Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Zur Audienz geladen langten mein Vater und ich zur rechten Zeit auf dem Palatin an. In meiner Begleitung befand sich auch die Medica Plinia Chrysogona, heiße Kandidatin für die Position des kaiserlichen Leibarztes. (Da ich noch keine Antwort auf mein Schreiben, in dem ich um eine Audienz speziell zu ihrer Vorstellung ersucht hatte, erhalten hatte, ging ich davon aus, dass wohl auch dies heute mit auf dem Programm stand.)
    Ohne Federlesen ließen die Gardisten uns passieren, und wir schlugen den Weg zum Domus Flaviana ein.





    Sim-Off:

    Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Livianus auch dabei ist ;)

    Mit Tubageschmetter und Hörnerschall zog die Garde auf dem Marsfeld ein, eine herrlich blitzende und mächtig schmetternde, an Waffen und Schneid klirrende, gutgeölte Militärmaschinerie. Heute in aller Pracht. Vorneweg eine Abteilung Equites singulares auf blankgestriegelten Rössern, um mich die wogenden Festtags-Helmbüsche der Kohorten zu Fuß, archaische Paradeharnische, ich selbst fesch ausstaffiert auf einem eleganten Rappen, neben mir die ebenso in Schale geworfenen anderen Tribune, dann wieder Reiter, und überall Drill und zackiges Marschieren, winkende Menschen schon auf dem Weg, nun die Masse der Stadtbewohner auf dem Marsfeld, manche mitwippend im Takt der aufpeitschenden Marschmusik, jeden römischen Patrioten mußte das Herz aufgehen. Geschmeidig teilte sich die Marschkolonne auf dem Feld in ihre Untereinheiten, akkurat nahmen diese ihre Positionen ein.


    Die Feldzeichen, um die sich heute alles drehte, ragten hoch über die Köpfe der Soldaten. Die Signiferi und Cornicen trugen ihre frischgebürsteten Raubtierfelle, von Löwen und Leoparden, Panthern und Tigern. Die Fahnen flatterten im Wind, so wild dass die Goldfransen sich verhedderten. Skorpione, Kronen, Adler und Torques, Kohorten-Plaketten und Victoria-Embleme zierten unsere Standarten – und doch erschienen sie mir kahl, so ganz ohne Imagoscheiben. Aber das würde sich ja nun ändern. Und mit der Aufnahme der kaiserlichen Bildnisse würde auch das besondere Band zwischen Kaiser sowie Kaiserfamilie und Garde fester geschmiedet und kultisch besiegelt.
    Die Männer standen stramm und ließen sich bewundern, die Musiker spielten patriotische Weisen um die Augenblicke bis zum Eintreffen der kaiserlichen Familie (und mit ihnen noch mehr Equites singulares) zu überbrücken.


    Glücklicherweise hatte unser Präfekt uns den Gefallen getan, weiterhin an den heilkräftigen Quellen Baiaes zu verweilen, in der Hoffnung sein Magenleiden in den Griff zu bekommen. Somit hatte ich auch heute mal wieder die Ehre ihn zu vertreten. Ich hoffte wirklich inständig, dass unser neuer neutraler Kaiser nach der Imagoweihe endlich ein Einsehen haben würde, dass er diese unsägliche Nicht-Sonderlich-Competente Figur von der Position des Präfekten entfernen würde – und mich dafür nach all den langen Jahren, erst des Berufsverbotes, dann des Dienstes in degradierter Stellung, endlich voll rehabilitieren würde.


    Ich ließ mein Ross ausschreiten, warf mal einen Blick seitlich zur Tribüne um nach den Angehörigen meiner Familie Ausschau zu halten, ritt dann bis vor die Altäre, um dort die letzten Absprachen mit dem Pontifex (ja, dem Pontifex) zu treffen.



