Beiträge von Sergia Plotina

    Plotina blickte den Magister Scriniorum mit stetig wachsendem Interesse an. Einen Moment lang überlegte sie: War das wieder nur so eine Pose, wie sie sie an den vergangenen Tagen so oft aus dem Munde glutäugiger römischer Männer gehört hatte? Oder traf sie hier, in diesem Augenblick, in den Horti Maecenatis, tatsächlich zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Rom auf jemanden, der ihre politischen Ansichten und ihr persönliches Engagement für Rom teilte?


    Plotina merkte, wie ihr Herz begann, schneller zu schlagen, und ihre Wachsamkeit sich erhöhte. Jetzt, jetzt oder nie war es an der Zeit, sich ein wenig hervorzuwagen. Sie blickte Verus durchdringend an.


    "Titus Decimus, du hast das gerade mit so wenigen Worten gesagt, aber wenn ich mich nicht täusche, steckte dahinter eine ehrliche und ernstgemeinte Überzeugung."


    Ihr Blick schweifte ab und glitt über den gesamten Park.


    "Nun sitzen wir hier auf einer Marmorbank, erfrischen uns an diesen Speisen, erfreuen uns an guter Luft, und vielleicht ist das auch gar nicht der richtige Augenblick, näher auf so etwas einzugehen. Aber als ich Ägypten verlassen habe - und nur die Götter wissen, ob ich es je wiedersehen werde - habe ich das nicht nur getan im Gedanken an die römischen Märkte, ihre feinen Tuche und perlenbesetzten Schmuckstücke, sondern auch im Gedanken an die, die unter glühender Sonne arbeiten, um all das herzustellen, die den Weizen liefern und das Flachs - und im Gedanken an diejenigen, die in ihren Castellen und Officien Tag für Tag damit beschäftigt sind, die Idee Roms mit Leben zu erfüllen."


    Sinnend sah sie die beiden Männer an.


    "Ihr wisst aber schon, wie glücklich ihr seid, Rom dienen zu können!? Ich dagegen komme mir so nutzlos vor, denn ich habe noch keine Aufgabe gefunden, in der ich dem Imperium nützlich sein könnte."

    Auf einem ihrer vielen Andachtsgänge zu den Tempeln der urbs aeterna kam Plotina endlich auch eines Tages zum Templum Quirini, den sie seit früher Jugend besonders verehrte. Schon auf den ersten Blick fiel ihr auf, wie sauber und gepflegt hier alle Anlagen waren; mit Liebe und Einsatz hegte man diesen Ort für Quirinus.


    Plotinas Gesicht hellte sich auf. Mit leichten Schritten ging sie die Stufen zum Tempel hoch, vorbei an einem ehrwürdigen Mann, der soeben auf den Stufen Platz genommen hatte. Konnte das etwa der Sacerdos des Quirinus sein? schoß es ihr plötzlich durch den Kopf. Sie verneigte sich jedenfalls leicht vor ihm und hoffte, dass er nach ihrem Gebet im Tempel auch noch da sein möge; gerne würde sie ihn ansprechen! Bei all dem hörte sie jedoch nicht auf, leise ihr Gebet zu Quirinus zu rezitieren:


    "Täglich begeben sich Beter in deinen Tempel, Quirinus.
    Ich kam von weit, bin noch fremd hier - finde hier Heimat und Andacht.
    Nimm meinen Dank, hör mein Flehen: Schenk frischen Mut mir und Tatkraft!"


    Auch im Innern setzte sie ihre Rezitation fort. Erst als sie ganz vorne angekommen war, hielt sie inne, hob ihre Augen und stand lange schweigend da. Dann gab sie sich einen Ruck und ging langsam wieder hinaus. Sie freute sich, als sie den Mann, den sie für den Sacerdos hielt, immer noch auf den Stufen sitzen sah, wusste allerdings nicht recht, wie sie ihn ansprechen sollte. Schließlich fasste sie sich ein Herz und trat behutsam an ihn heran:


    "Ich weiß, dies ist ein Ort der Sammlung und des Gebetes, und es schickt sich nicht, dass ich dich anspreche - vor allem dann nicht, wenn du der bist, den ich in dir vermute: Der Sacerdos des Quirinus?"


    Plotina sah ihn fragend und auch ein bisschen ängstlich an.

