Ich schließe mich gerne an: Alles Gute zum Geburtstag!
Beiträge von Sergia Plotina
-
-
Als sogleich, nachdem Plotina an die Tür geklopft hatte, diese aufgerissen wurde, fürchtete die Sergierin bereits, nun von einer Furie angefahren zu werden. Als sie stattdessen aber in das Gesicht ihrer Freundin blickte, die eine Schriftrolle bei sich trug und sich also offenbar selber ganz zufällig zur Tür begeben hatte - wohl erfreut darüber, nach den vielen Besuchern nun endlich wieder an ihre Arbeit zu kommen -, erstrahlte auf dem Gesicht Plotinas von Neuem ein Lächeln, das dem Beinamen ihrer Freundin alle Ehre machte. Gerne erwiderte Plotina die Umarmung der Furia Stella.
"Salve, Stella! Ich komme gerade zur Schola, um mich nach neuen cursus umzusehen. Stattdessen erwartet mich eine ganz andere Überraschung: Du bist jetzt Curator libris! Ich gratuliere dir herzlich!"
Auf die Einladung ihrer Freundin hin trat Plotina jedoch nur zögerlich näher.
"Stella, ich würde nur allzu gerne ein bisschen mit dir plaudern, aber ich habe schon gemerkt, dass du von Besuchern geradezu umlagert bist. Ich möchte dir nicht deine Zeit stehlen, jetzt wo du so große Verantwortung trägst."
Abwartend schaute Plotina die Furia an.
-
Am Ende eines ereignisreichen Nachmittags blickte die zupackende Sergierin Plotina wieder einmal voller Stolz auf die von ihr erbrachte Arbeit: Alle Götterfiguren hatte sie liebevoll abgestaubt, sämtliche Cubicula gewischt, Wandbehänge ausgeklopft, und vom Fußboden der Casa Sergia hätte man essen können. Genau dies hatte Plotina nun auch vor, essen nämlich, allerdings trotz einladender Aussichten nicht direkt vom Fußboden, sondern schon noch so, wie es Römer für gewöhnlich taten.
Ganz gewiss hätte sich die Sergierin auch gleich einen kleinen Imbiss für den Abend vorbereitet, hätte nicht ein Blick in einen der von ihr soeben aufpolierten Spiegel ein erschütterndes Ergebnis zu tage gefördert: Die sonst doch so dunklen Haare der Plotina waren grau vor Staub - und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte die unterhaltsame Arbeit auch den Fluss gewisser Körpersäfte in und an ihr angeregt. Kurzum, ein Gang ins Bad vor dem Abendessen war unvermeidlich. Dass auch ihre zuvor noch helle Tunika einen ähnlich grau-nichtssagenden Farbton angenommen hatte wie ihre Haare, war dabei noch das geringste Problem.
Ihr Weg ins Bad führte die Sergierin an der Porta der Casa vorbei, und so konnte ihr gar nicht entgehen, dass sich dort gerade just in diesem Moment jemand zu schaffen machte. Ein freudiges Lächeln breitete sich auf auf den vor Schweiß glänzenden Gesichtszügen Plotinas aus: Wie schön, dass Lupus endlich einmal wieder zu Hause vorbeischaute! Sie machte sich gleich bereit, ihm um den Hals zu fallen; wenn er aus der Castra kam, war er schließlich meist auch noch nicht gewaschen. Einen Moment lang verharrte Plotina in erwartungsvoller Pose, doch versetzte ihr ihr angestrengtes Lauschen bald schon einen Dämpfer: Offenbar war nämlich nur ein Brief in das Postfach abgeworfen worden. Plotina, deren Gesichtszüge jetzt ein deutliches Misstrauen zierte, wartete, bis die Schritte sich von der Casa entfernten; dann riss sie entschlossen die Türe auf, sah sich hektisch nach allen Seiten um und fingerte den Brief aus dem Fach. Gleich darauf schnellte Plotina wieder in ihren Bau zurück und schloss die Porta. Wer um alles in der Welt mochte geschrieben haben?
Für viele Fragen blieb der investigativen Sergierin allerdings keine Zeit mehr, denn zu ihrem Entsetzen musste sie nun, von innen mit dem Rücken gegen die Türe gelehnt, mitanhören, wie sich jetzt gleich viele Schritte, und zwar im Gleichschritt, der Casa unaufhaltsam näherten. Ängstlich blickte sie auf den abgegebenen Brief, sah den Absender, wandte ihre Augen gleich wieder ab und zwang sich dann, doch noch das gesamte Schreiben zu überfliegen. Es war viel schlimmer, als sie befürchtet hatte. Doch schon kopfte es an der Türe, und in dieser verzweifelten Lage traf Plotina die Entscheidung, aus ihrer Not eine Tugend zu machen. Wie mit einer einzigen Handbewegung legte sie den Brief beiseite und zerwuschelte sich ihre grauen Haare noch mehr, so dass ihre Hände ganz trocken von Staub waren, als sie die Türe aufriss.
"Salvete, werte Kollegen! In der Casa Sergia ist heute Putztag, und die Plotina - äh, die Herrin - ist ausgegangen."
Seltsamerweise sprach Plotina dabei mit verstellter Stimme.
-
Eigentlich hatte Sergia Plotina sich geschworen, das Gebäude der Schola Atheniensis so bald nicht mehr aufzusuchen, vielleicht nie wieder. Doch schon im Moment dieses Schwurs war der Sergierin bewusst gewesen, dass sie ihn unmöglich würde durchhalten können; deshalb hatte sie ja auch nicht im Namen eines Gottes geschworen. Denn selbstverständlich wollte auch sie sich weiterbilden und musste daher in Erfahrung bringen, ob die Schola nicht bald wieder neue Kurse anbieten würde. Zu solchen Gängen schickten andere sicher ihre Sklaven; Plotina aber war keine wohlhabende Frau und außerdem in einer Atmosphäre aufgewachsen, in der man eigener Kraft mehr vertraute als der von Bediensteten. Außerdem hatte sie sich irgendwann als kindisch gescholten, nicht selbst zur Schola zu gehen; schließlich drohten ihr gerade dort weder unliebsame Begegnungen noch Peinlichkeiten, ganz im Gegenteil, vielleicht würde sie sogar Stella dort wieder treffen.
So hatte sich Plotina also schließlich selbst auf den Weg gemacht und klopfte sich während des Marsches zum Gebäude der Schola innerlich immer wieder auf ihre Schulter ob ihrer mutigen Entscheidung. Sobald sie aber einmal durch die Tür des Gebäudes geschritten war, sank ihr zuvor so hochstehender Geist; sie ging zwar die nächsten Schritte weiter, brachte es aber einfach nicht über sich, zielstrebig voran zuschreiten, sondern lief stattdessen ganz wie an jenem ominösen Tag erst einmal eine geraume Zeit durch das gesamte Gebäude, den Blick tief gesenkt und immer darauf bedacht, nicht zu sehr aufzufallen oder gar angesprochen zu werden. Bei dieser Art ausgedehnter Wanderung ließ es sich nicht vermeiden, dass sie auch an jenem Officium vorbeikam, in dem so vieles geschehen und gesagt worden war. Unwillkürlich duckte sich die Sergierin und wollte schnell daran vorbei schleichen, wurde aber bald gewahr, dass immer wieder Menschen sich bei diesem Officium die Klinke in die Hand drückten. Ganz Untertan ihrer Neugierde, blickte Plotina auf, und sah, als die Türe gerade wieder einmal geschlossen wurde und ein Besucher ging, ein Schild, das niemand anderen als Furia Stella als Curator libris auswies! Wie vom Schlag getroffen, blieb Plotina stehen; dann malte sich ein breites Lächeln auf ihren Gesichtszügen ab. Vorsichtig begab sie sich nun selbst zur Tür und
klopfte an.
