Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Auch wenn ich sehr spät dran bin in dieser Diskussion, hier noch kurz und knapp meine Meinung.


    Im Bezug auf die Vergangenheit:


    Tote sollten tot bleiben. IDs aus dem Elysium zurückzuholen, führt zu krassen Logikbrüchen. Wer seine ID fünf Monate nicht eingelogged hat, hat deren Versterben selbst verantwortet.


    Im Bezug auf die Zukunft:


    IDs aus dem Desideratus automatisch ins Exil anstatt ins Elysium zu schicken finde ich keine schlechte Idee. Denn störender als die vielen Verschollenen finde ich die vielen Lectio-Todesfälle (ich persönlich ignoriere sie mittlerweile oft einfach, sonst müsste meine ID ja Dauer-Trauernder sein, bei den ganzen tragisch jung ums Leben gekommenen Verwandten.) Eine Lösung, bei der man davon ausgeht, dass sie eben irgendwo fernab der bespielten Provinzen leben, fände ich nicht schlecht.


    Im Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht bei Sklaven-IDs:


    *Schild Sim-On-Sim-Off-Trennung hochhalt* [Blockierte Grafik: https://roma-invicta.de/forum/newage/smilies/biggrin.gif]


    Natürlich sind Sklaven-IDs in der Sim-On-Hierarchie eher in untergeordneter Position. Genauso natürlich haben die Spieler dahinter Sim-Off das gleiche Selbstbestimmungsrecht wie alle anderen über ihre IDs. Und auch in Sim-on-Konfliktsituationen gibt es - jenseits des plumpen "eigentlich müßte meine ID jetzt deine ID töten" - immer auch andere (kreativere) Lösungen.

    Nachdem alle Fahrer sich und ihre Gespanne einmal der Menge präsentiert hatten, versammelten sie sich wieder hinter der Startlinie – einem schräg über die Bahn führenden Seil, straff gespannt gehalten von zwei kräftigen Sklaven.
    Die Positionen waren zuvor ausgelost worden. Auf den ersten hundert passus der Bahn waren die "Fahrspuren" zudem mit Linien aus hellerem Sand voneinander abgegrenzt und durften anfangs nicht überquert werden, um Massenkollisionen gleich zu Beginn des Rennens zu vermeiden.
    Weiterhin fiel ein sanfter Regen, doch die bunten Farben der Menge, die ausgelassenen Jubelrufe und die allgemeine Vorfreude überstrahlten dieses kleine Ärgernis bei weitem.
    Alle machten sich bereit, der Praeco blickte zur Tribüne, der Flamen Martialis winkte noch einmal müde mit der altersfleckigen Hand. Darauf erhob sich neben ihm sein liebreizendes Enkeltöchterchen, mit Kringellocken und Blumen im Haar. Das weiße Tuch in ihrer Hand leuchtete hell, als sie sich über den Rand der Tribüne beugte. Das Tuch wehte... das Tuch fiel... das Tuch wurde von einem Windhauch bis über die Mitte der Sandbahn getragen... und sank zu Boden.
    Im gleichen Wimpernschlag ließen die Sklaven das Seil fallen. Die Gespanne preschten los...



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    Die Harpyie an Manius' Seite trug eine perfekte Fassade von würdiger Matrone, von nobler Patriotin zur Schau. Um so flammender ihre Rede jedoch wurde, um so mörderischer die Vernichtungswut in ihrem Blick, um so mehr erinnerte mich dies an den Tag vor vielen Jahren, an dem sie – zugegebenermaßen in die Enge getrieben - diese tödliche Verachtung nicht etwa gegen irgendwelche Sektierer sondern direkt gegen mich, gegen Manius und mich, gerichtet hatte.
    Schmallippig beschäftigte ich mich mit meinem Weinkelch. Es war schlimm genug, dass er sie geheiratet hatte, um sie zu bändigen. Dann waren den beiden sogar Zwillingskinder beschert worden - was gab es eindeutigeres als Zeichen einer göttergesegneten Verbindung? Und nun agierten die beiden hier in vollendeter Eintracht. Natürlich wünschte ich Manius keine unglückliche Ehe voll Zank und Hader... aber ebensowenig ließ es mich kalt, die beiden so zu sehen.
    Ruhig Blut Faustus sagte ich mir, und trank langsam noch einen Schluck des exzellenten Weines, konzentrierte mich darauf, wie seidig er dem Gaumen schmeichelte. Ich hatte Kataphrakten überlebt. Ich würde auch diese Cena überleben. Augen nach vorn, Augen einfach nur auf das Thema des Abends.


    Manius stellte die entscheidende Frage, und Valerius Flaccus äusserte eine perfide, nein ich will natürlich sagen perfekte Idee. Das also hatte er gemeint, damit dass pure Repression keine gute Lösung war. Viel besser war: erst Spaltung, dann Repression.
    "Ein ausgezeichneter Vorschlag, dem ich mich nur anschließen kann!" stimmte ich ihm zu.