    "Hast du schon gehört?"
    Ein schmerbäuchiger Garküchenkoch und ein hagerer Fuhrknecht standen vor einem der Aushänge. Der Koch kannte sich aus:
    "Meiner Schwägerin ihr Vetter, der hat einen alten Schulkameraden, dessen Sohn arbeitet für den Tierfänger, der normalerweise den Ludus Matutinus beliefert, und der sagt, dass sie vier, ja, ganz recht, vier Löwen für die Weihe aus Afrika eingeschifft haben. WEISSE Löwen!"
    "Nein! Das ist doch nicht die Möglichkeit."
    "Aber wenn ich es dir doch sage! Der Junge hat es mit eigenen Augen gesehen, schwört Stein und Bein. Besonders wilde Bestien, brüllen wie... wie äh der Orcus persönlich, und zwei Wärter haben sie schon aufgefressen."
    "Mars steh uns bei. Hoffentlich brechen die nicht aus."
    "Und der Krämer aus der Bogengasse – du weißt schon, Pomaden-Anicetus, reich ist der, wie Krösus sagt man, eine Freundin meiner Schwägerin weiß das, denn sie hat mal bei ihm geputzt und sich gekümmert um seine Tochter, den armen Krüppel..."
    "Ja, jetzt weiß ich wen du meinst. Der Geck, mit der Tochter Scaura, dem Klumpfusskind."
    "Genau, und der Anicetus hat jetzt eine Belohung ausgesetzt, eine irrsinnig hohe Belohung, DREISSIG Denarii, für einen findigen Mann, der es schafft beim Opfer ein Tuch in dem Blut des ersten Löwen zu tränken. Und es ihm bringt. Man weiß ja, was für eine Kraft da drin steckt, wenn der Kaiser selbst den Göttern ein Opfer bringt, so ein Tuch in dem ersten Blut getränkt, damit kannste JEDEN Fluch brechen. Oder dich gleich davor schützen. Da lässt Anicetus sich nicht lumpen."
    "Hm.." Der Fuhrknecht rieb sich unternehmungslustig das spitze Kinn. "Kommt man denn da so nah ran....?"
    "Das käme wohl auf einen Versuch an..."

    "Gewiss." Diesen Wunsch würde Camelia mir bestimmt nicht abschlagen. "Ach, eines noch – bitte zögere nicht, dich auf den Wegen durch die Stadt von einem unserer Custodes begleiten zu lassen. Rom kann ein gefährliches Pflaster sein." gab ich unserem kostbaren Gast noch mit, dann wünschte ich eine gute Nacht, sah ihr lächelnd nach.
    Ich gab unserer Vilica die Anweisung, dafür zu sorgen, dass die Hausangestellten sich in jeder Hinsicht bestens um Plinia kümmerten. Zum einen natürlich, weil ich ein guter Gastgeber sein wollte – zum anderen auch, weil Plinia, wenn sie die Stellung bei Hofe tatsächlich bekäme, zu einer wertvollen Verbündeten werden könnte, die ich mir von Anfang an gewogen halten wollte. Auch bei Camelia schaute ich vorbei und instruierte sie kurz.
    Darauf zogen Musca und ich uns mit einem Krug Caecuber ins Tablinum zurück. Zuerst erstattete er mir Bericht. Mein ehemaliger Contuberniumsältester war, obschon er gern mal schwadronierte, im Grunde recht nüchtern veranlagt – doch als er von der Medica sprach wurde deutlich, dass er von ihr sehr angetan war. Fliessend ging der Rapport in eine angeregte Unterhaltung über, wir wälzten die politische Lage, die Frage der (stets bedrohten) inneren Sicherheit, gerieten dann ins Plaudern über Götter und die Welt und darüber was die alten Kameraden (die noch am Leben waren) heute so machten......

    "Du machst das schon" wiederholte ich, unbändig stolz auf meine so über die Maßen begabte kleine Nichte, und murmelte: "Eine große Ehre, und eine große Chance..." -
    Manchmal, da dachte ich bei mir, dass es doch gar keine sooo große Eile hatte Camelia zu verheiraten. Sie erschien mir oft noch recht kindlich und unschuldig, und ihre überschäumende Lebensfreude brachte Frohsinn und Leichtigkeit in die Casa. Es würde nicht leicht sein, sie ziehen zu lassen.
    "Ich habe allerdings jemanden ins Auge gefasst." erklärte ich. Dann lächelte ich zu Camelias Geplauder über die Zwillinge, schüttelte begütigend den Kopf – Valentina hatte nichts erwähnt.
    "Du hast doch auf der Verlobungsfeier meinen guten Freund Licinus kennengelernt." ließ ich die Katze aus dem Sack. "Marcus Iulius Licinus. Ich dachte an ihn. Er ist ein feiner Kerl, herzensgut und anständig und in den besten Jahren, ein Mann von Ehre und respektablem Rang. Eques und Praefectus castrorum. Jetzt ist er leider nach Germanien versetzt worden, hat er mir geschrieben – viele Grüße von ihm, ausserdem - aber das ist ja hoffentlich nur ein Zwischenspiel."
    Ein Mann von Licinus Format gehörte nun mal ins Zentrum des Reiches, nicht in ein germanentümelndes Provinzkaff.
    "Na, was sagst du?" Neugierig, selbst sehr begeistert von meiner Idee, sah ich erwartungsvoll auf das seidige Köpfchen an meiner Schulter. "Ihr habt euch doch gut verstanden, nicht?"

