Beiträge von Phaeneas

    Im Atrium wurde die Anhängerschaft des Hausherrn von einigen Sklaven empfangen, die – ebenfalls wie üblich - vom Buffet in Anspruch genommen waren. Und so wie es bisher immer gewesen war, konnten die Klienten nur darauf vertrauen, dass Vinicius Lucianus bald erscheinen würde, während seine dienstbaren Geister ein Auge auf die Gäste hatten. Oder auch zwei, bei arbeitsscheuen und ablenkungsliebenden Sklaven - oder neugierigen.
    In einer Ecke spielten der kleine Menyllus und sein etwa gleichaltriger Freund Charmis mit knöchernen Würfeln. Vertieft in ihre Beschäftigung hatten sie von den Eingetretenen sowieso nur kurz Notiz genommen.

    Um ihn herum herrschte Markt, aber davon ließ sich Phaeneas nicht imponieren. Seit jeher hatte er es einwandfrei beherrscht, alles störende konsequent zu ignorieren, und so ließ er sich in aller Seelenruhe abseits an einer Hauswand nieder, die Beine angezogen, um darauf die Papyrusrolle zu positionieren, die er nun hervorholte, die die ‚Naturkunde‘ des älteren Plinius enthielt. Im Vergleich zu seinen Anfängen fand er die Stelle, an der er beim letzten Mal stehen geblieben war, inzwischen sehr schnell. Der Finger der rechten Hand vermerkte die ungefähre Stelle und der Bithynier vertiefte sich in den Text. Nachwievor las er sehr langsam, auch wenn er den Inhalt inzwischen zusammenhängend erfassen konnte, ohne ständig nachdenken zu müssen, was die mühevoll aneinandergelesenen Buchstaben und Silben denn eigentlich bedeuteten.
    Der Anfang fügte sich noch gut in das ein, was Phaeneas vom Verfasser gewöhnt war:


    Dass die Sonne der ganzen Welt Seele und, deutlicher, ihr Geist ist, dass sie die oberste Herrschaft der Natur und eine Gottheit ist, ist angebracht zu glauben, wenn man in Betracht zieht, was sie bewirkt. Sie nämlich bringt den Dingen das Licht und vertreibt die Finsternis, sie verbirgt und beleuchtet die übrigen Sterne, sie lenkt den Wechsel der Zeiten und das sich immer wieder erneuernde Jahr nach den Naturgesetzen, sie zerstreut am Himmel das Trübe und lässt auch die Wolken des menschlichen Geist- es sich aufhellen, sie leiht ihr Licht genauso den übrigen Sternen, hervorleuchtend, hervorragend, alles schauend, alles auch hörend, wie, soweit ich sehe, der erste Dichter, Homer, es nur an ihr so befunden hat.


    Ich halte es deshalb für ein Zeichen menschlicher Schwäche, nach dem Bild und der Gestalt der Gottheit zu suchen. Wer auch Gott sein mag, wenn es überhaupt einen anderen gibt als die Sonne, und in welchem Teil des Alls er auch sein mag, er ist ganz Gefühl, ganz Gesicht, ganz Gehör, ganz Seele, ganz Geist, ganz er selbst. Unzählige Götter anzunehmen – und sogar entsprechend den Lastern der Menschen - , wie etwa eine Gottheit der Keuschheit, der Eintracht, des Geistes, der Hoffnung, der Ehre, der Milde, der Treue, oder, wie es Demokritos für richtig gehalten hat, nur zwei, Strafe und Belohnung, grenzt an noch größere Leicht- fertigkeit. Die gebrechlichen und geplagten Sterblichen haben, ihrer Schwäche bewusst, die Gottheit in Teile zerlegt, damit jeder in seinem Anteil das verehre, was er am meisten braucht.


