“... wo sich eine anständige Frau umziehen kann?“ Anständig. Das musste sie gerade jetzt sagen, wo sie gerade dabei war sich ein gewollt aufreizendes Gewand auszusuchen.
Den Verkäufer ignorierte Phaeneas schlicht, während er den Blick nachdenklich über Gewänder in einem Regal schweifen ließ. Stoff, übereinandergestapelt, aneinandergereiht, verschiedenster Art und Farbe, aber Stoffe. Hm, der Stoff aus dem die Welt gemacht ist, der Urstoff, die große philosophische Frage. Vielleicht nicht unbedingt die sinnvollste, befand zumindest Phaeneas, aber welche Frage ist es denn nicht wert, wenigstens über sie nachzusinnen. Logisch bedacht gab es zwei Dinge, die zwingend notwendig waren, um Leben zu erhalten: nämlich Luft und Wasser. Aber musste deswegen die Welt daraus sein? Spontan aber wusste Phaeneas genau, wie seine Antwort lauten würde: Wasser war es, ganz sicher, Wasser, dieses unbegreifliche, wunderbare Element. Und vor allem: Wasser hatte diese geheimnisvolle Kraft, die unerklärliche Wirkung Phaeneas jeden Morgen wieder die nötige Kraft für den kommenden Tag zu verleihen, zu beleben und zu erfrischen, Wasser, dieses herrliche Element.
Sinnierend ging der bithynische Sklave seinen Gedanken nach, längst gefangen in dem Netz, das seine Grübeleien gestrickt hatten ...
Beiträge von Phaeneas
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Phaeneas verfolgte das verbale Geplänkel, das zwischen den beiden hin und her ging.
Privat, sieh an. War jetzt eine arrangierte Nutzehe schon privat?
Der bithynische Sklave stand nur unbewegt daneben, während der Verkäufer die Gewänder herzeigte und ihre Vorzüge aufzählte.
Es war herrlich zu wissen, dass niemand Grund hatte, ihm derart zu schmeicheln – die Kleidung eines Sklaven hatte in etwa zu passen und zweckmäßig zu sein. Bestenfalls bei offiziellen, repräsentativen Anlässen musste es etwas ansehnlicheres sein, aber dann kam es für den Verkäufer nicht darauf an, den Geschmack des Sklaven zu treffen, schließlich suchte der Herr aus, was er an seinen Sklaven sehen wollte und für geeignet befand.
Nur im Kleinen wurde man auch als Sklave umschmeichelt, so man denn eine wichtigere Position hatte, um damit dem Herrn zu schmeicheln. -
Ein Verkäufer, der sich gerade noch an einem Regal zu schaffen gemacht hatte, nahm sich ihrer an und ließ sich die Wünsche der Statthaltersgemahlin schildern.
Er bemühte sich, wie es eben jeder tat, der etwas an den Mann bringen wollte, um eine möglichst freundliche Atmosphäre. Für Phaeneas waren alle Verkäufer einzig und allein darauf aus, möglichst viel zu Geld zu machen bzw. das für ihren Herrn, Patron oder was auch immer zu erledigen.
Menschliche Regungen vermutete Phaeneas zuerst einmal grundsätzlich nicht, wenn er einer fremden Person, mit der er nur einer Dienstleistung halber zutun hatte, gegenüberstand. Was wohl daran lag, dass er selten an das Gute im Menschen glaubte. Mit den wenigsten hatte er zu tun, weil er selbst es wollte, sondern weil die Gegebenheiten es so erforderten – Mitsklaven, mit denen man gemeinsam etwas erledigte, Passanten, die man nach dem Weg fragte, Händler, bei denen man einkaufte. Und all diese Personen hatten zuerst einmal praktischen Wert, denn sie halfen ihm schlicht seine Pflichten zu erledigen.Seide, diesen Wunsch hatte die Gattin seines Herrn ja schon vorhin geäußert, aber der Nachsatz, das war ja wirklich goldig. Phaeneas grinste innerlich.