    Während Dives von seinem Onkel sprach, trat dessen Bild – sein Bild zu Lebzeiten – deutlich hervor und legte sich über das der starren Leiche von heute morgen. Einen Soldaten zu verlieren war immer bitter, einen vielversprechenden Optio mit Zukunftsträumen noch mehr, und hier konnte man nicht mal anbringen, er sei sinnvoll im Kampfe für Kaiser und Patria gefallen.
    Ich habe ihm die Ambitio zurückgegeben? Meine Augenbrauen wanderten nach oben.
    "Ich habe ihm den Fahneneid abgenommen."
    Natürlich hatte er weder krank noch schwermütig gewirkt.
    "Natürlich nicht. Ich frage nur, Dives, ich..." Schon war mir die förmliche Anrede verlorengegangen, aber jetzt noch ein 'Senator' dranzuhängen erschien mir auch künstlich."...versuche jegliche Möglichkeit in Betracht zu ziehen."
    Ob er nicht vor der Versetzung untersucht wurde?
    "Bevor wir einen Soldaten anfordern, informieren wir uns gründlich über ihn. Aber natürlich haben wir keinen Medicus nach Britannien geschickt. Er wäre hier noch untersucht worden, aber der Termin war noch nicht. Beim Training ist jedenfalls nichts aufgefallen."
    Selbst solche unwichtigen Interna gab ich ungern preis, den schließlich hatte die Garde per se verschwiegen und perfekt zu sein. Im Bett sterbende Soldaten passten da nicht dazu.
    "Media vita in morte sumus." bemerkte ich etwas hilflos.
    "Ich muss jedenfalls wissen, ob er tatsächlich ein Testament hinterlegt hat, und wie dessen Inhalt lautet. Ich nehme an, du wirst den Vestatempel aufsuchen? Ich sende meinen Beneficiarius mit. Aber zuvor - möchtest du ihn sehen? Er ist im Sacellum aufgebahrt."

    Nicht schlecht denken durfte sie? Ich widersprach:
    "Bona Dea, Valentina, du darfst alles Übel der Welt über uns denken. Ich war ein verfluchter Stolidus, dich nicht schnell genug zu heiraten, bevor das Schicksal zuschlug, und Casca ist ein verdammter Tonto, den gleichen Fehler zu machen!"
    Sie würde uns nicht mehr so oft besuchen... natürlich nicht. Düster folgte ich ihrem Blick zum Mitbringsel aus Ägypten. Ich erwog, ihn zu streicheln, aber der träge bernsteingelbe Blick, den er zu mir wandte, wirkte ebenso reserviert wie erhaben, wie die Katzengöttin vom Nil, so dass ich meine Hand bei mir behielt.
    "Eher eine ereignisreiche Nacht," erzählte ich, um irgendetwas normales zu sagen. "Es gibt doch immer wieder Wirrköpfe, die glauben, sie müssten die Mauern des Kaiserpalastes mit irgendwelchen Kritzeleien und aufrührerischen Parolen verzieren... - Bei jemand anderem... ? Mir fällt keiner ein."
    Manius sah ich nur zu unseren minutiös wochenlang vorher schon in den Terminplan eingepassten Treffen in der Villa Eutopia. Der mysteriöse Satyr mit der eisernen Maske und der silbernen Zunge, bei dem wäre ich jetzt gerne, falls es ihn wirklich gab, doch er schien mir mittlerweile mehr Traum als Wirklichkeit. Und meine flüchtigen Gespielen waren eben genau das: flüchtig.
    "Ach so, du meinst Iulia. Ja... ja sie ist wirklich ein nettes Mädchen. Fröhlich, schön, beherzt. Ich habe um sie geworben, aber..." Ich seufzte. "...es ist eben nur Pflicht. Ach Valentina. Meinst du nicht vielleicht..."
    Ich stockte, sah sie scheu von der Seite an. Die Worte wurden sperrig in meinem Mund, widerspenstig und atemlos. "... ich weiß es ist gerade kein guter Moment, um genau zu sein ein ganz schlechter, und das was ich jetzt sage, das sollst du einfach nur wissen, und wenn du dann so tust als hätte ich es nie gesagt, dann ist auch das in Ordnung, aber sagen muss ich es doch:
    Valentina, ich würde jede andere, ausnahmslos jede, sitzen lassen, wenn du mir noch eine Chance gibst. Was uns verbindet... ist besonders. Ich..."
    Nervös hob ich die Hand, berührte vorsichtig ihr Haar, strich eine lose Haarsträhne zurück. "...habe dich sehr lieb, wie du weißt. Und du... bist die einzige, die mich wirklich kennt wie ich bin und mich trotzdem... mag. - Ich bin kein Prätorianerpräfekt mehr, und ich weiß auch nicht, ob ich jemals wieder einer werde, aber... ich kann immer noch gut für dich sorgen... Vielleicht... was wenn... was wenn wir es einfach... doch noch mal versuchen...?! - Es tut mir leid, es tut mir leid, du trauerst noch und ich überfalle dich so, Icarion sagte ich soll dir Zeit lassen, aber... ich musste es dir eben sagen. Du musst nicht antworten."

    Nun war es wieder die freimütige Seite, die der Sklave zeigte, ein süßes Lächeln wölbte seine Lippen, als ich seine Wange berührte. Ein kleiner Herzensbrecher schoss es mir durch den Kopf, ein lieblicher Giton, über dem gestandene Männer den Kopf verlieren... Was natürlich nur meine - möglicherweise recht überhitzte - Fantasie war, ich kannte den Jungen ja nur flüchtigst, fand ihn aber faszinierend, mit seiner Keckheit und seiner umfangreichen Bildung.
    Mein Icarion hatte sich nach der kleinen Diskussion wieder seiner Kithara zugewandt. Er zupfte ein paar Akkorde, die sacht, das Gespräch harmonisch untermalend, durch den goldgrünen Innenraum der Laube schwebten.


