Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    In meinem Officium in der Principa erwartete ich also den trauernden Hinterblieben. Natürlich hatte ich alle geheimen Unterlagen beiseite geräumt. Die großen Karten hingen sowieso im Nebenzimmer. Der Raum war nur funktionell, ich hatte nie Mühe darauf verwendet, ihn repräsentativ zu machen, anders als damals in meinem Präfekten-Officium. Auf dem Schreibtisch stand noch immer das Modell des innovativen neuen Geschützes "Stachelschwein", daneben lag das glattgestrichene Stück Papyrus, das ich in der Stube des verblichenen Optios gefunden hatte. Am Rüstungsständer in der Ecke hing meine Paraderüstung, aus den Augenwinkeln immerzu an eine dunkle Gestalt erinnernd. Das Fenster stand einen Spalt offen, vom Campus her waren aus der Entfernung die üblichen Geräusche des Drills zu vernehmen.


    Ich hatte damit gerechnet, dass die Jahre Dives' Glanz abgestumpft hätten, doch als er dann hereintrat, war es nicht anders als früher. Veilchenblaue Augen, güldenes Haar, ein stolzes Antlitz über dem ihn sehr gut kleidenden Trauergewand, etwas markanter war er geworden, doch noch immer hätte er jederzeit Modell für seinen meistverehrten Gott stehen können, kurz: Dives war und blieb das reine Unheil!
    Wenn ich eine Rangliste angelegt hätte, welche fatalen Schönen mich in der Vergangenheit zu den den fatalsten Torheiten und allernärrischsten Idiotien getrieben hatten, dann hätte Marcus 'Dulcis' Dives unangefochten ganz oben auf der Liste gestanden, noch vor Manius. Vorsicht war geboten bei ihm, und das noch immer. Zugleich gab es gemeinsame Erinnerungen, die ich um keinen Preis der Welt hätte missen wollen.


    Ich stand auf, und kam hinter meinem Schreibtisch hervor, um ihm die Hand zu drücken. Aber vorsichtig. Er hatte mir nicht geantwortet, auf meine Nachricht nach Bovillae hin. Ich nahm an, dass ich ihm damit wohl zu nahe getreten war, aber etwas gekränkt war ich schon, dass der an Worten so Überreiche für mich nach meiner Rückkehr aus Nabataea nicht ein einziges hatte übrig gehabt.
    "Salve Senator Iulius Dives." flüchtete ich mich aus der Befangenheit in pure Förmlichkeit und nüchternen Bericht. "Bitte nimm doch Platz."
    Ein Besucherstuhl, der dem meinen an Höhe genau gleichkam, stand für ihn bereit. Seinen Begleiter musterte ich kurz, wies diesem dann mit einer Handbewegung eine einfachere Sitzgelegenheit zu.
    "Möchtest du einen Schluck trinken?"
    Ein Krug mit trockenem Caecuber stand bereit, und wenn er es wünschte, würde ich ihm einen Becher einschenken. Ich brauchte jedenfalls einen.
    "Mein Beileid zu eurem Verlust. Optio Iulius Labeo ist heute morgen von seinen Kameraden tot aufgefunden worden. Er lag in seinem Bett in der Stube, ist wohl auch dort verstorben. Es gibt... keine Verletzungen, keine Kampfspuren, kein Zeichen dass jemand sich Zugang zu seiner Stube verschafft hätte. Der Medicus hat auch nichts ungewöhnliches feststellen können. Gestern Abend haben seine Leute den Optio zuletzt gesehen, da wirkte er erschöpft vom Training, aber sonst vollkommen normal. Natürlich... macht das hellhörig, angesichts der grausamen Morde neulich an zweien deiner Verwandten, aber... so wie es sich darstellt, weist hier erst einmal nichts auf eine Fremdeinwirkung hin."
    Und es gab ja doch leider immer wieder Fälle, in denen Menschen entweder mitten aus dem Leben heraus der Schlag traf, oder sie unmerklich aus dem öffentlichen Leben verschwanden, als würden sie verblassen, und man erst Monate später erfuhr, dass sie einer namenlosen Krankheit erlegen waren.
    "Was allerdings merkwürdig ist..." Ich schob ihm das Papyrus herüber, das stark nach Testamentsentwurf aussah. Ich war es den Iuliern schuldig, die Karten auf den Tisch zu packen.
    "...ist das hier, das lag in seiner Stube, zerknüllt. Außerdem war er vorgestern in der Stadt unterwegs, und ließ wohl gegenüber einem Kameraden verlauten dass er zum Vestatempel wolle."
    Nachdenklich fasste ich Dives ins Auge.
    "Hat er euch gegenüber etwas anklingen lassen? Feinde? Bedrohung? Ein Todeswunsch? Irgendeine Krankheit, die er vor uns verheimlicht haben könnte?"

    Das Deklamieren und das Gespräch machten mir eine Menge Spaß, und ich verstand gar nicht, warum mein Icarion auf einmal so unentspannt schien. Begütigend legte ich ihm in vertrauter Geste eine Hand auf den Unterarm und bremste seine Kampfeslust.
    "Beide Stücke sind unvergleichliche Kunstwerke. Sie stehen für sich, genauso wie die griechische Literatur eben ihre Blüte in der Vergangenheit hatte und unsere römische heutzutage."