-
L. Octavius Detritus
Casa Octavia in RomaSergia Plotina senatori Octavio Detrito s.d.
Salve! Kaum sind ein paar Tage vergangen, seitdem ich dein großzügiges und für mich sehr überraschendes Geschenk erhalten habe, da trifft auch schon die nächste gute Nachricht ein, die mit Octavius Detritus in Zusammenhang steht - und die mich fröhlicher macht als alle noch so erlesenen Geschenke. Denn seitdem ich auch nur ein klein wenig von römischer Politik erschnuppere, habe ich von kaum jemandem gehört, dem ich eine Erhebung in den senatus so gegönnt hätte wie dir. Ich sende dir daher mit meinem sprachlosen Dank für die Geschenke meine herzlichsten Glückwünsche!
Was für mich nur ein wenig Essig dem süßen Wein hinzufügt, ist die Tatsache, dass ich dich nun kaum noch persönlich zu Gesicht bekommen werde - weder bewaffnet auf der Straße nach Ostia noch betrunken in der Taverna Apicia. So trennen sich denn nun hier wohl unsere Wege; für meine lieben Erinnerungen an deine Person hätte es der materiellen Geschenke gar nicht bedurft.
Mögen die Götter deine Wege weiterhin behüten! Vale bene!
Sergia Plotina
-
Während Eurydike sich nun tatsächlich daran machte, ihre Auslage nach und nach einzupacken - sie gedachte offenbar wirklich, für den heutigen Tag Feierabend zu machen -, hörte Plotina lächelnd, doch zugleich auch ernsthaft den guten Ratschlägen ihrer etwas jüngeren neuen Bekannten zu. Ihr Lächeln wurde erst zu einem Schmunzeln und nahm dann einen immer wärmeren Ton an, als sie nämlich sah, wieviel Mühe Prisca sich damit gab, die Plebejerin durch bestimmte Ratschläge nicht zu verletzen. Dieses Zartgefühl nahm die Sergierin immer stärker für die Patrizierin ein.
"Aber Prisca! Ich fände es nur ganz natürlich, wenn du mich direkt nach meiner Reputation fragen würdest. Und ich will dir sogar noch mehr sagen; für den Fall, dass man Erkundigungen über mich einzieht, ist es ohnehin besser, wenn man es von mir persönlich erfährt: Ich lebe derzeit, abgesehen von zwei Sklaven - ganz allein in unserer Casa in der Via Nomentana - und schlafe auch allein."
Diese Worte hatte offenbar auch Eurydike gehört, die ein wenig von ihrer Arbeit auffuhr; doch ihr Gesichtsausdruck verriet, dass auch sie überhaupt nichts dabei fand, dass man eine mögliche Angestellte nach solchen Dingen ausfragte. Die Bemerkung Priscas zu Plotinas Äußerem hatte die Sergierin mehr getroffen. Natürlich hatte die Patrizierin ganz Recht damit, das war nicht der entscheidende Punkt; sie kannte jedoch nicht den Grund dafür, warum Plotina sich derartig vernachlässigte, und dieser Grund war ein trauriger. Für einen Moment dachte Plotina daran, auch hier mit ganz offenen Karten zu spielen, sagte sich dann aber, dass sie Prisca für so ein Geständnis wirklich noch nicht gut genug kannte und ihr sicherlich viel zu nahe treten würde. Darum beließ sie es für den Moment bei den folgenden Worten:
"Was mein Äußeres betrifft, hast du natürlich völlig Recht. Normalerweise laufe ich auch nicht so durch die Gegend, nur heute wollte ich eben einfach schnell einen Kamm kaufen. Die Götter werden gewusst haben, dass ich dich treffen würde; ich wusste es leider nicht."
Dabei zwinkerte die Sergierin ihrer neuen Bekannten zu und hoffte, diese würde ihren Worten entnehmen, dass sie eine Patrizier-Villa in anderer Aufmachung betreten würde.
"Wenn du mit deinem Onkel, dem decemvir litibus iudicandis, sprechen würdest, wäre ich dir sehr verbunden. Aber auch sonst werde ich die Zeit mit dir nur in bester Erinnerung behalten und wünsche dir von Herzen den Segen der Götter, dir und deiner Familie."
Mit einem Seitenblick auf Trautwini fügte sie hinzu:
"Ich bin also, wie gesagt, in der Via Nomentana zu erreichen."
-
Aurelia Prisca beim Begutachten, Prüfen, Auswählen der Waren zuzusehen, war eine helle Freude! So empfanden es offenbar auch die beiden Frauen Eurydike und Plotina, die inzwischen ganz unwillkürlich ihr eigenes Gespräch beendet hatten und beide schmunzelnd der schönen Patrizierin zusahen. Als diese zwischendurch äußerte, dass sie für einen jungen und gutaussehenden Senator sogar eine Reise nach Aigyptos sausen lassen würde, mussten die beiden anderen Frauen mit ihr lachen. In Plotina tauchte in diesem Augenblick der spontane Wunsch auf, der jungen Dame neben ihr möge es immer wohl ergehen und ihr möge ein Mann begegnen, der sie wirklich ehrte und respektierte. So ähnlich mochte vielleicht auch Eurydike in diesem Moment gedacht haben, von der Plotina nicht einmal wusste, ob sie je verheiratet gewesen war. Laut allerdings sagte die Sergierin nichts von alledem, schließlich kannte sie Aurelia Prisca für solche guten Wünsche noch nicht lange genug. Sie war daher froh, dass Prisca sich jetzt wieder an Eurydike wandte und dieser mitteilte, für welche Waren sie sich entschieden habe.
Während die Griechin schon einmal damit anfing, die bereits erwählten Güter für einen Transport so schonend wie möglich zusammenzupacken, sagte sie gleichzeitig lachend zu Prisca: "Ich danke dir für dein Kompliment für meinen Stand. Es stecken tatsächlich viele Lebensjahre an Erfahrung und Beobachtung - und stetiger Verbesserung - dahinter, diese geringe Fläche so gut wie eben möglich auszunützen und die Beschaffung der verschiedenenartigen Waren zu organisieren."Dabei deutete die Griechin auf die ägyptischen Badezusätze und die Stoffe, die zum Teil aus Griechenland kamen. "Dir danke ich natürlich auch sehr für deinen Besuch! Wenn du das nächstemal zum Markt gehst, komm unbedingt wieder! Aber bitte nicht so bald: Du hast meinen Stand nämlich fast leer gekauft; für heute kann ich Feierabend machen!" Diese Worte sprach Eurydike mit einem Lachen aus und wischte sich dabei eine ihrer stark ergrauten Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Ein solches reticulum, wie du es suchst, habe ich leider nicht mehr. Kurz bevor du kamst, hat ein kleiner Sklave - du weißt schon, so ein Kleinwüchsiger - mein letztes für seine domina gekauft. Ich warte jetzt auf eine neue Lieferung." Das Bezahlen machten Eurydike und Trautwini sehr routiniert und diskret miteinander ab. Zweifellos aber hatte es der Griechin sehr imponiert, dass eine Patrizierin direkt mit ihr gesprochen und nicht ständig ihren Sklaven vorgeschickt hatte. - So dachte jedenfalls Plotina. Dieser war es natürlich nicht eingefallen, Prisca während des Kaufs zu stören und ihre Idee noch einmal zur Sprache zu bringen. Sie wartete geduldig, bis die Patrizierin von sich aus wieder darauf kam. Als sie dies tat, stellte Plotina erfreut fest, dass es mit Wohlwollen geschah, allerdings unterließ die Aurelia es auch nicht, Plotina die hohen Anforderungen vor Augen zu führen, die an sie gestellt werden würden.
