er hoffte ein Tribunat zu erhalten, weiteten sich Helenas Augen ein wenig. "Du willst weg aus Rom? Aber..." Obwohl sie noch viel mehr sagen wollte verstummte sie plötzlich. Ihr wurde klar, wie selbstsüchtig sie sich verhielt. Ursus war in den letzten Tagen soetwas wie ihr engster Vertrauter geworden. Die restliche Familie hatte sie immer noch kaum kennengelernt, sah man mal von Prisca und Marcus ab. Sie würde ihn sehr vermissen, doch sie hatte nicht das Recht ihn darum zu bitten zu bleiben. Immerhin sah sie ja, wie unglücklich er mit der momentanen Situation war. Helena zwang sich zu einem Lächeln und nickte schließlich. "Ja, vielleicht ist das wirklich die beste Lösung. Für euch Beide." Sie sah auf seine Hände hinunter, antwortete auf seine Bitte aber nicht sofort. Sie wollte ihm unbedingt helfen und unter anderen Umständen hätte sie auch sicher ein Gespräch mit Marcus gesucht, aber so...Schließlich nickte sie aber doch. "Ich verspreche es dir. Außerdem glaube ich auch nicht, dass es dazu kommen wird. Wenn wir überhaupt miteinander reden haben wir sicher ein anderes Thema."


    Ursus schien nun aber von dem Gedanken an seinen eigenen Kummer genug zu haben und auch Helena hatte wirklich nichts gegen einen Themenwechsel. Als er seine Schwester ansprach schmunzelte sie leicht. "Ich kann mich leider gar nicht an sie erinnern. Wir waren früher ja nicht oft hier. Aber auch mir sagt man nach, dass ich mal ein sehr lebhaftes Kind gewesen bin. Und jetzt schau mich an! Eine feine Dame durch und durch!" Helena schaffte es einige Augenblicke lang ein ernstes Gesicht zu behalten, aber das währte nicht lange. Schließlich erklang ein leises Lachen und sie drückte Ursus' Hände noch einmal kurz, bevor sie sie losließ und ich wieder zurücklehnte. "Aber mal Spaß beiseite. Da sie die gleiche aurelianische Erziehung genoßen hat wie wir wird sie sicher zu einer perfekten Dame herangereift sein auf die du stolz sein kannst. Wie alt ist sie denn jetzt? Ich würde mich sehr freuen, wenn du uns einmal vorstellen könntest." Wenn sie wirklich den Garten liebte, dann hatten sie zumindest schonmal ein Gesprächsthema, denn auch Helena hielt sich sehr gerne dort auf. Zumindest bis jetzt. Sie hatte keine Ahung wie sie reagieren würde, wenn sie das nächste Mal am Teich vorbeiging. Würden die Erinnerungen dann wiederkommen?

    "Du kennst den Besitzer von Tiffanius?" Helenas Augen bekamen einen seltsamen Glanz als sie das hörte. Sie war schon öfter in diesem Laden gewesen, denn die dort ausliegende Ware war immer einen Besuch wert. Die Begleitung eines Mannes, der den Besitzer als Freund bezeichnete eröffnete ihr geradezu ungeahnte Möglichkeiten. Doch dann schüttelte Helena kurz den Kopf. Es wäre nicht richtig Flavius Luvanus derart auszunutzen. Dafür war er einfach viel zu nett. Und sie hatte nicht gelogen als sie gesagt hatte, dass sie am heutigen Tag schon genug Geld ausgegeben hatte. Sie würde sich nur umsehen. Mehr nicht!


    Der Weg durch die Straßen war um einiges angenehmer als der kurze Gang über den Basar. Es war bei weitem nicht so voll, so dass sie nicht darauf achten musste gegen Flavius Lucanus zu stoßen, dem das ja scheinbar peinlich gewesen war. Ihr Leibwächter warf ab und zu einen Blick zurück, behielt den Abstand aber ein. Helena schmunzelte kurz. Wie sie Marcus kannte würde er den Armen sicher ausfragen was sie an diesem Tag so getrieben hatte. Wie würde er wohl reagieren wenn er erfuhr, dass sie in Begleitung eines jungen Mannes gewesen war? Das Lächeln verschwand plötzlich. Wie wohl! Es würde ihm vollkommen egal sein! Helena spürte, wie sich ein dicker Kloß in ihrem Hals festsetzten wollte. Sie schluckte ein paar Mal schwer und sah dabei zur Seite, damit Flavius Lucanus davon nichts mitbekam. Erst als sie sich sicher war, dass ihre Stimme nicht zittern würde antwortete sie ihm.


    "Ja, es ist noch eine ganze Weile hin, aber manchmal frage ich mich doch, wo ich in zehn Jahren stehen werde. Werde ich glücklich sein? Verheiratet vielleicht? Werde ich Kinder haben?" Helena schwieg kurz und strich eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr. "Lernen, lernen, lernen? Das klingt nicht gerade aufregend. Ich finde es bewundernswert, dass du so zielstrebig bist. Aber was ist z.B. mit der Liebe? Willst du nicht heiraten?" Ein recht gefährliches Thema, gerade für ein erstes Treffen, aber wenn sie schon über die Zukunft sprachen, dann gehörte das auch dazu. Zumindest für Helena. Und ja, es hatte auch noch einen anderen Grund. So würde sie nämlich vielleicht erfahren, ob sein Herz schon einer anderen gehörte.


    Sim-Off:

    Und wieder etwas schlauer! :D

    Nur bei mir...soso... Immer mehr kam sie zu der Auffassung, dass dies mehr war als nur ein Höflichkeitsbesuch. Aber bis jetzt hatte Decimus Mattiacus den wirklichen Grund seiner Anwesenheit noch nicht offenbart. Helena ließ sich von diesen Gedanken nichts anmerken. Stattdessen lauschte sie seinen Worten und lachte dann überrascht auf.


    "Mogontiacum? So ein Zufall! Dort waren wir auch. Allerdings bist du zu diesem Zeitpunkt wohl schon weg gewesen. Und du hast Recht, die Stadt hat nicht viel reizvolles. Alles wirkte so trist und dunkel. Aber wir sind wahrscheinlich einfach nur zu verwöhnt." Sie lächelte leicht, bevor sich ihre Miene nachdenklich verzog. "Ich muss leider zugeben, dass ich noch nie etwas von einem Ort namens Aquis Mattiacorum gehört habe. Die warmen Quellen sagen mir aber etwas. Ich habe mal davon gelesen, glaube ich. Dort gewesen bin ich allerdings nicht. Was ich nach deinen Erzählungen jetzt durchaus bedauere. Vielleicht werden mich meine Schritte in der Zukunft noch einmal nach Germanien bringen. Dann werde ich deinen Worten folgen und diesen Quellen einen Besuch abstatten."


    Ein Bad in einer heißen Quelle, ja, das wäre jetzt etwas wunderbares! Helenas Augen bekamen einen leicht träumerischen Glanz, doch schnell kehrte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Nun blitzen ihre Augen herausfordernd, als sie ohne Vorwarnung und große Einleitungen auf das vorherige Thema zurückkam. "Und warum machst du dann bei mir eine Ausnahme?"