Beiträge von Phaeneas

    „Oh, äh, nein. Ich bin es, die sich entschuldigen muss.“ Man sah ihr deutlich an wie peinlich ihr dieser Irrtum war. „Ich habe dich mit dem da drüben“ – sie wies zu Phaeneas – „verwechselt.“ Wenn das der Wirt erfuhr – hoffentlich erfuhr er’s nicht! „Ein dummes Versehen von mir! Ich bringe dir sofort deinen Wein.“ Und so machte sie sich dienstbeflissen von dannen, um Versprochenes zu tun.


    Sie war nicht die einzige, die sich zu diesem Zeitpunkt unwohl fühlte. Phaeneas hatte das Gespräch natürlich mitbekommen – er saß ja ganz in der Nähe – und nun erfahren, was auf ihn zukam. Im Übrigen fühlte er sich daran schuldig, dass sich für den anderen Gast Widrigkeiten ergeben hatten.
    Aber das war ja von vornherein klar gewesen, dass das ganze nicht gut gehen hatte können... Fast überlegte der Bithynier, ob er es bereuen sollte, überhaupt in die Taberna gegangen zu sein, aber er entschied sich doch dagegen, weil sogar er es übertrieben fand.

    Vor der Kälte war Phaeneas in die Taberna geflüchtet. Nach Hause, in die Regia, wollte er noch nicht. Einen anderen Ort, wo man sich bei solchen Temperaturen aufhalten konnte, gab es nicht recht, zumindest fiel dem Bithynier keiner ein.
    Auf die zwei Betrunkenen achtete er nicht. Er ging geradewegs an ihnen vorbei und ließ sich an einem etwas weiter hinten im Raum befindlichen Tisch nieder.


    Eines der bedienenden Mädchen hatte es doch sichtlich gewundert, dass der unscheinbare Gast sie weggeschickt hatte, als sie seine Bestellung aufnehmen hatte wollen.
    Sie kannte die Anweisung des Wirts, jeden der Tür zu verweisen, der nichts wollte.
    Danach beobachtete sie noch eine Weile, wie er nur da saß und keine Anstalten machte, etwas zu verlangen.


    Während Phaeneas die Blicke durch den Raum schweifen ließ, schenkte er einem in der Nähe sitzenden Mann seine Aufmerksamkeit, aber nie lang und auffällig genug, als dass es aufdringlich wirken konnte. Er hatte braunes Haar und einen Drei-Tage-Bart - fiel Phaeneas so nebenbei auf.
    Doch lange hielt seine Idylle nicht. Die Bedienung kam an seinen Tisch, mit dem Selbstbewusstsein, das Frauen in ihrem Gewerbe zu eigen war, und erklärte ihm in nüchternem Tonfall und klar und deutlich: "Du belegst jetzt schon eine ganze Weile diesen Tisch, ohne etwas zu bestellen. Wenn du es nun nicht langsam tust, muss ich dich leider bitten, die Taberna zu verlassen."

    Es war auch interessant wie die zwei miteinander redeten. Immer betont höflich, alles war in bester Ordnung und beide Gesprächsteilnehmer mehr als zufrieden.
    Tja ja...
    Als die Sprache auf ihn kam, horchte Phaeneas auf. Er sah doch ein wenig belustigt die überschwängliche Reaktion der neuen Hausherrin, ließ es sich aber nicht anmerken und führte sie wie verlangt in ihre Räumlichkeiten.