    Grau zeigte sich der Tag an den Nonen des Novembers, an dem die große Zeremonie zur Weihe der kaiserlichen Imagines, wie schon lange angekündigt, angesetzt war. Vom Landesinneren her strich ein kalter Wind über das weite Marsfeld, wirbelte hier und dort den Staub auf, und ließ die Fahnen und Wimpel flattern und knattern.
    Ab der Mittagszeit strömten die Menschen, in Mäntel gehüllt, dorthin, um noch einen Platz zu ergattern, von dem man gut sehen konnte. Es wurde voll und voller hinter den Absperrungen, Stadtsoldaten lenkten alles in geordnete Bahnen. Für die privilegierteren Bürger der Stadt – Vestalinnen, Würdenträger, senatorische und ritterliche Familien - waren gediegene hölzerne Tribünen mit Sitzplätzen aufgebaut. Dazu eine Loge für die kaiserliche Familie.
    Auch war ein gewaltiger Altar im Zentrum des Geschehens erhöht errichtet, flankiert von zwei etwas niedrigeren, reichgeschmückt allesamt. Über Feuerschalen tanzten die Flammen, der Rauch wurde vom Wind sogleich mitgerissen. Ein Spalier von Lorbeerbüschen in anthrazit- und goldfarbenen Tontöpfen bildete den Weg zu den Altären, den die kaiserliche Familie später beschreiten könnte. Vertreter des Cultus Deorum waren bereits zugegen, und nun waren aus der Ferne auch die verwehten Takte einer schmetternden Militärmusik zu vernehmen. Köpfe drehten sich, Menschen reckten sich. Die schmissigen Klänge kamen näher, dazu der dumpfe Hall marschierender Caligae, und das Klappen von Hufen – die Prätorianergarde war im Anmarsch.
    Ein guter Tag war es für die Händler, die aus schnell zusammengezimmerten Buden oder Bauchläden heraus alles mögliche an die Besucher verkauften – Tücher in den Wappenfarben der Aquilier um dem Imperator zünftig zuzuwinken, patriotisches Essgeschirr mit dem Bild der kaiserlichen Familie, heißen Würzwein, heiße Kastanien, Augusta-Puppen für die Mädchen und Holzschwerter für die Buben...

    Schon lange vor dem großen Ereignis kündigten Aushänge, Grafitti und das Geplauder wohlinformierte Waschweiber es an:



    Die Cohortes Praetoriae geben bekannt:


    Die feierliche
    WEIHE DER KAISERLICHEN IMAGINES
    findet
    NON NOV DCCCLXV A.U.C.
    mit großem Aufmarsch der Prätorianergarde
    und allen militärischen und kultischen Ehren
    AUF DEM MARSFELD
    statt.


    Unser erhabener Imperator selbst wird öffentlich erscheinen und Herr der einzigartigen Opferzeremonie sein. Auch die Augusta und der Caesar werden an der Kulthandlung mitwirken.


    Volk von Rom, strömt herbei! Huldigt unserem gerechten Kaiser, seiner strahlenden Gattin und seinem kühnen Sohn! Werdet Zeuge wie die gesegneten Abbilder unserer Herrscherfamilie Teil der Feldzeichen der kaiserlichen Garde werden!


    Im Anschluss zeigen die Reiter der Gardekavallerie ihr atemberaubendes Geschick.
    Für senatorische und ritterliche Familien wird es Sitzplätze auf den Tribünen geben.




    In Vertretung des Praefectus Praetorio,
    Gardetribun F. Decimus Serapio

    [Blockierte Grafik: http://www2.pic-upload.de/img/28757887/fds12.png]




    An den
    Imperator Caesar Augustus
    Tiberius Aquilius Severus




    Tribun F. Decimus Serapio grüßt ehrerbietig Imperator Caesar Augustus Tiberius Aquilius Severus



    Mein Kaiser,
    So wie es Dein Wunsch war, habe ich die Suche nach einem Medicus aufgenommen, der dazu geeignet ist, die Position des kaiserlichen Leibarztes zu bekleiden. Nun habe ich eine würdige Kandidatin gefunden: die Medica Plinia Chrysogona.
    Sie ist die Tochter des Gaius Plinius Phoebus, welcher während der Herrschaft der Ulpier kaiserlicher Leibarzt war, studierte am Museion von Alexandria und am Asklepieion von Kos, und wirkte bis vor kurzem an diesem Heiligtum, wo sie sich trotz ihrer jungen Jahre einen ganz hervorragenden Ruf erwarb. Ihr Leumund ist makellos.
    Auf meine Einladung hin ist Plinia Chrysogona soeben in Rom eingetroffen. Ich erbitte eine Audienz, um sie Dir vorzustellen, auf dass Du Dir selbst ein Bild machen kannst.



