Beiträge von Lucius Claudius Brutus

    Mit Augen, die nun zu Schlitzen verkommen waren, drehte sich Lucius um.


    "Wen nennst du hier kurz?!"


    Doch es schien nur eine Sklavin zu sein, so dass er sich wieder zu den Blümchen drehte und weitere abbrach, um sie vorsichtig in seine linke Hand zu legen. Schließlich brauchte Mama einen Strauss Blümchen, das war immer gut. Wenn es gut verlief, konnte noch etwas für ihn rausspringen und dabei dachte er nicht an die Küsschen und Wangenkniffe seiner Mutter, sondern an neue Holzboote für seine Teichflotte oder einen Pegasos secundus mit offenem Maul. Einmal wurde ihm sogar ein Tigerbaby versprochen, aber in der Phase konnte er nicht einfach still sitzen, so dass er es verwirkte, war sich aber sicher, dass es irgend ein ander Mal versprochen werden würde und dann wäre er bereit artig zu sein.

    Sogleich fasste er sich erschrocken an den Hals. Das mit der großen Straße und den kleinen im Körper verstand Lucius, aber wofür das Blut diente war ihm bisher immer noch unklar. Es schmeckte nicht, also konnte es ihn nicht füttern, das hatte er schonmal bei dem besagten Schnitt in den Finger damals bemerkt und das rote Zeug gekostet.


    "Ich verstehe. Gibt es nur eine Hauptader und wo führt sie noch durch? Und was macht das Blut da drin, nur fließen?"


    Schwere Fragen, die ihn nun doch ganz einnahmen.
    Verwechslung mit dem tartaros? Konnte gut sein.


    "Hmmm, vielleicht habe ich es wirklich verwechselt. Aber man muss ja trotzdem durch, oder? Ich meine am Hund vorbei und an dem Fluss da, mit dem komischen Boot."


    Wo er sogleich zum eigentlichen Grund seines Besuches gelangte.


    "Genau, ich wollte dich etwas über Boote fragen, du warst ja Praefectus, ja?"

    Skeptisch blickte Lucius auf den kleinen roten Streifen, der sich auf dem Gesicht von Opa Galeo zeigte, als der Sklave beiseite ging.


    "Opa, warum schminkst du dich? Das machen nur Mädchen, lass das."


    Zum Glück hatte Opa Galeo diesen Schminkstreifen sofort mit einem Tuch wegwischen können und Lucius war damit zufrieden gestellt, so dass er unbeschwert auf den Schoss klettern konnte.


    "Was ist eine Hauptader? Und warum ins Elysium, da sollst du nicht hin?! Da ist doch der böse Hund, du weißt ja, Hunde mag ich nicht, also gehe da nicht hin."


    Die eigentliche Frage, wie man am besten das gegnerische Schiff versenken sollte, versank nun selbst im Sande des Vergessens.

    Mit den Händen wieder gesund machen? Etwas skeptisch beäugte er sie eine Weile und blickte dann auf die schnelle Handbewegung, mit der sie den Soldaten wieder gesund machte.
    Sofort wurde dieser von Pegasos umgestoßen.


    "Gar nicht wahr, zaubern können nur die Götter. Höchstens noch diese Nymphen. Bist du eine? Außerdem wurde der hier nicht verletzt, sondern gefressen, siehst du."


    Sofort wurde Pegasos mit der Schnauze gegen den Legionär gehalten und Lucius ließ diesen dann schnell hinter seinem Rücken verschwinden.


    "Siehst du, weg. Der kommt nicht wieder, der ist nun im Bauch.
    Gut, du darfst mitspielen. Aber ich kann dir schon jetzt sagen, mit Puppen spiele ich nicht, die sind für Mädchen und die sind doof. Du darfst aber die Legionäre aufstellen, du scheinst es gut zu können."


    Zu schade, dass Pegasos nicht das Maul öffnen konnte. Wieder eine neue Idee, die Lucius einem einigermaßen begabten Sklaven aufbrummen würde, wenn er denn einen fand. Eine Kopie von Pegasos mit offenem Maul wäre in solchen Situationen nämlich sehr gelegen gewesen.
    Die weiteren Worte der Frau zogen einen weiteren, noch skeptischeren Gesichtsausdruck von Lucius mit sich. Einige Herzschläge lang betrachtete er sie eindringlich und schüttelte dann energisch den Kopf.