"Mit Diplomen aus meiner Zeit in Alexandria kann ich nicht glänzen, da ich selbst von einem paedagogus in verschiedenen Wissenschaften unterrichtet wurde - der leider schon verstorben ist. Hier in Rom habe ich eine Diploma der Schola Atheniensis erworben. Da du und deine Verwandten aber selber sicherlich gut ausgebildet sind, bin ich gerne bereit, mich einer Art Prüfungsgespräch oder dergleichen zu unterziehen, jederzeit, falls dies nötig sein sollte. Ich kann gerne persönlich bei Aurelius Corvinus vorsprechen."
Diese Worte hatte Plotina in einem sehr überzeugten Ton ausgesprochen, den man sonst bei ihr nur in Krisensituationen vernehmen konnte. Gleichzeitig rätselte sie jedoch für sich, was Prisca bloß damit gemeint haben könnte, Plotina müsse in jeder Hinsicht überzeugen.
"Was meinen Ruf betrifft: Der ist völlig untadelig."
Dies sagte Plotina zwar auch überzeugt, denn es stimmte ja; und gleichzeitig bedauerte sie, dass dem so war, es hatte ja jemanden gegeben, und da hätte sie es sich anders gewünscht.
-
Den eifrigen Ernst, mit dem Aurelia Prisca die Schmuckstücke und auch die Düfte prüfte, sah Plotina mit wohlwollendem Amüsement an und Eurydike mit Wohlgefallen. In der gleichen Zeit tauschten die beiden nichtadeligen Frauen noch schnell die letzten Neuigkeiten aus: Eurydike hoffte, demnächst einen besseren Platz auf den Märkten zu bekommen, da sich die römische Unterwelt derzeit selbst neutralisiere, und Plotina erzählte von ihrer neu erworbenen Weinkelterei. Auch suchte sich Plotina einen neuen Kamm aus Horn aus, denn einen solchen zu kaufen, war sie ja ursprünglich auf den Markt ausgegangen - und hatte Prisca gefunden, von Trautwini ganz zu schweigen.
Eurydike dagegen konnte man die Erleichterung darüber ansehen, die Kleiderfrage nun nicht mehr mit ihrem "Herakles", sondern mit dessen in diesen Dingen wohl erheblich bewanderterer domina direkt besprechen zu können. Was diese dann allerdings an Wünschen äußerte, machte es der Griechin nicht gerade einfacher. Die dunkelblaue Seiden-Palla lag immer noch ausgebreitet auf dem Ladentisch; nacheinander folgten ihr jetzt aus verschiedenen Truhen und mithilfe der Hände von Eurydike und ihres jungen Sklaven verschiedene stolae und weitere pallae. Einen Moment lang überlegte die Griechin, auf welches der Kleidungsstücke sie nun besonders hinweisen sollte. "Eine weiße Seiden-Stola hätte ich hier; die Borte ist allerdings mit blauem Faden bestickt. Ansonsten wäre hier noch eine Stola, ebenfalls Seide selbstverständlich, die leicht ins Gelbliche geht - fühl' nur den herrlich leichten Stoff!" Und tatsächlich schien das luftige Gewebe auf den Händen Eurydikes gleichsam zu schweben. "Bei den pallae stellt sich nun die immer gleiche Frage: Suchst du zu der hellen Stola ebenfalls etwas Helles oder im Gegenteil etwas besonders Farbenfrohes?" Von beiden Sorten hatte die Händlerin mittlerweile einige Stücke ausgebreitet, an den Borten meist reich verziert durch Stickereien.
Auf Priscas Bemerkung zu einer Heirat mit einem Senator hin konnte sich die alte Griechin ein gewisses Lächeln nicht verkneifen, Plotina aber musste laut lachen.
"O, sind Senatoren nicht meist, nun, sagen wir: ältere Herren? Tja, da kann man sich dann eine Reise nach Ägypten vielleicht wirklich schenken: Statt alte Kultur dann eben alte Haut."
Nach dieser launigen Bemerkung beeilte sich die Sergierin allerdings hinzuzufügen:
"Aber das kann ja auch ganz schön sein; es kommt eben auf den Menschen an, dem diese Haut gehört. Manche Senatoren sind ja wohl auch noch jünger."
Ein Thema anderer Art, an dem Plotina ungleich persönlicher interessiert war als an Heiraten mit Senatoren, war die Erziehung von Kindern. Nun sie so nah an ihrem Ziel war, fielen ihr auf einmal irgendwie nicht die richtigen Worte ein, und es dauerte ein bisschen, bis sie schließlich sagte:
"Was Aurelia Sisenna angeht ... Ich weiß zwar nicht, ob ich sie so vieles lehren könnte, dass es am Ende für einen Senator reichen würde, noch dazu für einen älteren ... Aber einiges beibringen könnte ich ihr ganz sicher. Ich hatte an mich selbst gedacht."
Ob sich die Aurelier sie als Lehrerin für die kleine Sisenna überhaupt würden leisten können, würde Plotina ja gleich nachher sehen, wenn es für Prisca ans Bezahlen gehen würde. Den Badezusatz mit Amber hatte die geschäftstüchtige Sergierin nicht nur wegen seiner unbestreitbaren Qualität vorgeschlagen, sondern auch, weil er ja beinahe mit Gold aufgewogen wurde.
-
Als Plotina Trautwinis Versuche hörte, sich in der Sprache der Frauen verständlich zu machen, schaute sie zuerst ganz erschrocken auf Prisca und dann auf Eurydike. Dann aber musste sie schmunzeln, vor allem als sie sah, wie souverän die griechische Händlerin die Situation zu meistern gedachte.
Diese sah zunächst einmal Prisca zunächst erstaunt und dann erfreut an. "Mit den goldenen Äpfeln der Hesperiden kann meine Ware es vielleicht nicht ganz aufnehmen, obschon ja ein Herakles vorhanden wäre, sie zu bewachen" - dabei blickte Eurydike lächelnd zu Trautwini. "Was den Schmuck angeht, Schmuck ist ja hier auf dem Ladentisch schon ausgebreitet", dabei deutete Eurydike auf die Auslage, fügte dann aber mit vorgebeugtem Oberkörper und leiser Stimme an: "Die wirklich wertvollen Stücke allerdings natürlich nicht; mein Sklave Miron holt sie gerade hervor." Und wirklich machte sich dieser Sklave gerade an einer der geheimnisvollen Truhen zu schaffen; im nächsten Moment trug er auf seinen zarten Jünglingshänden eine Art Schublade zum Ladentisch, auf der lauter fibulae lagen; offenbar hatte der Junge gute Ohren und einen wachen Verstand. Eurydike sah dies mit Wohlgefallen und ließ diese edlen und zweifellos echten Schmuckstücke auf ihre patrizische Kundin wirken. Gleichzeitig überlegte sie, was mit dem "Duftzeug fürs Wasser" gemeint sein könnte, kam aber schon bald darauf. "Suchst Du edle Badezusätze, werte Dame, kannst Du Dich freuen, auf dem Weg zu mir dieser Ägypterin hier begegnet zu sein, die Dir sicherlich einige Badezusätze aus ihrer Heimat empfehlen kann."
