Schöne Schultern... wirklich schöne Schultern, für eine Frau... den Blick auf diese ansehnliche, von wohltrainierter Muskulatur konturierte, im Mondschein nass glänzende Körperpartie gerichtet war ich nähergetreten. Und erschrak, wich instinktiv zurück, als auf einmal das Gewand noch weiter hinunterglitt, Isis auf mich zukam und mich mit ihrer unverhüllten Weiblichkeit konfrontierte. Bei Morpheus und Phantasos! Wenn das hier doch ein Traum sein sollte, dann war er aber für jemand anderen bestimmt, nicht für mich.
Irritiert starrte ich auf diese... diese Ausbuchtungen des Fleisches, Makel auf dem ansonsten so wohldefinierten Torso, Weichheit, unschöner Bruch in den klaren Linien kraftvoller Ästhetik - die sich mir entgegenstreckten. Allein die Form, dieses Schwellende, dieses Spitze, das hat so etwas aggressives... Und ganz besonders in Kombination mit den attraktiven muskulösen Partien war es einfach... einfach...brr!!!
Ich unterdrückte ein Schaudern, wandte schnell den Blick zu dem Gesicht der Frau, aber wie sie grinste und mich ansah, und die blitzenden Reisszähne, und diese laszive Aufforderung, ich fühlte mich wie die Maus vor der hungrigen Katze.
Verdattert klappte ich den Mund wieder zu. Das war jetzt wirklich zu viel für mich. Ich bin zwar echt nicht prüde und wenn man in der Stadt in bestimmte Strassen einbiegt, bekommt man auch jede Menge blanke Brüste zu sehen, aber da konnte ich mich wenigstens vorher dagegen wappnen – hier jedoch traf dieser Anblick mich unvorbereitet, und in labiler Gemütsverfassung.
Ich hörte mich lachen, ein peinlich berührtes, abwehrendes Lachen, und dann fiel mir auf, dass dieses Bild mich an eine Statue erinnerte, die ich mal irgendwo gesehn hatte, wo genau und von wem genau wusste ich im Moment nicht – es war jedenfalls eine einheimische Kopie eines griechischen Originals gewesen, namens 'Die verwundete Amazone'.
”Ich denke, äh... Nein, ich denke das ist nicht nötig.” Meine Hände flatterten auf, vollführten eine abwehrende Geste. ”So schlimm scheint's ja nicht zu sein. Zieh das bitte wieder an.”
Ich räusperte mich, und steckte mein Gladius weg. Ein Blick in die Runde offenbahrte, dass meine beiden Gefolgsleute den Anblick offenbar weitaus mehr zu schätzen wussten.
Wenn uns jetzt der Rest der Bande hätte überfallen wollen – der Moment wäre perfekt gewesen! Ach ja, der Rest der Bande.
”Wir gehen”, befahl ich unwirsch, mit einem Blick auf die unübersichtliche, und schaurige Umgebung. Ich bückte mich, hob den Dolch des Toten auf. Um die Leiche sollte sich der Libtinarius kümmern, morgen früh, und dann würde sie bald in der nächsten Grube landen. Die war ja gleich nebenan.
”Milites! Entzündet die Laternen.”
Ich fasste an eine Ecke meines Sagum, und wrang das Schlammwasser heraus. Mir war kalt, ich wünschte mir trockene Sachen zum Anziehen und eine gefüllte Opiumpfeife zum Vergessen. Oder wenigstens eine grosse Amphore Wein. - Die arme Camilla fror offenbar noch viel mehr. Ich befahl dem Soldaten, der noch am trockensten aussah: “Miles, leih dem Mädchen Deine Paenula”, und nahm den Mantel von ihm entgegen.
Auch wenns nicht meiner war, hier bot sich endlich, endlich die Gelegenheit zu einer beau geste. Galant legte ich Camilla den schweren Mantel um die Schultern – ein leichter Geruch nach Rauch entströmte der gewalkten Wolle – und versprach sanft: ”Wir bringen euch nach Hause.”
Isis aber strafte ich mit Missachtung, für den Streich, den sie mir gespielt hatte. Und um den Toten machte ich einen grossen Bogen.
”Pergite!”
Der Laternenschein schwankte, fiel auf brackige Pfützen, Wurzelgewirr, Büschel von Binsen. Die Schlammlöcher vermeidend, steuerte ich den Trupp in die Richtung, aus der wir gekommen waren, wieder auf das Stadttor zu.