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Eilig hastete Phaeneas zusammen mit den anderen Sklaven Lucianus’ Angetrauter hinterher. Was den Bithynier wirklich wunderte und er sich angestrengt fragte, war, woher sie den Weg so gut kannte, dass sie so zielstrebig auf das Handelshaus zuhalten konnte. Auch die schnellen Schritte, die sie dabei vorlegte, überraschte ihn, denn Dauerlauf war keine Disziplin, die man von einer vornehmen Dame vermuten würde ...
Nach diesem rasanten Lauf wurde es dann urplötzlich wieder ruhig, denn sie erreichten den Laden. Phaeneas besah sich mit aller Muße, wie die Einkaufswillige ihre Nase empor streckte.
Ansonsten begann sie auch gleich schon mustergültig ihren Einkauf, indem sie die Waren geringschätzend musterte. Wer konnte vor solch vernichtenden Blicken schon mit seinen Preisen bestehen?
Na ja, jedenfalls Phaeneas könnte es nicht. -
Die Gemahlin des Herrn stand auf und wandte sich zu ihnen um. Phaeneas richtete seine Aufmerksamkeit für den Moment wieder auf sie. Tja, den Göttern war genug gehuldigt.
Ein interessanter Gedankensprung, von Iuno zu einem neuen Gewand. Und dass sie etwas >brauchte< war stark zu bezweifeln. Sie wollte nur.
„Freya Mercurioque, Herrin“, erklärte der bithynische Sklave nach ihrem langen Monolog. „Ja, dort müssten sie auch Seide im Sortiment haben ...“ Phaeneas erinnerte sich dunkel an den ungefähren Bestand der Freya Mercurioque. Irgendwann einmal hatte er sich flüchtig damit befasst, so wie man eben alles inspizierte, wenn man eine ganze Stadt vor sich hatte – und wenn man Zeit hatte, beschäftigte man sich schließlich erst recht mit allem möglichen. -
Ach so, Raetinus hatte schon um zwei Schritte weitergedacht. „Ja, sicherlich, das ist nur zu wahr“, antwortete der Sklave sinnierend und wandte dann aber doch noch ein: „Aber eine Entscheidung in diesem Ausmaß!“ Die Emotionen, die damit einhergingen – aufgewühlte Ungläubigkeit - , waren unverkennbar. Zumindest, dass Phaeneas eben dieser Entscheidung, die vor einer Freilassung anstand, eine hohe Bedeutung zumaß, war offenkundig.
Phaeneas verfolgte Raetinus’ Blick. Als der noch eine Bestellung aufgab, machte sich in Phaeneas in Hinblick auf die späte Stunde Befangenheit breit. „Nicht doch, der Wirt wird dich für verrückt erklären“, warf er unsicher ein.Dann verlangte Raetinus etwas zu wissen, was zu erfragen ihm eigentlich kein bisschen zustand.
Diesen Tag würde es nie geben.
Und vor allem: Die ehrliche Antwort auf diese Frage jedenfalls müsste eigentlich „Keine Ahnung, ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht!“ lauten. Aber – wenn man sich doch nur einmal die Situation ansah: Phaeneas saß hier in der Taberna und zwar Raetinus gegenüber, den er gerade erst seit heute kannte, der ihm letztendlich – ein Fremder war. Warum also sollte der Bithynier seine neue Bekanntschaft etwas derartiges wissen lassen?
Phaeneas schüttelte leicht den Kopf. Und bat im Folgenden – auch wenn die Worte sehr diplomatisch klangen – letztendlich darum, dieses Thema auszuklammern. „Bei manchen Dingen ist es sinnvoller sich erst darüber Gedanken zu machen, wenn es so weit ist.“
Sprich nie. So wie sich Phaeneas allgemein noch nie Gedanken über die Freiheit gemacht hatte, zumindest nicht darüber, was sie für ihn bedeutete, er war immer nur damit beschäftigt gewesen aufzuzeigen, dass sie auf sein Leben sowieso keinen Einfluss hatte. Und Phaeneas war wahrlich froh darüber, sich nicht mit dem Freiheitsgedanken belasten zu müssen. -
Sinn, Sinn, unwillig verwarf Phaeneas sämtliche Gedanken in diese Richtung. Alles lief nämlich nur auf eines hinaus: Wie konnte jemand, der ein durch und durch sinnloses Leben führte, erwarten, dass seine Existenz einen Sinn hatte?