    Bald schon aber dachte Plotina nicht mehr an ihre Einsamkeit. Denn während sie noch nach einem bekannten Gesicht in der Menge Ausschau gehalten hatte, war diese immer mehr angewachsen bis hin zu einem starken Strom, der schließlich auch Plotina mit sich fortriss. Halb war es die schiere Masse, die zielbewusst in eine Richtung marschierte und der Plotina sich nicht entziehen konnte, halb war es ihr eigener Wunsch nach Ablenkung, der schließlich dazu führte, dass sie im Circus landete, gerade rechtzeitig zur großen Hetzjagd der Füchse.
    Während die letzten Vorbereitungen für dieses Ereignis getroffen wurden, wurde Plotina bewusst, dass sie in ihrer Unkenntnis der Örtlichkeit in einen Pulk von ziemlich abgerissenen Gestalten geraten war. Aber sie war jetzt durchaus nicht in der Stimmung, sich Sorgen zu machen. Würde man versuchen, sie zu bestehlen? - Na und, sie besaß sowieso kaum Geld!
    Plotina richtete ihren Blick wieder nach vorn. Soeben wurden die Käfige der Füchse geöffnet, und die Tiere schossen daraus hervor, wahrscheinlich erleichtert und nicht ahnend, was ihnen noch bevorstand. Ein erregter Aufschrei ging durch die Menge, und bald schon irrlichterten die Füchse durch den Circus. Wie ein einziger Mann griffen jetzt auch die Jäger zu ihren Speeren. Sie verstanden ihr Handwerk, und jeder ihrer Treffer wurde von den Zuschauern mit einer gewissen Zeitverzögerung mit begeistertem, fast ekstatischem Jubel begrüßt.
    Plotina selbst war völlig in diesen Ereignissen aufgegangen. Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu werden, steckte sie sich eine der Feigen in den Mund, die unterdessen unter den Zuschauern verteilt wurden. Niemals, nie hatte sie die Begeisterung mancher Leute für Circusspiele begriffen. In diesem Moment aber hörte sie sich selbst aufjauchzen, als wieder eines der Lichter von einem Speer zur Bewegungslosigkeit zu Boden gestreckt wurde.

    Plotina hatte die ganze Zeit geschwiegen, um das Gespräch der beiden Männer nicht zu stören. Überhaupt hatte sie schon bei sich überlegt, sich dezent zurückzuziehen, schienen die beiden Amtsträger jetzt doch über dienstliche Belange zu reden, die sie gar nichts angingen. Dass der Magister Scriniorum ein so großes Interesse an der Subura zeigte, weckte aber ihre Neugierde. Daher nutzte sie eine Gesprächspause zwischen den beiden Männern:


    Zitat


    Original von Titus Decimus Verus
    "... ebenso findet man dort auch Kriminelles Gesindel ,dass in anderen Stadtteilen oder Städten nicht vorkommt."


    "Ich kann euch versichern, dass auch Alexandria bei Nacht nur von einem Schiff in sicherer Entfernung vom Hafen aus romantisch aussieht; in den Straßen würde ich mich dort bei Dunkelheit auch nicht bewegen wollen."


    Dann sah sie Titus Decimus besorgt an:


    Mir fällt aber dein großes Interesse an der Subura hier in Rom auf, Titus Decimus. Darf ich fragen: Hast du einen konkreten Anlass, dass du immer wieder danach fragst? Ist dir dort etwa schon einmal etwas zugestoßen?"

    Die berühmten Thermen von Rom hatte Plotina sich ohnehin einmal ansehen wollen. Deshalb war sie gerne auf Vonones' Vorschlag eingegangen, sich am Wasserbecken vor den Thermen zu treffen, um endlich einmal in Ruhe - und das hieß nach den stürmischen vergangenen Tagen leider auch: außerhalb der Casa Sergia - und nur zu zweit miteinander zu sprechen.


    Zu sprechen - hatte Plotina gedacht. Dass Vonones hier offenbar auch Fische fangen wollte, war ihr neu: Als sie nach einigem Suchen endlich so nahe an das Wasserbecken herangekommen war, dass sie Vonones sicher ausmachen konnte, musste sie laut auflachen. Denn ihr Freund hatte seinen Oberkörper gefährlich weit vorgebeugt, schnappte mit seinen Händen immer wieder unter Wasser nach Fischen und hatte bei all dem sein Hinterteil in die Höhe gestreckt wie ein gründelnder Erpel.


