Mit einer huldvollen Geste nahm der Augustus den Gruß der Soldaten entgegen. Sowei so gut. Bevor sie zum Opfer schreiten würden, mussten die Soldaten allerdings noch eine Ansprache ihres Oberbefehlshabers über sich ergehen lassen. Und so nahm der Princeps klassische Rednerpose ein und begann mit lauter Stimme, sodass man ihn auch ordentlich hören konnte.
"Soldaten Roms, Bürger Roms. Heute begehen wir wie jedes Jahr das Armilustrium. Das Fest zu Ehren des Mars, bei denen die Waffen entsühnt werden. Wir werden dieses Fest mit der größten Ernsthaftigkeit und Disziplin durchführen, auf dass Mars uns auch im nächsten Jahr gewogen sein wird. Ihr und ich wisst, wie wichtig es ist, dass Mars uns allzeit gewogen ist.
Zuerst aber möchte ich euch, Soldaten Roms, danken. Ich möchte euch dafür danken, dass ihr heute ein so hervorragendes Beispiel von römischer Stärke und römischer Disziplin zeigt. Auf den Tugenden der Soldaten Roms ruht dieses Gemeinwesen. Es kann ohne euren Mut, euer Pflichgefühl, eure Tapferkeit und ohne eure Virtus nicht bestehen.
Deswegen möchte ich euch danken, dass ihr jetzt, wie schon immer die festeste Stütze des römischen Gemeinwesens seid. Darauf, Soldaten, könnt ihr stolz sein, denn der Schutz Roms ist keine leichte Aufgabe. Unsere Feinde stehen an den Grenzen, jederzeit bereit es zu versuchen, unseren großartigen Staat ins Wanken zu bringen.
Unsere Feinde stehen auch im Inneren.
Verräter, Aufständische, kriminelle Banden. Gegen sie alle seid ihr, Soldaten Roms, das Bollwerk hinter dem die Bürger unseres Gemeinwesens vertrauensvoll Schutz suchen und auch finden.
Um also meiner Dankbarkeit auch praktischen Ausdruck zu verleihen, kündige ich nun mit größter Freude ein Donativum für alle Soldaten Roms an. Jeder Soldat unseres Gemeinwesens, vom Probatus zum Legatus soll sich allzeit meines unumschränkten Wohlwollens sicher sein.
Und nun, Männer Roms, lasst uns zum Opfer schreiten, damit uns Mars wohl gesonnen sein möge."
Eine kurze, zackige Rede mit der der Augustus eigentlich ganz zufrieden war. Er wusste, dass einerseits die Soldaten mäandrierendes Geschwätz nicht beeindruckte, andererseits stand eigentlich nicht der Augustus im Mittelpunkt, sondern Mars. Deswegen hielt er sich heute knapp. Er hatte keine Lust, den Zorn des Gottes auf sich zu ziehen, indem er ihm die Schau stahl. Nichtdestoweniger hoffte er, dass seine Ankündigung eines Donativums wohlwollend aufgenommen werden würde.
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Das erste Voropfer: ein Widder für Iuppiter
Auch wenn es länger her war, dass ich tatsächlich eigenhändig Blut vergossen hatte – unschöne Dinge waren trotzdem Teil meines Dienstes. Alles für Imperator und Patria, versteht sich, aber einen Freund zu verraten, die tückischen Manipulationen in Nabataea, oder auch einfach nur, einen Haufen armseliger Waisenkinder zu Tode zu erschrecken... glorreich war das nicht gerade.
Der vertraute Ritus des Armilustriums war etwas, auf das wir uns verlassen konnten, und das Wissen um die kommende Entsühnung war beruhigend. Obgleich ich mir im Grunde schon lange nicht mehr sicher war, ob die Götter sich wirklich um das ganzen Opferspektakel scherten... oder ob sie uns nicht so fern waren, dass sie eher als Prinzipen zu begreifen waren, denn als Himmelswesen... es war auf jeden Fall gut, hier zu stehen, als Teil meiner Einheit, vor dem Kaiser und den Bürgern, für deren Wohl wir unseren Dienst taten.
Die Rede des Imperators war kurz, treffend und im besten Sinne feldherrenhaft. Zudem war ein Donativum natürlich immer sehr willkommen. Als der darauf folgende Jubel und die Hochrufe abgeklungen waren, begann unter getragenen Klängen das Opfer.
Mein Einsatz! Ich reckte das Kinn und ließ meinen Paraderappen vor den ersten der drei Altäre stolzieren. Der weiße Widder, für Iuppiter bestimmt, zum Auftakt des Opfers an die präkapitolinische Trias, stand dort angepflockt, ein angemessen prachtvolles Tier, das Fell schneeweiß, das ausladend gewundene Gehörn und die Hufe reich vergoldet, mit Blumen und Bändern geschmückt. (Er war allerdings leider, allein von seiner Größe, nicht ganz so imposant wie das Opfertier am mittleren Altar, der rote Stier für Mars. Dafür, sagte ich mir, war es natürlich eine besondere Ehre, beim Opfer an den Götterherrscher mitzuwirken.)