Der Sinn, das war das einzige, was Phaeneas verborgen bleib. Alles andere in seinem Leben war genauestens durchdacht, nichts tat Phaeneas, ohne nicht genau zu wissen warum. Jede Einzelheit war begründet und gerechtfertigt, alles ließ sich durch Nachdenken erfassen und festlegen. Aber sein Sinn, der Sinn seines Lebens, der erschloss sich ihm nicht. Welchen Nutzen hatte es für diese Welt, dass er lebte?
Natürlich läge bei einem Sklaven dieser Schluss nahe: „Diene deinem Herrn, tu, was dir jeden Tag aufgetragen wird, das ist dein Sinn.“
Aber das war Phaeneas schlicht zu wenig, um Sinn zu sein.
Und vor allem: Wer tagtäglich so viele sinnlose Dinge erledigte, was für einen Sinn sollte dessen Leben schon haben?
Phaeneas stand hier wie so oft im Leben, wartete, bis die Gemahlin seines Herrn befand genug gebetet zu haben, vertrieb sich die Zeit mit all dem, was sein Kopf an Gedanken hervorbrachte, und stand hier ansonsten sehr sinnlos herum. Er nützte hier wahrhaft niemandem etwas, außer dass er nachher der Gattin des Herrn wieder den Weg nach Hause zeigen würde, aber davon abgesehen war er hier wirklich überflüssig. Gerade diese unsinnige, so oft vorgekommene Situation war doch förmlich ein Abbild seines Lebens, unendliche, dahinlaufende Zeit, ewiges Warten, auf etwas, was nicht von ihm abhing. Das war der Grund, warum in Phaeneas’ Leben nichts eilte, er hatte ja schließlich für alles unendlich Zeit.
Er ließ geschehen, nahm hin, was andere taten oder wollten, was kümmerte es ihn? Wie konnte man sinnloses auch ernst nehmen? Nur ... wo war zwischen all dem der Sinn, sein Sinn, und gab es ihn überhaupt? -
... Mittag war es also nicht mehr, als Phaeneas der Wind um die Ohren pfiff und durch seine Tunica wehte, sie also in eine sehr kühles Kleidungsstück verwandelte. Schön hatte der Tag begonnen, mit Sonne eben, und jetzt ... Wollten ihn die geballten Kräfte der Natur doch glatt daran hindern, auf Mogontiacums Straßen zu weilen.
Die über der Stadt stehenden Wolken verhießen den Regen schon, weswegen der Sklave mittlerweile den Versuch, dem Wetter zu trotzen und weiterhin in aller Ruhe zu flanieren, aufgegeben hatte und sich beeilte zur Regia zu kommen, bevor das Schlimmste losbrach. Regen war ja ganz schön, wenn es warm war, dann kamen einem die Tropfen ein wenig so vor, als würde ein großes Becken geleert - auch wenn Phaeneas das gefüllte Becken natürlich lieber gewesen wäre und dann noch am besten mit strahlendem Sonnenschein. Jedenfalls, Regen zusammen mit Wind ergab Kälte und davon gab es für den Bithynier in Germania schließlich genug, als dass er dieses Unwetter auch noch an eigenem Leib miterleben wollte. Mit schnellen Schritten eilte er also die Parallelstraße der Via Bingia entlang. Auf dem Forum warf er noch einmal einen Blick zum Himmel, nur um dort dunkle Wolken zu sehen, und hastete weiter. Nur hatte seine Trotzphase vorhin gegen das drohende Gewitter zu lange gedauert und so kam es, dass Phaeneas kurz vor dem schützenden Statthalterpalast doch noch nass wurde.