    "Diese Frage hat mich allerdings auch beschäftigt, als wir uns aufmachten, um sie zu bekämpfen..." hob ich an zu erzählen, denn das erwartungsvolle Funkeln in den hellen Augen des Tiberios war allzu bezwingend.
    "Wir schifften uns ein, gingen in Syene an Land, und zogen tief in den Süden, ins wilde Dodekaschoinos. Eines Nachts griffen die Blemmyer unser Marschlager an, sandten Wolken von Pfeilen und Brandpfeilen..." Während ich sprach – für gewöhnlich sprach ich kaum über all diese Dinge – traten mir die Ereignisse von damals immer deutlicher vor Augen. Die geißblattumrankten Wände der Laube verschwanden, ich sah den blutroten Widerschein der Flammen auf den Harnischen der Soldaten im Intervallum, hörte weichen Hufschlag auf Sand, hatte den Geruch von verkohlenden Lederzelten in der Nase.
    "Ich führte einen Ausfall, um die Bastarde guten römischen Stahl schmecken zu lassen. Da sah ich die Blemmyer zum ersten Mal. Wie Lemuren tauchten sie aus der Wüstennacht auf, eine auf uns zu stürmende Schar, fast zwei-Mann-hohe, ungestalt bucklige vierbeinige Wesen ohne Gesichter..." – Dies brachte ich vor wie eine thessalische Schauergeschichte, doch dann zwinkerte ich Tiberios zu und erklärte. - "Kamelreiter, verhüllte Wüstenkrieger. - Sie kämpften wie die Cerberuse, und erst als unsere Reiterei – man sollte immer eine Ala, oder zumindest eine Cohors equitata dabei haben - ihnen in die Flanken brach, konnten wir ihnen den Garaus machen."
    Dies erzählte ich leichthin, doch mein Blick verlor sich im blutigen Chaos dieser Nacht. Die Konfusion, als wir unsere Pila fast gegen die eigenen Leute geworfen hätten, der Kampf bei dem mir mein Pferd abgestochen wurde, das Schlachten danach...
    "Es sind nur Barbaren, wenn auch ziemlich schlaue Barbaren, Menschen aus Fleisch und Blut. Zumindest die, gegen die wir gezogen sind. - Weiter im Süden nahe des Feuergürtels sollen die Stämme aber immer absonderlicher und monströser werden... es gibt ja auch die verrücktesten Tiere dort. - Manche Einheiten der Blemmyer, die zu Fuß kämpfen, habe sehr hohe Schilde mit grimmigen Fratzen darauf, wenn sie sich dahinter ducken, dann scheinen sie kopflos, vielleicht stammen daher die Geschichten? Mit Mars und Bellona... und der Hilfe eines ortskundigen Nubierstammes, den wir uns zum Freund gemacht hatten... haben wir die Blemmyer dann geschlagen, vernichtend. Bei der Oase Tasheribat war das....." Mein Blick sank auf meinen Schwertarm, der Unterarm außen war eine einzige, deformierte, hässlich zerfurchte Narbenplatte. Aber immerhin war er noch dran. Mittlerweile sprach ich leise, und mehr mit mir selbst. "...Unter dem verdammt besten Praefectus Legionis, Octavius Dragonum. Der hat dann nach dem Bürgerkrieg auch keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen... Es ist alles lange her."

    Triumphierend fing ich die Laute seiner Ekstase mit meinem Mund, küsste ihn ungezügelt und tief, als die Hitze des barbarischen Samens meine Hand benetzte. Der Sklave, vor zwei Augenblicken noch so spröde, vor einem Augenblick dann so bedrohlich, war zu Wachs in meinen Händen geworden! Doch auch ich war längst hingerissen vom Sinnentaumel, achtete nicht mehr der schmuddeligen und riskanten Umgebung, fühlte die harten Barbarenhände auf meinem Hintern und wusste nichts mehr, als dass ich ihn wollte. Ein Schwindel, ein berauschender Schwindel von Gier und was-kümmert-es-mich hatte von mir Besitz ergriffen, und ohne weitere Umschweife drängte ich ihn, sich umzudrehen – bei weitem nicht so grob wie er mich eben gegen die Wand geschleudert hatte, aber auch nicht gerade zart. Ich drückte ihn gegen die Mauer, zerrte unsanft seine Tunika aus dem Weg (spürte dabei, dass er, ebenso wie ich, einen verborgenen Dolch trug, was mich jedoch nicht im Geringsten kümmerte), und bereitete mir mit der feuchten Hand den Weg, dann nahm ich den schönen Barbaren gierig und hastig, in der Dunkelheit dieser ranzigen Hofecke. Es ging sehr schnell, eben noch war ich ein Tänzer auf einem Seil irgendwo ganz oben am Firmament, im Rhythmus der Gier verschmolzen mit seinem willig eroberten Leib, grub animalisch meine Zähne in seinen Nacken, emporgerissen von der Woge erfüllten Verlangens... dann war es vorüber.