    Phaeneas hatte an diesem Tag – wie oft davor auch schon - ganz und gar nicht vor irgendetwas zu tun, was seinem Herrn in irgendeiner Weise nützlich sein würde. Er war quasi nur zu seinem Privatvergnügen unterwegs. So hielt er sich auch von allen großen öffentlichen Plätzen fern. Er streifte durch Straßen und kleinere Gassen, ärmliche Viertel und die der Durchschnittsbevölkerung, rhenusaufwärts und rhenusabwärts, an Insulas und Fachwerkhäusern vorbei.
    An und für sich hatte Phaeneas kein Problem damit, sich nur innerhalb eines Hauses bewegen zu dürfen, doch erlaubte man ihm erst es zu verlassen, konnte er regelrecht zu einem Streuner werden.
    Die wenigen Leute, die ihm entgegen kamen, beachtete er nicht. Er sah sie kaum mehr, genau wie die Begebenheiten der Straßen und Häuser um ihn herum.
    Einfach so durch die Stadt zu wandeln hatte allein schon darin seinen Reiz, frei von jeglicher Pflicht und Verantwortung zu sein, von niemandem erwartet oder von niemandem zurückgerufen zu werden.
    Die schnellen Schritte belebten ihn und seine Gedanken holten ihn weit weg von dem, was vor ihm lag. Er wanderte immer weiter, bis er ganz automatisch ging, ohne noch darauf zu achten. Dieses sich treiben lassen war eines von den Dingen, die er am liebsten tat. Jedes Mal, sobald er ein Gebäude verließ und wusste, dass er frei verfügbare Zeit hatte, tat er es ganz vor selbst.
    Dieses Dahingehen beflügelte ihn, ließ seine Gedanken fließen - und es berauschte ihn in nicht unerheblichem Maße. Je länger er ging, desto entschlossener wurden seine Schritte und umso euphorischer das Hochgefühl, das er dabei empfand. Seine Gedanken standen ihm klar und intensiv vor Augen - und irgendwann fühlte er sich wie angeschlossen an Platons Ideentopf, als hätte er Zugriff zu irgendetwas weit über ihm – aber natürlich nur beschränkten.
    Eine Beschäftigung, deren Reiz wohl niemand leicht nachvollziehen konnte, vielleicht in den Augen mancher ohne Sinn und Zweck – vor allem auf den ersten Blick – doch für Phaeneas war es wichtig, von Zeit zu Zeit sein Leben, die Welt, alles zu überdenken, um sich wieder damit identifizieren zu können, seinen Platz in der Welt zu finden und nicht in Leere, Sinnlosigkeit zu versinken.

    Auf den Wink hin verharrte Phaeneas geduldig und verfolgte, wie der Brief zu Papier fand.
    Anschließend nahm er das Schriftstück entgegen.
    Auf die letzten Worte des Herrn hin grinste der junge Bithynier innerlich; es gab kaum etwas in der Welt, worüber sich die Leute mehr Gedanken machten als über das Alter.
    Abschließend nickte er, verließ das Tablinum und machte sich auf den Weg.


    Sim-Off:

    Hey, jeder Satz fängt mit "a" an! :D

    Zum zweiten Mal kam Phaeneas in dieses Officium. „Salve“, grüßte er den hinter dem Schreibtisch befindlichen, den Stationarius, wie er vermutete.
    Der bithynische Sklave schob eine Schriftrolle über den Tisch. „Ich soll für meinen Herrn, Vinicius Lucianus, diesen Brief hier abgeben. Bitte per Normalpost nach Rom.“´


    An
    Medicus Germanicus Avarus et Decima Lucilla
    Casa Germanica
    Roma
    Italia



    Glückliches Brautpaar!


    Meine besten Grüsse und Wünsche für eure gemeinsame Zukunft
    kann ich euch leider nicht persönlich überbringen.
    Ihr versteht sicher, dass mich mein Amt und meine Aufgaben hier,
    im Norden, halten und es mir unmöglich machen,
    nach Rom zu reisen.


    Dennoch wünsche ich euch ein besonders schönes Fest
    und alles erdenklich Gute für Eure Zukunft!


    Mögen die Götter euch beschützen und mit Nachwuchs segnen.

    Der bithynische Sklave konnte sich gut vorstellen, dass Berenice nicht begeistert sein würde, wenn Crinon sie von ihrer Unterhaltung wegholen würde; bei all dem, was sie hier in der Küche tagtäglich wieder leistete hatte sie es nach Phaeneas’ Meinung auch redlich verdient, sich von Zeit zu Zeit erholen zu dürfen – bei was auch immer ihr Spaß machte.
    Nicaea, die natürlich wusste, wie in etwa jeder Tag ablief, begann nach getaner Arbeit ganz selbstverständlich in der Culina aufzuräumen. Und Phaeneas tat dasselbe wie Crinon: er verließ die Küche. Berenice würde schon wissen, was sie, als Köchin, die hier in der Culina für alles verantwortlich war, noch erledigen musste.
    Der Bithynier hatte noch andernorts nach dem Rechten zu sehen. Eigentlich geschah das mehr der Form halber, aber tun musste er es fast, um sicher zu gehen – denn seine Hand ins Feuer würde er für niemanden in diesem Haus legen.