    Spätestens bei ‚Zeichen menschlicher Schwäche‘ prustete Phaeneas. Mit großen Augen verfolgte er weiter, was Plinius da behauptete. Dessen Beschreibung des Göttlichen konnte er mit seiner eigenen wagen Vorstellung davon prinzipiell nur zustimmen, bekam dann aber noch einmal große Augen bei der Art und Weise, wie der Autor über die ... allgemein verbreitete Perspektive von den Göttern herzog.
    Aber ... es bestätigte Phaeneas‘ Sichtweise von der Lebenseinstellung seiner Zeitgenossen, die ihr Lebensglück viel zu sehr an einer ungewissen Gottheit aufzuhängen schienen. Gut, seiner eigenen Einschätzung nach gab es für ihn selbst sowieso kein Lebensglück; aber zumindest die Möglichkeit, gewisse Kleinigkeiten ein bisschen ins Bessere oder ins Schlechtere steuern zu können – gewissermaßen eigenhändig, ohne überirdisches Eingreifen. Erstrecht wenn es um die eigenen Tugenden und Laster ging. (Und gerade letzteres hatte der Bithynier perfekt im Griff, war seit Kindheit auf daran gewöhnt, jeden Wunsch danach, Spaß haben zu wollen, im Keim zu ersticken.)
    Trotzdem war er von dem, was er da las, so überrumpelt, dass Phaeneas laut auflachte, überrascht und ein kleinwenig ungläubig, aber doch amüsiert, über diese seiner Meinung nach gewagte These.


    Sim-Off:

    Wer hat Lust, gemeinsam mit Phaeneas die Gedankengänge des Plinius zu den menschlichen Vorstellungen vom Göttlichen zu erkunden?


    Inklusive Fortsetzung des Textes der Naturalis Historia

    „So wird’s wohl sein“, bestätigte Phaeneas mit einem Nicken. Auf Sermos Aufforderung hin ging der Bithynier also neben seinem Begleiter her und hielt dabei Ausschau nach einer Garküche. „Gute Idee“, bewertete er dessen Vorschlag, jemanden zu fragen. Prompt schlug Sermo eine neue Richtung ein und schritt geradewegs auf einen Schustersladen zu. Neben seiner Direktheit hatte Phaeneas‘ frische Bekanntschaft auch eine sehr bestimmte Art. Er wusste immer, was und wohin er wollte, und fasste es in klare Worte. Da der Sklave meistens eher richtungslos war und seine (kleinen, alltäglichen) Ziele nach anderen richtete, neigte er dazu, sich gerne mit Männern mit dieser Eigenschaft abzugeben. Mahir beispielsweise war auch so gewesen.
    Abwartend betrachtete Phaeneas die beiden, die Sermo nach einem Tipp gefragt hatte. Unter Unfreien begegnete man oft solchen Exemplaren mit scheinbar beschränktem Denkvermögen – für die meisten Putz- und Aufräumarbeiten brachte man schließlich keine sonderlich intelligenten Sklaven – und so war er solchen Umgang gewöhnt.
    Aufmerksam registrierte der Bithynier jedoch das ‚ich‘, das sein Begleiter benutzte. Phaeneas hätte in dieser Situation von ‚wir‘ gesprochen – auch wenn er sonst mit dem ‚wir‘ grundsätzlich vorsichtig war.
    Die Stimme, mit der sich die Frau schließlich zu Wort meldete und einen Weg beschrieb, war erstaunlich schön anzuhören, aber dieses Detail interessierte den Sklaven genauso wenig, wie die meisten anderen alltäglichen Gegebenheiten, vor allem da er ja gerade mit Sermo auf der Suche nach einer Essensmöglichkeit und damit anderweitig beschäftigt war.
    Bisher hatte sich der Phaeneas und allen anderen gegenüber freundlich gegeben, jetzt aber fluchte er einem der tausend auf Roms Straßen spielenden Kindern hinterher. Der Sklave hielt diese Reaktion für ganz klar übertrieben. Zum einen hätte er selbst sich gar nicht die Mühe gemacht, überhaupt von solchen herumtobenden Kleinen Notiz zu nehmen, - und zum anderen war es einfach nur ein Kind.
    Als er in diesem Alter gewesen war, hatte man fast nur so mit dem Bithynier gesprochen, und das ohne dass er gespielt hätte. Die einzige Ausnahme dabei war seine Mutter gewesen ... Alle anderen hatten kleine Sklavenkinder nur in abschätziger Manier herumkommandiert und keine Möglichkeit verpasst, sich über Fehler auszulassen.
    Deshalb hörte er solche Worte nicht gern und hätte so nie mit einem Kind geredet.