Bei diesen Worten nun musste Plotina laut auflachen. Halb zu Eurydike, halb zu Prisca gewandt, versuchte sie zu erklären:
"Das ist die blumige Art, die ich an euch Griechen so liebe! Eurydike nennt mich nämlich immer "die Ägypterin", obwohl ich das natürlich gar nicht bin, sondern römische Bürgerin. - Also, was diese Badezusätze angeht: Ich nehme ja das einfache Rosmarinöl, wenn du aber etwas Exklusives suchst, wäre natürlich der Badezusatz mit Amber das Richtige."
Eurydike, die aufgrund ihrer Kenntnisse sowohl der Badezusätze als auch der Sergierin mit eben dieser Antwort gerechnet hatte, stellte entsprechende Fläschchen aus farbigem Glas zurecht und öffnete sie, um der Patrizierin zu ermöglichen, daran zu schnuppern. Diesen Moment nutzte Plotina, um weiter über ihre Heimat zu reden, obwohl ihr dies schwer fiel angesichts des Mannes, der bald wieder den Boden seiner und ihrer Heimat betreten würde.
"Also Prisca, wenn du nach Aegyptus reisen willst, darfst du aber nicht so bald heiraten, und wenn doch, dann jedenfalls keinen Senator, denn die dürfen ja nicht nach Alexandria und Aegyptus. - Aber im Ernst: Über Aegyptus haben sich viele Legenden gebildet, die man so im Land gar nicht bestätigt findet. Dennoch gibt es natürlich viele Überreste dieser faszinierenden Kultur, und Alexandria ist ja die Hauptstadt des östlichen Teils des Imperiums und im Moment wohl auch die unbestrittene Hauptstadt der Wissenschaft. Also, wenn ihr Aurelier für die kleine Sisenna bei euch mal eine Lehrerin sucht ..."
Während Plotina so geredet hatte, setzte Eurydike alles daran, die Aussage Trautwinis zu widerlegen, sie habe gar keine Kleidung im Angebot. Sie hatte daher auf der einen Seite ihres Ladentisches eine dunkelblaue Palla aus edelstem Stoff ausgebreitet; zur gleichen Zeit machte sich ihr Sklave Miron schon wieder an einer anderen Truhe zu schaffen. "Kannst du mir genauer sagen, welche Kleidungsstücke ihr sucht?", sagte die Griechin betont langsam zu Trautwini. Sie glaubte offenbar, er spreche nicht gut Latein.
-
Während Plotina sich nun freudestrahlend der griechischen Händlerin näherte, bei der sie zwar nicht besonders viele Sesterzen, die sie nun einmal nicht besaß, gelassen hatte, dafür aber umso mehr lobende Worte für ihre Auslage - und hoffentlich auch einen guten Eindruck - während sich die Sergierin also nun also mitsamt ihrer neuen patrizischen Bekannten und deren aurelischem Gefolge Eurydikes Stand näherte, hörte sie Prisca weiterhin aufmerksam zu und machte sich dabei ihre Gedanken.
Aus Ostia also ... Leider hatte Plotina auch in dieser liebreizenden Stadt bisher nur wenige Stunden verbracht, nämlich gleich am Tag ihrer Ankunft im Hafen. Doch sie konnte sich schon vorstellen, dass man dort recht abgelegen wohnte. Und wenn man dann noch allein mit der Mutter zusammenlebte, stand man sicher unter ständiger Kontrolle. Der Gedanke an die Mutter der hübschen Patrizierin versetzte Plotina einen leichten Stich, da sie ihre eigene ja nicht einmal kannte; dies würde sie nun aber auf keinen Fall erzählen. Hellhörig wurde Plotina allerdings auch wegen der Tatsache, dass Prisca, wenn sie denn nur mit ihrer Mutter gelebt hatte, wohl auch schon etliche Verwandte verloren hatte. Mit einem sanften Blick schaute sie die Patrizierin an und versuchte, auf ein anderes Thema zu kommen.
"Wie mir scheint, hast du jetzt hier in Rom eine richtig große Sippschaft um dich herum. Das kann bestimmt manchmal anstrengend sein, doch denke ich mir, ist es in erster Linie sicher auch schön und abwechslungsreich. Und wenn dann noch ein Kind dabei ist ... Ich hoffe, du magst Trubel?!"
Dabei sah die Sergierin Prisca lachend an - und stellte sich im Innern die Frage, wie es da mit ihr selbst aussehe. Eigentlich hatte sie ja immer beides gehabt: Gewohnt hatte sie stets abgeschieden, aber mit großen Städten in unmittelbarer Nähe - eigentlich eine sehr angenehme Weise des Lebens, bei der man beides haben konnte.
"Aber so ganz neu ist Rom für dich doch sicher auch nicht, wenn du in Ostia aufgewachsen bist? Überhaupt hast du schon eine Menge von der Welt gesehen, wenn du zum Studium in Griechenland gewesen bist. Ich schätze an Patriziern sehr, dass sie ihre Töchter meist so gut ausbilden; in plebejischen Familien ist das ja leider nicht immer der Fall. Ich hatte das Glück, in der Nähe von Alexandria aufzuwachsen und dort von einem guten paedagogus unterrichtet zu werden."
Plotina schmunzelte, als sie merkte, dass sie wieder einmal auf einen Fauxpas zusteuerte, ihn aber dieses Mal im letzten Moment verhindern würde.
"Womit ich natürlich nicht sagen will, dass ich mich mit deiner Bildung messen kann. Aber Alexandria hat natürlich in der Hinsicht viel zu bieten. Wenn du aber in Griechenland gewesen bist, sprichst du ja auch die Sprache. Ein kleiner Tipp: Hier und da eine griechische Wendung, und du wirst bei Eurydike bald einen Stein im Brett haben, wenn ich mich mal so ausdrücken darf."
Verschwörerisch lächelte Plotina Prisca an und konnte nun selbst mit den ersten Griechisch-Kenntnissen glänzen, denn sie begrüßte die Händlerin auf Koin´e. Dieser war es in der Zwischenzeit gelungen, ihrer vorigen Kundin einen Armreif zu verkaufen, so dass sie jetzt ganz frei war, sich Prisca zu widmen. Sie lachte den beiden jungen Frauen entgegen und erwiderte die Begrüßung der ihr bekannten Sergierin. "Plotina, hast du geheiratet? Sonst kommst du immer alleine her - und heute mit einer halben Centurie. Von weitem dachte ich schon, du bringst mir die Aedilen an den Hals; stattdessen ist es eine Zwillingsschwester der Aphrodite."
Dieser letzte Satz bezog sich natürlich auf Prisca, der Plotina nun die Händlerin vorzustellen hatte.
"Prisca, das ist also Eurydike! Und dir, Eurydike, kann ich nur raten, deine besten Stücke aus den Truhen hervorzuholen - für diese anspruchsvolle Kundin hier."
... deren Namen die Sergierin nicht nannte, war sie sich doch nicht sicher, ob ihre neue Bekannte überhaupt genannt werden wollte. Den Rat Plotinas hatte die erfahrene Händlerin natürlich schon vorausschauend befolgt und dem Sklavenjungen Miron einen Wink gegeben. Dieser machte sich jetzt an einigen Truhen zu schaffen, die erst jetzt, wenn man unmittelbar an der Auslage der Eurydike stand, überhaupt zu sehen waren. Die Händlerin wandte sich nun selbst an die Patrizierin: "Edle Dame, es ist mir eine Ehre, dass Du meinen Stand aufsuchst. Und ich versichere Dir, er birgt mehr, als Du im Moment vielleicht vermutest ... Gibt es etwas Bestimmtes, das Du suchst?"