    Wie der Jüngling Tiberios errötete, auf die Frage nach seinen Auftritten, diese Mischung von Freimut und Scheuheit, das war allerliebst anzusehen. Auch wenn er nur ein Sklave war, so konnte ich die Freude, die große Freude, von der er sprach so gut nachvollziehen... Und was für eine Augenweide noch dazu! Ein wenig schmal war er zwar für meinen Geschmack, doch das Funkeln seiner Augen und die elegante Neigung seines Nackens, in die sich ein paar goldbraune Löckchen schmiegten verströmten einen süßen Reiz.
    Ich lachte auf, als er zugab, sich bei den Ludi an mein Gefolge gehängt zu haben.
    "Hahaha, Schlitzohr!"
    Aber nein, ich schüttelte den Kopf und kramte in meiner Erinnerung, nicht mit den Ludi verband ich ihn, sondern...
    "Hm..."
    Auf eine selbstverständliche Weise streckte die Hand nach ihm aus, fasste sein Kinn, und ließ ihn den Kopf zur Seite wenden, um mir sein Profil anzusehen.
    "Hm... Ah, heureka, ich habs!" Spielerisch ließ ich die Rückseite meiner Finger flüchtig über seine Wange streichen, als ich meine Hand zurückzog.
    "Du erinnerst mich an jemanden aus Alexandria. Seltsam, es ist eine Ewigkeit her." Ich meinte auch, bei Tiberios eine ganz leichte alexandrinische Klangfärbung zu vernehmen, wenn er sprach. Vielleicht lag es daran?
    Ich lehnte mich zurück, gegen einen Pfeiler der Laube, und erzählte den beiden, in Erinnerungen schwelgend:
    "Ich war damals in Alexandria stationiert. Also, um genau zu sein, in Nikopolis, bei der XXII. Eines Tages begab ich mich in die sagenumwobene Bibliothek des Museion, um vor einem Feldzug in den Süden – es ging gegen die Blemmyer – etwas Recherche zu betreiben. Es hieß ja, sie wären kopflose Monstrositäten, die Münder und Augen auf der Brust tragen! Die Bibliothek ist natürlich gigantisch. Ein Bibliothekar kam mir damals zur Hilfe, ein junger Mann von geschliffener Sprache und exzellenten Manieren, der das ganze Labyrinth der Schriften wie seine Gürteltasche kannte. Es war beeindruckend, und hat bei mir wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Erst später habe ich dann erfahren, dass das der Epistates tou Mouseion höchstpersönlich gewesen ist. Nikolaos Kerykes hieß er. Ja, an den hast du mich erinnert, Tiberios, lebhaft, obgleich du ungleich mehr Zauber der Jugend besitzt – der Keryke war kränklich und früh ergraut."

    | Decimianus Icarion


    Mit einem sanften Lächeln hatte Icarion zugesehen und zugehört, wie die beiden Freunde der Kunst sich mit dem Dialog vergnügten. Sein Urteil behielt er freilich für sich. Hauptsache der Patron war glücklich. Doch als Tiberios in der Frage Medea vs Jason sowie Seneca vs Euripides entbrannte, und in Icarions Ohren ausgesprochen vorlaut tönende Reden schwang, da trat eine gewisse Anspannung in das Lächeln, wenn auch kaum merklich, eine abfällige Note, wie Schierling in Honig.


    "Besser sagte ich, aber doch nicht gut." verteidigte er sich vordergründig heiter gegenüber Serapio.
    "Reine Helden oder..." – mit einer Geste zu Tiberios – "Heldinnen sucht man natürlich in beiden Stücken vergeblich. Dabei arbeitet Seneca den Iason viel mehr als Realpolitiker heraus, während die Kindsmörderin in beiden Stücken gleich greulich ist. Auch bei Euripides bleiben die Kinder lediglich tragische Opfer."
    Er fasste Tiberios ins Auge wie ein Bogenschütze die Zielscheibe.
    "So bittet Jason die Medea: 'Laß zum Bestatten, zum Betrauern die Leichen mir.' Sie aber antwortet: ' Mitnichten! Meine Hand begräbt und übergibt / Sie dort geweihtem Boden bei der Hera Burg, / Damit sie meine Feinde nicht mißhandeln und / Ihr Grab umwühlen.' Daraus eine Verwandlung in Heroen abzuleiten erscheint mir eine recht eigene Interpretation."