    Sobald Phaeneas die Handgreiflichkeiten erblickte, die gerade dort stattfand, wo Sermo und er etwas hatten essen wollen, sank seine Begeisterung für diese Garküche beträchtlich. Er verabscheute Gewalt, sein ganzes Leben war vollgestopft davon, genug hatte er am eigenen Leibe miterlebt und mit eigenen Augen sehen müssen, nein, sein Pensum war genug gedeckt, als dass er noch in seiner „Freizeit“ Zeuge von Schlägereien werden musste. Zum Glück kümmerten sich die Cohortes Urbanae bereits um die entgleiste Situation, aber wer wusste schon, wie lange die hier brauchen würden, um Herr der Lage zu werden?
    Den genervten Blick, der von Sermo kam, bezog er – wie man das als Sklave gewohnt war – erst einmal unmittelbar auf sich selbst und erwiderte ihn mit einem kritischen Hochziehen der Augenbrauen. Konnte er schließlich etwas dafür?
    Schließlich tat Phaeneas das einzige, was er in dieser Situation für sinnvoll hielt, er machte einen konstruktiven Vorschlag: „Lass uns weitergehen und nach einer anderen Garküche schauen.“

    Willst du’s dir nicht doch noch einmal überlegen? :(


    Ich hätte so gerne noch mit dir geschrieben ... Bridhe wäre eine der wenigen Frauen, mit denen Phaeneas sich wirklich unterhalten könnte -und damit einer der wenigen Menschen, mit denen er überhaupt von sich aus etwas anfangen kann.


    Was kann schon die wunderbar beschriebene Sehnsucht und Deprimierung einer Bridhe ersetzten ...

    Und wieder kam es zu der Szene, die sich fast immer so abspielte, wenn Lucianus jemanden empfing, dass nämlich Phaeneas eintrat. Er betrachtete kurz, wie die beiden Männer sich unterhielten und nahm dann seine Position etwas abseits ein, sodass seine Gegenwart nicht störte und er trotzdem anwesend war.
    Ah, ein mögliches Patronat wurde erörtert. Und so wie Lucianus redete, schien er dem nicht abgeneigt. Nachdem der bithynische Sklave diese Information herausgefiltert hatte, stufte er das Gespräch als nicht sonderlich wichtig ein – denn seiner Meinung nach kam es bei den etlichen Klienten, die Lucianus hatte, auf einen mehr oder weniger nicht an.
    Deshalb verfolgte er die Unterhaltung ab da nur noch mit einem halben Ohr. In Gedanken war er bei der Lektüre, der er sich seit seinem Unterricht in Germania widmete: der ‚Naturalis Historia‘ von Plinius dem Älteren. Erst kürzlich hatte er in einen neuen Sinnabschnitt hineingeschnuppert, der offensichtlich von der Sonne handelte. Die Aussicht, von etwas neuem, spannenden zu erfahren, weckte etwas selten gekanntes in Phaeneas: Neugierde.

    Sim-Off:

    Kein Problem, ich habe Verständnis dafür, wenn deine Zeit keine Antwort zulässt.