    Vale bene

    Zitat

    Original von Plinia Chrysogona


    Silberzüngig erwiderte die Gelehrte meine Begrüßung.
    Ich muß sie mit Manius bekannt machen schoß es mir da unvermittelt und jäh durch den Kopf – ein Gedanke über den ich lieber schnell hinwegging.
    Höflich verlegen lächelte ich zu ihren Worten, hob die Hand zu einer abwehrenden "aber nicht doch"-Geste. Sogleich dünkte ich mir zurückversetzt in meine Zeit in Alexandria, erinnert an die Liebenswürdigkeit, welche die griechischen Würdenträger dort in der Form an den Tag legten – während sie in der Sache knallhart waren.
    "Das ist gut zu hören." meinte ich, als sie von der Reise sprach, es war ja alles andere als selbstverständlich dass das glattging.
    Die Anforderungen der Kaiserfamilie erfüllen - "Das wirst du gewiss, daran hege ich keinen Zweifel." kommentierte ich mit vollkommen überzeugter Miene. Insgeheim war ich nicht ganz so überzeugt, denn auch wenn Plinia fachlich bekanntlicherweise brilliant war – blieb halt das Manko dass sie eine Frau war. Ich hoffte natürlich dass ihre Brillianz das überstahlte.
    "Ich danke dir. Ich habe deinen Vater damals in den wirren Zeiten nach der Ermordung der Ulpier kennen und hoch schätzen gelernt, als aufrechten Mann und analytischen Geist. Als es nun um die Frage eines neuen kaiserlichen Leibarztes ging, habe ich ihm geschrieben und um seinen Rat gebeten." erklärte ich.
    Natürlich hatten wir auch andere Kandidaten in Betracht gezogen und Erkundigungen eingezogen, aber Plinia erschien eben doch, trotz Manko, am geignetsten.


    Nahe dran am ersten Mann des Staates. Naja. Ich unterdrückte ein sarkastisches Schnauben, möglicherweise huschte aber doch kurz ein Schatten über mein Gesicht. Denn die erratischen Entscheidungen unseres vertrauensbeseelten Kaisers zum Thema Sicherheit, mit der er uns Prätorianer davon abhielt unsere Arbeit ordentlich zu machen... und die Blauäugigkeit mit der er die germanischen Armeen in die Hände eines erwiesenermaßen Verrat und Putsch zugeneigten Barbaren gelegt hatte.... – sowie der Umstand dass auf die wohlklingenden "ich kenne nur noch Römer" Ankündigungen seiner Antrittsrede bisher noch keinerlei Taten gefolgt waren... das alles, sagen wir mal, reizte bis jetzt nicht gerade zu Jubelstürmen.
    Doch genauso wie meine Loyalität der Institution Kaiser an sich gehörte, auch dann wenn der Mensch, der diese Funktion im Gefüge des Reiches eingenommen hatte, nicht perfekt war, so gehörten auch diese Gedanken nicht hierher.


    Ich erwiderte Plinias herzliches Lächeln, der Wohlklang ihrer Schmeichelworte tönte angenehm in meinen Ohren.
    "Unser Imperator ist ein großer Mann mit einer großen Vision, Hoffnungsträger des ganzen Reiches. Mein Ziel ist es, für seine Sicherheit zu sorgen, und... ich würde mich glücklich schätzen, bei diesem Unterfangen in dir eine Verbündete zu finden. - Doch...", so unterbrach ich mich selbst in diesem eindringlichen Auftakt, Plinia war ja eben erst angereist, ich sollte sie nicht überfallen, "bitte, komm erst einmal an, nach der langen Reise. Columbana" – ein Seitblick auf die sanftmütige Haussklavin – "wird dir dein Zimmer zeigen und auch sonst zur Verfügung stehen. Fühl dich wie zu Hause. Ich werde mich gleich um eine Audienz für dich kümmern, doch es kann natürlich etwas dauern bis diese gewährt wird. Wenn es dir recht ist, wird meine Nichte Camelia dir ein wenig zur Seite stehen, und dir die Stadt zeigen."
    Um ehrlich zu sein juckte es mich auch in den Fingern, ein richtiges Gastmahl zu veranstalten, (nein nein, ich wollte nicht etwa prahlen mit meinem schicken Gast, oder mich als Freund hellenistischer Gelehrsamkeit präsentieren, nichts läge mir ferner) ich wollte sie nur mit anderen interessanten Persönlichkeiten bekannt machen! Hm...