    Mit dem Gedanken, dass ich nun wohl besser nach Hause gehen und ein Bad in wohlriechenden Essenzen zusammen mit einem ebenso wohlriechenden Libertus nehmen sollte, schob ich meinen Mantel über die Schulter, wollte mich schon zum Gehen wenden, hielt dann aber doch noch ein letztes Mal Ausschau nach dem goldenen Barbaren... und fand mich auf einmal von hinten gepackt und gegen die Mauer gepresst, wie von einer Schraubzwinge. Mein erschrockenes Japsen wurde erstickt von einer schwieligen Hand, die mir den Mund verschloss. Der Angreifer hatte mich kalt erwischt, und er war enorm stark. Zu Tode erschrocken glaubte ich tatsächlich im allerersten Moment, das mörderische Rabenaas Sciurus sei dem nassen Grab entstiegen, um sein Werk zu vollenden und mich doch noch zu erdrosseln, krallte die Hand in den mich umschlingenden Arm, um meine Kehle zu schützen und versuchte instinktiv den Mund frei zu bekommen.
    Die Stimme, die an mein Ohr drang, war aber nicht die des albtraumhaften Garotteurs, es war die des schönen Kelten... Der anscheinend nicht auf mein Leben aus war, sondern auf etwas ganz anderes. Bona Dea! Ich sollte vorsichtiger sein, mit dem was ich mir wünschte. Seine Nähe war mir ja nun beileibe nicht unwillkommen, aber solche brutalen Spiele waren nicht nach meinem Geschmack! Ungestümer Wilder!
    Als er einen Arm von mir löste, und damit begann, sich auf Touren zu bringen, sah ich meine Chance gekommen, umgriff sein Handgelenk, die Fingerspitzen genau dahin bohrend wo es weh tat, gab seinem mich umschlingenden Arm einen kleinen Dreh-Impuls und wand mich nach unten aus seiner Umklammerung heraus, tauchte zur Seite weg und rappelte mich zwei Schritt weiter wieder auf, tief einatmend – wie köstlich die stinkige Luft hier doch sein konnte!
    "Wer wird denn gleich grob werden?" Ich lachte, erleichtert nach dem ausgestandenen Schrecken, und klopfte mir eine Wolke von Mauerstaub von der Tunika. "Ein Adonis wie du, Angus..." wobei ich wieder auf ihn zutrat, und die Hand nach ihm ausstreckte, "bekommt doch auch so alles was er will." Meine Hand wanderte zu der seinen, die eben noch so hektisch auf und ab gegangen war, und umfasste sie. Ich warf einen Blick zu beiden Seiten – wir waren für den Augenblick zumindest allein in dem Hinterhof. Das war hier gerade... sehr verboten und sehr aufregend...
    "Lass mich mal." forderte ich ihn kokett auf, schob seine Hand sanft aber bestimmt beiseite, und ließ die meine unter dem Saum seiner Tunika verschwinden, in der Absicht ihm ein wenig behilflich zu sein.

    Am Tag des Equus October:
    Graue Wolken lagen über der Stadt. Am Morgen war ein Regenschauer niedergegangen. Der Sand der Rennbahn auf dem Marsfeld war noch feucht.
    Auf der Tribüne, die neben der Bahn errichtet worden war, eilten einige Sklaven umher und rieben eilig die Sitze trocken. Doch trotz des mässigen Wetters belebte sich das Marsfeld schon zu früher Stunde. Arm und Reich, Alt und Jung, alles drängte sich, um einen Platz mit guter Sicht zu ergattern. Die meisten mussten natürlich stehen. Sänften und Tragsessel zogen wie Schiffe ihre Bahn über die Köpfe der Menge.


    Das langgestreckte Oval der Rennbahn war mit Pollern und Seilen abgegrenzt, lediglich an den Stirnseiten auch mit einer Bretterbande. Diese, ebenso wie die Seiten der Tribüne waren, obschon erst kürzlich gezimmert, bereits über und über mit Graffiti bedeckt, gekritzelte Darstellungen der Fahrer, Lobpreisungen und Schmähungen, und herzhafte Ausdrücke der Rivalitäten zwischen den verschiedenen Factiones, Stadtvierteln und Händlervereinigungen, die heute hier mitmischten.
    Am Rande des Marsfeldes wiederum standen allerlei Verkaufsbuden, wo man Getränke, schnelles Essen auf die Hand oder auch bunte Tücher zum Winken in den Factiofarben erwerben konnte... Auch fliegende Händler waren unterwegs und priesen aufdringlich ihre Waren an.
    Wetten wurden abgeschlossen und todsichere Tipps ausgetauscht. Gerade zog ein Gerücht durch die Menge – man habe heute Morgen eine Fluchtafel vergraben im Sande gefunden! Doch gegen wen sie sich gerichtet habe, da gingen die Meinungen auseinander.


    Die Fahrer, die heute zu Ehren des Mars mit ihren Gespannen antreten würden, sammelten sich bereits am Startpunkt. Ein würdevoller Herr vom Cultus Deorum winkte nachlässig mit dem Digitus salutaris, und daraufhin erhob sich der allseits beliebte städtische Ausrufer, meist nur "der dicke Praeco" genannt, unverwechselbar durch seine enorme Leibesfülle und seine volltönende Stimme. Er wischte sich einen Regentropfen aus dem Gesicht, hob in schöner Rednergeste die Hand, holte tief Luft und bedeutete dem ersten der Teilnehmer, eine langsame Runde um die Bahn zu fahren, um sich der Menge zu präsentieren, während der Praeco ihn vorstellte.