    Der Fremde hatte in der Tat eine sehr direkte Art. Dass er nicht recht wusste, wie er dessen Verhalten und Motivation einschätzen sollte, das musste Phaeneas sich eindeutig eingestehen. Dazu entschuldigte der andere sich auch noch.
    Sermo hieß er also, wie er jetzt erfuhr, Sermo – Unterhaltung, Sprache beziehungsweise Gerede. Zumindest die erste Bedeutung passte momentan gut zu der Situation. Und ... dieser Sermo reichte dem Bithynier die Hand. Das hatte der Duccier in Germania schon getan und bereits damals war der Sklave sich reichlich unschlüssig gewesen, wie er reagieren sollte. Zusätzlich dazu, dass ihm sonst niemand die Hand gab, vermied er jegliche Berührungen. Er fürchtete die Nähe Fremder - und wer sich gegen seinen Willen in seine Distanzzone hineindrängte (also Herrschaften ausgeschlossen, die konnten alles), um den machte Phaeneas zukünftig einen großen Bogen. Zu oft war ihm beweisen worden, dass ihm sein Körper genauso wenig gehörte wie alles andere ...
    Und so wie in Germania kam er auch diesmal wieder zu dem Schluss, dass es unangebracht wäre, die Hand zu verweigern. So streckte er die seine aus und gab sie Sermo. Mit anderen Menschen war Phaeneas so unerfahren wie mit Hoffnung und Vertrauen auf die Zukunft, und aus seinem Händedruck sprach nicht gerade viel Sicherheit.


    Eine Garküche in der Nähe? Diese Frage scheiterte schon daran, dass Phaeneas sich selten in der Subura aufhielt, wie sollte er sich dann hier auskennen. Darüber hinaus hatte er kein Auge für solche Lokalitäten. Für andere Sklaven war das außer Haus essen ja das Erlebnis schlechthin und der Bithynier wäre fast versucht zu vermuten, dass sich manche den Weg zurück nachhause anhand der Thermopolia merkten, die ihnen unterwegs begegneten. Phaeneas dagegen befand, dass er daheim seinen Hunger genauso stillen konnte und beachtete deshalb solche Imbissstuben gar nicht. „Keine Ahnung“, schüttelte er also den Kopf. „Wenn du keine kennst, müssten wir wohl sehen, was wir finden“, fuhr er fort - und sagte damit gleichzeitig der Einladung zu.
    Inzwischen hatte Phaeneas feststellen können, dass der Mann, der ihn da zum Essen mitnehmen wollte, nicht gerade abgerissen und wie ein Schlägertyp aussah, der sich einen Spaß daraus machte, ahnungslose Passanten in irgendwelche dunklen Ecken zu locken. Auch war die Einladung zum Essen eine unverfängliche Sache, denn in einer Gaststätte würden sich viele Menschen aufhalten, die wiederum Schutz bedeuteten. Also war das Angebot des Fremden vollkommen ungefährlich.

    Des Decimers Bitte hatte ein Nicken von Seite des Sklaven zu Folge. „Du kannst ihn sprechen, da er zugegen ist“, antwortete Saras und trat mit einer einladenden Geste zur Seite. Dabei gab er den Blick auf den kleinen Jungen hinter ihm frei.
    An den wandte Saras sich nun: „Menyllus, lauf und sag dem Herrn Bescheid!“ „Faciam*!“, erwiderte der und stob von dannen. Über Deidameia konnte er sich ja später immer noch beschweren, befand der Junge, und ... prinzipiell war die Schmach, die seine Schwester ihm angetan hatte, ja auch nicht sooo schwerwiegend gewesen, eigentlich konnte er die Sache genauso gut auf sich ruhen lassen.
    Während Lucianus also von seinem Besucher erfuhr, führte Saras ihn ins Atrium.


    Sim-Off:

    * lat. für "Mach ich!" bzw. "Ja!"