    Plotina pirschte sich heran, immer noch schmunzelnd. Als sie bei ihm angekommen war, umfasste sie auf einmal seine - wie sie nicht wenig erschrocken feststellte: schmale - Hüfte und drückte ihn ein bisschen nach vorne, aber so, dass sie ihm gleichzeitig Halt gab.


    Vonones stolperte und fuchtelte mit den Armen, dann fuhr er entsetzt herum - und erblickte Plotina. Einen Augenblick lang starrte er sie an, als wäre sie ein Wüstendämon; als Plotina aber begann, sich vor Lachen zu schütteln, konnte auch er sich nicht mehr halten und brach ebenfalls in lautes Gelächter aus.


    Dies ging eine Weile, und beide klopften sich freundschaftlich auf die Schultern. Als Plotina aber merkte, dass sie beide allmählich die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zogen, nahm sie Vonones beiseite und sagte zu ihm, zwischendurch immer noch glucksend:


    "Du meine Güte, wir sind hier ja in der Öffentlichkeit! Und zeigen uns Rom gleich, als wären wir ein Gaunerpärchen. Dabei willst du doch hier in den Senat."


    Den letzten Satz hatte Plotina ganz ernst gesagt. Vonones schaute sie entgeistert an, als sie aber wieder in Lachen ausbrach, stimmte auch er von Neuem mit ein.


    Dann aber rief Plotina sich selbst mit Entschiedenheit zur Ordnung und dimmte ihr Lachen zu einem immer noch amüsierten Lächeln herunter. Zugleich bedeutete sie Vonones, den Weg um das Wasserbecken herum einzuschlagen, wo sie von den Straßen aus nicht mehr so gut gesehen und gehört werden konnten. Nach einigen Schritten merkte Plotina, dass ihr Begleiter wieder ernst geworden war. Sie hielt inne und sagte zu ihm:


    "Und jetzt warte nicht mehr länger: Sag' mir alles!"

    Plotina hätte sich durch den Blick des Decimers fast dazu verleiten lassen, etwas Unbedachtes zu sagen; schnell rief sie sich aber innerlich wieder zur Ordnung:


    "Nun, Verus, ich danke den Göttern, dass ich jetzt hier sitze und sagen kann: Eigentlich ist mir nichts passiert."


    Sie machte eine kurze Pause und lächelte ihn an.


    "Und was die rauen Fakten angeht - da müsstest du den Tribun selber fragen; ich glaube, ich habe nicht die Berechtigung dazu, Einzelheiten zu erzählen. Aber wer weiß, vielleicht liest man ja auch darüber bald in den Acta Diurna." :)


    Plotina wollte es aber auch nicht unterlassen, etwas zu dem Centurio zu sagen. Seine soldatische Entschlossenheit imponierte ihr.


    "Es tut mir sowieso leid, dass ich dem Tribun und seinen Männern so viele Umstände gemacht habe. Mein Begleiter, ein Freigelassener, ist auf meiner Reise nach Rom verstorben, so dass ich das letzte Stück unfreiwillig allein zurücklegen musste. Natürlich hat die CU sonst Wichtigeres zu tun. Und es beruhigt mich, in ihren Reihen solche ernsthaften und entschlossenen milites anzutreffen wie dich."

    Plotina konnte ihr Glück kaum fassen: Der Mann, den sie zu Beginn ihres Gespräches mit provozierenden Worten fast beleidigt hatte, schlug ein gemeinsames Essen vor! Umso mehr war es ihr angelegen, Antipater gegenüber jetzt nur noch mit offenen Karten zu spielen.


    "O, hoffentlich biete ich dir nicht den Anblick einer Halbverhungerten! Aber du hast es erraten, ich würde wirklich auch gerne etwas essen. Zwei Dinge allerdings halten mich zurück: Da ich, wie gesagt, neu hier bin in Rom, weiß ich nicht, wo wir etwas essen könnten; in die Casa Sergia würde ich dich gerne einladen, aber dort geht es, wie soll ich sagen, im Augenblick etwas stürmisch zu. Aber du kennst dich sicher aus, so dass das keine Schwierigkeit sein sollte!"


    Für die zweite Schwierigkeit, die Plotina nun zu präsentieren hatte, holte sie kurz Luft:


    "Etwas anderes ist ... Ich habe ganze 10 Sesterzen bei mir ..."


    Ohne die Reaktion des Antipater abzuwarten, sprach Plotina schnell weiter.


