Als alle sich vor dem Fahnenheiligtum versammelt hatten und es Zeit war, trat ich vor die Männer.
"Militees!" ergriff ich volltönend das Wort. Damit meinte ich natürlich sie alle, schließlich waren wir alle Soldaten, wenn auch mehr oder weniger hochrangige.
"State. Ich bin der Tribun Decimus Serapio und werde euch vereidigen." Mich weiter vorzustellen war wohl nicht nötig. Mein Name war bekannt. (Auch wenn die Lügen der Palma-Anhänger, die gründliche Verdrehung der Wahrheit, die dieser Giftmörderklüngel dem ganzen Reich aufgetischt hatte, dazu geführt hatten, dass ich in den Augen vieler Propaganda-Gläubiger leider mittlerweile eher berüchtigt als berühmt war.)
"Militees! Ihr wurdet auserwählt. Zum ehrenvollen Dienst im Herzen des Reiches, in der Garde unseres erhabenen Imperators. Ihr werdet große Ehren erfahren, kostbare Privilegien genießen, und einen Sold einstreichen, um den euch die Kameraden bei den Legionen nur beneiden können.
An euch ist es, euch dessen würdig zu erweisen. Nur die Besten der Besten, nur die Treuesten der Treuesten sind würdig, in der Garde des Kaisers zu dienen. Ich erwarte von euch, Milites, nichts weniger als Exzellenz. Schlampigkeit und Schwäche werden hier nicht geduldet. Wer den Anforderungen nicht genügt, der hat hier nichts verloren." erklärte ich hart, mit der Miene eines Fallbeils, fuhr dann fort:
"Doch ihr, ein jeder von euch, wurde sorgsam ausgewählt – ein jeder von euch hat bereits bewiesen dass mehr in ihm steckt. Darum seid ihr hier! Ihr habt in euch das Potential die hohen Erwartungen die hier an euch gestellt werden zu erfüllen – sie gar zu übertreffen! Ihr werdet über eure Grenzen hinauswachsen! Vorbilder an Kampfeskraft, Disziplin und Loyalität werdet ihr sein, im ganzen Reich bewundert - sowie gefürchtet, von denen die unlautere Absichten hegen. Unsere Pflicht, Milites, unsere Ehre und unsere Freude ist es, den Kaiser und seine Familie zu schützen. Zu jeder Zeit. Und um jeden Preis! Und sei es mit dem eigenen Leben."
Feurig hämmerte ich den Soldaten unsere Grundsätze ein. Ich selbst war schon längst ausgesprochen resigniert was das alles anging, ich war einfach schon viel zu oft von "Treuen" verraten worden, hatte viel zu oft gesehen wie die "Ehre" "ehrenhafter" Männer schon bei der kleinsten Schwierigkeit als hinderlich erklärt und geschmeidig beseite gelegt wurde.... doch davon ließ ich mir nichts anmerken, strahlte routiniert Überzeugung, ja, Begeisterung aus. Die Realität war eben das eine. Das Ideal, das ich hier vor den Soldaten ausmalte, war das andere. Ein leuchtender Stern am Himmel – hoch oben über unserer schmutzigen Stadt, weit weg... und doch etwas was wichtig war. Etwas was den Kurs vorgab.
"An uns ist es auch, Verrat gegen unseren Imperator aufzuspüren und unnachgiebig zu ahnden. Viele von euch, Milites, kommen von den entlegenen Grenzen unseres Reiches und haben dort gegen grimmige Barbaren gekämpft, kennen die Zerstörungswut der äusseren Feinde unseres Reiches. Doch noch weit zerstörerischer als ein Feind von aussen, ist ein Feind im Inneren des Reiches, ein Feind der mit Hochverrat, Lüge und Intrige sich frevelnd gegen die segensreiche Herrschaft unseres Kaisers stellt. Seid wachsam, Männer!" forderte ich die Soldaten voll Überzeugung auf, "Solche skrupellosen Versuche gibt es leider immer wieder, und diese inneren Feinde des Reiches haben ebensowenig Gnade verdient wie mordbrennende Barbaren an den Grenzen.
Unsere Treue gehört dem Kaiser, unserem Kommandanten, unserer Einheit. Vergesst aus welcher Truppe ihr hierher gekommen seid, vergesst wer eurer Patron ist, vergesst was eure Gens von euch fordert – ihr seid nun als ERSTES, als ALLERERSTES, und WEIT vor allem anderen: Soldaten der Garde. Leibwächter des Kaiser, dem Kaiser direkt verpflichtet. Den Kaiser und seine Familie beschützen wir, koste es was es wolle!" wiederholte ich, den Blick über die Gesichter der Männer schweifen lassend.
"Wir sind effizient – und wir sind verschwiegen. Ein Prätorianer schwatzt nicht. Ein Prätorianer bewahrt die Geheimnisse, die er im Dienst erfährt, ein Prätorianer wahrt Stillschweigen über die Angelegenheiten des Kaisers, der kaiserlichen Familie und der Garde!"
Gerade am Anfang war da ja die Versuchung, sich ein wenig großzutun und zu prahlen. Und allgegenwärtig die Versuchung sich kaufen zu lassen.
"Auf den Schultern des Exercitus Romanus ruht die Sicherheit und das Wohl des Reiches – und wir, wir Prätorianer", ich umschloss die Versammlung der Neuen mit schwungvoller Geste, "sind die Vertreter des Exercitus Romanus hier im Zentrum des Reiches. Wir wachen über das Wohl unseres Imperators, und damit zugleich über die Stabilität des großartigsten Reiches, das die Welt je gesehen hat. So dass die Bürger dieses Reiches in Frieden und Sicherheit leben können.
Wir sind die Elite – und ihr gehört nun dazu. Folgt mir jetzt ins Sacellum und schwört den Fahneneid."
Gruppe für Gruppe führte ich nacheinander in das Heiligtum und ließ sie vor den blitzenden Feldzeichen die feierlichen Worte des Eides wiederholen:
"Iurant autem milites omnia se strenue facturos quae praeceperit Imperator Tiberius Aquilius Severus Augustus, numquam deserturos militiam nec mortem recusaturos pro Romana republica!"