    Keine Reaktion - auf sein stilles Eindringen – war die eindeutigste Antwort und die, die Phaeneas am liebsten war. Schlicht da zu sein zog er einer Erwähnung vor, allein schon, weil er der Meinung war, dass es seine Anwesenheit nicht wert war.
    „...und umgehend um die Ausbildung kümmern.“ Diese abschließende Äußerung Crinons ergab in Phaeneas’ Ohren wenig Sinn. Ausbildung? Welche Ausbildung?
    Als er dann angesprochen wurde, trat er heran. „Ja, Herr“, erklärte Phaeneas und zog die Schriftrolle hinter seinem Rücken hervor. „Ein Brief für dich.“


    Marcus Vinicius Lucianus
    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum
    Regio Germania Superior
    Provinz Germanien




    Decima Lucilla und Medicus Germanicus Avarus


    heiraten



    Du, Marcus Vinicius Lucianus bist dazu herzlich eingeladen. Die Zeremonie beginnt am ANTE DIEM VII KAL NOV DCCCLVII A.U.C. (26.10.2007/104 n.Chr.) in der Casa Decima.



    Dein Erscheinen würde uns ehren und wir würden uns besonders freuen, dich bei unserem Fest begrüßen zu dürfen.


    Rom


    NON OCT DCCCLVII A.U.C. (7.10.2007/104 n.Chr.)



    Lucilla et Avarus

    Phaeneas kam gerade von einem Ausflug in die Stadt zurück und schritt zielstrebig durchs Atrium, dabei üblich eilenden Schritts, als ihm seitlich eine Katze entgegen kam, geschmeidig, flink, und Phaeneas aus grünen Augen betrachtete. Der junge Bithynier hielt sofort inne und drehte sich zu ihr um. Langsam kam sie näher.
    Die schwarz-braun gefleckte Katze hatte sich vor ein paar Tagen in die Domus eingeschlichen und seitdem für viel Entzücken gesorgt. Phaeneas war in letzter Zeit schon öfter in einen Raum gekommen und hatte sämtliche dort beschäftigten Sklaven am Boden und um die Katze herumsitzend vorgefunden. Aber langsam normalisierte sich die Lage von selber wieder. So hatten nun alle etwas von der Katze, zum einen kümmerte sie sich um die Mäuse, die sämtliche Vorratskammern terrorisierten, zum anderen hatten die Sklavenkinder nach wie vor ihre Freude an ihr.
    Bisher hatte sich Phaeneas bezüglich der Katze zurückgehalten; er mochte es nicht, sich zusammen mit etlichen anderen auf etwas zu stürzen. Nun, nachdem sich der erste Trubel gelegt hatte, konnte er sich ihr ausführlicher widmen. Katzen faszinierten ihn; mit ihren glitzernden grünen Augen schienen sie direkt durch einen hindurchzusehen. Vielleicht, so überlegte Phaeneas weiter, konnten sie sogar Gedanken lesen – oder direkt in die Seele blicken. Verrückt, auf welche Gedanken man kommen konnte! Aber es gab nichts, was Phaeneas lieber tat als Überlegungen spinnen, auch wenn es verrückte waren. Und – war nicht alles erlaubt, wenn man über die Welt nachsinnierte, über all die Dinge, die man nicht wusste? Wie sonst sollte man der Welt etwas Neues entlocken, wenn man nicht Spekulationen über sie anstellte und es einmal wagte ganz neue Gedanken über etwas zu fassen, solche, an die sich bisher niemand herangewagt hatte.