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    Das Prätorianergeschäft konnte sehr einsam sein. Von Zeit zu Zeit war mir das ganz besonders bewusst. So war es zum Beispiel an diesem Abend gewesen, als ich nach den Geschäften des Tages noch in meinem Officium über den neuesten Berichten gehangen hatte und in Gesellschaft eines herben Caecubers versuchte hatte, mit einem Plan der Stadt, Nägeln und einer Menge Garn die vielfältigen Verstrickungen der Christianer dieser Stadt (rotes Garn), mutmaßlicher Christianer (orangenes Garn) und des Sympathisierens Verdächtiger (gelbes Garn) sichtbar zu machen...
    Meine Leute waren auf der Spur der enervierenden Wohltäterin der Waisen einem brandheißen neuen Christianernest am Aventin auf die Schliche gekommen. Dadurch ergaben sich nun wieder Verbindungen, Verdächtige und neue Observationsziele, so dass mir langsam aber sicher die Leute ausgingen, um der Sache mit dem gebührenden Nachdruck nachzugehen.
    Natürlich hätte ich einen der anderen Tribune hinzuziehen können, doch ich traute den wenigsten von denen auch nur einen Handbreit, vermutete noch immer einen Maulwurf unter uns, und war mir außerdem ausnahmslos sicher, dass ein jeder von ihnen versuchen würde, mir etwaige Lorbeeren zu stehlen.
    Aus einem Impuls heraus war ich statt dessen am Officium des Centurio Octavius Maro vorbeigegangen. Ich kannte ihn von den gemeinsamen Stabsbesprechungen mit den Urbanern, zudem hatte er sich kürzlich einen Namen als Schrecken ruchloser Subura-Mörderbanden gemacht.
    Bei ihm brannte noch Licht. Ich trat ein und schlug ihm eine Kooperation vor...


    So kam es, dass wir beide nun in gedecktem Zivil, die Waffen gut verborgen, in stockdunkler Nacht am Aventin unterwegs waren. Vorüber an den langgestreckten Lagerhäusern am Tiberufer ging es, dann in ein Wohnviertel.
    "Das ist es." bezeichnete ich ihm schließlich mit gedämpfter Stimme das stattliche Domus.
    "Die Casa Didia, das Christianernest."
    Verborgen im tintenschwarzen Schatten einer überhängenden Hecke betrachten wir das Haus. Die Leute, die ich zur Observation abkommandiert hatte, sah ich natürlich nicht, sie verstanden ihr Geschäft.

    Am bezeichneten Tag lenkte ich meine Jagdbiga die Via labicana entlang. Es war der dritte meiner Streitwägen, technisch enorm ausgereift, nicht nur auf Schnelligkeit sondern vor allem auf Geländegängigkeit ausgerichtet. Mit extragroßen Rädern, einer Art "Federung" des Kanzelbodens durch Ledergeflecht, leichten Seitenwänden aus gehärteter Rohhaut über einem Eschengerüst, und nicht zuletzt über und über kunstvoll mit Jagdszenen aus der Mythologie verziert. Angespannt hatte ich heute zwei feurige junge Wallache, Söhne meiner guten Tertia - beide so schneeweiß wie sie geraten - und eines kyrenäischen Hengstes. Mit diesen hispano-kyrenäischen Kreuzungen hatten wir gute Erfahrungen gemacht, sie waren sehr leichtfüßig, trittsicher und verständig, wenn auch manchmal etwas schreckhaft.


    Auch wenn ich mittlerweile im Grunde nicht mehr daran glaubte, dass der mysteriöse Fremde auftauchen würde – wer nahm schon eine dubiose Verabredung im nächtlichen Rausch ernst, und wie zum Henker war ich auf die Verrücktheit gekommen, dass ein Rendez-vous bei Sonnenaufgang eine gute Idee wäre? - so hatte ich doch den ein oder anderen Gedanken an meine Erscheinung verschwendet, und mir zu diesem Anlass einmal wieder ein neues Jagd-Ensemble anfertigen lassen, in Abstufungen von Waldgrün mit eingewebten Ranken und aparten herbstroten Akzenten, eine Farbe die durch das Leder meines Gürtels und die halbhohen Jagdcalcei wieder aufgegriffen wurde.
    Verschnürt in zwei Bündeln an den Rändern der Kanzel lagen die Jagdwaffen und etwas Proviant. Meine treuen Custodes Akadios und Pelias, zum Glück kürzlich endlich von ihrer endlosen Sklavenhatz zurückgekehrt, folgten mir. Akadios ritt einen imposanten silbergrauen Hengst, Pelias eine zähe braune Stute.


    Die Straße verlief neben dem Aquädukt, das von hier aus bis in die Albaner Berge führte. Dort wollte auch ich hin. Hoch spannten sich die Bögen des Bauwerkes in den kühlen Morgenhimmel. Auf der anderen Seite säumten Pinien den Weg. Ich reckte mich, versuchte schon den besagten Wegschrein zu erspähen. Die Spannung wuchs, und es schien mir unwirklich, dass Marsyas, überragender Gefährte einer Nacht voll Seligekeit, tatsächlich auch im Licht des Tages existieren und mir begegnen könnte, an einem ganz normalen Straßenrand, wie ein ganz gewöhnlicher Passant!
    Doch auch wenn er nicht da sein sollte... ich war entschlossen, die Jagdpartie zu genießen. Die letzten Wochen waren mehr als ereignisreich gewesen, nun standen Equus October und Armilustrium vor der Türe, ich musste mal den Kopf frei bekommen. Nur für den Fall, dass er aber vielleicht doch da sein sollte - es ging schließlich nichts über einen gelungenen ersten Eindruck - trieb ich meine Rösser in einen flotten Trab, um formvollendet vor dem Wegschrein vorzufahren.