    "Wen meinst du eigentlich mit dem alten, gebrechlichen Nichtsnutz? Etwa Detritus? :) Vor mir sehe ich jedenfalls einen sympathischen und geistreichen Freund."

    Plotina blickte Lupus dankbar an, weil er das Schweigen so resolut beendet hatte, das allmählich peinlich zu werden drohte. Ja, Soldaten hatten mit ihrer praktischen-zupackenden Art wirklich etwas sehr Wertvolles an sich! Übrigens machte Lupus auch in seiner neuen Tunika eine sehr gute Figur; Plotina sah es mit Behagen.


    Von Neuem trat jetzt allerdings ein peinliches Schweigen ein. Offenbar füllte sich die Casa Sergia einfach zu schnell mit Fremden. Plotina fühlte sich daran irgendwie schuldig. Und dann war wie aus dem Nichts auch noch Vonones Surenas hier aufgetaucht - was wollte er bloß hier in Rom? Am liebsten hätte sie sich ihn sofort gepackt, um ihm einen ganzen Katalog von Fragen zu stellen.


    Das Schlimmste aber war: Weder Curio noch sein vermeintlicher Sklave gaben einen Laut von sich, noch rührten sie sich. In Curios Gesicht war keinerlei Regung zu sehen; das bedeutete wohl nichts Gutes. In Plotina tauchte ein bohrender Gedanke auf: Ich hätte nicht hierher kommen dürfen.


    Um diesen und andere dunkle Gedanken zu vertreiben, setzte Plotina unsicher an zu sprechen - und merkte, wie brüchig ihre Stimme klang:


    "Ja, Wein, das ist eine gute Idee! Lupus hat von den CU auch gar nicht so lange frei bekommen; wir sollten also keine Zeit verlieren. Äh, wo ist denn die Vorratskammer, dann schaue ich mal, ob ich Wein finde?"

    Sim-Off:

    Ach, das ist ja eine Steilvorlage, dazu muss ich noch was schreiben, meine Herrn!


    Da Quintus Caecilius mit der Antwort zögerte, versuchte Plotina, Verus ein wenig beizuspringen:


    "Leider kann ich nur bestätigen, dass die Straßen rund um Rom ziemlich gefährlich sind. Ich bin, wie gesagt, erst vor einigen Tagen hier in Rom angekommen, und zwar von Ostia her. Ich will euch jetzt auch nicht mit der gesamten Geschichte langweilen, aber ich muss sagen" -


    und dabei wandte sich Plotina direkt an den Centurio


    "ich muss sagen: Ohne die energische Hilfe des Tribuns Lucius Octavius Detritus wäre ich wohl nicht so heil hier angekommen - und säße jetzt nicht hier bei euch",


    wobei sie sich schelmisch lachend eine Olive in den Mund steckte.

    Plotina hatte den Tempel der Ceres verlassen und war den Aventin hinuntergestiegen. Sie war noch immer sehr betrübt darüber, dass an diesem Festtag der Cerealia kein Beter im Tempel der Ceres anzutreffen gewesen war.


    Um auf andere Gedanken zu kommen, beschloss sie, an diesem Tag wenigstens den Ludi Cereales auf den Straßen Roms beizuwohnen. Plotina stärkte sich nach ihrem langen Marsch vom Aventin gern mit verdünntem Wein, Brot und Oliven, die kostenlos an zahllosen Buden rund um die Stätten der Unterhaltungskunst angeboten wurden. Fasziniert betrachtete Plotina das quirrlige Treiben und die vielen, gutgelaunten Menschen.


    Doch eine leise Traurigkeiten umspielte zugleich ihre Züge: Während alle sich amüsierten, war sie hier allein und in Rom eine Fremde. Sie schaute um sich, ob sie nicht vielleicht doch ein bekanntes Gesicht entdeckte - oder vielleicht ein freundliches unbekanntes :wink:

    "Verzeiht, wenn ich mir als gewissermaßen Fremde dazu eine Meinung zu haben erlaube" -


    Plotina bemühte sich nach ihren anfänglichen Ausrutschern, besonders höflich zu sein -


    "aber selbst nach Alexandria brauchen gewisse Nachrichten aus Rom nicht einmal eine Woche."


    Sim-Off:

    Muss für heute raus. Danke!