    "Gar nicht wahr, ich habe keine Geschwister und wenn, dann hätte Mama es mir erzählt."


    Abwehrend drückte er Pegasos an sich.


    "Mama und ich sind alleine, da gibt es keine anderen Geschwister. Opa Galeo zählt nicht, der ist Opa. Und dieser komische böse Mann auch nicht, der soll mein Vater sein, aber das glaube ich nicht, so böse wie der bin ich nicht, daher ist er nicht mein Vater.
    Meine Mama, keiner nimmt sie mir weg."


    Das genügte, die andere Schwester in Spanien war ihm ebenfalls egal, schließlich waren es nur Nebenbuhler und Lucius würde bestimmt nicht teilen.


    "In Spanien gibt es Stiere, dort ist es heiß, dort war Cäsar und dort will ich nicht hin."


    Pegasos wurde noch enger an die Brust von Lucius gedrückt.


    "Wie echtes Pferd? Der ist doch echt, schau doch. Er ist nur ruhiger als alle anderen, weiter nichts, vielleicht auch ein bisschen klein.
    Auf die großen darf ich nicht, bin zu klein. Du darfst da auch nicht drauf, du bist ein Mädchen und Mädchen dürfen nicht reiten."

    Da Lucius gerne im neuen Teich des neuen Hauses, welches dem neuen bösen Mann gehörte, mit Booten spielte, musste er früher oder später einen Kenner konsultieren.
    Er hatte schon viele Schiffe gesehen, auch Kampfschiffe, wie man ihm berichtete, doch so ganz verstand er das mit dem Kampf nicht. Und wen konnte man da am besten fragen als den lieben Opa?


    "Opa Galeooooo, hast du Zeit?!"


    Stürmte er, ohne anzuklopfen, in das Zimmer des guten Mannes.

    Lucius war gerade schwer damit beschäftigt seine Legionäre, die ihm Sklaven aus Knochen gebastelt hatten, in eine Reihe aufzustellen. Die Sklaven schienen wohl nicht viel von ebenen Flächen zu verstehen, zumindest fielen einige der Legionäre recht schnell um, was Lucius schon zur Weißglut trieb.
    Als er bemerkte, dass sich da etwas näherte, drehte er sich interessiert um, Maß die Frau jedoch kaum eine Sekunde lang und drehte sich wieder weg. Sie sprach nichts, also konnte sie nichts von ihm wollen.
    Doch nun reichte es, er nahm sein treues Holzpferd, was um einiges größer war als die Knochenlegionäre und ließ es auf die Gruppe zuschnellen.


    "Waaaaaah, grrrrrrr, ich fresse euch!"


    Die Männchen wurden alle entweder nieder getrampelt oder von den Nüstern des Holzpferdes umgekippt.
    Doch da sprach wieder die Frau. Und da die Legionäre sowieso alle umgefallen waren und er keine Lust mehr hatte den halben Tag damit zu verbringen sie wieder aufzustellen, konnte er sich auch zu ihr wenden, was er auch tat.


    "Ja, ich bin Lucius. Hallo."


    Antwortete er etwas leiser, denn es schien doch keine Sklavin zu sein, zumindest war sie anders angezogen. Leider auch keine Amazone, wie er danach enttäuscht feststellen musste. In Rom schien es, wie in Baiae, leider auch keine Amazonen zu geben. Dabei war Lucius von diesen Frauen ganz fasziniert, zumindest seit er das mit Achilles und der Amazonenkönigin gehört hatte.


    "Ähm, ich spiele. Aber du kommst zu spät, alle Legionäre sind schon tot. Pegasos secundus ist größer und stärker, er ist ein thrakisches Pferd musst du wissen, die Fressen Menschen und sind gaaanz groß."