Das volle Ausmaß des Gewitters erlebte er zum Glück hinter Fenstern. Trocken und warm verursachten die Hagelkörner bei dem bithynischen Sklaven einiges an Staunen – und Schrecken – als er die – riesigen! - Eisklumpen sah. In etwa so war es ihm im Anblick des Schnees gegangen, als er in großen Flocken auf Mogontiacum hernieder gegangen war und den Boden draußen in eine weiße, ebene Fläche verwandelt hatte. So viel Schnee auf einmal! -
Phaeneas’ größter Alptraum wäre, eines Tages vor dem Nichts zu stehen. Vor etwas, was ihm vollkommen unbekannt war. Nicht zu wissen, wie er mit dem umgehen sollte, was das Leben ihm abverlangte, bzw. gleich gar nicht zu wissen, was überhaupt von ihm erwartet wurde. Sein eigenes Leben kannte er, er wusste, womit er zu rechnen hatte und wie mit den meisten Situationen umzugehen war. Der bithynische Sklave hatte die Erfahrung gemacht, dass das Leben gefährlich war und man deswegen alle Gefahren kennen musste. Mit seinem bisherigen Leben war er vertraut, er kannte die Tücken, aber in einer völlig neuen Lebenssituation wäre er möglicherweise hilflos ausgeliefert.
„Per Iovem*, da hast du recht“, stellte Phaeneas fest und war tief beeindruckt von diesen schlichten, treffenden Worten. Man konnte wirklich nicht selbstverständlich davon ausgehen, wahrlich nicht.
Na ja, gerade hatte er sich zurechtgelegt, sich jetzt gleich von Raetinus zu verabschieden – manchmal musste ein Gespräch derart rabiat unterbrochen werden - , aufzustehen und zu gehen. Gerade hatte er vorgehabt, zu tun, was zu tun war, da sagte Raetinus etwas in Phaeneas’ Ohren sehr seltsam klingendes.
„Bitte, mit deiner Entscheidung leben?“, fragte Phaeneas erstaunt zurück, „Wieso denn wenn es besser wäre?“ – und blieb weiter sitzen.Sim-Off: * „Bei Juppiter“ ~ „Donnerwetter“
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Phaeneas verlagerte das Gewicht auf den rechten Fuß und schob den linken ein wenig vor. Schatten fielen vor ihm auf den Boden. Mit einem kurzen Blick erkannte Phaeneas, dass ein paar Vögel über das Grüppchen hinwegflogen. Elegant der Flügelschlag, den Körper perfekt in Fluglinie ausgerichtet segelten sie gleichmäßig dahin, friedlich und unbehelligt. Ruhe lag in diesem Flug, obwohl es nur ein kurzer Moment war, in dem sich die Vögel über Iunos Heiligtum hinwegbewegten.
Der Bithynier widmete sich wieder irdischen Gegebenheiten, sprich wandte den Blick ein weiteres Mal vom Himmel ab. Er sah zu den vier jungen Sklavinnen hinüber, streifte beiläufig den germanischen Leibwächter und richtete die Augen auf die Gattin seines Herrn, die nach wie vor mit gesenktem Kopf kniete.
‚Was Vögel wohl als ihren Lebenssinn betrachten?’ Mit diesen Gedanken schweifte sein Blick auch schon weiter. -
„Gibt es noch jemanden, der Zeit hat mit mir das Peristyl durchzufegen, Phaeneas?“ Fragend lastete Manias Blick auf dem Sklaven. „Ja, nimm Iotape mit, die hat gerade nichts zu tun“, antwortete Phaeneas. Mania bedankte sich, froh, die Arbeit nicht allein machen zu müssen, und machte sich von dannen.
Gerade morgens war die große Frage, wer sich um was kümmerte. Phaeneas setzte dabei auf Selbstständigkeit – schließlich war er der Meinung, dass ein Sklave jederzeit fähig sein musste, selbstständig eine Entscheidung zu treffen - und griff nur ein, wenn es nicht anders ging – und in genau diesen Fällen diskutierte er dann nicht gern. Wenn er sich schon einschaltete, sollten sie es auch gefälligst so tun wie er es gesagt hatte.
