ZitatOriginal von Iulia Graecina, Iulius Caesoninus und Iulia Phoebe
Ein wahrer Schönling! Marcella kicherte hell auf bei dieser Beschreibung, wobei sie dies halb hinter dem Fächer verbarg.
Ihre Sitznachbarin gab offen zu, den angesagten Künstler heute zum ersten Mal zu sehen. Da entstand hinter Marcellas heller, bleigeweißter Stirn ein Verdacht: die natürliche Art + das Verkennen der Federn + Polychares noch nie gesehen. Womöglich war ihre sympathische Sitznachbarin aus der Provinz, und ermangelte noch ein wenig des hauptstädtischen Schliffs?
"Die Freude ist ganz meinerseits. Ich bin entzückt, eure Bekanntschaft zu machen.", floskelte Marcella, wobei ein reizendes Lächeln um ihre roten Lippen spielte. Nein, sie war nicht eingebildet, gar nicht, sie pflegte auch Verbindungen außerhalb der Nobilitas. Vorausgesetzt sie waren amüsant. Oder nützlich.
Doch ihr Charme schien verschwendet, denn der stattliche Verwandte an Iulia Graecinas Seite schenkte ihr keineswegs die gebührende Aufmerksamkeit. Er war damit beschäftigt, auf das Stück zu schimpfen, wurde jedoch von der brünetten Iulia Phoebe sogleich zurechtgestutzt. Erneut ging der goldrote Fächer zum Mund, diesmal um ein undamenhaftes Grinsen zu verstecken.
Unversehens war das Stück in vollem Gange. Marcella war gebannt von der brausenden Musik und litt mit Medea. Ihr Gatte war zwar kein Iason gewesen, nein, er hatte ihr zumeist aus der Hand gefressen, und niemals hätte er sich erdreistet, zu versuchen, Marcella "im Zimmer" zu halten. Da genoss die moderne Römerin eben doch ganz andere Freiheiten als die armen Griechinnen zu Euripides' Zeiten. Doch auch ihr Mann hatte die Unverschämtheit besessen, sie zu verlassen, sie ganz alleine zu lassen mit den Kindern. Wenn auch durch seinen Tod.
"Nichtswürdiger Schuft. Ich hätte ihm die Augen ausgekratzt.", urteilte sie nun doch wieder mehr über Iason. Männer, bah, alle gleich!
ZitatOriginal von Decimus Serapio
Ein Zupfen an ihrer Hochfrisur unterbrach Marcellas gewichtige Gedankengänge. Das Zupfen wurde zum Ziepen, es schmerzte.
"Oh! Aua!"
Was war geschehen? Die Spitze einer Fischbeinstrebe des Sonnenschirmchen hatte sich in Marcellas Frisur verfangen, eine Haarnadel fiel, der Reif mit den Feueropalen rutschte auf Augenhöhe und mehrere dunkle Lockensträhnen fielen ungeordnet herab. Was für eine Katastrophe! Erschrocken fing Marcella den Reif auf, bevor er sich ganz verabschiedete und stauchte ihre Zofe zusammen.
"Tölpelin! Sieh was du angerichtet hast! Was für ein Malheur! Halt den Schirm höher!"
"Verzeih Herrin, verzeih, ich bin untröstlich! Ich bin ein dummer Trampel, verzeih, bitte lass es mich richten!", flehte die Zofe, und versuchte die Locken erneut zu bändigen. "Es ist nur Folgendes, Herrin: der Eques hinter uns kann nichts sehen."
"Bah!"
In den Rehaugen blitzte es zornig. Männer hatten hier und jetzt gar keine Vorschriften zu machen!
"Hast du keine Ohren am Kopf? Halt den Schirm höher habe ich gesagt."
Die arme Zofe, so zwischen Baum und Borke, wusste sich keinen Rat und wagte es nicht, ihre Herrin weiter zu erzürnen. Zage wandte sie sich zu dem Eques und seiner Gefährtin, und vollführte eine matte, kleine, entschuldigende Geste, daraufhin hob sie erneut den Schirm über das Haupt ihrer Herrin.