    Die Mutter hatte nicht gerade Unrecht mit ihrer Ahnung, doch zutreffend war sie doch nicht ganz. Lucius hatte von Opa Galeo gehört, dem selbsternannten Frauenkenner schlechthin, dass frisch gepflückte Blumen ein Frauenherz sehr erfreuen können. Da Lucius mit ansehen musste, wie eine böse Krankheit seine Mutter damals an das Bett fesselte, hatte er die Ansicht sie wäre seit jenen Wochen etwas trauriger geworden.
    So ließ er sich von dem unwissenden Sklaven, dem die Aufgabe oblag sich um den Garten zu kümmern, einige Tage zuvor in die Flora und Fauna der claudischen Gärten einführen, suchte sich aber insgeheim schon die größten und farbenvollsten Blümchen heraus. Wenn der Sklave wüsste, dass Klein-Lucius diesen Rundgang für ganz andere Zwecke, als zur bloßer Beobachtung in Anspruch nahm, hätte er sich ihm als Führer verweigert. Und Lucius nutzte die Chance, da der Gärtner zu dieser Zeit immer sein Päuschen pflegte, das hatten ihm wiederum andere Sklaven zugeflüstert, um sich an der Gartenpracht zu vergreifen. Da er keinen Sklaven so gut kannte, um mit ihm eine Garten-Verschwörung planen zu können, musste er alles alleine machen.
    So sprang er der Mama aus den Armen und lief kurzerhand zum Garten, um dort durch die Beete und ordentlich geschnittenen Gräser und abgesteckten Gärten zu laufen und die tollsten und schänste Blumen zu pflücken. Das Pflücken sah jedoch nicht gerade nach dem aus, was dies Wort eigentlich im Kopfe zeichnet, denn falls man sich einen kleinen Jungen vorstellte, der sachte, mit viel Gefühl und Vorsicht die Blümchen pflückte, hatte weit gefehlt. Lucius war der Junge, der das Pflücken gerne zu einem tollen Spiel ausarten ließ, so trampelte er auf seinem Weg der Zerstörung zahllose Rosen, Tulpen und weitere schön aussehende Blumen nieder, denn Umwege gab es für ihn nicht. Wenn er etwas sah, so lief er direkt daraus zu, ob da nun eine Blume, ein Busch oder ein kleiner Teich im Wege stand, war ihm ziemlich egal. Dementsprechend sah er auch aus, als in seiner kleinen Hand ein etwas größerer Strauss angewachsen war.
    Stolz lief er zurück, selbstverständlich eine ordentliche Schlammspur hinterlassen, um es zu präsentieren.


    "Schau, schau, sehen die nicht toll aus?!"


    Dass Mama so nahe an dem bösen Mann stand, irritierte ihn da schon ein wenig, so dass er sich gleich an die Hand packte und mit sich ziehen wollte.


    "Dort, im Garten, da gibt es mehr davon! Die stehen da einfach so rum und keiner will sie haben, schau."


    Dabei wedelte er mit dem Sträusschen hin und her, verlor ein paar Blumen, die ihn jedoch nicht interessierten. Schließlich gab es dort im Garten genug davon, zumindest hatte er ein paar stehen gelassen zur Sicherheit.

    Lucius, der die Liebkosung nur zu gerne genoss, da er doch sehr anhänglich gegenüber seiner Mutter war, presste nun beleidigt die Lippen und blickte mit zusammen gekniffenen Augen seine Mutter an.


    "Du musst wissen, Mama..."


    Der kleine Kopf drehte sich langsam, um dieser Bewegung eine ganz eigene Bedeutung zukommen zu lassen, in die Richtung seines Vaters. Die Kleine Hand löste sich von dem Hals der Mutter und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger nun ganz deutlich auf den Übeltäter.


    "Er da..."


    Und um dieser Szene nochmal etwas Besonderes einzuverleiben, atmete Lucius tief durch und zog die Mundwinkel merklich nach unten.


    "War ganz gemein zu mir, er hat mich angeschrien. Und weißt du was? Ich musste bei den Sklaven schlafen! Dort war es ganz kalt, ich hatte soooo viel Angst, da dort auch komische kleine Tiere waren. Dort hat es auch gestunken, huuuui, da konnte ja selbst nichtmal ich einschlafen."