Die anderen Sklaven hatten sich gut daran gewöhnt, dass Phaeneas lieber im Stillen agierte, als unauffälliger Organisator im Hintergrund. Sein Prinzip war einfach: Er erwartete schlicht, dass alles reibungslos lief.
Genauso wussten sie um seine Genauigkeit in allen Dingen, die die Herrschaft in irgendeiner Weise betrafen.Tja, es war wieder eine „Freude“ zu sehen, wie alles im Haus funktionierte, davon abgesehen, dass es Phaeneas relativ egal war. Ihn persönlich interessierte nicht, ob alles wunderbar klappte oder irgendwo noch Schwierigkeiten waren, geduldig kümmerte er sich um alles und tat sein möglichstes, einfach nur weil es seine Aufgabe war.
Er betrachtete seine Arbeit nicht einmal als Teil seines Lebens. Arbeit, das war das, was man tat ohne dabei nachzudenken. Das, was nicht unbedingt einen Sinn haben und erst recht nicht spannend oder eine Herausforderung sein musste.
Leben, das war das, was Phaeneas von sich aus tat oder was ihm würdig genug erschien, in sein Leben aufgenommen zu werden. Nur Dinge, denen er wirklich Beachtung schenkte und sich nicht nur am Rande damit beschäftigte bekamen dort einen Platz. Denn nur was Teil seines Lebens war beachtete er wirklich, und wenn ihn alles kümmern würde, was ihm begegnete, müsste er sich schließlich ständig wegen allem möglichen Gedanken machen.
Von dem, was in den Aufgabenbereich des bithynischen Sklaven gehörte, zählte einzig Lucianus nicht als Arbeit. Er war schließlich keine mühselige Pflicht, sondern mehr Freude und Vergnügen. Genauer gesagt das Schönste, was Phaeneas derzeit hatte.Persönliche Sympathien für Lucianus hin oder her, der Herr war immer Mittelpunkt von Phaeneas’ Handeln. Die einzige Person, der er verantwortlich war, der, der zum einen schon aus Prinzip in keiner Weise zu Schaden kommen durfte und weil man es sonst selbst spürte.
Die anderen Sklaven wussten um seine Treue zu Lucianus. Phaeneas hatte nie einen Hehl daraus gemacht. Er, der er sein Leben lang gelernt hatte, dass Treue zum Herrn alles war. Besonders eben die zur Schau gestellte. Die andere durfte offen nicht existieren, niemand durfte um sie wissen. Das, was im Herzen stand, war unwichtig, egal. Und so wusste niemand, wie Phaeneas wirklich zu Lucianus stand ...Der Bithynier hatte keine Lust, alle Sklaven ständig zu kontrollieren. Er wäre ja den ganzen Tag nur damit beschäftigt.
Das war auch nicht nötig, denn er hatte ein geschlossenes Überwachungssystem über die Sklavenschaft gelegt, ohne dass die es überhaupt wussten. Bei manchen im Haus wusste Phaeneas um ihre Treue zum Herrn, zum einen, weil die Überzeugung aus ihnen sprach oder kühle Berechnung sie zu dem Schluss kommen hatte lassen, dass das der einzig lohnende Weg war. Und da diese Sklaven Lucianus treu waren, standen sie auch hinter Phaeneas. Sprich, wenn irgendwo ein Sklave auf die Idee kommen würde zu faulenzen oder schlecht zu arbeiten, würde der Bithynier es durch die erfahren, die loyal zum Herrn standen.Vor allem eines fiel auf: Während Phaeneas das Sagen in der Sklavenschaft hatte, gab es manche, die mehr mitzureden hatte, als es ihnen offiziell zustand. Die, denen niemand je Macht gegeben hatte, und deren Stimme trotzdem entscheidend war. Sie waren Phaeneas’ Exekutive, die, die im Alltag für die Umsetzung all dessen sorgten, was gemacht werden musste. Er selbst hatte seine Zweifel daran, ob er es tagtäglich schaffen würde, die nötige Ordnung durchzusetzen, weshalb es ihm sehr lieb gewesen war zu entdecken, dass es andere gab, die das für ihn erledigen konnten. Die, die seit jeher schon bei den Sklaven angesehen waren und ein aus Phaeneas’ Sicht bewundernswertes Durchsetzungsvermögen hatten. Deshalb sah der Bithynier bedenkenlos zu, wie sie ihre ohnehin schon naturgegebene Autorität noch ein bisschen ausbauten ...