    Im Empfangsraum der Villa angekommen, bot Saras dem Gast einen Sitzplatz an. „Mein Herr wird gleich erscheinen. Es dürfte nicht allzu lang dauern, bis dahin kannst du es dir hier bequem machen.“
    Saras mochte es nicht, in seiner Eigenschaft als Vater und Erziehender unterbrochen zu werden, und sei es nur für irgendwelche kindlichen Geschwisterstreitigkeiten. Trotzdem war er natürlich höflich zu dem Decimer, der konnte schließlich auch nichts dafür, dass er im falschen Moment aufgetaucht war.
    Es war das Schicksal eines Sklaven, in den eigenen Belangen stets hinter denen der Herrschaften zurückstecken zu müssen – in diesem Fall also jederzeit für Besucher bereit stehen ... Mal sehen, ob Menyllus nachher überhaupt noch wusste, was er vorhin gewollt hatte.

    Gerade war Menyllus außer sich vor Empörung auf seinen Vater zugerannt und hatte zu einem „Papa, Deidameia hat mich ... !„ angesetzt, da erklang das Pochen an der Türe. Der schwarze Saras seufzte, bedeutete seinem Sohn zu warten und ruhig zu sein und drehte sich dann um zur Porta, um sie zu öffnen.
    An den davorstehenden Mann richtete er schließlich die Worte: „Salve, Herr, was kann ich für dich tun?“
    Menyllus stand von ihm leicht verdeckt hinter ihm im Vestibulum und ärgerte sich innerlich noch ein Stück mehr, weil er das große Unrecht, das ihm angetan worden war, nicht gleich loswerden konnte.

    Gerade jagten noch der kleine Menyllus und seine um ein paar Jahre ältere Schwester Deidameia um eine Ecke, dann hallte noch ein lautes „Meia, ich krieg dich schon noch!“ durch den Säulengang und es war von den beiden nichts mehr zu sehen oder zu hören…
    Phaeneas sah den beiden hinterher. So schnell konnte man gar nicht schauen, wie ein Heranwachsender in Menyllus‘ Alter an einem vorbeisauste. Und auch wenn seine Schwester der Kindheit inzwischen seit geraumer Zeit entwachsen war, genoss sie es nachwievor, ihre Tunica zu raffen und sich noch einmal um diese kindlichen Höchstgeschwindigkeiten zu bemühen.
    Im Anblick dieses ausgelassenen Spiels musste der Bithynier unweigerlich an seine eigene Kindheit denken.
    Als er klein gewesen war, hatte es da in dem Haushalt, in dem er damals gelebt hatte, diesen großen, alten Koch gegeben, der eine sehr kräftige Hand gehabt hatte. Er hatte sich oft um die Zurechtweisung von Sklavenkindern gekümmert. Unter seinen Augen zu lachen, geschweige denn so herumzutoben, war von vornherein unmöglich gewesen. Und keiner der jungen Sklaven wäre je auf die Idee dazu gekommen oder hätte sich auch nur vor Altersgenossen so sorglos gegeben. Zu tief war das Misstrauen untereinander der erwachsenen Unfreien gewesen und ebenso intensiv auf ihre Kinder übergegangen.
    Im gleichen Augenblick fiel dem bithynischen Leibsklaven seine Mutter ein. Stets hatte sie ihm fürsorglich Ermahnungen mitgegeben, wenn er irgendetwas zu erledigen gehabt hatte, oder erst recht, wenn ihn etwas in die Nähe der Herrschaften geführt hatte. „ ... Sei höflich. Vergiss nicht, respektvoll zu sein. Und sei vorsichtig, was du sagst.“ Phaeneas hatte genickt. „Ich werde auf mich aufpassen, Mutter“, hatte er geantwortet, mit damals noch knabenhaft hoher Stimme. Sie hatte ihm noch einen letzten Blick zugeworfen, aus ihren warmen braunen Augen, als könne sie ihn dadurch unterstützen, bevor er sich umgedreht und sie alleine zurückgelassen hatte.
    Gut erinnerte sich Phaeneas an eine Szene, die sich hier im Hause Vinicia öfter abspielte, wenn nämlich Mania herbeigeeilt kam und ihren Sohn Menyllus, und manchmal auch Deidameia, für ihr lautes Lachen und fröhliches Herumspringen zurechtwies.
    Was der Bithynier auch gelernt hatte war, dass Erziehung nicht mit dem Kindesalter endete. Irgendeiner von Phaeneas‘ früheren Herrn ... Der Bithynier wusste gerade nicht mehr, welcher, aber es was ja auch egal, einer war fast so gut wie der andere ... Jedenfalls einer hatte ihn einmal wiederholt darauf hingewiesen, dass er darauf bestand, dass seine Sklaven sich vor ihm verneigten – es war seltsam, wofür man sonst alles einen Kopf und ein Gedächtnis hatte, jedenfalls hatte Phaeneas es stets seiner Gewohnheit gemäß unterlassen. Was dieser Herr dann gesagt hatte, war dem bithynischen Sklaven noch gut im Gedächtnis. Seine Stimme war dabei bedrohlich ruhig gewesen, fast gleichgültig: „Du hast wahrlich ein Rückgrat aus Metall, Phaeneas. Doch jedes Rückgrat - kann man brechen.“
    Allein schon dass er sich seinen Namen hatte merken können, war gefährlich gewesen.
    Es war nicht wörtlich gemeint gewesen, sicherlich, doch er hatte danach sehr anschaulich bewiesen, wie ernst es ihm um seine Forderung gewesen war.
    Aber auch Phaeneas war auf seine Art hartnäckig und so hatte sich, nachdem er wieder einmal den Besitzer gewechselt hatte, seine alte Angewohnheit wieder eingependelt.
    Manchmal also brachte Erziehung auch gar nichts. Und nachdenklich betrachtete der Leibsklave des Hausherrn die Säule vor sich, an der Meia und Menyllus gerade vorbeigerannt waren.