    Nun war Opa Myrtilus nicht mehr alleine da, um ihn zu beschützen, nun stand es zwei gegen einen. Lucius war sich sicher, dass mit doppelter Leibwache dieser Unhold zur Strecke gebracht werden konnte. Opa Myrtilus schien Hemmungen zu haben, vielleicht sogar Angst, aber nun war Mama da und wenn sie sich verbünden würden, ja, dann wären sie stark genug, um diesen Herius zu verdrängen.
    Nachdem dieser Gedanke zu ende gesponnen ward, drehte er sich wieder ruckartig in den Armen seiner Mutter.


    "Pass auf, Mama, er ist böse und könnte dich auch zu den Sklaven schicken, wir müssen hier weg, schnell. Aber Opa Myrtilus dürfen wir auch nicht vergessen, am besten wir schicken Sklaven, um ihn zu holen, denn wenn er es nicht schafft, so sind wenigstens wir in Sicherheit."

    In diesem Moment wurde Lucius an der Hand seines großen Sklaven herbei geführt. Er hatte schon befürchtet wieder eine Strafe auferlegt zu bekommen und hatte daher schon vorsorglich versucht Tränen in die Augen zu pressen, was nicht so recht zu gelingen schien. Als er jedoch die vertraute Person sah, verschwand der trübe Blick, wich einem glücklichen Lächeln.
    Sofort riss er sich von dem Griff des Sklaven und eilte seiner heißgeliebten Mutter entgegen, dabei fing er gleich an zu heulen.


    "Maaaaaaaaaaaaaaaama!"


    Überschwänglich umklammerte er ihre Beine.


    "Nimm mich mit! Lass mich nicht mehr alleine! Bring mich weg von hier!"

    Er strampelte, schrie, stieß den Sklaven mit den Füßen in den Magen und schien von Furien beseelt zu sein.
    Was konnte er anderes machen, um entweder die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder seinem Unbehagen Ausdruck zu verleihen? Dieser Weg hatte stets funktioniert, doch heute war der erste Dämpfer, hier schienen andere Regeln zu gelten, andere Wege mussten gefunden werden. Tränen und Rumgeschreie halfen wohl wenig.

    "Ja eben darum, Opa! Mama ist krank und ich muss sie pflegen, sie ist doch ganz alleine dort!"


    Hatte er schnell eingebracht und blickte fragend in die Augen des älteren Mannes, der ihm versuchte zu erklären, wie wichtig es war hier zu bleiben. Damit würde er keinen Erfolg haben, das wussten wohl beide, denn Lucius hatte von den vielen Eigenschaften seiner Mutter eine ganz entscheidende besonders entwickelt, die Sturheit.


    "Aaaaaaber, Mama sagt ich bin ihr Sonnenschein. Und ohne Sonnenschein sind die Blumen auch ganz traurig und sterben. Soll Mama ohne mich sterben, Opa Myrtilus, soll sie das? Wirklich? Ich will das nicht."


    Lucius war nun doch ruhiger geworden und war sogar recht interessiert an dieser Unterhaltung, etwas sonderbares, denn normalerweise waren Spielzeuge und Tiere wichtiger und interessanter. In Baiae gab es auch immer diese tollen Vögelchen, die er aber nie berühren durfte. Man sagte ihm zwar, dass die Vögel in beissen würden, aber Lucius wusste insgeheim, dass jeder nur Angst hatte, dass der starke Lucius das Vägelchen zu fest anpackt und es nicht mehr singen kann. Einige Vögelchen hatte er ja schon unabsichtigt befreit, als er sie auf ihre Robustheit testen wollte. Die waren doch flinker als angenommen.
    Die Worte des Vaters, der als Vater noch gar nicht akzeptiert worden war, ließen ihn seine Gedanken bündeln, nicht zu Vögelchen, sondern zu dem einzig wahren und richtigen Entschluss: Panik.


    "Neeeeeeeeeeeeeein, ich will nicht da hin!"


    Sofort klammerte er sich an Opa Myrtilus und schüttelte den Kopf so heftig wie er nur konnte, um seinen Schrei über das ganze Zimmer zu verstreuen.


    "Ich will hier weg, die sind alle gemein! Ich will zu Mamaaaa!"