Von seinen Aufgaben war Phaeneas die Herrschaft über die anderen Sklaven die einzig unangenehme. Auch wenn er damit umzugehen gelernt hatte, das Seine würde es nie sein. Warum er das Lucianus in keiner Weise wissen ließ – ja, das war eine interessante Frage, die sich verstandesmäßig wohl nur schwer beantworten ließ.
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Unbeteiligt stand Phaeneas daneben.
Der Himmel schien ihm tausendmal interessanter, aber ständig hinaufzuschauen, hätte unhöflich gewirkt, also beschäftigte er sich lieber mit seinen Gedanken, denn anderenfalls hätte er sich mit dem zufrieden geben müssen, was vor ihm lag, und das war auch nicht gerade spannend. Ach ja, wenn er schon bei caelum* war, es war erfreulich hier draußen nicht frieren zu müssen. Kaum ein banales Themen hatte Phaeneas jemals so beschäftigt und immer wieder unterhalten, wie das Wetter in Germania. Seit er sich entweder darüber ärgern oder freuen konnte.Der Bithynier atmete tief ein. Die hineinströmende Luft fühlte sich so leicht an.
Müßig zu erwähnen, dass er sich gut fühlte. Besser als zu manchen Zeiten früher. Bei sich selbst zu sein, sich selbst zu fühlen – nicht halb neben sich zu sein. Nicht von Hilflosigkeit betäubt zu sein, nicht müde und kraftlos und nicht nur froh, aus der Situation halbwegs heil wieder herausgekommen zu sein. Einfach ... leichter. Ein ganz anderes Lebensgefühl.
Sim-Off: * Himmel, Klima
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Und prompt schien wieder die Sonne. Phaeneas betrachtete ihr Lächeln.
Dann folgte er ihrem Blick und fand dabei erneut nichts bestimmtes.„Über die Priestersituation in Mogontiacum weiß ich nicht wirklich bescheid, Herrin“, entschuldigte sich der Bithynier.
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Dass die Gattin des Herrn nicht viel für Germania übrig hatte, war offensichtlich.
Als hätte Iuppiter gar nichts mit Gewitter zu tun.
„Die meisten scheinen Mars, die Magna Mater und Isis zu bevorzugen“, erklärte Phaeneas seiner Herrin zu Iunos Anhängern, dabei erwartungsgemäß sachlich. Götter, von denen zwei orientalisch entlehnt waren.
„Die germanischen Teile der Bevölkerung beten nach wie vor germanische Götter an“, fuhr er diplomatisch fort, „hier in Mogontiacum ist auch der Bau eines germanischen Heiligtums vorgesehen, wie auch immer das aussehen mag. Aber genauso selbstverständlich werden auch die römischen verehrt. Die Bewohner scheinen die beiden Kulte problemlos zu vereinen.“ -
„Dass du beschäftigt bist ist offensichtlich, Herr. Du bist schließlich nicht umsonst von morgens bis abends eingespannt“, entlastete Phaeneas Lucianus vom Eindruck der Unbeschäftigtheit.
Er hörte sich geduldig die Aufzählung von Aufgaben und Kommandos an.
Er bekam letztendlich, was er wollte. Nämlich einen Einblick darin, wie Lucianus über das dachte, was den größten Teil seines Lebens einnahm. Was genau er wollte, das bekam er nicht, dafür aber einen gebührenden Ersatz.