    Nein, kein Fausthieb war die Antwort – ich entspannte mich. Stattdessen begann er seinerseits zu flirten. Ich nahm zumindest an, dass er das tat
    "Das kann ich mir lebhaft vorstellen!" rief ich wahrheitsgemäß, und sah den schönen Barbaren vor meinem inneren Auge, hochaufgerichtet auf einem Streitwagen von zwei zottigen Riesenrössern gezogen, seine Hünenstatur von blauer Kriegsbemalung apart betont.
    Leider verabschiedete er sich dann aber abrupt zur Latrine. Ich widmete mich meinem Essen, trank noch einen Schluck... und überlegte, ob ich seine Zeichen falsch gedeutet hatte, und er mir auf seine barbarisch-unbefangene Art im Grund signalisiert hatte, ihm zu folgen?


    Unschlüssig aß ich noch einen Bissen, doch dann sagte ich mir einmal wieder Fortes fortuna adiuvat, erhob mich, strich meinen Mantel zurecht, um den Pugio weiter zu verbergen, und zahlte bei der vierschrötigen Dame des Hauses am Tresen. Darauf nahm ich den Weg durch einen dunklen Hausflur zum Hinterhof, wo es deutlich nach Latrine stank.
    Fast wäre ich über eine abgetretene Stufe gestolpert. Die Mauern waren brüchig, und irgendwelches Gerümpel das da herumlag, war schemenhaft auszumachen. Den Kelten sah ich gerade nicht, und ich begann mich zu fragen, was ich hier eigentlich veranstaltete... drückte mich in schmierigen Subura-Winkeln herum, einem Sklaven nachstellend, wie die Karikatur eines pathicus...

    Hier war mehr Expertise gefragt. Ich ließ mir Medicus Vibius, den Leiter des Valetudinariums kommen. Er war ein nervöser Mann, immer den Kopf zwischen den Schultern vergraben, stets in Eile.
    "So kann ich gar nichts sagen." murrte er, nachdem er den Leichnam im Bett begutachtet hatte, ihn hin und her wuchtend, nicht anders als handle es sich um einen Sack Zwiebeln.
    "Erstens brauche ich mehr Licht. Zweitens, Tribun, die Toten geben ihr Geheimnis nicht so einfach preis. Wenn du wirklich Antworten willst, dann muss ich schon reingucken."
    "Wie bitte?"
    "Aufschneiden."
    "Ausgeschlossen!"
    Was wenn sein Totengeist sich rächend an unsere Fersen heften würde?! Außerdem war es verboten. Und zudem – davor graute mir tatsächlich in diesem Moment spontan noch viel mehr – Dives würde mir den Kopf abreißen! (Dass Iulius Dives zurückgekehrt war, seinen Platz als Oberhaupt der Iulier wieder eingenommen hatte und bereits als der kommende Praetor gehandelt wurde, war kein allzugroßes Geheimnis mehr.) Aber das würde er vielleicht sowieso. So hinreißend mein Ex war, ebenso nachtragend war er auch.... und er hatte ein sehr gutes Gedächtnis.


    "In meiner Zeit in Alexandria haben wir damit wirklich gute Erfahrungen gemacht, Tribun. Wir konnten so viele Erkenntnisse gewinnen! Einmal haben wir zum Beispiel eine frische Wasserleiche auf den Tisch bekommen, ein Mädchen von dem angenommen wurde, es habe sich ertränkt, als wir jedoch die Brust öffneten...-"
    Vibius' Augen leuchteten, doch ich schnitt ihn energisch das Wort ab.
    "Wir sind hier in Rom. Nicht in Alexandria." Und war es nicht sogar dort streng verboten?
    "Es kommt nicht in Frage, Medicus, basta. Nimm die Leiche mit ins Valetudinarium, sieh ihn dir bei Licht an, lass ihn aufbahren. Aber bleib ihm mit deinen Messern vom Leib."
    Enttäuscht fügte er sich.


    Ich rieb mir die Schläfen, meine Kopfschmerzen waren stärker geworden. Ich öffnete das Fenster. Es ging hinaus auf die Mauer der nächsten Baracke, dazwischen wuchs etwas vergilbtes Gras. Keine Spuren.


    Ich beschloss zu delegieren. Ließ eine Wache vor der Stube und begab mich in mein Officium, wo ich einen Becher verdünnten Wein trank, und dazu ein paar Blätter Khat kaute. (Denn wohlgemerkt lehnte ich nicht alles aus Alexandria ab, bei weitem nicht, ich hatte ausgesprochen reizvolle Erinnerungen an diese Stadt.) Die belebende Wirkung hatte schon eingesetzt, als der einbestellte Miles Nasica bei mir erschien. Seine Physiognomie erinnerte an einen traurigen Hund, und nicht nur optisch war er ein verteufelt guter Schnüffler. Wenn er nicht dieses Problem mit Autoritäten gehabt hatte – sehr unglücklich das, als Soldat – wäre er wahrscheinlich selbst längst Tribun...
    Ich trug ihm auf, die letzten Tage im Leben des Optio Iulius zu rekonstruieren und machte mich dann widerwillig an meine nächste Pflicht - die Familie zu informieren. Um genau zu sein: Dives.



    https://www.imperium-romanum.i…?postid=927310#post927310

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    Ein Soldat, unschwer als Prätorianer zu erkennen, pochte an der Porta des Hauses und gab eine versiegelte Botschaft ab.
    "Für den Senator Iulius Dives. Dringend und persönlich."