    Petronilla hieß sie also. Und von Lucianus bekam Phaeneas prompt die abschließende Bestätigung seiner vorherigen Vermutung. Sie würde also bleiben.
    Als Lucianus ihn zu sich herholte, trat Phaeneas an die Klinengruppe heran und hörte sich an, was sein Herr ihm zu sagen hatte. Ein bestimmtes Zimmer?! Diese Vorgabe wunderte den Bithynier, na ja, aber er dachte sich nichts weiter dabei; er nickte nur stumm und selbstverständlich ohne jede Veränderung der Mimik, so wie er das vor Fremden immer tat. Außer den ernsten Gesichtszügen, dem emotionslosen Ausdruck in seinen Augen und dem stumm zurückhaltend-ignorierenden Verhalten sahen andere nichts von ihm und sie sollten auch gar nicht mehr mitbekommen. Daran änderte sogar Lucianus‘ Gegenwart nichts.


    Glücklicherweise wurden in der Villa Vinicia auch die Zimmer, die nicht belegt waren, regelmäßig gereinigt, sodass jederzeit Gäste kommen konnten. Deshalb war es nicht viel Arbeit, das für Petronilla vorgesehene Cubiculum bezugsfertig zu machen. So verließ Phaeneas das Atrium, um einen letzten kontrollierenden Blick in den betreffenden Raum zu werfen und abschließende Anweisungen zu geben.

    Ein Glück, das mit Lucianus war abgewehrt. Auf die Sache mit den Kritzeleien ging Phaeneas‘ Gegenüber allerdings nicht mehr ein; lag es an dem Käfigträger, der an ihnen vorbeikam? Der Sklave hatte das Gefühl, dass der Fremde nicht im Gespräch mit ihm gesehen werden wollte. Na ja, Phaeneas konnte es egal sein. Obwohl die Aufmerksamkeit des anderen längst nicht mehr auf ihm lag, ließ der Bithynier ihn nachwievor nicht aus den Augen. Dann wandte der sich ihm wieder zu und tat etwas, was bei Phaeneas seine Wirkung nie verfehlte - er überraschte ihn. Zum einen war der Sklave nicht gewohnt, danach gefragt zu werden, ob er hungrig war, gegessen wurde, wenn es etwas gab, und wer nicht genug zugriff, der war selber schuld, wenn er hungerte. Zum anderen war das kein bisschen die Frage, die man von einem Fremden auf der Straße erwartete.
    „N...nein, eigentlich nicht“, antwortete er deshalb unüberhörbar überrumpelt – und fragte sich, was sein Gegenüber damit wollte. Der ließ die Katze auch nicht lange im Sack und Phaeneas‘ Überraschung noch ein Stück wachsen. Der Mann hatte Hunger, gut. Aber dass er den Bithynier gleich dazu mitnehmen wollte, ging dem doch etwas schnell.
    „Ist nicht ungewöhnlich, ich werd schon mal eingeladen, wenn mich jemanden öfter getroffen hat“, führte Phaeneas eine geringfügige Spur leiser aus.