    Luna, der Mond, so hatten die Sklavenkinder die Katze prompt genannt. Phaeneas wusste zwar nicht recht, wie man von einer Katze auf den Mond kam, aber gut. ;) Jedenfalls musste die Katze jetzt an ihren neuen Namen gewöhnt werden. Aber halt – während er darüber nachdachte, kamen ihm Bedenken. Sie konnten doch dieser Katze nicht einfach einen neuen Namen verpassen. Bestimmt hatte sie schon einen, einen, mit dem andere Katzen sie riefen.
    Ein anderer würde an so einer Stelle denken, dass eine Katze solche Sentimentalität doch nicht wert war - es war ja nur eine Katze. Doch drückte man Sklaven nicht auch einfach einen neuen Namen auf und nahm ihnen damit ihre Identität? Es waren ja schließlich nur Sklaven.
    Das war der Punkt, den Phaeneas nicht einfach so abtun konnte - und ob Katze oder etwas anderes, niemand hatte seiner Ansicht nach so etwas verdient.
    Er streckte die Hand aus und ging dabei in die Hocke. In der Hand hielt er einen kleinen Leckerbissen. „Luna!“, lockte er. „Komm her!“ Während die Katze ihm die Leckerei von den Fingern aß, sprach er leise mit ihr: „Luna, das ist so etwas wie ein Spitzname für dich. Damit rufen wir dich, das ist alles. Ansonsten braucht es dich nicht zu kümmern.“ Sie rieb ihren Kopf an Phaeneas’ Knie und schnurrte, worauf er ihr die Ohren kraulte. Es gab noch einen weiteren Grund, warum Phaeneas Katzen mochte:
    Katzen kennen keine Vorurteile und keine Unterschiede zwischen den Menschen, Hauptsache eine streichelnde Hand kümmert sich um sie.

    Eigentlich hatte Phaeneas ja gleich mit Crinon zurück ins Tablinum kommen wollen, doch auf halber Strecke hatte ihn Antias aufgehalten, ihm - ohne den Bithynier überhaupt zu Wort kommen zu lassen – etwas von irgendwelchen Schwierigkeiten berichtet, damit geschlossen, dass er sich schon darum kümmern würde, und Phaeneas anschließend eine Schriftrolle in die Hand gedrückt, mit den Worten, dass das für den Herrn angekommen sei.
    Crinon war in der Zwischenzeit schon längst dort, wo er sein sollte. Mit einem Seufzen trat Phaeneas den Weg zum Tablinum an.
    Das Problem war, er wusste ja nicht, ob der Herr ihn überhaupt dabei haben wollte, wenn er mit Crinon sprach. Wäre er gleich mitgekommen, hätte er es dem Bithynier schon gesagt, doch jetzt musste er einfach so ins Zimmer eindringen. Bemüht leise trat er also ein und verschwand sofort in den Hintergrund, die Hände mit der Schriftrolle auf dem Rücken verschränkt...

    Ganz klar war Phaeneas noch nicht, warum ein normaler Germane weniger Nahrungsvorräte zu haben schien als ein Rich, aber im Moment war ihm nicht danach nachzufragen.
    Phaeneas sah amüsiert zu, wie Crinon diese Arbeit nun offensichtlich so schnell wie möglich zu Ende bringen wollte. Dann sah Crinon ihn an - und Phaeneas hob unwillkürlich die Augenbrauen. Er kam nicht recht dahinter, was dieser Blick bedeutete.
    In Phaeneas’ Welt lag es durchaus nahe, dass ihm andere mit Misstrauen und Zurückhaltung begegnen könnten – er selbst hielt es ja genauso. Aber ihm würde nie auch nur im entferntesten der Gedanke kommen, dass ihn jemand prüfen wollen könnte. Dafür war er immer noch viel zu vertrauensselig und glaubte zu sehr an das Gute im Menschen.
    „Ja“, entgegnete Phaeneas, „hol bitte Berenice her. Sie müsste mit ein paar anderen in den Sklavenräumen sein und Tuniken ausbessern.“ Das heißt, Phaeneas vermutete mehr, dass sie daneben saß und sich mit den anderen Sklavinnen unterhielt. Und darüber hatte sie mit großer Wahrscheinlichkeit wieder die Zeit vergessen. „Sag ihr, dass sie wieder in die Culina kommen kann.“

    Natürlich reichte ein Blick des Herrn und Phaeneas wusste, dass eine Rückmeldung von ihm erwartet wurde.
    „Ich denke ja, Herr“, antwortete der bithynische Sklave. Der Herr hatte ihn schließlich angesprochen, also war er es auch, dem Phaeneas Antwort gab.
    Es schien eine Eigenheit der Herrin zu sein, alles und jeden in Frage zu stellen. Innerlich schmunzelte Phaeneas. Ob sie das bei Lucianus wohl auch einmal tun würde?