    Zitat

    Original von Decima Camelia
    Mit einem breiten Grinsen auf den leicht geöffneten Lippen quittierte Carmelita das Wortspiel zu dem lieben Kind, dabei ungeniert und quietschvergnügt glucksend. Also hat dir Vespa schon vom Treffen mit der Kaiserin berichtet und hoffentlich auch noch mehr? Kam die Frage leicht zögerlich und beendete den kindlichen Ausbruch.


    Langsam zurückkehrend zur Ernsthaftigkeit hakte sich die junge Decima spontan bei ihrem Onkel unter und schmiegte ihre Stirn an seine Schulter. Es war nicht meine Absicht von der Hochzeit zu plaudern, es ist einfach so passiert. Nun wird das wohl nichts mit dem kleinen Rahmen, wenn Augusta mit deiner Stiefmutter ein Geschenk für euch aussucht.
    Auweia, nun plauderte das junge Ding auch noch Details aus! Camelia sog gut hörbar Luft in die Lungen und sah von der Seite in das Gesicht von Serapio. Bitte verrate mich nicht, das sollte sicherlich geheim bleiben und eine Überraschung werden. Das kurze Aufflammen eines scherzhaften Lachens erstarb von einem leisen Seufzer abgelöst und das dazu aufgelegte natürliche Rouge der Verlegenheit unterstrich die Peinlichkeit.


    Jetzt siehst du, wie ich mich eingelebt habe. Ich plaudere mit den höchsten Kreisen und benehme mich wie eine kleine Petze. Unüberhörbar war der ironische Tonus und nun folgte die Selbstkritik. Noch bin ich nicht so weit, um es als gut zu bezeichnen, ich versuche mich einzuleben, leicht fällt es mir immer noch nicht nach der langen Zeit der Unbeschwertheit.
    Übrigens möchte die Kaiserin mich spielen hören.
    Wurde noch ergänzt und sich wieder fester an die schützende Schulter geschmiegt.


    "Nicht Vespa." meinte ich nebulös, natürlich hatte ich meine Quellen in der Truppe, denn auch wenn ich selbstverständlich nicht jeglichen Auftritt der Garde in der Öffentlichkeit selbst kommandieren konnte, so war es doch von essentieller Wichtigkeit immer gut informiert zu sein... Doch dass die Damen von unserer geplanten Hochzeit gesprochen hatten, so weit war ich dann doch nicht im Bilde gewesen... Ich machte große Augen, und wiederholte schafsköpfig: "Von der Hochzeit? Die Augusta? Oh. Das ist ja... zu gütig."
    Das mußte ich erst mal verdauen. Wenn die Augusta selbst ein Interesse daran gefasst hatte, dann, ja, da hatte Camelia ganz recht, dann war eine lauschige kleine Trauung fernab der Öffentlichkeit wohl leider nicht angemessen, dann war es wohl doch von nöten, dem Status meiner Familie entsprechend zu feiern.
    "Keine Sorge" beruhigte ich meine kleine Nichte, die so niedlich in ihrer Verlegenheit war, und mit scherzhaft betont kühner Miene versicherte ich ihr: "Ich bin Prätorianer, ich kann schweigen."
    Impulsiv legte ich den Arm um sie, und zauste ihr liebevoll das dunkle Haar. Wie hatte ich das vermisst, seitdem meine Schwester sich in eine zänkische Fremde verwandelt hatte, diese... familiäre Wärme, dieses selbstverständliche Zusammengehören.
    "Da hast du ja schon einiges erlebt. Du machst das schon, mein Sonnenschein, ich bin stolz auf dich." Die Kaiserin wollte sie spielen hören? "Bona Dea, was für eine Ehre!" rief ich beeindruckt aus, blickte zu ihrer Kithara. "Hast du dir schon überlegt was du ihr vortragen wirst?"

    Was ich als feierliche, aber doch überschaubare Zeremonie in der Castra praetoria angedacht hatte, das war in der Zeit der Planung und der Abstimmung mit dem Cultus Deorum und dem kaiserlichen Sekretariat, zu einer kolossalen Veranstaltung herangewachsen. Auf dem Marsfeld. Da musste dem Publikum natürlich etwas geboten werden.
    Darum ließ ich eines schönen Tages die Decuriones der Turmae XI bis XX in das an mein Officium angeschlossene Besprechungszimmer kommen. (Unter ihnen zwei, die ich vor einiger Zeit selbst vereidigt hatte. Einer von ihnen sogar ein Verwandter, aus der griechischen Linie meiner Gens – wir sind eben überall, wir Decimer.) An die Wand war eine Skizze des Marsfeldes geheftet, auf der vermerkt war wie die Aufstellung der Truppe sein sollte, welchen Weg die Prozession vom Palast nehmen würde, wo die Altäre sein würden, die Tribünen und so weiter...