    "Ach, dann bist du Titus Decimus Verus, der Magister Scriniorum?"


    platzte es aus Plotina hervor. Sie selbst hatte heute natürlich auch die Acta gelesen - und war wiederum entsetzt über ihr Benehmen. So hatte man ihr das natürlich nicht beigebracht!
    Schuldbewusst blickte sie zu Boden. Leiser fügte sie hinzu:


    "Ich gratuliere natürlich herzlich!"

    Plotina wurde rot. Wie konnte sie sich so gehen lassen!


    "Entschuldigt bitte, ich habe ganz vergessen mich vorzustellen. Ich heiße Sergia Plotina."


    Sie nickte den beiden Männern freundlich zu.


    "Ich bin erst seit einigen Tagen in Rom. Heute habe ich mir die Märkte angesehen. Was für ein Treiben, das ist natürlich kein Vergleich mit Sais, wo ich aufgewachsen bin, und auch nicht mit Alexandria. Na, und jetzt bin ich wirklich ziemlich geschafft."


    Mit diesen Worten nahm sie neben den beiden Männern Platz.

    Sim-Off:

    Da bin ich!


    Plotina konnte noch gar nicht glauben, dass sie in dieser lauten, quirrligen und auch nicht ganz ungefährlichen Stadt Rom einen solchen Park gefunden hatte. Nach den Nervenanspannungen des Vormittags war sie froh über ein wenig Ruhe, zumal sie hier allein zu sein schien. Na ja, es war ja jetzt auch Arbeitszeit. :)
    Sie hob ihr Gesicht und ließ die Sonne auf ihre geschlossenen Augen und ihre Nasenspitze strahlen, sog die gute Frühlingsluft tief ein und streckte unwillkürlich ihre Arme ein wenig aus. Umso peinlicher war es ihr, einen jungen Mann auf einer Bank sitzen zu sehen, der sie beobachtete, als sie die Augen wieder öffnete. In dieser Pose hätte sie eigentlich niemand sehen sollen! Zu allem Überfluss winkte der Mann sie jetzt auch noch fröhlich lachend zu sich.
    Plotina wusste nicht recht. War das schon wieder einer dieser unbeschäftigten jungen Römer, die völlig aus der Fassung gerieten, wenn sie nur von weitem eine Frau sahen? Schon verzogen sich die Gesichtszüge der Plotina, aber sie schalt sich selbst: Nein, erst so kurze Zeit in Rom, und schon so voller Vorurteile!
    Also gab sie sich einen Ruck, bewegte sich auf den jungen Mann zu und sprach ihn an:


    "Ich hoffe, dein Gruß hat mir gegolten. Jedenfalls würde ich mich sehr darüber freuen! Darf ich mich einen Moment zu dir setzen?"

    Belustigt sah Plotina zu, wie die beiden Raufbolde sich wieder in zahnlose Hühnchen verwandelten, sich vom Boden aufrappelten, vergeblich versuchten, ihre Kleidung in wichtige Falten zu legen, und sich schließlich tuschelnd wie Schulmädchen entfernten.


    Mit Bedauern wurde Plotina nun aber auch gewahr, dass die andere Frau, die zuerst versucht hatte, die beiden Männer zu beruhigen, ebenfalls verschwunden war. Plotina hätte gerne noch ein paar Worte mit ihr gewechselt, merkte man dieser Frau doch direkt eine ungewöhnliche Intelligenz und Auffassungsgabe an.


    Na ja, dachte Plotina schmunzelnd, diese beiden Raufbolde hatten für so etwas wohl keinen Sinn, wenn sie es vorzogen, sich am hellichten Tag auf dem Mercatus Roms lächerlich zu machen. Der eine aber, der mit der Pandoura, hatte Plotina ganz und gar nicht gefallen. Mochte er noch so gut singen, dichten und spielen können - sein Blick und sein Gesichtszüge wiesen eine Energie auf, die man sonst eher an einer anderen Sorte von Mensch sah. - Nun, Plotina würde wachsam sein, sollte sie ihn wieder sehen.

    Plotina war erleichtert, als sie sah, dass beide Kontrahenten sich endlich erhoben - offenbar ohne schwerere Verletzungen.
    Trotzdem konnte sie sich nicht enthalten, spöttisch zu sagen:


    "Und nun, meine Herren, wem vom euch beiden soll das geneigte Publikum den Siegerkranz aufsetzen? Ach, aber da gerade niemand einen Siegerkranz bei sich führt, wie ich sehe, müssen es wohl ein paar Verse tun - eine Sprache, der ja so mancher erlegen ist:


    Lasst den Streit und Hader sein,
    trinkt stattdessen etwas Wein!
    Wein tut eurem Geiste gut,
    wärmt das Herz und kühlt die Wut.
    "

    Plotina stieg erwartungsvoll die Stufen zum Tempel hinauf. Auf dem ganzen Weg zum Tempel war ihr kaum einmal ein Mensch begegnet, und auch hier schien niemand zu sein; jedenfalls konnte sie niemanden erblicken und hörte auch keine Geräusche aus der Tempelhalle.