-
Plotina biss sich auf die Lippen. Den Blicken, die Prisca und Trautwini austauschten, konnte sie deutlich ansehen, dass beide ihre Masche durchschaut und ihre Tränen gesehen hatten; Prisca fragte jetzt sogar danach, was natürlich sehr einfühlsam war; hätte Plotina die junge Dame besser gekannt - wie gerne hätte sie ihr jetzt auch ihr Herz ausgeschüttet. Was aber sollte sie so sagen? Die Sergierin war daher froh, dass Prisca diese Gefühlsaufwallung nun offenbar mit dem Tode eines Verwandten der Plotina in Verbindung brachte, und die Sergierin ließ sie in diesem Glauben. Ein Seitenblick auf die Patrizierin allerdings bestätigte deren Worte, dass auch die gens Aurelia in letzter Zeit einige Tote zu beklagen gehabt hatte, denn Prisca sah für einen Moment zu Boden, nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte. Schon suchte Plotina ihrerseits nach Worten, um ihrer Gesprächspartnerin ihr Beileid auszudrücken, als diese aber betonte, dass ihre Familie nach wie vor sehr groß sei. Ein Lächeln glitt über Plotinas Gesicht:
"Es muss schön sein, inmitten einer großen Familie zu leben. Leider lebt von uns Sergiern im Moment nur mein Cousin Lupus in Roma, allerdings auch nicht mit mir zusammen, sondern in der Castra der Cohortes Urbanae, wo er als capsarius tätig ist."
Einen Moment lang wanderten die Gedanken der Sergierin wieder zum Thema des Verkaufs der Casa zurück, doch diese Materie war derartig kompliziert, dass sie nun wirklich nicht hierher gehörte.
"Nun ja, und so kommt es, dass ich ganze Tage alleine zu Hause verbringe. Gerne hätte ich Geschwister um mich, Verwandte in meinem Alter, oder auch ältere, die ich um Rat fragen könnte. - Oder natürlich Kinder! Ich liebe Kinder!"
Die Augen Plotinas leuchteten in diesem Moment auf, und mit eben diesen Augen sah sie Prisca jetzt an. Wie es wohl bei ihr war? Ob sie Kinder mochte? Irgendwie sah sie nicht so aus, aber sie war ja vielleicht sogar noch etwas jünger als Plotina. In einer Familie wie der ihren würde aber sicherlich erwartet, dass sie irgendwann standesgemäß heiraten und dann natürlich auch Kinder, gerne Söhne, gebären würde. Allerdings würde sie sich um die Kinder wohl gar nicht selber kümmern müssen, dafür hatten solche oikoi ja ihre Sklaven. Dies aber würde sie, Plotina, auch wenn sie Patrizierin wäre, nicht davon abhalten, sich höchstselbst um ihre Kinder zu kümmern, wenn sie welche hätte. Was sie ihnen alles beibringen würde: Lesen, Schreiben, Rechnen, Griechisch, Literatur, Philosophie ... Plotinas Augen glänzten immer weiter, während sie über dieses alles nachdachte und sich in leuchtenden Farben ausmalte. Da! fast hätte sie es verpasst, den tapfer weiter marschierenden Eskortier-Sklaven die Anweisung zu geben, in die nächste Seitengasse links einzubiegen, denn dort sollte sich eigentlich Eurydike befinden. Noch aber blieb etwas Zeit, bis sie den Stand erreicht haben würden, und so wandte Plotina sich Prisca erneut zu.
"Ja, auch ich liebe das Theater und die Musik! Es ist nur leider schon so lange her, dass ich in einem Theaterstück war, nämlich im Rahmen der Ludi Praetorae in der "Antigone". Und ...
hier zögerte Plotina, denn mit einem Mal wurde ihr hier wieder der unüberbrückbare Standesunterschied zwischen ihr und der Aurelierin bewusst, der in ihrem Gespräch sonst schon fast keine Rolle mehr gespielt hatte.
"Ich würde natürlich schrecklich gerne mit dir ins Theater gehen und fühle mich durch deine Einladung sehr geehrt. Leider jedoch ist das ja nicht möglich; sicherlich verfügt deine gens dort über gemietete eigene Plätze."
Die Sergierin spürte es selbst: Mit diesen ihren Worten drohte ein Missklang in das bisher so harmonische Gespräch zu fallen. Sie überlegte fieberhaft, ob ihr nicht noch etwas Nettes einfallen würde, erinnerte sich wieder an die "Antigone" im Theatrum Marcelli, an ihre Sitznachbarin Terentia Varena - und ja! an die beiden Zwillinge, von denen sie leider so lange nichts mehr gehört hatte.
"Interessanter als die Theaterstücke selbst sind ja manchmal die anderen Zuschauer, die man so schön beobachten kann. Und manchmal lernt man ja auch welche kennen. Nach der "Antigone" habe ich zum Beispiel zwei ganz liebe Zwillingsmädchen kennen gelernt - ach ja, man ist schon zu beneiden, wenn man mit Kindern zusammenleben kann. Leben bei euch zu Hause auch Kinder, wenn ich fragen darf?"
In diesem Moment bog der Aurelier-Tross plus Plebejerin in die von dieser bezeigte Seitengasse ein, und schon konnte Plotina Eurydike nebst ihrem Sklavenjungen Miron sehen, in ein Verkaufsgespräch vertieft.
-
Dankbar sah Plotina Lupus an.
"Es ist sehr lieb von dir, dass du so an mich denkst. Ich kann dich aber beruhigen: Über eine Wohnung in Rom mache ich mir gar keine großen Sorgen. Ich habe ja eben schon einmal erzählt, dass ich in Rom mittlerweile eine gute Freundin habe. Ich denke, zur Not könnte ich für eine Weile sogar bei ihr unterkommen, auf dem Palatin."
Dennoch war es natürlich sehr schade um die Casa, in der so viele Sergier das Licht der Welt erblickt hatten.
-
Prisca schien einige Zeit lang überlegen zu müssen, ob sie den Fußweg wagen oder nicht doch lieber die Sänfte nehmen wollte. Währenddessen sah Plotina sich um und musste dabei feststellen, wie voll es bereits auf den Märkten geworden war. Deshalb nickte sie ihrer neuen Bekannten zustimmend zu, als diese sich nun erhob und ihre Sänfte verließ. Auch über ihrem Haupte wurde nun ein Schirm ausgebreitet, und die Sklaven machten sich bereit, eine schützende Hülle um die beiden Frauen unter den Schirmen zu bilden.
Auf diese Art und Weise also von allen nur erdenklichen Seiten geschützt - nur ein Erdbeben hätte ihnen jetzt etwas anhaben können -, traten die beiden ungleichen Damen ihren Marsch an in Richtung auf die Seitengasse, von der die Sergierin geredet hatte. Diese wies den Sklaven mit ihrer Hand und einigen gesprochenen Kommandos den Weg, war ansonsten aber ganz damit beschäftigt, das ungewöhnliche Wohlgefühl zu genießen, so sicher wie nie zuvor über die Mercatus Urbis zu wandeln. Dankbar schenkte sie Trautwini ein Lächeln. Doch vergaß sie auch ihre eigentliche Wohltäterin nicht, deren elegante Figur sich bei jeder ihrer Bewegungen aufs Neue zeigte. An sie wandte Plotina sich jetzt wieder:
"Für dich ist es vielleicht ungewohnt, zu Fuß über die Märkte zu gehen, nicht? Nun, dafür ist es für mich sehr ungewohnt, mich so gelassen und sicher hier bewegen zu können. Ansonsten muss man in Rom nämlich ziemlich aufpassen. Stell dir vor, an den Parilia wurde direkt neben mir ein Mann auf dem Forum Romanum von einem Dieb um seinen Geldbeutel gebracht, am hellichten Tag!"