    Gardetribun F. Decimus Serapio grüßt Senator M. Iulius Dives.


    Es ist lange her, Senator Iulius, und es tut mir leid, Dich nach Deiner Rückkehr nach Rom ausgerechnet mit einer so traurigen Nachricht empfangen zu müssen.
    Dein Verwandter, Gnaeus Iulius Labeo, der erst vor einigen Tagen seinen Dienst als Optio bei uns antrat, ist letzte Nacht überraschend verstorben.
    Du kannst mich jederzeit in der Castra Praetoria aufsuchen. Die Wache wird Dich zu mir geleiten.*


    Vale bene





    Sim-Off:

    *Gehe nicht über Los, gehe direkt in den Thread. ;)

    "Tonto, Kürbiskopf, undankbarer Strolch!" zürnte ich dem Sklaven. "So dankst du es meiner Familie, das wir immer gut für dich und die deinen gesorgt haben? Du wirst schon sehen was du davon hast."
    Bestrafen musste ich ihn natürlich gebührend, auch wenn ich wenig Lust darauf hatte und mir einer gewissen... Mitschuld wäre jetzt zu viel gesagt.... nennen wir es 'Involviertheit' an dem ganzen Desaster bewusst war. Aber die Disziplin der Sklaven musste gewahrt werden.
    "Sperrt ihn in den Keller, bis zu seiner Bestrafung." befahl ich, und wollte mich schon hoheitsvoll abwenden.
    Aber die Casa war nun mal nicht die Castra.
    "Alle Kellerräume sind belegt, Dominus." raunte mir unsere Vilica Rhea diskret zu.
    "Er kommt mir nicht in den Weinkeller." beschloss unsere alte Kellermeisterin Pontia majestätisch.
    "Nicht, dass er die Amphoren leertrinkt!"
    "Und was ist, wenn er mal muss?" piepste Silas' goldiges kleines Schwesterchen unschuldig.
    "Und auch nicht in die Vorratskammer." fuhr Pontia fort.
    "Per omnes deos, sperrt ihn eben in den Holzschuppen!" befahl ich ungnädig. "Argus, kümmer dich drum."
    Der Grobknecht legte seine große Hand auf Silas Rücken und führte den Delinquenten nachdrücklich ab. Ich löste die Versammlung auf und nahm Akadius und Pelias auf einen Becher Wein mit ins Haus, um mir genaueres von ihrer Sklavenhatz berichten zu lassen.

    Na endlich hatten sie ihn erwischt. Ich trat zu meinen treuen Custodes, die ich in der Zwischenzeit mehr als einmal vermisst hatte. Meine besten Leibwächter hatte ich dem dummen Jungen hinterhergeschickt (nicht ahnend, dass es so lange dauern würde ihn zu finden).
    Der Flüchtige selbst sah nicht gerade angemessen zerknirscht aus, eher bockig. Ich würdigte ihn erst mal keines weiteren Blickes und begrüßte Akadios und Pelias dankbar mit Handschlag.
    "Gut euch wiederzusehen. Und?"
    "Am Hafen von Misenum haben wir ihn gefunden. Er hatte auf einem Schiff angeheuert. Ist dann ohne Sperenzchen mitgekommen." berichtete Akadios.
    "Gut gemacht."
    Ich wandte mich zu dem Ausreißer und herrschte ihn an:
    "Was hast du dazu zu sagen?!"

    <<



    Nachdem ich erst meinen feinfühligen Boten geschickt hatte, trat ich nun selbst auf den Plan. Die Müdigkeit der Nachtwache war einem Zustand frenetischer Energie gewichen, Narcissus hatte mich optisch auf Vordermann gebracht, und Icarion mir eine elegante kobaltblaue Synthesis ausgesucht.
    Valentinas Personal kannte mich natürlich und ließ mich ein. Sie sei im Garten, sagten sie, wollten mich melden, doch ungeduldig kam ich gleich mit.
    "Valentina!" rief ich aus, als ich sie erblickte, und ging mit großen Schritten auf sie zu.

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    Im warmen Wasser ausgestreckt, ließ ich mir von Narcissus die Haare mit einer duftenden Essenz behandeln. Seine Finger massierten meine Kopfhaut sehr angenehm, doch darunter rasten meine Gedanken noch immer wild im Kreis.... Casca-Valentina-Graecina-Ich-Valentina... und dann rückwärts und wieder von vorn.
    Icarion war schnell wieder zurück und las mir Valentinas Antwort vor.
    Na also, sie wollte mich sehen! Entschlossen entstieg ich dem Bade, ließ mich einkleiden und machte mich auf den Weg zu ihr.