    Es war ungüngstig für den dem Sklaven unbekannten Mann, dass er ihm unter solchen Umständen begegnet war. Phaeneas saß der Schreck von vorhin noch in den Knochen, auch wenn er nach außen hin seine Haltung wiedergefunden hatte, und so wusste er nicht recht, was er von dem Fremden und seinem Angebot halten sollte. Wäre er ihm irgendwo auf einem belebten öffentlichen Platz ganz harmlos über den Weg gelaufen, Phaeneas wäre doch um einiges entspannter (trotz seines ständigen Misstrauens gegenüber allem und jedem) und könnte dem deutlich gelassener entgegensehen, wie sich das Ganze entwickeln würde.
    „Wie heißt du eigentlich?“, fragte der Bithynier erst einmal in Ermangelung einer besseren Vorgehensweise und erkundigte sich damit nach dessen Cognomen; das, was zu erfragen in dieser Situation nicht zu persönlich war.

    Phaeneas war nicht derjenige gewesen, der den beiden die Getränke gebracht und serviert hatte. Das war der stille Mys gewesen. Dafür betrat der bithynische Leibsklave nun das Atrium und überblickte die Szenerie. Längst war zu ihm durchgedrungen, dass es sich beim Gast um eine Vinicia handelte (die ganze Sklavenschaft wusste das inzwischen). Aber sonst konnte er nichts mit ihrer Person und ihrem Namen anfangen und zuerst war es ihm auch egal, sie war nichts weiter als eine Besucherin - und alle Menschen, die nichts weiter als irgendwelche x-beliebigen in das Leben des Sklaven Getretenen waren, interessierten Phaeneas nicht sonderlich.


    Mys, auf dessen Platz der Bithynier zusteuerte, überließ ihm relativ schnell und unkompliziert das Feld, man merkte, dass solche Vorgänge in diesem Sklavenhaushalt gut abgesprochen waren.
    Nun widmete sich Phaeneas der Unterhaltung der beiden Freien in dieser Angelegenheit, er hatte noch am Rande Lucianus‘ Bemerkung über das Aussehen seiner Gesprächspartnerin mitbekommen. In der Art, wie die Vincia sich seinem Herrn gegenüber gab, erinnerte sie Phaeneas stark an Paulina – die dem Bithynier gegenüber stets anders gewesen war ... nicht so...gekünstelt freundlich. Ja, ihm selber gegenüber war Phaeneas Lucianus‘ Ehefrau natürlicher erschienen. Jedenfalls wollte die gerade angekommene Verwandte ihren Äusserungen nach in Rom bleiben. In Anbetracht dessen, dass sie in einer Beziehung zu seinem Herrn stand und der Sklave die Art dieser Beziehung bisher nicht einordnen konnte, schenkte er ihr doch mehr Beachtung, als er das üblicherweise bei einem Gast oder Klienten zu tun pflegte. Phaeneas jedoch ließ sich nicht so leicht wie Antias oder Lucianus von der Besucherin einnehmen, weil er für deren weibliche Formen kein bisschen empfänglich war.