Mitten in ihrer Empörung fiel Plotina plötzlich ein, dass dieser Mann ja kein anderer als Theodoros gewesen war. Und mit seinem Namen verbunden tauchten auf einmal auch wieder alle anderen Bilder auf, die sich der Sergierin von diesem Tag unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt hatten, vor allem auch jenes eine Bild ... dann aber auch die Szene in der Schola Atheniensis. Daran eben hatte Plotina doch heute gar nicht denken wollen, als sie zu den Mercatus ging; nun aber war alles wieder wachgerufen und frischer als zuvor. Tränen stürzten in ihre Augen; sie blickte zur Seite, aber da war ja Trautwini, der sie auch nicht so sehen sollte. Plotina fuhr sich daher mit der Hand über die Augen und schüttelte ihren Kopf, als müsse sie Haare aus ihrem Gesicht entfernen. Und sie war so dankbar, als Prisca jetzt wieder auf die Händlerin zu sprechen kam.
"O nein! Ich meine, gut, die Händlerin ist nicht mehr die Jüngste, wie gesagt. Wie alt mag sie sein, vielleicht Mitte fünfzig? Aber sie hat noch immer ganz lebendige Augen, blaue wie du!"
Dabei blickte Plotina ihrer Gesprächspartnerin ins Gesicht und konnte sogar schon wieder ein wenig lachen.
"Und wenn ihr etwas zustoßen sollte, dann holen wir für unsere Eurydike eben auch eine Leier und folgen ihr wir ihr Orpheus in die Unterwelt, um sie zu befreien. - Spielst du eigentlich ein Instrument? Platon empfiehlt ja die Musik für die Bildung der Persönlichkeit."
Bei einer Patrizierin erwartete Plotina so etwas einfach. Im gleichen Moment wurde ihr allerdings auch schon klar, dass sie eigentlich gar keine Ahnung hatte, was Patrizier wohl so trieben. Für Politik jedenfalls interessierte sich Prisca also nicht, wie sie selbst betonte, dafür offenbar umso mehr ihr Onkel. Decemvir litibus iucandis ... ja, da wusste Plotina Bescheid.
"Ich bin überzeugt davon, dass dein Onkel seinen Dienst hervorragend versehen wird. Als decemvir litibus iucandis hat er ja mit Erbschaftsangelegenheiten zu tun. Ich erhielt von einem seiner Vorgänger - ah, übrigens auch ein Patrizier, wie mir gerade einfällt, Flavius Gracchus oder so ähnlich - unlängst auch einen Brief und habe etwas geerbt. Ich kann dir aber sagen, der lebendige Verwandte wäre mir lieber gewesen. Leider lebe ich hier in Rom fast alleine, während du hoffentlich eine große Familie um dich hast."
Plotina blickte zu Prisca hinüber, musste sich dann aber wieder auf den Weg konzentrieren; die Gasse war nämlich schon in Sichtweite.
-
Als Curio nun äußerte, dass er das gemeinsame Mahl doch schon so schnell verlassen würde, zuckte Plotina ein weiteres Mal zusammen. Er hatte ja Recht, vor einer solchen Reise - ohne baldige Wiederkehr - war natürlich so vieles vorzubereiten und zu veranlassen; über die casa hatten die drei Sergier ja eben gerade selbst noch gesprochen, und auch darum wollte Curio sich ja kümmern. Er war wirklich ein sehr tatkräftiger junger Mann, dachte Plotina bei sich und sah ihren Verwandten noch einmal aufmerksam an. Als er dann auch tatsächlich aufstand, blieb Plotina nichts anderes, als sich einstweilen bei ihm zu bedanken.
"Curio, ich danke dir noch einmal für alles! Zum Glück werden wir uns ja noch einige Tage lange sehen, bevor du in See stichst; meine besten Wünsche werden dich jedenfalls begleiten."
Die Sergierin warf Caius noch einen warmen Blick zu und betete schon jetzt im Stillen für ihn zu den Göttern; ihr Blick folgte ihm, bis er das triclinium verlassen hatte. Dann sah Plotina wieder ihren Cousin an.
"So schnell musste er nun gehen ... Schade, dass damit dein Wunsch nicht so ganz in Erfüllung geht, dass wir dieses gemeinsame Mahl zu dritt nun noch genießen. Aber es freut mich, dass es dir geschmeckt hat, das sage ich nachher auch unserer Sklavin."
Plotina tat es Lupus gleich und nahm einen Schluck aus ihrem Weinbecher.
"Wann ich fahre, wissen nur die Götter. Bei Dingen, die sich nun schon über so lange Zeit hinziehen wie meine Pläne, nach Ägypten zu fahren, weiß man irgendwann gar nicht mehr, ob sie überhaupt noch eintreffen werden."
Nachdenklich sah Plotina erst ihren Cousin an, dann blickte sie zu Boden. Was nun aus ihr werden würde, war ihr nicht wirklich klar.
-
Unter dem Sonnenschirm, den Trautwini ihr zwar auf Anweisung hin, vielleicht aber doch nicht ganz unfreiwillig, hielt, fühlte sich Plotina wie von Zauberhand gestreckt gleich ein wenig größer als sonst. Verstohlen versuchte sie zu ergründen, ob die Passanten sie nun vielleicht mit anderen Augen ansahen, etwas ... ehrfürchtig womöglich? Doch nein, es schien, als nehme Rom genauso wenig Notiz von Sergia Plotina unterm Sonnenschirm wie von Sergia Plotina an anderen Tagen.
Zu diesen kindischen Überlegungen wurde Plotina die Gelegenheit gegeben, weil die schöne Patrizierin vor ihr von ihren eigenen Gedanken gebannt schien. Nachdem ihre verstohlenen Ermittlungen unter Roms Passanten ein für die Sergierin unbefriedigendes Ergebnis erbracht hatten, stellte sie sich als nächstes die Frage, was wohl in Prisca vorgehen mochte. Sicher war es für eine Tochter aus so gutem Hause nicht alltäglich, mit einer Plebejerin zu verkehren, und dann noch mit so einer ärmlichen. Und dann kam Prisca ja auch gar nicht einmal aus Rom. Bestimmt aus Mantua, dachte Plotina, diesem - wie sie es vom Hörensagen kannte - konservativen Nest. Allerdings wäre sie selbst durchaus auch einmal gerne in dieses Städtchen gereist; von Italia hatte sie bis jetzt leider so gut wie gar nichts gesehen.
Von ihren Reiseplanungen fuhr die Sergierin auf, als Bewegung in die Gestalt Priscas kam, ja, ein regelrechter Ruck durch ihren eher zierlichen Körper ging. Noch einmal stellte sich die Patrizierin ihr vor, und dies gleich mit drei erfreulichen Ergänzungen: Erstens betonte sie, dass auch sie sich ihrerseits freue, Plotina kennenzulernen, zweitens sagte sie das in einem wirklich warmen Ton und drittens nannte sie nun auch ihren Gensnamen und befriedigte so die Neugier der Plebejerin.
"Aurelia ... Ich möchte nicht neugierig sein,"
log Plotina,
"aber wurde nicht vor Kurzem einer deiner Verwandten in den CH gewählt? Du musst wissen, ich bin durchaus interessiert an Politik, auch wenn es für uns Frauen dort ja leider so gut wie keine Betätigungsmöglichkeiten gibt, egal ob Patrizierin oder Plebejerin."