    Mit der wiederkehrenden Klarheit nahm ich auch erst wieder die elende Umgebung wahr, den Gestank und das Zetern... das Zetern? Das, was wohl schon seit einer Weile aus irgendeiner dieser Fensterhöhlen drang, die wie Lücken in einem fauligen Gebiss in den Innenhof klafften.
    "Dreckschweine! Mistkäfer! Perverses Pack!!! Der Orcus soll euch verschlingen! Verzieht euch, treibt es woanders!! Es gibt Leute hier, die wollen schlafen"
    (Ich schreibe dies, lieber Leser, wohlgemerkt deutlich abgemildert nieder, denn die ungeheure Obszönität der Original-Formulierungen möchte ich keinem zivilisierten Ohr zumuten.)
    Dann polterte auch noch irgendwas Dunkles von oben in den Hof, traf uns zum Glück nicht, zersprang auf dem Pflaster. Erschrocken, angeekelt und zugleich auf eine etwas irre Weise belustigt von dieser absurden Situation, zog ich mit einem Ruck meine Tunika zurecht.
    "Zeit zu gehen, schätze ich!" urteilte ich fast lachend, berührte den Barbaren am Arm, sagte ihm "Vale bene!" und trat zügig den Rückzug an.


    Erst als einige Straßenzüge zwischen mir und sowohl dem Ort des Geschehens als auch meinem Kompagnon im Laster lagen, und als mich unterwegs weder Subura-Sicarii noch sittenstrenge Bürger behelligt hatten, und als ich einige tiefe Atemzüge getan hatte...
    … da begann ich dann, mich zu schämen. Dafür, dass ich mich dazu hatte hinreißen lassen, so einen haarsträubenden Blödsinn zu veranstalten, der nicht nur mir, sondern auch dem Ruf meiner Familie und dem Ruf der Garde empfindlich schaden könnte, und was würde mein Vater sagen (nichts würde er sagen dazu, wie es so seine Art war, aber alle Enttäuschung der Welt läge in seinem Blick), und überhaupt die kernig-virilen Vorväter meiner Gens, mit welch unendlicher Missbilligung würden sie herabsehen auf mich Schandfleck... aber ach... - ich verbannte die säuerlichen Gesichter der Altvorderen aus meinem Geist - es war so heiß gewesen, und dabei war ja auch alles gut gegangen, so wirklich bereuen konnte ich das kleine Abenteuer nicht.


    Übrigens konnte ich am Folgetag auch die Frage, die mich zuvor beschäftigt hatte, mit Hilfe unseres Bibliothekars und eines Bestiariums klären: Frettchen, auch Ictis, Viverra oder Furo genannt, können bei guter Pflege bis zu zehn Jahre alt werden.


    An der Spitze meiner Kohorte ritt ich durch die Straßen der Stadt, als Teil des gewaltigen Heerwurmes. Die Prozession wand sich über das Forum Boarium bis zum Forum Romanum, entfaltete all ihre martialische Pracht zwischen den uralten Tempeln und Monumenten unserer Ewigen Stadt. Die Militärmusik, heute getragen und feierlich, hallte in den Straßen, das Marschieren tausender Caligae dröhnte wie Donnergrollen.
    Zahllos war die Menge derer, die unseren Weg säumten, Römer und Vertreter all der anderen Völker, die aus allen Winkeln der Welt hier an ihrem Nabel zusammenströmten, schaulustig, gaffend, jubelnd, oder auch nur geschäftstüchtig an diesem Festtag. Trauben von Menschen hingen aus den Fenstern der Wohngebäude, an denen wir vorüberzogen, manche hatten die Sockel von Denkmälern erklommen, um uns besser bestaunen zu können.


    Meine Kohorte marschierte mit höchster Disziplin und Routine, ein jeder der Soldaten von formidablem Format und in schmuckester Paradeerscheinung. Heute, wo einmal die Scharade des Pomeriums aufgehoben war, hatten wir Soldaten nicht nur das Recht, nein es war unsere Pflicht, uns in all unserer Pracht und Kampfesschönheit zu zeigen, und ich muss gestehen, dass ich dies, obgleich ich schon so oft in diesen Genuß gekommen war, immer wieder genoss. (Auch die militärische Mode blieb ja nicht stehen! Jedes Jahr gab es neue Strömungen und Akzente, die man als modebewusster Tribun dezent in die Garderobe integrieren konnte.)
    Mein Paraderappen war ein nachtschwarzer Hispanier von höchst eleganter Gangart und mit wallender Mähne, bei jedem Tritt hob er hoch die (ebenfalls tiefschwarz geölten) Hufe unter dem üppigen Fesselbehang. Sattel und Zaum waren mit silbernen Lunulae geschmückt. Hoch zu Roß trug ich meinen schneidigsten Harnisch, den brünierten mit den silbernen Intarsien, über einem Subarmalium mit wirklich extravaganten Acantusblatt-förmigen Pteryges, dazu natürlich die blutrote Tribunenschärpe, das schneeweiße Focale mit den eingedrehten Enden, den attischen Helm mit wogendem schwarzem Helmbusch und die Kollektion meiner auf Hochglanz polierten Orden. Von meinen Schultern flutete die Schwärze meines Paludamentums, in das silbrig der Skorpion eingewirkt war.
    Um den Hals trug ich hingegen wie immer zwei ganz schlichte Amulette, eines für Serapis, und eines für Mars. Es war in der Form eines Ancilium – eine Miniatur der Schilde, die die Salier heute bei ihrem erhabenen Waffentanz trugen. (Es war aber nur mein zweites Marsamulett, das Original, das mir damals Tante Lucilla beim Aufbruch nach Parthien geschenkt hatte, und das mich so lange begleitet hatte, lag in Nabataeas lebensfeindlicher Einöde unter einem Stein verborgen. Irgendwann würde ich zurückkehren und es bergen.... und das mit dem größten Vergnügen an der Spitze einer Armee... wenn unser allseits geliebter Imperator Aquilius nur nicht so friedensversessen wäre!)