    Ich ließ die Männer Platz nehmen. Natürlich ging ich erst mal den Ablauf der kultischen Zeremonie mit ihnen durch. Nachdem das erledigt war, kam ich zu:
    "Nach der Weihe hat dann unsere Kavallerie, bessergesagt, habt ihr und eure Turmae, die Gelegenheit euer Können zu zeigen. Eine Vorführung vor dem Kaiser, seiner Familie – die Kaiserin ist ja bekanntlich eine große Freundin der Reitkunst – vor Bürgern und Volk Roms. Zeigt dabei sowohl die große Formation als auch das individuelle Geschick eurer Männer. Ihr werdet selbst am besten wissen wie eure Turmae am besten glänzen, darum gebe ich euch freie Hand den Inhalt selbst zu gestalten. Soll knapp eine Stunde dauern, das ganze. Decurio Staberius Tappo.." wandte ich mich an den Decurio der XI. Turma, einen verwitterten alten Hasen "hat den Befehl, und wird mir über den Fortgang Bericht erstatten. Eure Turmae sind in den kommenden Wochen, bis zur Weihe, immer ab mittags vom regulären Dienst entbunden, um das vorzubereiten.-"
    Ich sah in die Runde, ob da Fragen oder gar schon geniale Ideen aufgetaucht waren...

    Als alle sich vor dem Fahnenheiligtum versammelt hatten und es Zeit war, trat ich vor die Männer.
    "Militees!" ergriff ich volltönend das Wort. Damit meinte ich natürlich sie alle, schließlich waren wir alle Soldaten, wenn auch mehr oder weniger hochrangige.
    "State. Ich bin der Tribun Decimus Serapio und werde euch vereidigen." Mich weiter vorzustellen war wohl nicht nötig. Mein Name war bekannt. (Auch wenn die Lügen der Palma-Anhänger, die gründliche Verdrehung der Wahrheit, die dieser Giftmörderklüngel dem ganzen Reich aufgetischt hatte, dazu geführt hatten, dass ich in den Augen vieler Propaganda-Gläubiger leider mittlerweile eher berüchtigt als berühmt war.)
    "Militees! Ihr wurdet auserwählt. Zum ehrenvollen Dienst im Herzen des Reiches, in der Garde unseres erhabenen Imperators. Ihr werdet große Ehren erfahren, kostbare Privilegien genießen, und einen Sold einstreichen, um den euch die Kameraden bei den Legionen nur beneiden können.
    An euch ist es, euch dessen würdig zu erweisen. Nur die Besten der Besten, nur die Treuesten der Treuesten sind würdig, in der Garde des Kaisers zu dienen. Ich erwarte von euch, Milites, nichts weniger als Exzellenz. Schlampigkeit und Schwäche werden hier nicht geduldet. Wer den Anforderungen nicht genügt, der hat hier nichts verloren."
    erklärte ich hart, mit der Miene eines Fallbeils, fuhr dann fort:
    "Doch ihr, ein jeder von euch, wurde sorgsam ausgewählt – ein jeder von euch hat bereits bewiesen dass mehr in ihm steckt. Darum seid ihr hier! Ihr habt in euch das Potential die hohen Erwartungen die hier an euch gestellt werden zu erfüllen – sie gar zu übertreffen! Ihr werdet über eure Grenzen hinauswachsen! Vorbilder an Kampfeskraft, Disziplin und Loyalität werdet ihr sein, im ganzen Reich bewundert - sowie gefürchtet, von denen die unlautere Absichten hegen. Unsere Pflicht, Milites, unsere Ehre und unsere Freude ist es, den Kaiser und seine Familie zu schützen. Zu jeder Zeit. Und um jeden Preis! Und sei es mit dem eigenen Leben."