Außerdem war Plotina so, als habe es da in letzter Zeit noch etwas um diese Familie gegeben, einen Skandal oder Eklat. Doch derartig indiskret war die Subauctrix der Acta Diurna dann auch wieder nicht, um in diesem Augenblick eine solche Frage zu stellen. Und sicherlich war diese junge Frau hier daran bestimmt nicht beteiligt gewesen. Prisca schien mit ihren Gedanken auch schon wieder ganz woanders zu sein, und Plotina hatte den Eindruck, dass sie sich um etwas sorgte. Und so war es auch; ihre Worte offenbarten nämlich bald ihre Gedanken, die um ein Haar schon Falten auf das makellose Gesicht gezaubert hätten. Plotina bemühte sich daher, alle Bedenken zu zerstreuen.
"Die Händlerin - sie heißt übrigens Eurydike, aber keine Sorge: Sie ist noch sehr lebendig! - also, man findet sie ziemlich am Anfang einer kleinen Seitengasse, meist der zweite Stand rechts. Bis zu dieser Gasse könnte man vielleicht sogar mit der Sänfte kommen, allerdings liegt diese Gasse von hier aus gesehen quer auf der anderen Seite. Ob es Sinn macht, den Weg mit der Sänfte zurückzulegen, diese Entscheidung überlasse ich dir."
-
Plotinas Stimmung hob sich weiter, als sie nun von Caius vernahm, dass der Verkauf des Hauses keine Schwierigkeiten bereiten würde. Dass zusätzlich auch die Übergabe der Betriebe noch jetzt und hier erledigt werden konnte und nicht etwa über den Cursus Publicus, war ein weiterer Anlass zur Freude.
"Es erleichtert mich, Caius, dass wir diese amtlichen Angelegenheiten jetzt geklärt haben! Ich werde dir natürlich für die Betriebe einen Abschlag zahlen."
Weniger freudenreich war nun der Blick, den Plotina auf das Essen warf, denn irgendein unsichtbares Nagetier schien sich hier großzügig bedient zu haben, während die Menschen so wichtige Dinge zu besprechen hatten. Plotina schaute jetzt ja niemanden an ....
Aber schließlich war Gemüse ja ungemein gesund, und so langte die Sergierin gerne zum angebratenen Lauch, den sie mit Brot und ein wenig Garum zu verzehren gedachte.Die Bemerkung Curios darüber, dass er allein reisen werde und dass es Personen und Dinge gebe, die man nicht ändern könne, machten Plotina aber doch stutzig. Sie überlegte einen Moment bei sich, konnte aber nicht erraten, was er meinte. War er verliebt? Für einen derart kultivierten jungen Mann wie ihn interessierten sich sicherlich viele Frauen. Ein solch heikles Thema wollte Plotina in diesem Rahmen aber doch nicht ansprechen, da sie Caius leider nicht so persönlich kennengelernt hatte. Stattdessen sagte sie:
"Was mir nur Leid tut, Caius, ist, dass ich trotz meiner Abstammung so gut wie keine Kontakte mehr nach Alexandria habe. Ich hätte dir ansonsten sehr gerne einige Hilfestellungen angeboten. - A, sieh nur zu, dass man dir nicht etwa eine Wohnung in Rhakotis vermittelt!"
-
Auf ihre zugegebenermaßen etwas provokante Frage hin erhielt Plotina zunächst einmal keine Antwort, sondern sah sich von der entzückenden Patrizierin eingehend begutachtet, ja fast taxiert wie auf dem Sklavenmarkt. Die Sergierin versuchte, diesem Blick standzuhalten, was ihr - wie sie selbst sich einredete - auch gelungen wäre, hätte nicht ihre Neugierde sie immer wieder dazu verführt, zu dem netten Sklaven hinzusehen, Trautwini ... das klang so mädchenhaft ...
Der Name des Sklaven bildete aber nicht den einzigen Gegenstand der Grübeleien, die der Sergierin durch den Kopf gingen, während sie von der jungen Patrizierin gemustert wurde. Plotina fragte sich natürlich auch, was die junge Dame mit diesem Verhalten wohl bezweckte: Sicherlich wollte sie sie damit verunsichern, keine Frage; aber vielleicht wollte sie auch eigene Unsicherheit verbergen. Oder war sie etwa gar nicht so gut bei Kasse? Noch neulich, bei einem Besuch in der Taverna Apicia hatte sie gehört, dass der vermeintliche Reichtum der Patrizier oft mehr Schein als Sein sei ...
Plotina begann nun ihrerseits, die Sklaven der jungen Frau sowie das Interieur der Sänfte zu taxieren, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen wie z.B. verblassenden Glanz. Aus diesen Überlegungen wurde sie jedoch schon bald gerissen, als die Patrizierin wieder anfing, von der Händlerin zu reden - und dann doch tatsächlich Trautwini anwies, einen Schirm über Plotina zu spannen. Im ersten Moment war die Sergierin darob nicht wenig verdutzt, war ihre Haut doch bei weitem nicht so hell wie die ihres adeligen Gegenübers, so dass sie hätte geschützt werden müssen. Allmählich aber begriff sie, dass diese Geste zweifellos eine Ehrung für sie war, und so setzte sie an, stammelnd einmal der Patrizierin und dann wieder Trautwini zu danken. Als die Dame in der Sänfte dann auch noch lächelte, schmolzen Plotinas Vorbehalte immer mehr. Vollends von ihr eingenommen aber war sie, als sie sich nun auch noch vorstellte, und zwar einfach mit ihrem Cognomen; von einer Patrizierin hätte Plotina erwartet, dass diese ausschließlich ihren Gensnamen nennen würde. In diesem Moment aber fiel der Sergierin natürlich auch ein, dass sie selbst sich ganz entgegen ihrer Gewohnheit noch gar nicht vorgestellt hatte; Trautwini hatte sie ganz schön aus dem Konzept gebracht.
"Ich, äh, heiße Sergia Plotina, also: Plotina. Ich freue mich, dich kennenzulernen!"
Bei diesen Worten lächelte Plotina nun wieder ganz offen und fast mädchenhaft, wie sie es so oft tat, wenn dankbare Empfindungen an ihr Herz rührten. Bald aber besann sie sich wieder auf den Wunsch - Priscas.
"Und ja, was diese Händlerin angeht: So ganz in der Nähe ist sie auch wieder nicht, sondern ein bisschen versteckt; ich vermute, ihr fehlen kräftige Sklaven oder die nötigen Verbindungen in die Unterwelt Roms, um sich für ihren Stand einen besseren Platz zu sichern. Aber gerade das macht sie für mich so anziehend."
Mit einem Blick auf Trautwini fügte die Sergierin hinzu:
"Ich bin zwar auch ziemlich kräftig, aber es wäre wohl eine gute Idee, einen ausgebildeten Leibwächter wie Trautwini mit uns zu führen, der uns den Weg freiboxt ... äh, freimacht."
-
Mit Entsetzen sah Plotina mit an, wie sie den sympathischen Sklaven durch ihre Unbedachtheit in immer größere Schwierigkeiten brachte. Hatte es erst fast so ausgesehen, als wolle er schon auf ihren nicht ernst gemeinten Vorschlag eingehen, einfach mal queerbeet die Stände abzuklappern, wenn man doch schon ,alles' suche, so nahm wenigstens er nun die Vernunft an, die Plotina wieder einmal vermissen ließ, und lenkte zum eigentlichen Thema zurück. Weiberkram suchten sie also, so, so, dachte die Sergierin bei sich. Ob der Herr in der Sänfte diesen für seine Gemahlin, eine Mätresse oder gar für sich selbst suchte - hätte die neugierige Sergierin zwar brennend interessiert, doch unterstand sie sich natürlich, diese Frage etwa laut an den Sklaven zu richten.