Mit gekonnt schwungvoller Geste schlug ich mein nachtschwarzes Paludamentum zurück, silbrig schimmerten die eingewobenen Umrisse des Skorpions, darauf schwang ich mich aus dem Sattel, überließ die Zügel einem Miles, meinen Helm einem anderen. Die Opferdiener an 'unserem' Altar waren allesamt Soldaten der Garde. Einer bot mir die Schale, in der ich rituell meine Hände reinigte. Auch durch die Reihen der Soldaten gingen eine Vielzahl von Opferdienern und besprengten sie mit Wasser.
Eine Ecke meines Paludamentums zog ich über den Kopf, griff beherzt in die nächste angereichte Schale, die mit dem Räucherwerk, und verteilte eine Handvoll Weihrauch auf dem Rost über den glimmenden Kohlen. Eine zweite Handvoll nahm ich vom kretischen Zistrosenharz, und eine dritte vom besonders edlen Adlerholz-Räucherwerk. Riesige Räucherbecken standen um den Altar, und die Opferdiener räucherten eifrig mit, damit Iuppiter uns auch riechen konnte. Eine frische Herbstbrise verteilte die Schwaden.
Zurücktretend, um nicht zu viel davon einzuatmen - wegen der Stimme, und weil Adlerholz ganz schön sinneserweiternd sein konnte – murmelte ich einige Floskeln an Ianus, dann hob ich in gemessener Geste die Hände gen Himmel und begann in Schlachtfeld-Lautstärke mit der Anrufung für das Voropfer. (Mit meinem Declamator hatte ich sie am Vortag noch ausführlich geprobt, um die Betonung perfekt zu machen.)
"O Iuppiter! Herrscher des Himmels, Hüter des Heils!
O Iuppiter! Vater der Götter, Patronus der Sterblichen!
O Iuppiter! Eherner Eidherr, gerechtester Richter!
Höre den Hall unserer Sohlen! Sieh unsere geschlossenen Reihen! Mann an Mann sind wir angetreten, Streiter im Herzen des Reiches, Dir und der Älteren Trias zu Ehren! Erfreue Dich am Rauch der Altäre und vernimm gnädig unsere Worte, die wir zu Dir rufen:
Erhabenster Himmlischer, Du bist es, der die Welt schirmt vor den Feinden des Seins! - So dienen auch wir dem Wohl des größten und besten aller Reiche.
Vater des Tages, Lichter Gebieter, stets wahrst Du in Klarheit das Recht vor dem Chaos, Dein gleißender Blitzstrahl bannt Chaos und Nacht. - So streiten auch wir gegen Roms ruchlose Feinde.
Schirmherr des Staates, erhabenster Ewiger, der Fels Deiner Macht ist des Gemeinwesens Grundstein. - So bilden auch unsere Gladii, wie die unserer Waffenbrüder, das Fundament, auf dem Romas segensreiche Herrschaft erbaut ist.
Höre den Klang unserer Schwerter! Sieh die Einigkeit unserer Streitmacht! Mut und Treue im Herzen sind wir angetreten, Dir und der Älteren Trias zu Ehren! Erfreue Dich am Rauch der Altäre und vernimm gnädig unsere Worte, die wir zu Dir rufen:
Ehre Dir, Iuppiter Stator! Gepriesen Iuppiter Invictus! Nimmer endender Ruhm Iuppiter Propugnator!!"
"Ehre Dir, Iuppiter!"
nahmen die gut geschulten Soldaten der Garde meinen Ruf auf, und schlugen mit den Gladii auf die Schildbuckel, so dass ein Dröhnen wie von Donnergrollen durch das riesige Oval rollte, das wirklich dazu geeignet erschien, bis zum Himmel zu dringen. Eine Gänsehaut kroch mir über den Rücken, und der Opfer-Widder warf den Kopf in den Nacken und rollte mit den gelben Ziegenaugen.
"Empfange die Ehren, oh Allgewaltiger, erfreue Dich an den Opfergaben, welche Dir gebührend dargeboten durch den vorzüglichsten aller Opferherren!" Wobei ich mit höchst respektvoller Geste den Imperator auf der Tribüne bezeichnete. "O Iuppiter, möge unser Opfer Dir zur Freude gereichen!", schloß ich feurig, " Mögest Du und die Ältere Trias uns die Entsühnung zu teil werden lassen."
Darauf trat ich schneidigen Schrittes ab, beflügelt von dem öffentlichen Auftritt und der Weihe des Momentes. Nun war es an den Stadtkohorten, das zweite Voropfer zu vollziehen.