    Nach dem Zug durch die Stadt hielten wir auf den Circus Maximus zu, zogen ein in das gigantische Oval, dessen Ränge dicht besetzt waren. Überall hingen Girlanden von Herbstblumen und Gewinde grüner Zweige.
    Unter dem Kommando ihrer Offiziere formierten sich die Einheiten auf ihren Positionen, ausgerichtet auf die dem Palatin zugewandte Längsseite. Dort waren die drei Altäre errichtet und die Opferfeuer loderten. Würdevolle Abordnungen des Cultus Deorum um die Pontifices und Flamines zogen ein. Nun wurden die Opfertiere von Soldaten zu den Altären geführt, Widder, Stier und Eber, über und über geschmückt. Der Festtag war so uralt, dass wir heute der prä-kapitolinischen Trias opfern würden: Iuppiter, Mars und Quirinus. Und sowohl wir, als auch die Urbaner, als auch die Prima würden jeweils ein Voropfer durchführen. Der alte Heius hatte mir das überlassen, wahrscheinlich weil ich sowas schon oft tadellos über die Bühne gebracht hatte (und natürlich die elegantesten Pteryges der ganzen Einheit vorweisen konnte), vielleicht hatte er aber auch den Weihrauch vergiftet, man weiß nie. Während unser Präfekt die Formation abritt, ging ich ich im Geiste die Worte meiner Anrufung durch.

    | Decimianus Pelias


    Nachdem Pelias - nur auf den inständigen Wunsch seines Patrons hin! - vorgetreten und das Gebot abgegeben hatte, trafen ihn allerlei neugierige Blicke. Stoisch hielt er diesen stand, doch sein Unbehagen wuchs, als der Händler den Britannier die Zähne fletschen ließ.
    Pelias trug seinen Stand nicht auf die Stirn geschrieben, ebensowenig wie die anderen Menschen auf dem Markt, und dieser war nicht ganz einfach zu erraten. Er war ein durchtrainierter Mann von selbstbewusster Haltung, der sich mit einer Art von kämpferischer Grazie bewegte, nicht besonders groß, nicht besonders klein, nicht mehr ganz jung, noch nicht alt, auf eine bewusst schlichte Weise gekleidet, mit festen Stiefeln und einer ungefärbten aber hochwertig gewebten Tunika, ohne Mantel.
    Pelias hoffte, dies alles schnell über die Bühne zu bringen.
    "Tausend Sesterzen!"




    Am Startpunkt erwartete ich meinen Einsatz, hoch auf der Biga, die Hand mit den Zügeln auf dem Rand der Kanzel abgestützt. Ich genoss die wirbelige Atmosphäre in vollen Zügen, betrachtete zugleich aufmerksam meine Rivalen des heutigen Tages. Besonders den Fahrer der Veneta fasste ich scharf ins Auge – sehr jung, edle Pferde – denn noch wichtiger als ein Sieg war es natürlich, den elenden Blauen, dieser blasierten Schnösel-Factio, zu zeigen wer wirklich König der Rennbahn war – natürlich die Aurata!
    Dementsprechend trug ich einen hochmodisch geschnittenen Pannus in Gold, dazu goldornamentierte Lederriemen kreuzweise gewunden um Unterame, Unterschenkel und Knie. Der Helm baumelte lässig am Ellbogen. Meine Fuchsstuten, blitzblank gestriegelt, waren im Vergleich zu den Rössern der anderen Fahrer eher zierlich. Die lang- und feingliedrigen Wüstenrenner trugen goldene Bänder in Mähnen und Schweif geflochten – ich dachte daran, dass meine liebe Valentina, oben auf der Tribüne, ihr Haar ganz ähnlich geschmückt hatte und war froh meine persönliche Fortuna so nah zu wissen.
    Für dieses Rennen hatte ich meine zweite Biga auserkoren, die extrem leichtgewichtig gebaut war und technisch auf dem allerneuesten Stand! Allerdings hatte ich darauf verzichtet, sie ebenfalls golden anzupinseln, sie trug noch immer das Emblem unserer Gens: den hispanischen Hengst im Lorbeerkranz.


    Der Praeco kündigte mich an.
    "Als fünfter fährt ein: Faustus Decimus Serapio, Tribun der Prätorianischen Garde. Damit hat er bei Mars wohl per se einen Stein im Brett! Decimus Serapio tritt für die Factio Aurata an, der seine Gens seit langem treu verbunden ist. Vor einigen Jahren ist er hier schon einmal im goldenen Pannus gefahren, und lieferte sich ein spektakuläres Duell mit den damaligen Veneta-Fahrer! Decimus Serapio fährt sein eigenes Gespann, gezogen von zwei reinrassigen kyrenäeischen Rennstuten."