    Phaeneas wunderte sich, dass der Herr noch eine abschließende Bemerkung dazu machte... Fast als wollte er íhn an seinen Überlegungen teilhaben lassen. Ein eigenartiger Gedanke, an seinen Betrachtungen beteiligt zu werden...


    Tja, wo hatte er Crinon zuletzt gesehen? Ach ja...

    „Nun, viel ist es nicht, Herr. Sein Name ist Ivomagus. Bevor er nach Mogontiacum kam, hat er sich in Rom aufgehalten, in den eher ärmlichen Vierteln der Stadt.
    Livius Priscus, sein"
    - nun, wie wollte man ihn nennen? - "Gehilfe suchte hier in Mogontiacum den Hof eines gewissen Marius Marullus auf und hat sich dort nach jenem erkundigt. Von den Sklaven erfuhr er, dass ihr Herr sich momentan in Taracco aufhält.
    Kurz darauf reiste Ivomagus mit Priscus und besagter Sklavin ab. Ich konnte nicht sicher herausfinden wohin.“
    Und ließ dabei unausgesprochen, dass es nahe lag, auf Taracco zu spekulieren. „Inzwischen ist Ivomagus alleine wieder zurück und ging zur Ala nach Confluentes.“
    Nun mochte sich der Herr die Geschichte zusammenreimen, wie er wollte - oder es eben nicht tun. Es passte alles nicht zusammen, an die Informationen, die es zusammengefügt hätten, war einfach nicht zu kommen.

    Sieh an, dieser Vetter hatte sich wirklich die Mühe gemacht, sich am Mordanschlag selbst zu beteiligen. In Rom hätte das kein hochrangiger Politiker, der sich davon etwas versprach, getan, dafür gab es schließlich Mittelsmänner. Aber wenn man nur zweien vertraute, blieb einem wohl nichts anderes...
    „Jedes Jahr eine Hungersnot?“, fragte Phaeneas ungläubig nach.
    Phaeneas wusch einen letzten Teller ab und Nicaea drückte Crinon noch eine kleine Schüssel zum Abtrocknen in die Hand.
    Der Bithynier nickte nachdenklich zum Ende der Geschichte, wobei er allerdings nicht umhin kam, die Dinge interessant zu finden, die Crinon ihm mehr unbewusst erzählt hatte. Vor allem bezüglich seiner Selbsteinschätzung. Dinge, die für ihn sprachen, die aber auch gegen ihn verwendet werden konnten. ‚Bei den Göttern’, schoss es Phaeneas durch den Kopf und mit dem folgenden meinte er niemand anderen als sich selber: ‚Wie tief kann ein Mensch sinken!’ Er war so lange von diesen Geiern und Bluthunden umgeben gewesen, dass er selbst schon auf die gleichen Dinge achtete wie sie. Doch ... war es nicht Selbstschutz? Je mehr man über einen anderen wusste, desto weniger konnte er einem gefährlich werden. Er kannte Crinon ja nicht, bisher wusste er nur, dass er seine Arbeit gründlich und bisher ohne Widerspruch erledigte. Was war das schon menschlich gesehen...

    Geduldig setzte Phaeneas zu einer Erklärung an: „Ich habe dir von ihm erzählt, Herr, als du erstmals hören wolltest, was es Neues in Mogontiacum gibt. Er ist vor einiger Zeit in die Stadt gekommen und hat prompt sein Geld mit vollen Händen ausgegeben. Geld, von dem niemand recht weiß, woher er es überhaupt hat. Erinnerst du dich an die Zeche in der Taberna und den Einkauf am Markt? Kleidung, Schmuck, zwei neue Sklaven. Seine Ursprünge sind recht ungewiss, sein bisheriges Schicksal ebenso...“
    Phaeneas hoffte, das richtige getroffen zu haben. Was konnte er schon mehr erzählen, was dem Herrn etwas sagen würde, wenn es kaum etwas gab, was man wirklich über diesen Mann wusste?