    Im Innern angelangt, brauchte Plotina einen Augenblick, damit sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Sie schritt voran zum Götterbild und betete zu Ceres um reiche Frucht für die Felder. Dann drehte Plotina sich um und ging gedankenverloren zum Ausgang zurück.


    Tatsächlich war auch im Innern des Tempels außer ihr niemand. Konnte es möglich sein: Am Fest Cerealia keine Beter im Tempel der Ceres? So undankbar war also Rom geworden, seit es für sein Getreide ägyptische Bauern unter erbärmlichsten Bedingungen schuften ließ!


    Plotina geriet in Wut. Obwohl in streng römischem Geist erzogen, fühlte sie sich in diesem Augenblick zum ersten Mal in ihrem Leben als eine Ägypterin.


    Sim-Off:

    Wirklich keine anderen Beter da?

    (von hier)


    Nach einigem Suchen und einigen Püffen von den vielen Menschen, die den Mercatus um diese Tageszeit bevölkerten, hatte Plotina den Lautenspieler gefunden. Allerdings gab es nichts mehr zu hören, dafür umso mehr zu sehen.


    Der Lautenspieler hatte nämlich sein Spiel eingestellt, offenbar jedoch durchaus nicht freiwillig. Denn er wurde attackiert von jemandem, der exakt so aussah wie der junge Mann, der Plotina vor einigen Stunden hier auf dem Markt angesprochen hatte. Bei den Streithähnen stand eine Frau, die augenscheinlich versuchte, die beiden Prügelnden zu beruhigen.


    Plotina wollte sich schnell zurückziehen; sie gehörte wirklich nicht zu denjenigen, die als Schaulustige bei Prügeleien zusehen. Als sie jedoch die junge Frau das Wort "cohortes urbanes" aussprechen hörte, bekam sie Mitleid mit den Raufbrüdern: Wenn sie sich vorstellte, wie der energische tribunus der CU diese bestrafen würde ...


    Plotina seufzte auf allein schon bei diesem Gedanken. Sie näherte sich also vorsichtig den dreien, um die Frau in ihren Bemühungen zu unterstützen.

    "Guten Tag, die Dame und die Herren. Finden denn die Spiele zu Ehren der Götter neuerdings auf dem Markt statt? Es scheint fast so. Denn Obacht, meine Herren: Es haben sich schon Schaulustige eingefunden. Fäuste locken scheinbar mehr als die filigranen Finger eines Lautenspielers. Ihr könntet für euren Kampf Eintritt verlangen ... "
    :)

    Mit einer gewissen Befriedigung sah Plotina, dass der Angesprochene mit einer solchen Gegenfrage nicht gerechnet hatte. Er stand mit leicht geöffnetem Mund da und versuchte offensichtlich, diese für ihn unerwartete Situation zu überblicken.
    Als er nach einigen Augenblicken immer noch nichts sagte, nickte ihm Plotina endlich freundlich zu - sie wollte ihn ja schließlich nicht demütigen - und verabschiedete sich mit den Worten:

    "Verzeih mir, wir sind uns in einem ungünstigen Moment begegnet. Ich muss weiter. Mögen die Götter es fügen, dass wir uns bald unter einem anderen Stern begegnen!"


    Mit diesen Worten ging Plotina von dannen und ging bald unter in dem immer stärker werdenden Menschengewirr des Mercatus. Gedankenverloren schlenderte sie an den Ständen vorbei und betrachtete die Auslagen der Händler. Irgendwann erklang Musik. Plotina horchte auf. Die Musik riss sie aus ihren Gedanken. Suchend ging sie umher, bis sie nach einiger Zeit an einer anderen Stelle des Mercatus einen Lautenspieler erblickte.

    Endlich ein neuer Kurs! Sergia Plotina war gespannt, ob die Kenntnisse über Rom, die sie sich in Ägypten angeeignet hatte, dafür ausreichen würden. Sie trug sich also in die Liste ein:


    Sergia Plotina