    Innerlich frohlockend wie ein kleiner Junge, äußerlich mit dem Anschein von Gelassenheit fuhr ich meine Präsentationsrunde. Der nasse Sand knirschte unter den Rädern, die auf diesem Grund etwas schwergängiger waren.
    Der Jubel meiner Factiokameraden schlug wie eine gigantische Meereswoge über mir zusammen. (Unqualifizierte Schmährufe der Schnösel-Factio überhörte ich würdevoll.)
    Auf der Tribüne, in der Schar weiß-purpurner Würdenträger erspähte ich im Vorüberfahren Manius, der wirklich und wahrhaftig eine goldene Fahne trug!
    Da es einem Prätorianer nicht anstand, zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd, machte ich stattdessen ein besonders kühnes Gesicht und grüßte kampfeslustig in alle Richtungen.

    Seit den Ludi romani hatte mich der Gedanke, mir wieder eigene Gladiatoren zuzulegen, nicht mehr losgelassen. Ich hatte eine Gladiatorenschule besucht, um mir dort einige der Tirones anzusehen, hatte aber noch keine nach meinem Geschmack gefunden. Denn nicht nur kampfstark sollten sie sein, sondern auch ästhetisch meinen Ansprüchen genügen.
    Aus diesem Grund besuchte ich bei Gelegenheit den Sklavenmarkt, ging zu einigen der besseren Händler und ließ mir ihre Ware präsentieren. Meine Custodes Akadios und Pelias flankierten mich professionell, ließen aber hin und wieder eine Bemerkung fallen, der zu entnehmen war, dass sie dies alles aus ethischen Gesichtspunkten für sehr fragwürdig hielten. Nicht zum ersten mal dachte ich, dass es wirklich ein Fehler gewesen war, meine Liberti damals zu den epikureischen Lehrgesprächen mitzunehmen...


    Trotzdem war ich fündig geworden. Einen glutäugigen dakischen Stammeskrieger hatte ich erworben, und einen athletischen Orientalen (der angeblich ein verbannter Fürstensohn von einer fernen Hochebene war, wo man mit abgerichteten Adlern jagte – wahrscheinlich stammte er eher aus Antiochias Armenviertel, unzählige Sklaven schwafelten ja so gerne von ihrem noblen Geblüt, aber eine schöne Geschichte war es doch allemal). Beide sahen mir nach gutem Gladiatorenmaterial aus, ich würde sie ausbilden lassen und mal sehen wie sie sich machten. Die beiden Neuerwerbungen trotteten, noch mit Handfesseln, hinter mir her.
    Eigentlich hatte ich damit für heute genug eingekauft, doch ein Menschenauflauf machte mich aufmerksam, und über den Köpfen der Menge sah ich auf dem Verkaufspodest... Angus, der Iulier schönen Kelten.


    Wie angewurzelt blieb ich stehen. Der Anblick seiner eingeölten Muskelpracht, das sonnenhelle Haar... ein Anflug von Hitze schoss mir ins Gesicht bei der Erinnerung an mein schmieriges, und vollkommen haarsträubendes, und extrem unwürdiges, am besten nie wieder erwähntes, aber doch sehr, sehr heißes Subura-Abenteuer.
    "Den will ich." sagte ich leise. Und etwas lauter zu Pelias neben mir. "Den will ich. Biete für mich. Ich will ihn haben. Egal was er kostet."
    Selbst vorzutreten, und die Stimme zu erheben, das wollte ich nicht, denn mich plagte die fixe Befürchtung, Angus würde mich ansehen und rufen 'Oh, salve, bist du nicht der Pathicus, der im Hinterhof mir mir rumgemacht hat?'
    Pelias war aber nicht einverstanden.
    "Serapio, das möchte ich wirklich nur sehr ungern tun. Schon die Jagd nach dem entlaufenen Mundschenk ging für uns hart an die Grenze. Aber auf einen Menschen zu bieten wie auf ein Stück Vieh? Ich selbst stand einmal auf einem solchen Podest. Es ist eine Qual. Flüchtige Gebilde sind wir alle, und die Bestandteile, aus denen der Körper dieses Sklaven zusammengesetzt ist, von dem wiederum seine Seele verströmt, sind in ihrer Natur keineswegs verschieden von denen, die..."-
    Oh diese Liberti raubten mir noch den letzten Nerv!
    "Nicht jetzt, Pelias." schnitt ich ihm das Wort ab. "Tu es meinetwegen ungern aber tue es. Sieh ihn dir an, er ist ein Löwe unter Pudeln. Soll er in einer Baugrube enden? Also tu es. Jetzt. Bitte."
    Pelias und Akadios sahen mich vorwurfsvoll an, aber Pelias trat dann, obschon widerstrebend, doch nach vorne und bot:
    "Fünfhundert!"


