Als Ofella die Hand ergriff, die ihr aus der Sänfte half, sog sie tief die Luft ein. Es roch nach Maronen und kandierten Früchten, nach Wein, unterschiedlichen Parfums und dem typischen Stadtgeruch Roms. Ofella entstieg der Sänfte und ließ alsdann die dargereichte Hand los. Zwei Sklaven nestelten an ihrer smaragdgrünen Seidentunika, die seitlich aufs Komplizierteste gerafft und in viele kleine Falten geschlagen war. Man legte ihr einen durchscheinenden, hellgrünen Schal mit orientalischen Mustern um die Schultern und eine Sklavin zupfte behutsam eine sich ringelnde Locke aus ihrem hochgesteckten, mit Schmuckkämmchen verzierten Haar. Dazu baumelten teuer anmutende Ohrcreolen mit Jade rechts und links des aufwändig geschminkten Gesichts - Ofella sah tatsächlich aus, als habe sie die Vierzig noch nicht erreicht.
Das Kinn ein wenig empor gereckt, schritt sie in ihren Rehledersandalen hinter ihrer Stieftochter drein, die sogleich auf die Gastgeberin zusteuerte und ihr ganz unpassend um den Hals fiel. Nun, wenigstens besaß sie den Anstand, sie vorzustellen.
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Original von Claudia Romana
„Ach ja, das hier...“ Sie deutete auf Ofella... „ist übrigens meine Stiefmutter, Claudia Ofella. Es macht dir doch nichts aus, dass ich sie mitgenommen habe?“, besser gesagt, dazu forciert worden bin , sie mitzuschleppen. Sie lächelte noch immer süßlich und ein wenig falsch, ein Lächeln, das man von der großen Vestalin gar nicht gewohnt war. Calvena musste unweigerlich merken, dass da etwas im Busch war. „Und, Ofella, das hier ist meine liebe Freundin, Germanica Calvena.“, erinnerte sie sich noch im letzten Moment, dass sie Ofella der Germanicerin vorstellen sollte.
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Original von Germanica Calvena
„Es freut mich dich kennen zu lernen Claudia Ofella und dich in der Casa Germanica willkommen zu heißen!“ lächelte sie Romanas Stiefmutter zu, dann wandte sie sich an Romana. „Ich freu mich und je mehr wir sind, desto schöner wird es!“ sagte sie an beide Frauen gewandt. „Ofella du siehst wundervoll aus, du musst mir unbedingt verraten wo man ein solches Kleid herbekommt!“ sprach sie auch sogleich ein Kompliment aus. „Möchtet ihr etwas zu trinken? Wir haben Wein, viele Säfte, Wasser, Honig- und auch Rosenwasser!“ sie winkte eine Sklavin herbei, die den beiden neuen Gästen ein Tablett unter die Nase hielt, damit diese sich bedienen konnten.
Kaum die Zwanzig mochte das Mädchen gesehen haben, und doch wirkte sie recht souverän bei ihrer Begrüßung. Ofella lächelte außerordentlich liebenswürdig, auch wenn sie im Gerunde viel mehr das gehobenere Klientel dieser Festivität interessierte. Aber der Anstand, diese manchmal sinnlose Erfindung, gebot es, die Gastgeberin gebührend zu begrüßen. "Meine teure Germanica, ich freue mich sehr, mein liebes Kind auf ein Spektakel wie dieses begleiten zu dürfen!" Sie hob die beringten Hände und legte sie freundschaftlich um Calvenas Schultern, dann hauchte sie ihr rechts und links je ein Küsschen auf die gepuderte Wange, wie es die neue Mode war. Ofella schien vor Freude zu sprühen. "Vielen Dank! Das werde ich später gern tun, wenn du deiner Pflicht als Willkommensheißerin genüge getan hast", erwiderte sie lächelnd auf das Kompliment hin. Ha, aber sie würde ganz sicherlich nicht ihre geheime Quelle für außergewöhnliche Kleidung preisgeben! Abgesehen davon glaubte sie nicht, dass eine Germanica sich ein solches Kleid auch leisten konnte. Wobei, viel an Stoff würde man für das kleine Ding ja nicht brauchen. Selbst Ofella überragte sie, und das wollte schon etwas heißen. Neben Romana wirkte die Germanica wie ein Wurzelzwerg. In ihren Gedanken wurde Ofella nur unterbrochen, weil jemand heran trat, den sie kannte.
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Original von Aurelia Prisca
"Oh, Aurelia, meine Liebe!", hauchte Ofella erfreut und unterzog auch Prisca der neumodischen Küsschen-hier-Küsschen-da-Praktik. "Wie geht es dir? Wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit nicht gesehen... Befidnet sich deine Familie wohl?" Ofella überlegte. Bei den Meditrinalien seinerzeit waren ebenfalls viele Senatoren unter den Gästen gewesen. "Bist du allein hier?" fragte sie ganz ungeniert und scheinbar arglos. Unterdessen unterzog Ofella die Gäste prüfenden, interessierten Blicken. Romana war unwichtig geworden, immerhin war Ofella genau dort, wo sie sein wollte. Und neben unscheinbaren Mädchen geringen Alters entdeckte sie auch die ein oder andere Senatorentoga. Dabei bemerkte sie auch das Grüppchen um drei Senatoren und einige Damen herum. Interessiert blickte sie hin und wieder hinüber. Germanicus Avarus kannte sie, wenn auch nicht sonderlich persönlich, der andere musste ein Vinicier sein. Aber der dritte? "Sag, Teuerste, du kennst nicht zufällig diesen Senator?" wollte sie verschwiegen von Prisca wissen.