    Spontan hätte Phaeneas verneint, doch dann fiel ihm ein, womit der Herr ihn beauftragt hatte, als er ihm zum ersten Mal über Neuigkeiten aus Mogontiacum berichtet hatte.
    „Willst du noch hören, was ich über den „Gallier“ in Erfahrung gebracht habe, Herr?“ Ivomagus so zu nennen war schlicht am einfachsten, auch wenn Phaeneas immer noch nicht recht wusste, woher er denn eigentlich kam...

    Phaeneas fand das, was der Herr sagte, doch etwas...erstaunlich. Glaubte der Herr etwa, dass er so leicht vor irgendetwas kapitulierte? Davon abgesehen, dass es nicht wirklich schwierig war, einfach Augen und Ohren offenzuhalten. Oder vermutete er vielleicht, Phaeneas könnte froh sein eine Aufgabe los zu sein? Möglicherweise war ihm auch nur der Gedanke gekommen, der Sklave könnte auch so genug zu tun haben, ohne diesen Kundschafterdienst. Doch solche höflichen und am Ende verständnisvollen Nachfragen war Phaeneas nicht gewöhnt.
    Eigentlich war der einzige der außer ihm dafür in Frage kam Crinon, fiel ihm spontan ein.
    Aber die Antwort stand im Grunde genommen fest: „Ich denke, ich werde weiter dazu in der Lage sein.“

    Phaeneas fand, dass Crinon übertrieb, als er sich ein zweites Mal verbeugte. Falls man in dieser Hinsicht überhaupt übertreiben konnte. Vielleicht hatte Crinon in dieser Hinsicht nur die Manieren, die dem Bithynier fehlten... Er selbst hätte sich jedenfalls nicht so leicht zu einer weiteren Verbeugung bequemt.
    Doch noch etwas anderes, aber ähnliches, zeigte sich während dieses kurzen Gesprächs. Etwas, das Crinon ebenfalls von Phaeneas unterschied: Er bemühte sich um die Herrin und versuchte einen bestmöglichen Eindruck zu machen. Phaeneas verhielt sich gemäß seiner Erziehung, doch er hatte noch um niemandes Gunst geworben.
    Zum Verhalten der Herrin enthielt er sich jeglichen gedachten Kommentars, hörte nur zu, achtete auf diese oder jene bedacht oder unbedacht gefallene Bemerkung und war bei allem ein stiller Beobachter.

    „Ja, Herr“, nickte Phaeneas, „einige.“
    Eigentlich war es stilistisch am geschicktesten, die am interessantest klingenden Details ans Ende – oder zumindest nicht direkt an den Anfang – zu stellen, aber in diesem Fall ging es nicht anders, allein schon wegen der Qualität der Mitteilungen. So begann er: „Man munkelt, dass Artorius Raetinus einen Hinweis gefunden haben soll, wer die Casa Artoria in Rom angezündet hat.“ - Und darauf folgte prompt typischer Stadtklatsch: „Justinianus Cupidus, ein Auxiliarsoldat, und Duccia Clara hatten einige Male miteinander zu tun und so vermuten manche eine Romanze.“ Anschließend überlegte Phaeneas, ob er das, was in jenem Gespräch auf dem Markt mitgehört hatte, erwähnen sollte, und entschied sich dann der Vollständigkeit halber dafür: „Angeblich soll es vor einiger Zeit in der Gens Duccia zu Unfrieden gekommen sein und deshalb scheint heute noch der Haussegen schief zu hängen.
    Hadrianus Subdolus hält sich zur Zeit wegen geschäftlichen Dingen in Mogontiacum auf, er wird in ein paar Tagen nach Ostia weiterreisen.
    Des weiteren kehrte Duccius Brutus zu seiner Familie zurück, wie auch Duccius Eburnus.
    Germanicus Sedulus weilt nun in Mogontiacum, sowie seine Gattin, die ihm etwas später nachgefolgt ist.“
    Im gleichen Augenblick fiel ihm ein, dass er sich diese Auskunft vermutlich hätte sparen können. Seine Tribunen dürfte der Herr in seiner Eigenschaft als Legatus Legionis ja schließlich kennen. Na ja - egal.
    „Am Forum wurde ein Mosaikladen eröffnet und ein römisch-germanisches Handelshaus steht kurz davor fertiggestellt zu werden.“