    Eine flavische Dame hatte ebenfalls bieten lassen. Ich sah nur ihre Prunksänfte und hoffte, dass ihr Interesse nicht allzu weit ging... durch Manius hatte ich eine vage Vorstellung von dem unverschämten Reichtum dieser Patrizier (die ja noch dazu viel zu lange das Steuern-zahlen fein uns Plebejern überlassen hatten).
    Aus der Menge der Interessenten und der Schaulustigen prasselten derweil von allen Seiten die Fragen auf dem kahlköpfigen Händer ein.
    "Kann er kämpfen? Lass ihn was vorführen!"
    "Spricht er Latein?"
    "Er soll mal seine Zähne zeigen!"
    "Ist er wild eingefangen? Kooperiert er, oder braucht er noch die Peitsche?"

    "Schscht..." gebot ich seinem (halbherzigen!) Protest Einhalt und machte weiter mit dem, was ihm ganz offensichtlich gefiel. Es war wie einen Löwen zu streicheln, der Triumph, das wilde Geschöpf zumindest für den Augenblick gezähmt zu haben, gemischt mit dem prickelnden Hauch der Gefahr, dass es sich jeden Augenblick umentscheiden und zubeißen könnte...
    In der dunklen Hinterhof-Ecke drückte ich mich an ihn, umfasste mit der freien linken Hand fest seinen Nacken, grub die Finger in das Blondhaar und atmete seinen Geruch, die Wärme seines Atems, wenn die kundigen Bewegungen meiner Rechten seinen Lippen die schönen Geräusche der Verzückung entlockten. Eine stolze Pracht hatte sich unter meiner Hand erhoben. Selbst heiß entflammt, presste ich meine Lenden hart gegen die des Barbaren, fand zugleich mit den Lippen die seinen und küsste ihn gierig, bis sein Mund sich unter dem meinen öffnete. Ich suchte mit meiner Zunge die seine, schmeckte die Cervisia von eben, trank die Seufzer von seinem Mund...

    Überfordert von so viel Tränen setzte ich mich neben Valentina, legte leicht den Arm um sie und streichelte freundschaftlich aber doch recht hilflos ihre zuckenden Schultern.
    Auch ich verstand noch immer nicht, was da los war. Da hatte ich nobel das Feld geräumt für das junge Glück, und dann so was? Vielleicht war Casca die ganze Hochzeitssache doch über den Kopf gewachsen.
    "Dieser Leichtfuß, dieser elende Hallodri!" zürnte ich – und schämte mich dann sofort dafür, denn ich selbst war ja auch nicht besser.
    "Er fürchtet wohl, dass Erbschleicher seine Mutter umschwärmen und ihr den Familienbesitz abluchsen. Vielleicht wollte er dich nicht den Gefahren der Reise aussetzen. Seeräuber, Stürme, verdorbenes Essen..."
    Ich kramte ein sauberes Taschentuch hervor und reichte es Valentina.
    "Ich bin ja da."

    "Als vierter fährt ein.."
    fuhr der dicke Praeco mit der Vorstellung fort, unbeirrt davon, dass wieder ein ganz leichter Nieselregen eingesetzt hatte. Seine Stimme trug weit über den Platz, während der nächste Bigafahrer seine Runde drehte.
    "...Aulus Furius Saturninus! Primicerus am Kaiserhof, und doch alles andere als ein Schreibtischtäter! Zum ersten Mal dabei beim Equus October, startet Furius Saturninus für die siegreichste alles Factiones – die Factio Veneta!"

    An dieser Stelle mußte der Praeco innehalten, weil die Jubelrufe der Factioanhänger schier ohrenbetäubend waren. Als sie verklungen waren, sprach er weiter:
    "Furius Saturninus, der – einige junge Damen fragten mich bereits danach – übrigens noch ledig ist, tritt mit seinem eigenen Gespann an. Sein Leitpferd ist Minos, ein kappadokischer Hengst, neben ihm der Lichtfuchs Malachit."





    [Blockierte Grafik: https://i.postimg.cc/63TVT5XQ/eo3.jpg]

    "Zu Ehren des Mars, unseres Stammvaters, treten heute am ihm geheiligten Tag an..."
    so setzte der dicke Praeco (der eigentlich den Namen Calpetanus trug) mit weit tragender Stimme an.


    "... Lucius Vitellius Victorius für das Stadtviertel des Quirinal. Im letzten Jahr auf dem zweiten Platz! Bekannt für seinen unbändigen Siegeswillen, hat er unablässig trainiert, um dieses Jahr den ersten Platz zu Ehren des Mars zu erringen. Vitellius Victorius, Sohn des Senators Vitellius Molo, tritt mit seinem eigenen Gespann an, und fährt zwei gallische Hengste, beides Abkömmlinge des berühmten Rennpferdes Fulmen."
    Gleich der erste der Teilnehmer begnügte sich nicht mit einer langsamen Präsentationsrunde – aus dem Stand ließ er seine Pferde angaloppieren, preschte die Bahn entlang, zügelte die Pferde so scharf, dass sie sich aufbäumten, hielt dabei lässig seine Biga im Gleichgewicht. Entzücktes Kreischen brandete auf, der gutaussehende Senatorensohn hatte offenbar eine große Anhängerschaft besonders unter den jungen Damen der Stadt. Sein Gespann war prunkvoll, gezogen von zwei muskulösen Rappen.