Dieser schien ohnehin durch ihre Schuld genug Ärger zu haben und ordentlich ins Schwitzen zu geraten wegen ihrer dummen Äußerungen, die sein Dominus in der Sänfte natürlich mitanhören musste. Wenigstens war Plotina nun bereit, sich dieser ihrer Verantwortung zu stellen, und zog nicht mehr in Erwägung, sich schnell zurückzuziehen: Wenn der Dominus diesem Sklaven drohen würde, würde sie, Plotina, für ihn einstehen!
Und eine verärgerte, nörgelige Stimme meldete sich auch alsbald aus dem Inneren der Sänfte - eine Frauenstimme. Der Sklave konnte Plotina gerade noch "stecken", dass es sich bei der Herrschaft in der Sänfte tatsächlich um eine Dame handelte. Plotinas Haltung straffte sich; sie war bereit, dieser verwöhnten Göre ins Gesicht zu sehen. Dazu sollte die nun aufgescheuchte Sergierin auch alsbald die Gelegenheit erhalten, denn auf eine Anweisung der Domina hielten nun zwei Sklaven die Vorhänge der Sänfte ein wenig auseinander, was nicht besonders einladend aussah, aber Plotina zumindest ermöglichte, nicht nur das Gesicht ihres Gegenübers in Augenschein zu nehmen, sondern auch ihre Füße: eine Patrizierin also, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Die arrogante Art der jungen Frau, die sicher nicht älter war als sie selbst, eher jünger - allerdings auch ganz entschieden schöner -, schüchterte die einfache Bürgerin Plotina nicht wenig ein. Als aber das Stichwort vom "Auspeitschen" fiel, nahmen die Augen der Sergierin einen funkelnden Ausdruck an, und es fiel ihr schwer, ihren bisherigen unbedachten Äußerungen nicht eine weitere folgen zu lassen. Sie atmete tief durch, überlegte dabei einen Moment lang und sagte dann:
"Salve! Es fällt mir schwer zu glauben, dass eine wunderschöne Frau wie du noch der Schminke bedürfen sollte. Wenn du aber nach Möglichkeiten suchst, die Vorzüge deines Typs noch weiter zu unterstreichen oder auch ein abwechslungsreicheres Erscheinungsbild zu bieten - dann kenne ich tatsächlich eine sehr vertrauenswürdige Händlerin hier."
Mit voller Absicht drehte die Sergierin ihren muskulösen Körper nun von der Patrizierin weg und zu dem Sklaven hin. Was sie nun sagen wollte, war ein wenig gewagt:
"Wenn du mir deine Wünsche mitteilst, will ich mich gerne in der Begleitung deines ehrfurchtgebietenden Sklaven hier aufmachen und das Gewünschte besorgen. Wenn du allerdings doch lieber deinem eigenen Urteil vertraust ..."
Plotina blickte die junge Frau nun von der Seite her ein wenig herausfordernd an; auf ihren Gesichtszügen zeigte sich aber mittlerweile auch ein gewisses nachsichtiges Lächeln: Dieses junge Ding da war gewiss fremd in Rom, und sie würde ihr ein wenig unter die Arme greifen.
-
Als Curio unmissverständlich deutlich machte, dass er das Geld den Erinnerungen vorzog, zuckte Plotina merklich zusammen. Hier war ein wunder Punkt der sensiblen Sergierin getroffen, und in ihr kamen mit einem Mal wieder viele bittere Erinnerungen hoch, die sie weniger mit der Casa Sergia in Rom verband als mit ihrer eigenen Kindheit: das viele Alleinsein, das Fehlen einer Familie - und nun auch hier in Rom die drohende Heimatlosigkeit ... Aber nein, Caius hatte natürlich Recht.
"Es ist nicht so, dass ich dir nicht Recht gebe, Caius, mach dir um mich keine Gedanken. Wir müssen uns jetzt an das Nächstliegende halten und sollten daher auch gar nicht zögern, den Verkauf der Casa in die Wege zu leiten; wer weiß, wie lange so etwas dauern kann. Würdest du dich darum kümmern oder einer der Sklaven?"
Plotina selbst war sich nicht sicher, ob sie mit dem Verkauf eines ganzen Hauses nicht überfordert wäre. Eher fühlte sie sich da schon der Leitung von Betrieben gewachsen.
"Um in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Betriebe zu sprechen zu kommen: Ich habe mich da vielleicht ein wenig zu bescheiden ausgedrückt, deshalb sage ich es jetzt ganz offen: Ja, ich würde sie gerne übernehmen! Überlegen muss ich da nicht mehr."
Um diese ihre Worte noch zu unterstreichen, ergriff Plotina jetzt lachend wieder ihren Becher, sah ihre beiden Verwandten an und trank ihnen zu. Als sie ihn wieder abstellte, fiel ihr Blick auch endlich wieder auf die Speisen, von denen sie selber immer noch keine angerührt hatte. Lupus hatte ja so Recht damit, das Mahl zu genießen! Plotina griff fröhlich nach Brot und Braten.
-
Dass ein Sklave nach diesem ihrem unfreiwilligen Rempler nicht gleich nach Corhortes Urbanae und Vigiles schreien würde, war Plotina klar gewesen; auf eine so freundliche Erwiderung war sie aber gar nicht gefasst und strahlte den Sklaven an, als dieser vor ihr seine Brustmuskeln spielen ließ. Normalerweise mochte die Sergierin bei Männern ein solches kindisches Getue nicht, aber in dieser Situation und bei diesem Sklaven, der noch dazu Leibwächter war, wie sie jetzt erfuhr, belustigte es sie nur. In ihrer eigenen Ratlosigkeit war sie dankbar für jede kleine Abwechslung.
Als der Sklave dann bedeutungsschwer mit seinem Daumen nach hinten wies, nahm Plotina zum ersten Mal die Sänfte so richtig in Augenschein. Da sie selbst in Ermangelung von Geld und auch, weil das einfach nicht ihre Art war, eigentlich nie in Sänften zu reisen pflegte, kannte sie sich in dieser Materie wenig aus. Es kam ihr aber doch der Verdacht, dass es sich bei dem Insassen der Sänfte um jemanden von erheblichem Einfluss handeln müsse, vielleicht sogar um einen Senator. Plotina wandte ihren - nun ebenfalls bedeutungsschweren - Blick wieder zu dem freundlichen Sklaven hin, beugte sich minimal zu ihm vor und sagte zu ihm mit gedämpfter Stimme:
"Er ist also noch da drin?"
Als Plotina nun aber mitansehen musste, dass der Sklave sich offenbar sehr beunruhigte, machte sie sich Vorwürfe über ihre plumpe Vertraulichkeit, die diesen Leibwächter vor seinem gestrengen und hochgestellten Herrn sicher in Schwierigkeiten brachte. Nicht, dass er noch ausgepeitscht werden würde! Schon wollte Plotina sich, Entschuldigungen murmelnd, zurückziehen, als der Sklave sich wieder an sie wandte mit der Bitte um Einkaufstipps. Die Sergierin traute ihren Ohren kaum und musste loslachen:
"Also, wenn ihr 'eigentlich so ziemlich alles, was es gibt' sucht, könnt ihr natürlich nichts falsch machen: Einfach einmal an allen Ständen vorbei, und schon ist der Einkauf erledigt."
Mit Blick auf die reiche Ausstattung der Sänfte, die den Reichtum des Insassen bezeugte, fügte Plotina an:
"Vielleicht könntet ihr auch einfach alles gleich aufkaufen und von einer Sklavenkohorte abtransportieren lassen. - Also, ich für meinen Teil wollte einen neuen Kamm kaufen; da wüsste ich allerdings eine gute Händlerin, die auch Schminke, Schmuck und Ähnliches verkauft."