„Faszinierend“, sprach der bithynische Sklave und genau dieses Wort stand in sein Gesicht geschrieben. Der Herr war der einzige, der erwarten konnte, genauer an Phaeneas ablesen zu können, was gerade in ihm vorging. „Du denkst mehr an deine Pflicht als an dich selbst.“
Mit nach wie vor faszinierter Miene, wandte sich Phaeneas schließlich zum Gehen.
Mit dem dezenten Unterschied, dass er nicht weggeschickt wurde, sondern von selbst ging. -
Phaeneas sah die Gemahlin seines Herrn lächeln und hörte sie reden. Er wusste für wenige Momente nicht, was er von ihr halten sollte.
Der bithynische Sklave nickte nur: „Folge mir, Herrin.“
Und über Vestibulum, Porta und die restliche Regia verließen sie das Haus. -
Mit der Herrin samt ihren Sklavinnen traf Phaeneas am Tempelbezirk der Stadt Mogontiacum ein. Zuerst musste er sich ein wenig orientieren, schließlich war es ihm ansonsten nicht wirklich wichtig zu wissen, wo einzelne Götter ihr Heiligtum hatten.
Wenn man sich die hier stehenden Tempel ansah, fiel die Zierlichkeit des Sacrum für Iuno, das das Grüppchen jetzt erreichte, besonders ins Auge.
Phaeneas schien es, als wäre Mars in der Provincia Germania besonders beliebt, von den größeren Städten wusste er, dass dort überall ein Tempel für den Kriegsgott zu stand, in Confluentes hatten sie sogar zwei. Was man, am Rande erwähnt, nicht alles unfreiwillig mitbekommt.Jedenfalls ... das Iuno-Heiligtum
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Phaeneas lauschte den Stufen einer Statthalterschaft, ließ sich von Lucianus die Bedeutung seines Amtes interpretieren, nahm seine Welt hin, verfolgte aufmerksam die Worte seines Herrn.
Sympathie für die Provinz ... Phaeneas musste schon fast lächeln. Wie sentimental.Anfangs beschäftigte Phaeneas die Schwerpunktsetzung des Herrn. Im ganzen gesehen schließlich erstaunte es ihn nicht, was er sagte, trotz seiner wie gesagt anfänglichen Schwierigkeiten. Es passte zu Lucianus.
„Du langweilst dich also jeden Tag, der Provinz zuliebe?“, stellte Phaeneas schlussendlich eine sehr rhetorische Frage, bewusst übertrieben, damit man bemerkte, dass es nicht ernst gemeint war. -
Ja, das war in jedem Fall schon mal ein Anfang ... und sehr aufschlussreich.
„Sollen bestimmt nicht, aber vielleicht könnte es ja“, zuckte Phaeneas mit den Schultern.
„Bedeutet dir die Aufgabe einzig etwas, weil es eine Ehre ist, oder auch das Amt selber?“, hakte er nach. -
„Macht dir dein Statthalter-Posten Spaß?“ – pauschal gefragt.
Und nun sah man wirklich Neugierde, als Phaeneas eine Frage stellte, für die er sich unter anderen Umständen, sprich früheren Zeiten, selbst ausgelacht hätte. Zu Zeiten, als es Phaeneas herzlich egal gewesen war, wie sein Herr sein Leben empfand. So eine Frage wäre 1. sinnlos gewesen, hätte 2. Umstände verursacht und hätte 3. den Bithynier sowieso nicht interessiert.
Als Phaeneas zu Lucianus gekommen war, hatte er die Lebensumstände seines Herrn schlicht abgehakt. Sollte er doch sein Geld verdienen, womit auch immer, was kümmerte es ihn? Außerdem hatte es wesentlich wichtigeres gegeben, um sich darüber Gedanken zu machen. Nur jetzt war die Frage über die Jahre doch mehr und mehr aufgekommen, war allein schon durch die Tatsache interessant geworden, dass Lucianus ihm nicht mehr egal war. Und so kam es eben, dass Phaeneas nun jene Frage stellte.