    Oh je, wenn Manius jetzt alle hinrichten wollte, die die Existenz unserer Götter anzweifelten, dann mußte er nach meiner Schätzung so knapp jeden zweiten Intellektuellen des Reiches ans Kreuz schlagen... Sogar ich hatte meine zweiflerischen Phasen gehabt, nach dem Bürgerkrieg. Aber diese Runde war wohl nicht der geeignete Ort, das zur Sprache zu bringen.


    "Soweit ich weiß..." beantwortete ich seine Frage - ich hasste es, unzureichend informiert zu sein – "gibt es hier mehrere, aus verschiedenen Gemeinden, die sich mit diesem Titel schmücken."


    Mit sorgfältig beherrschter Miene wandte ich mich sodann an die Harpyie an Manius' Seite.
    "Werte Aurelia, was sagt man denn unter der Matronenschaft Roms derzeit über die Christianersekte?"

    Das war ein großer Spaß, mehr als das, ein wahres Vergnügen, ja ich möchte sagen, für mich war es erhebend, mich da hinein zu vertiefen, in die Rolle, in die Verse, mit einem so fantastischen Gegenpart. Meine alte Theaterleidenschaft hatte mich eben wieder gepackt, und begeisterte mich nicht weniger als früher, das Gefühl war nicht anders als... sagen wir mit siebzehn, als ich noch alles für möglich gehalten hatte und mit Philonicus den 'Zwist der Königssöhne' geschrieben und geprobt hatte (im Nachhinein betrachtet leider der hinterletzte Schund).
    Wie sich Medea ihrer Untaten, die sie für mich – für uns! – begangen hatte rühmte, ihre Kälte, wie Eis über dem eruptionsbereiten Vesuv, das war atemberaubend, schaurig schön, von fataler Tragik!
    "Obwohl der feindselige Creo dich töten wollte," hielt ich ihr vorwurfsvoll entgegen,
    "gab er dir das Exil - weil ich ihn mit meinen Tränen überredete!"
    Und dann ergab ein Wort das andere, etwa so:


    Medea:
    "Ich hielt es für eine Strafe: ich sehe, diese Flucht ist ein Geschenk."


    Iason:
    "Solange es dir freisteht, zu gehen, geh und verschwinde von hier!
    Der Zorn der Könige ist immer groß."


    Medea:
    "Das rätst du mir?! Du wartest der Creusea auf – beseitige dieses verhaßte Miststück!"


    Iason:
    "Medea wirft mir Liebschaften vor?"


    Medea:
    "Und Mord und Intrigen!"


    Iason:
    "Welchen Vorwurf kannst du mir schon machen?"


    Medea:
    "Alles, was ich tat!"


    Iason:
    "Das bleibt noch obendrein,
    dass ich auch an deinen Verbrechen schuldig werden soll!"


    Medea:
    "Es sind doch deine, nur deine sind es: wem das Verbrechen nützt,
    der hat es auch begangen!"


    Und so ging das herrliche Streitgespräch weiter, bis zum Ende der Szene, wo die beiden im Zorn auseinander gingen, auf dass das Unheil weiter seinen Lauf nehmen würde.


    Beschwingt ließ ich die Schriftrolle sinken, während die Verse noch in mir nachklangen. Ich bediente mich nochmal an Icarions Becher trank, und bemerkte dann lachend:
    "Per omnes deos, Icarion, hast du nicht behauptet, Iason käme bei Seneca besser weg als bei Euripides? Dabei ist er hier nicht nur ein Schmierlappen sondern ein Heuchler noch obendrein!"
    Grinsend stellte ich den Becher wieder ab.
    "Tiberios, du solltest auf einer Bühne stehen! Oder bist du gar schon öffentlich aufgetreten? Ich meine, von der Werkschau abgesehen. Du kommst mir nämlich irgendwie bekannt vor."

    Kein Zweifel, Charon hatte den Optio letzte Nacht an Bord genommen. Ich murmelte ein Abwehrformel gegen etwaige Flüche und schloss die Finger um die Amulette des Mars und des Serapis, die ich stets um den Hals trug. Dann ließ ich den Signifer rufen, der in seiner Centurie auch kultische Aufgabe wahrnahm. Mit einem Zypressenzweig und Asche aus dem Feuer der letzten Opferhandlung bestrich er Scheitel und Sohlen des Optios, so dass wir ihn nun berühren konnten, ohne dass die Unreinheit auf uns übergriff.
    Ich deckte den starren Körper auf, sah ihn mir an. Blaue Flecken, Totenflecken, alte Narben, aber keine Spur einer tödlichen Verletzung. Keine Kampfspuren, nichts. Ich roch an seinen Lippen – meinte bereits einen Hauch von Fäulnis zu riechen, sonst nichts.
    Ich wandte mich dem Centurio zu.
    "Wie hat er die letzten Tage verbracht?"
    "Er hat viel trainiert, ich hab ihn auf Trab gebracht, Tribun. Die Soldaten haben ihn gut aufgenommen, er wusste wie man mit den Männern umgeht. Ein paarmal war er in der Stadt, zum Haareschneiden, und bei seiner Familie."
    "Böses Blut gegen ihn?"
    "Nein. Naja, das übliche eben, paar Frotzeleien, Tribun."
    Die musste jeder Neuankömmlich von einer weniger angesehenen Einheit über sich ergehen lassen.
    "Neider? Männer mit Hoffnung auf seinen Posten?"
    "Für meine Männer würde ich meine Hand ins Feuer legen, Tribun."
    Was sollte er auch sonst sagen.
    "Aufnahmeriten?"
    Die meisten Centurien pflegten ihre neuen Mitglieder auf ziemlich grobe Weise zu initiieren, pflegten ihre eigenen Traditionen von gemeinschaftlicher Demütigung und anschließend inniger Verbrüderung. (Die ein oder anderen hingen auch der Idee an, aufgrund unseres bisweilen recht düsteren Dienstes eine besondere Verbindung zum Herrn der Unterwelt zu haben, und huldigten ihm - wohl ähnlich wie die Anhänger des Mithras ihrem Sonnengott - in nächtlichen Zeremonien. Ich fand das ziemlich überspannt, aber so war das eben in der Garde.)
    Bei diesen Initiationen war in der Vergangenheit schon einige Male was aus dem Ruder gelaufen, aber das war nie über Alkoholleichen oder mal einen Knochenbruch hinausgegangen. Gestorben war daran – bisher? - noch niemand meiner Leute
    "Soweit war er noch nicht." antwortete knapp der Centurio.