    In den Momenten, die Lucianus zum Begreifen und Reagieren brauchte, hafteten Phaeneas‘ dunkle Augen förmlich auf ihm, beobachteten ihn, nichts wäre ihrer prüfenden Betrachtung in diesem Augenblick entgangen.
    Als der Herr des bithynischen Sklaven endlich sprach und die Situation klärte, legte sich Erleichterung über Phaeneas‘ Gesicht.
    Sofort erfolgte seine Reaktion: „Ah, gut, dann werde ich den zweiten Brief mal vervielfältigen gehen.“ Dass er kein bisschen auf Lucianus‘ Worte an sich einging, bewies ein weiteres Mal, dass ihm nur die Bestätigung wichtig gewesen war.
    So nahm er also die zweite Wachstafel wieder an sich und machte sich auf, zur Türe zu gehen. Dort drehte er sich noch einmal um, mit einem: „Vale, Luciane*!“


    Sim-Off:

    * lateinischer Vokativ (=Anredefall)

    Vorab: Ich für meinen Teil habe es gelesen und zwar den ganzen langen Text ;)


    *seufz* Was haben zur Zeit nur die guten Schreiber, dass so viele von ihnen aufhören?

    Marcus Vinicius Lucianus
    und
    Aelia Paulina


    geben die glückliche Geburt ihrer Kinder bekannt.


    Am
    ANTE DIEM IV ID SEP DCCCLIX A.U.C. (10.9.2009)
    erblickten
    Lucius Vinicius Massa und Vinicia Pietas
    das Licht der Welt.
    Wir danken für die guten Wünsche,
    die wir vorab erhielten.



    Marcus Vinicius Lucianus
    et
    Aelia Paulina

    Marcus Vinicius Lucianus
    und
    Aelia Paulina


    geben die glückliche Geburt ihrer Kinder bekannt.


    Am
    ANTE DIEM IV ID SEP DCCCLIX A.U.C. (10.9.2009)
    erblickten
    Lucius Vinicius Massa und Vinicia Pietas
    das Licht der Welt.
    Wir danken für die guten Wünsche,
    die wir vorab erhielten.



    Marcus Vinicius Lucianus
    et
    Aelia Paulina

    Marcus Vinicius Lucianus
    und
    Aelia Paulina


    geben die glückliche Geburt ihrer Kinder bekannt.


    Am
    ANTE DIEM IV ID SEP DCCCLIX A.U.C. (10.9.2009)
    erblickten
    Lucius Vinicius Massa und Vinicia Pietas
    das Licht der Welt.
    Wir danken für die guten Wünsche,
    die wir vorab erhielten.



    Marcus Vinicius Lucianus
    et
    Aelia Paulina

    Inzwischen war Phaeneas den Großteil der Papyrusrollen unter seinem Arm bereits losgeworden, aber vier warteten noch auf ihre Auslieferung. Mit den Purgitiern würden es nur noch drei sein. Schließlich sollten auch sie erfahren, welches Glück die Villa Vinicia heimgesucht hatte, in Gestalt von Zwillingen, die die bisher sehr kleine Familie dramatisch vergrößerten.
    Für Phaeneas machte es mit oder ohne die beiden prinzipiell keinen großen Unterschied, Kinder ganz gleich welchen Alters gab es in einem großen Haushalt schließlich immer genug. Nur einen kleinen emotionalen Aspekt konnte er nicht verleugnen, der schlicht nur deshalb einen Unterschied machte, weil es Lucianus' Kinder waren und der sie sich so gewünscht hatte ...


    Marcus Vinicius Lucianus
    und
    Aelia Paulina


    geben die glückliche Geburt ihrer Kinder bekannt.


    Am
    ANTE DIEM IV ID SEP DCCCLIX A.U.C. (10.9.2009)
    erblickten
    Lucius Vinicius Massa und Vinicia Pietas
    das Licht der Welt.
    Wir danken für die guten Wünsche,
    die wir vorab erhielten.



    Marcus Vinicius Lucianus
    et
    Aelia Paulina