    Der Mann war böse, Punkt. Mama hätte so etwas nicht gesagt, die sie hätte ihn in der bösen Ecke stehen lassen, wo alle bösen Kinder stehen mussten, aber so etwas hätte sie niemals gemacht, davon war Lucius mehr als nur überzeugt, er wusste es.
    Aber da Lucius Strafen nicht mochte, auch die Ecke nicht, musste er sich wohl oder über fügen. So blickte er mit Tränen in den Augen auf und nickte kurz.


    "Entschuldige, Herius."


    Brachte er bitter hervor und versuchte besonders traurig auszusehen, indem er die Oberlippe vor die Unterlippe schob und die Augen demütig senkte. Doch nachdem dies vollbracht war, packte er Myrtilus an der Hand und zog daran.


    "So, jetzt können wir nach Hause. Mama wartet schon auf uns. Los, komm schon."

    Interessiert besah Lucius die Ohren des komischen Kauzes, wie auch die Beine, schaute sogar vor Neugier kurz unter dessen Gewand, konnte aber keinen Schweif entdecken, nur etwas anderes, was er nicht zuordnen konnte.
    Zweifelnd, ob der Mann nicht doch ein Satyr war, runzelte Lucius die Stirn und blickte kurz zu dem großen Sklaven empor, um aus dessen Gesicht etwas ablesen zu können. Leider blieb der ohne Regung stehen und so war Lucius auf sich alleine gestellt.


    "Weiß nicht, ich habe in Baiae noch keinen Satyr gesehen, sonst hätte ich doch gefragt!"


    Es war schon merkwürdig, da verlangte der Mann doch tatsächlich, dass Lucius ihm sagen konnte, welchem Gott der Satyr zur Seite stehen.


    "Weißt du es denn überhaupt, komischer Mann?"

    Seit es ihn damals in Baiae unheimlich interessiert hatte, wo die Sklaven schliefen, hatte er ein Bild vor Augen, welches er nur unter der Überschrift "Bäh" kannte, denn es stank dort und auch sonst sah es damals nicht einladent aus. Man hatte ihm auch verboten hinein zu gehen, um ihn nicht dem Risiko einer Erkrankung auszusetzen.
    Dieses Bild fiel ihm jetzt vor die Augen. Und er sollte dort schlafen.
    Sofort fing die Unterlippe an zu zittern und die Augen wurden feucht. Binnen weiteren fünf Sekunden hatte er es geschafft, das rührigste Weinen aufzusetzen, welches ihm möglich war. Nicht laut, sondern leise schluchzte er und Tränen rannen über seine Wangen. Nach einigen Minuten dieser Pose konnte er den Schmerz nicht mehr unterdrücken und fiel Myrtilus um den Hals.


    "Neeeeeeein, ich will hier weg! War ich böse, Opa Myrtilus, was habe ich gemacht? Ich will zurück, hier ist alles böse, ich will Mamaaaa!"

    Lucius weinte bitterlich in das Polster hinein und schien sich für die Worte des Vaters nicht sonderlich zu interessieren, hatte schon mit dem Gedanken gespielt sich die Ohren mit den Händen zu bedecken, damit dieses auf ihn Einreden endlich aufhörte.
    Doch das Lachen des Sklaven ließ ihn inne halten und er drehte sich, völlig nass im Gesicht, zu dem Sklaven um.


    "Gar nicht wahr! Ich bin kein Mädchen!"


    Da dies nicht zu fruchten schien, erinnerte er sich an die Worte Mamas, die sie manchmal an tadelige und missliche Sklaven richtete. Dann hörten sie alle auf einmal. Es fiel ihm erst nicht ein, doch dann hatte er das Wort endlich.


    "Ich lasse dich auspeitschen, du dummes Ding!"


    Genau das war es, der Sklave verstummte auch sogleich. Er hatte die richtigen Worte gewählt und grinste vor Stolz. Doch dann glitt sein Blick von dem Sklaven zu dem bösen Mann, der auf der Kline lag. Ein eisig kalter Blick ward zugeworfen und Lucius kniff die Augen bedrohlich zusammen. Sogleich spie er in Vesuvianus´Richtung den magischen Satz aus, damit dieser auch vor Angst erschreckte, wie der Sklave zuvor.