    Iulius' Gladius hing friedlich an einem Nagel an der Wand. Ich sah mir den Raum an, ging seine Sachen durch, strich ein zerknülltes Papyrus glatt, und nahm mit einem Mal Witterung auf wie ein Dachshund vorm Bau:
    das sah mir aus wie der Entwurf für ein Testament! Hatte der Iulius sich etwa die Mors voluntaria gegeben? Oder hatte er seinen Tod herannahen gespürt?

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    Der Morgen dämmerte trüb, und die Luft über unserem geliebten Moloch Roma war rußig vom Rauch der Kochfeuer, als ich auf die Castra zuhielt. Der ganze Komplex mit den gedrungenen Mauern erinnerte an ein fettgewordenes Raubtier, das da über Rom lauerte, und mein Kopf schmerzte von zu viel Massiker am Vorabend.
    Ein Miles meiner Kohorte hastete mir entgegen, seine Caligae schlugen Funken auf dem holprigen Pflaster, seine Miene war verkniffen. Auf den ersten Blick wußte ich: das bedeutete Ärger.
    "Tribun Decimus!" Er stoppte auf dem Absatz, grüßte vorschriftsmäßig, senkte die Stimme. "Miles Ursanius, fünfte Centurie, dritte Kohorte. Unser Optio, Optio Iulius, er ist tot, er hat einfach tot im Bett gelegen."
    So begann also dieser wirklich miese Tag.
    In der Castra steuerte ich die Baracke an, wo ich einen betretenen Centurio Paeonius vorfand. Ich nahm ihn mit hinein. Die Stube des Optios war so wie jede andere, seine Ausrüstung mehr oder minder ordentlich aufgereiht, ein tintenfleckiger Tisch mit Schreibzeug, kaum persönliches. Iulius war ja auch vor einigen Tagen erst bei uns eingetroffen, mit seinem unverschämten Matrosenzopf, aber durchaus einer Menge Potential. Welches sich nun nicht mehr entfalten würde, das stand fest.
    Mausetot lag er auf seiner Pritsche. Die Züge waren schon entstellt, das Kinn zu einer schaurigen Grimasse herabgesackt, der Mund ein dunkles Loch. Ich trat näher, wunderte mich wieder einmal wie schnell der Tod uns verwandelt. In der wahrlich leichenblassen Fratze war kaum noch Ähnlichkeit mit dem Mann, den ich doch fast gestern erst im Sacellum vereidigt hatte.

    Als der Optio beim morgendlichen Antreten vermisst wurde, sandte der Centurio einen Miles ihn zu wecken. Dieser kehrte bald darauf schreckensbleich zurück.
    "Der Optio ist tot."
    "Red keinen Unsinn!" polterte der Centurio, und ging sich selbst überzeugen. Als er aus der Stube trat, war ihm das Poltern vergangen. "Keiner betritt mehr den Raum. Informiere sofort den Tribun."
    Und so geschah es.


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    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/wbrzt324.jpg|Decimianus Icarion


    Am Tag nach der plötzlichen Abreise des Decimus Casca erschien Icarion vor der Casca Quintilia. Er klopfte und übergab dem Personal höflich eine zusammengerollte und versiegelte kleine Notiz für die Hausherrin (die Zeilen waren offenbar hastig verfasst worden), dazu einen Strauß recht schlichter, aber fein duftender roséroter Rosen aus dem Garten der Casca Decima.
    Daraufhin schickte er sich an zu warten, für den Fall, dass die Dame ihm eine Antwort mit auf den Rückweg geben wollte.



    Meine liebe Amica!


    Ich hatte ja keine Ahnung von Cascas Plänen. Ihr wart doch so glücklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Dich das getroffen haben muss. Natürlich möchte ich Dich in deinem Kummer nicht bedrängen, und ich würde es auch verstehen, wenn Du niemanden sehen willst, aber ich würde mich freuen wenn ich Dich besuchen dürfte. Ich möchte für Dich da sein. Wenn es Dir recht ist?


    Vale bene!


    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151217/go4t8imo.png]