    Feurig hämmerte ich den Soldaten unsere Grundsätze ein. Ich selbst war schon längst ausgesprochen resigniert was das alles anging, ich war einfach schon viel zu oft von "Treuen" verraten worden, hatte viel zu oft gesehen wie die "Ehre" "ehrenhafter" Männer schon bei der kleinsten Schwierigkeit als hinderlich erklärt und geschmeidig beseite gelegt wurde.... doch davon ließ ich mir nichts anmerken, strahlte routiniert Überzeugung, ja, Begeisterung aus. Die Realität war eben das eine. Das Ideal, das ich hier vor den Soldaten ausmalte, war das andere. Ein leuchtender Stern am Himmel – hoch oben über unserer schmutzigen Stadt, weit weg... und doch etwas was wichtig war. Etwas was den Kurs vorgab.
    "An uns ist es auch, Verrat gegen unseren Imperator aufzuspüren und unnachgiebig zu ahnden. Viele von euch, Milites, kommen von den entlegenen Grenzen unseres Reiches und haben dort gegen grimmige Barbaren gekämpft, kennen die Zerstörungswut der äusseren Feinde unseres Reiches. Doch noch weit zerstörerischer als ein Feind von aussen, ist ein Feind im Inneren des Reiches, ein Feind der mit Hochverrat, Lüge und Intrige sich frevelnd gegen die segensreiche Herrschaft unseres Kaisers stellt. Seid wachsam, Männer!" forderte ich die Soldaten voll Überzeugung auf, "Solche skrupellosen Versuche gibt es leider immer wieder, und diese inneren Feinde des Reiches haben ebensowenig Gnade verdient wie mordbrennende Barbaren an den Grenzen.
    Unsere Treue gehört dem Kaiser, unserem Kommandanten, unserer Einheit. Vergesst aus welcher Truppe ihr hierher gekommen seid, vergesst wer eurer Patron ist, vergesst was eure Gens von euch fordert – ihr seid nun als ERSTES, als ALLERERSTES, und WEIT vor allem anderen: Soldaten der Garde. Leibwächter des Kaiser, dem Kaiser direkt verpflichtet. Den Kaiser und seine Familie beschützen wir, koste es was es wolle!"
    wiederholte ich, den Blick über die Gesichter der Männer schweifen lassend.
    "Wir sind effizient – und wir sind verschwiegen. Ein Prätorianer schwatzt nicht. Ein Prätorianer bewahrt die Geheimnisse, die er im Dienst erfährt, ein Prätorianer wahrt Stillschweigen über die Angelegenheiten des Kaisers, der kaiserlichen Familie und der Garde!"
    Gerade am Anfang war da ja die Versuchung, sich ein wenig großzutun und zu prahlen. Und allgegenwärtig die Versuchung sich kaufen zu lassen.
    "Auf den Schultern des Exercitus Romanus ruht die Sicherheit und das Wohl des Reiches – und wir, wir Prätorianer", ich umschloss die Versammlung der Neuen mit schwungvoller Geste, "sind die Vertreter des Exercitus Romanus hier im Zentrum des Reiches. Wir wachen über das Wohl unseres Imperators, und damit zugleich über die Stabilität des großartigsten Reiches, das die Welt je gesehen hat. So dass die Bürger dieses Reiches in Frieden und Sicherheit leben können.
    Wir sind die Elite – und ihr gehört nun dazu. Folgt mir jetzt ins Sacellum und schwört den Fahneneid."


    Gruppe für Gruppe führte ich nacheinander in das Heiligtum und ließ sie vor den blitzenden Feldzeichen die feierlichen Worte des Eides wiederholen:
    "Iurant autem milites omnia se strenue facturos quae praeceperit Imperator Tiberius Aquilius Severus Augustus, numquam deserturos militiam nec mortem recusaturos pro Romana republica!"

    Als ich von der Ankunft des hohen Gastes hörte, war ich gerade draussen im Stall, um nach meiner guten Quarta zu sehen. Meine kostbare Rennstute hatte nämlich letzte Nacht eine Kolik gehabt – es war dramatisch gewesen, aber nun schien sie über dem Damm. Ich ließ sie also in Stallmeister Damons Obhut, wechselte in etwas respräsentativeres, und kam, gekleidet in eine ziegelrote Eques-Synthesis, eilenden Schrittes in das Atrium.


    "Salve!" grüßte ich die junge Frau, die die berühmte Medica sein mußte, und "Salvete!" alle beide, ging ich auf sie zu, um zuerst Plinia kräftig die Hand zu drücken. Musca war aufgestanden, er führte mit einem Hauch von ironischem Kräuseln der Lippen die Faust zur Brust, und ich erwiderte den militärischen Gruß. Die lange Geschichte, die uns verband, ließ das Formelle zwischen uns immer etwas seltsam erscheinen.
    "Ich bin der Tribun Faustus Decimus Serapio." stellte ich mich der Plinia vor, " Willkommen im Hause meiner Familie. Ich bin hocherfreut, dass du meiner Einladung Folge geleistet hast, und ich hoffe du erweist uns die Ehre unser Gast zu sein. Hattet ihr eine gute Reise?"
    Auch wenn es ewig her war, dass ich mit ihrem Vater zu tun gehabt hatte – die Familienähnlichkeit sah man gleich. Ich war überaus neugierig auf unseren Gast – und etwas aufgeregt, eine so berühmte Gelehrte unter unserem Dach zu beherbergen. Die griechischen, bzw griechisch geprägten, Intellektuellen waren ja oft sehr... wie soll ich sagen... hochgeistig. So dass ich mir, obgleich nicht ungebildet, bisweilen in solcher Gesellschaft ein wenig "bäurisch" vorkam.