    "Ich lasse dich auspeitschen, du dummes Ding!"

    Der Zugang zu Lucius wurde für den Mann besonders erschwert, da der kleine Claudier nur noch mehr Angst bekam. Auch wenn Opa Myrtilus auch so weiß war, sah er doch nicht im entferntesten Sinne so aus wie dieser Mann da und Lucius wusste nicht einmal, ob das ein richtiger Mensch war. Schließlich war er überall weiß, hatte lange Haare und hätte Lucius schon das sonderbare Wort "Yeti" gekannt, er hätte hier davon gebrauch gemacht.
    So schreckte er zurück und klammerte sich umso mehr an des Sklaven muskulöses Bein. Diesen schien es nicht zu stören, war doch die Kraft des Kindes nicht ausreichend, um ihm mehr als nur ein Kitzeln an der Wade zu bereiten.
    Schon im Begriff wegzulaufen, fasste Lucius doch wieder die große Neugier. Zögerlich streckte er die rechte Hand nach dem Mann aus und zeigte mit dem Finger auf den langen Bart.


    "Was ist das? Bist du eine Ziege, die sprechen kann? Ein alter Satyr? Wo sind deine Ziegenbeine?"


    Vielleicht war der Mann auch ein Judaeus. Diese hatten, so wurde man ihm erzählt, häufig lange und weiße Bärte. Dieses sonderbare "Chaire" deutete er da auch zu der sonderbaren Sprache, die Ziegen sprachen.

    Just in diesem Moment wurde der kleine Lucius, geführt von seinem neuen Freund, dem großen Numidier, den er Magnus nannte, den Anwesenden vorgestellt.
    Lucius, seinen Vater erblickend, versteckte sich wieder hinter dem großen Sklaven und blickte verstohlen und ängstlich hinter dessen Beinen hervor.

    Der Sklave bedeutete mit einem kurzen, aber vielsagenden Nicken, dass er alles verstanden und akzeptiert hatte, kniete sich runter zu Lucius und durchwühlte dem kleinen Dominus die Haare, um die Situation zu entspannen.
    Darauf hin begab man sich in die neuen Gemächer des kleinen Herrn, er wurde umgezogen und wieder laut den Anweisungen seinem Vater zugeführt.

    Der Tonfall, von Lucius noch nie gehört, ließ ihn für einige Sekunden erstarren, vor Schreck denn vor Begeisterung. Apathisch blickte er Vesuvianus an, während ihm weiterhin die Tränen über die rosigen Wangen liefen, doch dann stürzte er sich der Länge nach auf das dicke Polster der Kline, vergrub sein Gesicht darin und schirmte selbiges mit den Händen ab - schrie und weinte in die Kline hinein. Ab und an war Gemurmmel zu hören, wie...


    "Böser Mann, geh weg!...Ich will hier weg!...Mamaaaa!"

    Vergebliche Mühen wurden wie immer nicht entlohnt, so kullerten weiterhin Tränen über des Kindes Wangen, doch das Hüpfen hatte Lucius eingestellt, es war auch anstrengend gegen den Griff des Opas anzukommen, der ihn doch bei dem Unterfangen behinderte.


    "Nein! Ich will aber jetzt zu Mama! Ich will nach Hause, ich mah Rom nicht!"


    Die Reise war für Lucius noch erträglich, glaubte der Junge doch an ein Abenteuer, an eine weite Reise, die ihn zu den gefürchteten Nordmännern führte, die schon Caesar zu bezwingen versucht hatte, weiter zu den Säulen des Atlas, zu den sonderbaren und geheimnissvollen Ägyptern, durch das Land Alexanders, durch die Thermopylen, hinunter nach Athen und wieder nach Hause - das binnen einiger Tage. Doch nun war er in Rom, hatte es gesehen, saß nun an diesem Tisch mit diesem komischen Mann, der ihn gar nicht wahrzunehmen schien, es war schlicht kein Abenteuer mehr. Es war Zeit zu gehen.
    So ergriff er Myrtilus bei der Hand, umklammerte sie mit seinen Händen, stemmte sich mit den Füßen gegen das weiche Polster der Kline und zog energisch an der Hand.


    "Aufstehen, wir müssen nach Hause!"