    "Als nächstes fährt ein: Publius Papius Sufenas von der Vereinigung der Goldschmiede der Trajanischen Märkte! Familienvater und Inhaber von 'Helenas Schmucktruhe'. Sein Herz gehört dem Rennsport, seine Erfahrung ist legendär, und so fordert der Senior dieses Jahres die jungen Kontestanten noch einmal heraus!"
    Der zweite Fahrer ließ es langsamer angehen. Er war ein Herr in den besten Jahren, fuhr ein Gespann mit einem stämmigen Braunen und einem langbeinigen Schimmel, die optisch – gerade nach den Prachtrössern des Vitellius Victorius – eher wenig hermachten. Wer genau hinsah, konnte jedoch bemerken, wie gut eingespielt die drei waren, die Pferde gingen perfekt im Gleichtakt und reagierten prompt auf jedes noch so kleine Signal ihres Lenkers. Papius Sufenas winkte freundlich in die Menge und erntete freundliche Zurufe.


    "Der dritte Teilnehmer ist Marcus Autronius Tubertus, Fuhrmann seines Zeichens, einfacher Bürger vom Aventin, ein Mann aus dem Volke! Lasst euch nicht verwirren, verehrte Zuschauer, obwohl er einen blauen Mantel trägt, fährt Autronius Tubertus nicht für die Veneta. Was es mit dem Mantel auf sich hat? Den hat ihm seine Verlobte als Glücksbringer gewebt.
    Autronius Tubertus selbst hat mir berichtet, wie er bereits als kleiner Junge davon geträumt hat, eines Tages die Ehre zu haben, hier anzutreten. Durch die Unterstützung vieler Bürger des Aventin, die alle zusammengelegt haben, ist sein Traum heute wahrgeworden. Doch kann er auf einen Sieg hoffen? Die Konkurrenz ist hart!"

    Der Mann aus dem Volke lenkte zwei sehnige braune Wallache - einer sehr dunkel, einer hell - sorgfältig und akkurat. Er trug bereits seinen gepolsterten Lederhelm, wirkte etwas schüchtern und winkte nur kurz. Seine Unterstützer hingegen waren sehr zahlreich und machten einen riesigen Radau.




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    Eine böse Zunge hatte mir einmal nachgesagt, ich würde das Bigafahren nur betreiben, um Gespielen abzuschleppen. Das war natürlich gelogen, ich liebte den Rennsport über alles! Wie herrlich war es, so dahin zu brausen. Der frische Fahrtwind wehte mir um die Nase, und einige goldene Sonnenstrahlen tasteten sich über den Horizont, verliehen den Wipfeln der Pinien einen smaragdgrünen Schimmer. In der Ferne, am Wegschrein, da war tatsächlich eine Gestalt auszumachen... ein Mann in Rot. Ich hielt auf ihn zu, der Mann hob grüßend die Hand, und ich erkannte frohlockend – unglaublich, er war es! Ich zügelte die Pferde und brachte die Biga vor ihm zum Stehen.
    "Marsyas!" Strahlend sah ich ihn an. "Was für eine Freude, dich zu sehen! Ich war mir schon nicht mehr so ganz sicher, ob du real bist oder nur... ein Wunschtraum rauschhafter Seligkeit. Komm, steig ein!"
    Die Zügel nahm ich in die Linke, und bot ihm die Rechte zum Einsteigen. Die Locken waren ab, das sah ich, und der malerische rote Mantel, den er um sich geschlagen hatte, erinnerte mich an die Figuren auf einem heroischen Wandbild im Kaiserpalast, von der Schlacht an den Thermopylen. Bei den Wachinspektionen auf dem Palatin kam ich daran häufiger vorbei.
    "Bei Diana und allen ihren Hunden, ich schwöre, du siehst aus, als wärst du direkt aus einem Fresko herausgetreten, von König Leonidas und seiner heiligen..." Ups, nein, da hatte ich etwas verwechselt, wie kam das bloß? "...ähem, ich meine natürlich tapferen Schar."
    Ein bisschen zerschlissen war sein Gewand, sogar ein bisschen sehr, und erstaunt bemerkte ich, dass er zudem barfuß ging. Bei der herbstmorgendlichen Kühle fand ich das sehr asketisch... und kam mir angesichts dieser Schlichtheit mit einem mal unangenehm dekadent vor, und vielleicht sogar etwas eitel, mit meinen punzierten Calcei und überhaupt dem ganzen Gepränge.

    Valentina war umgeben von ihrer Vertrauten und ihrem kleinen Schoßtier – das so klein gar nicht mehr war, sondern ordentlich gewachsen in der Zwischenzeit.
    Als sie den Kopf hob und mich ansah, mit ihren verweinten Augen, trostlos, da wurde mir ganz elend ums Herz. Auch ich hatte ihr einmal einen solchen Kummer bereitet, und machte mir deswegen noch immer große Vorwürfe, und nun war sie schon wieder, und das ausgerechnet durch meinen Cousin, mit zerschlagenen Hoffnungen allein zurückgelassen worden. An ihrer Stelle würde ich alle Decimer in die sizilianischen Schwefelminen wünschen! Es war ein Zeichen ihrer noblen Gesinnung, dass sie mich überhaupt noch empfing.
    "Valentina. Amica. Carissima. " Meine Stimme war ganz kratzig. Ich nahm ihre Hände in meine, führte sie an die Lippen und drückte einen verehrungsvollen Kuss darauf.
    "Meine Liebe. Meine Arme. Was ist denn passiert? Habt ihr euch gestritten?"