    Wie die kleine Carmelita mir so strahlend entgegenblickte, da wurde mir ganz warm ums Herz. Ich trat ein, und stutzte bei ihrer drolligen Frage.
    "Aber nein, keine Beschwerden. Wollte nur mal dir sehen. - Was hast du denn ausgefressen, mein liebes Kind" neckte ich sie scherzend "dass du mit Beschwerden rechnest?"
    Ich folgte ihrer Aufforderung und machte es mir neben ihr bequem. "Ach, die habe ich größtenteils delegiert." bemerkte ich zum Thema Hochzeitsvorbereitungen. "Ich habe da mit Icarion und Narcissus zwei sehr kompetente Freigelassene, die kümmern sich um alles, und Valentina und ich möchten es ja auch im kleinen Rahmen halten."
    So hatte ich das zumindest verstanden, dass wir uns da einig waren.
    "Hast du dich denn gut eingelebt? Wie ich hörte, hat Vespa dich ja bereits in die höchsten Kreise eingeführt.. Alle Achtung!"

    Woher sollte er es wissen? Woher sollte ich das wissen? Woher sollte man das überhaupt wissen, wenn man es denn nicht wusste?! Überfragt zog ich die Schultern bis zu den Ohren hoch, wandte die Handflächen gen Himmel. Keine Ahnung. Doch es machte mich so langsam wahnsinnig, mit jemandem zusammenzusein, der nicht wusste was er wollte. Sanft und anschmiegsam schön und gut und wunderbar, aber irgendetwas... fehlte. Und nicht mal böse sein konnte ich ihm dafür, angesichts des schlimmen Schicksals das ihn so hatte werden lassen, nein, natürlich verdiente er mein Mitgefühl..... Wir kamen aus so verschiedenen Welten.
    Der Zweifel ließ aber nicht davon ab, an mir zu nagen: Dass er mich wollte, war das wirklich sein Wunsch, oder war das nur seine Gewohnheit sich nach den Wünschen anderer zu richten? Und meinen Wunsch, er möge mich wollen, mir zu erfüllen. Wie ein... Wünsche erfüllender Wüstendjinn, wie ein Zauberspiegel, der dem Hineinsehenden immer das zu sehen gab was dieser sich wünschte. - Ein Gedanke, den ich wohl besser nicht weiter ergründen sollte...


    "Aus einer Laune heraus?!" regte ich mich auf, " Bona Dea, ich rede seit Monaten davon! Das weißt du ganz genau mein Liebster, und dass ich sogar meinen Vater schon gefragt habe deswegen, damals noch im Tempel, was mir übrigens auch nicht gerade sonderlich leicht gefallen ist, also tu jetzt verdammt noch mal bitte nicht so als wäre es mir eben erst eingefallen."
    Schmollend lehnte ich mich zurück. Und Valentina sollte ich fragen. Ich rollte die Augen und meinte mürrisch: "Von mir aus. - Ich will doch einfach nur mit dir zusammen sein..."
    Ich brauchte Borkan. Ich liebte ihn, und mit ihm zusammen würde ich mich endlich befreien können aus Manius' zerstörerischem Bann. Bestimmt.
    Seufzend lehnte ich meine Wange in seine Hand, und sah ihn schief an, gerührt von seinen edlen Worten, und wusste dabei, dass ich eine solche Liebe, eine solche selbstlose Agape, gar nicht verdient hatte...


    Borkan ließ unseren Wortwechsel gekonnt in einen ganz besonderen Kuss münden. Ich versank in diesem Moment, berauschte mich an ihm, und als wir uns wieder voneinander lösten, nur eine Handbreit, da war auch ich des Diskutierens voll und ganz überdrüssig. Der Glanz in seinen Augen, sein warmer Hauch und und die lockend verlockenden wohlgestalten Formen seines Körpers waren mir viel näher, wichtiger, wirklicher. Ich war entflammt. Alles andere: nebensächlich.
    So kam es, dass wir uns sogleich ein Zimmer im Obergeschoss nahmen, und unsere Versöhnung leidenschaftlich besiegelten. Das Essen ließen wir uns von einem Custos aufs Zimmer bringen und verspeisten es, einträchtig in zerwühlten Laken sitzend. Stießen mit Palmwein an, um gleich darauf wieder innig übereinander herzufallen. Herrlich, so herrlich! Feurigste Wonne! Mein Borkan...!