Ich war mir nicht ganz sicher, was Corax mit diesem Auftritt bezwecken wollte. War der Mann lebensmüde oder etwa verrückt? Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, so mit einem Vorgesetzten zu reden. Egal ob er älter oder jünger ist.
"Wenn das mal nicht in die Hose geht", dachte ich mir nur, hielt mich in diesem Fall jedoch zurück.
Ich antwortete dem Duplicarius:
"Ich habe ihm gesagt, er soll sich beim Magazin erkundigen. Bis jetzt ist er jedoch noch nicht zurückgekehrt."
Der Duplicarius betrat erneut die Schola und ich nahm sofort Haltung an und salutierte. Dann meldete ich:
"Probatus Merowech meldet, es muss nur noch abgestaubt werden. Der Boden wurde zwei Mal geschrubbt und Probatus Corax ist auf der Suche nach Nägeln, um den Stuhl zu reparieren."
Ich war nun fast fertig mit der Schrubberei, als mich Corax nach Nägeln fragte. Ich antwortete nur:
"Erkundige dich mal im Magazin, ob sie dort welche haben...übrigens: Veldidena ist ein kleiner Garnisonsort in den Alpen. Er liegt am Fluss Aenus.
Als ich fertig war mit dem Boden, brachte ich den Eimer mit Wasser hinaus und holte ein Tuch, um noch alles abzustauben.
"Fast geschafft",dachte ich mir, "ich hoffe, der Decurio ist zufrieden damit."
Da der Duplicarius nun mit dem Decurio sprach, hielt ich es für das beste, vorerst meinen Mund zu halten und zu hören, was der Decurio sagen würde.
Ich hatte zwar nicht begonnen mit der Quatscherei, aber Kameraden halten zusammen. Da Corax nichts zu sagen schien, Nah ich Haltung an und meldete mich zu Wort:
"Duplicarius, ich war soeben mit dem ersten Schrubgang fertig und wollte nur Corax' Meinung hören, ob der Boden für seinen Geschmack sauber genug ist. Denn dann hätte ich damit begonnen abzustauben."
Dann wartete ich gespannt darauf, wie der Duplicarius wohl reagieren würde.
Während ich schrubbte, antwortete ich:
"Merowech ist mein Name. Ich komme aus Veldidena. Und du?"
Ich antwortet Corax: "Kein Problem. Ich hol nur schnell einen Eimer Wasser und eine Bürste."
Nachdem ich beides geholt hatte, begann ich den Boden zu schrubben, während Corax das Mobiliar überprüfte. Es machte mir zwar keinen Spaß, aber ich ärgerte mich auch nicht, da dies ohnehin wenig genützt hätte. Also pfiff ich vor mich hin und schrubbte.
Kurz nachdem ich den Übungsplatz verlassen hatte, betrat ich die Krankenstation, um nach den verletzten Kameraden zu sehen, wie Brigio es mir aufgetragen hatte.
Ich nickte kanpp und machte mich auf den Weg in die Krankenstation. Als ich sah, dass der Duplicarius den selben Weg einschlug, rief ich ihm zu:
"Duplicarius, wollen wir gemeinsam zur Krankenstation gehen?"
Nach dieser Anstrengung war es richtig erholsam, sich ein wenig auszuruhen. als schließlich wieder ein wenig zu Atem gekommen war und der Decurio noch keine weiteren Befehle gegeben hatte, wandte ich mich an Brigio und sagte:
"Sag mal Brigio, woher kommst du eigentlich? Ich meine, wir sind ja jetzt in einer Truppe und da wäre es doch fein, die Männer zu kennen, an deren Seite man in Zukunft kämpft. Ich bin Rätier und stamme aus den Alpen."
Endlich geschafft: Die Aufgabe und ich selbst war auch geschafft. Arbeit war ich zwar gewohnt, aber dennoch war es anstrengend, einen ganzen Baum hierherzuschleppen. Sofort ließ ich mich fallen. Nachdem ich wieder einigermaßen bei Kräften war, blickte ich mich um: Offensichtlich waren die Falken die ersten, welche diese Aufgabe gemeistert haben. "Mal sehen, was der Decurio zu dieser Leistung sagt", dachte ich bei mir.
Als wir das Tor mit dem Baumstamm passierten, warf ich einen kurzen Blick auf die grinsenden Wachen.
Ihr habt leicht lachen, dachte ich mir, konzentrierte mich dann aber wieder darauf, den Baum auf den Übungsplatz zu ziehen. Der Baum war schwerer, als ich mir gedacht hat und inzwischen spürte ich bereits ein Brennen in meinen Muskeln. Aber bald würden wir am Ziel angelangt sein und für unsere Mühe belohnt werden.
Ich blickte in die Runde und sah, dass jeder der Männer, einschließlich mir, dazu entschloßen war, diesen Stamm möglichst schnell in das Castellum zu schaffen. Wenn es nötig wäre, würden wir dabei bis an die Grenzen unserer Kräfte gehen. Entschlossen nickte ich Brigio zu.
"Das ist bedauerlich", sagte ich und bezog dann gleich meine neue Schlafstatt.
Ich beobachtete, wie die Germanen begannen, die Äste des Baumes mit den Äxten zu entfernen. Dann wandte ich mich an Brigio und sagte vorsichtig:
"Ich weiß, ich bin hier der Neue und ich möchte mich auch nicht in deien Entscheidungen einmischen, aber ich stamme aus den Alpen und wenn wir Bäume irgendwohin schaffen mussten, so schlugen wir in etwa vier Äste nur zur Hälfte ab, damit die Seile einen besseren Halt finden. Glaub mir, es erleichtert die ganze Mühe um ein Vielfaches und dein Rücken wird es dir morgen danken."
Eilig folgte ich Brigio und dem Rest der Falken.
"Alles klar, Brigio. Ich werde mein Bestes bei den Falken geben", antwortete ich meinem neuen Kameraden und Gruppenleiter.
"Soll ich zum Magazin rennen und Äxte holen?", fragte ich ihn noch rasch.
Während ich die Übung ausführte, sah ich zwar, dass der Cecurio und der Präfekt miteinander sprechen, ich maß dem Gespräch jedoch keine Bedeutung bei und konzentrierte mich wieder darauf, mit der Spatha Strohpuppen zu zerlegen.
"Salve Brigio",sagte ich, als ich die Unterkunft betrat.
"Der Decurio hat mich zu den Falken gesteckt. Hättet ihr wohl ein Plätzchen für mich?"
