Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Bei der Anspielung auf die Saturnalien musste Priscus schmunzeln. "Mal schauen, auf welcher Seite ich da dieses Jahr stehe." Als Signifer zählte er zwar längst nicht zu den Stabsoffizieren, aber immerhin innerhalb seiner Centurie und Kohorte zu den höchsten Männern. Da konnte es dann wohl passieren, dass er sowohl an Streichen für den Stab beteiligt war, als auch selber eine kleine Überraschung präsentiert bekam. Aber von letzterer konnte er jetzt nochts ahnen und falls er von ersterem wusste, würde er es natürlich ganz sicher nicht jetzt hier gegenüber dem Praefectus Castrorum erwähnen.


    Dann kam er aber doch noch einmal auf das vorherige Thema zurück. "Wenn der Winter so sanft bleibt wie bisher, kommt das Frühjahr ja bald. Und damit dann sicher auch eine Menge Arbeit, tippe ich mal." Es hatte eigentlich nach dem Winter immer Arbeit gegeben, deshalb warf es kein allzu gewagter Tipp.

    Ja, was agten die Männer eigentlich? Der Praefectus stellte eine gute Frage, fand Priscus. "Nicht viel. Alles ruhig, die Anspannung ist weg. Ruhiger Lagerdienst, der allen gut tut. Über den Krieg wird nicht mehr viel gesprochen, höchstens wenn man den Neuen ein paar Geschichten erzählt", zählte er dann auf. Aber mehr gab es für Soldaten ja auch nicht zu sagen. Ob der Krieg ein gutes Ergebnis gebracht hatte, mussten andere diskutieren. Die Soldaten, die noch reden konnten, hatten überlebt. Das war für sie ein gutes Ergebnis.

    "Äh, danke", antwortete Priscus etwas überrumpelt, da er inzwischen schon länger keine Glückwünsche mehr bekommen hatte und das Thema für ihn damit eigentlich abgehakt war. "ja, doch, gefällt mir durchaus. Ist anders, als als Optio die Jungs über den Platz zu scheuchen und ein bisschen vermisse ich das schon, aber es hat auch ein paar spannende Seiten. Und ein paar entspannende", grinste er und hoffte, dass es ihm sein ehemaliger Centurio nicht übel nahm, offenbar froh über lauen Dienst zu sein.

    Nicht direkt die Wache war es, aber immerhin ein diensthabender Unteroffizier, der die Wache kontrollierte. Wie immer hatte Priscus auf dem Weg zu den Posten seiner Centuria mal wieder einen anderen Weg eingeschlagen. Neulich war er an der Porta Praetoria vorbeigekommen, jetzt hier auf diesem Wallabschnitt. So behielt er trotz der Größe das Lagers auch die hintersten Winkel in Erinnerung und außerdem konnte es für eine überraschende Kontrolle seiner Leute ja nicht schaden, wenn er aus wechselnden Richtungen auftauchte. Jetzt war er also hier auf dem Wall unterwegs und traf den Praefectus Castrorum höchstpersönlich an. "Salve, Praefectus!" grüßte er entsprechend und verlangsamte seinen Schritt, um nicht einfach an ihm vorbeizuspazieren.

    Die Zeiten, in denen er selber Wache schob, waren für Priscus schon lange vorbei. Seit er Optio geworden war, hatte er meistens nur Wachen kontrolliert und nur selten selber mal eine Wachschicht am Tor geleitet. Jetzt als Signifer fiel auch das Weg und seine Tätigkeit bei der Wache beschränkte sich nur noch darauf, als diensthabender Offizier die Posten seiner Centurie zu kontrollieren. Wobei er dabei natürlich auch an anderen Wachen vorbei kam und hier und dort mal zu einem Schwätzchen anhielt, um sich und den anderen die Zeit zu vertreiben. So kam er heute auch an der Porta Praetoria vorbei, wo die Kameraden von der Reiterei standen. "Salvete, Kameraden!" grüßte er. "Wund gerittene Hintern heute mal gegen Plattfüße eingetauscht?"

    Der Bürgerkrieg war nun schon eine ganze Weile vorbei, dafür hielt nun der Herbst Einzug im Lager und der Winter war nicht mehr fern. Für Priscus bedeutete das vor allem, dass er wenig zu tun hatte. Die Abrechnungen, Briefe und Berichte, mit denen Gefallene, Invaliden und anderweitig Entlassene nach der Schlacht abgehandelt wurden, waren inzwischen alle geschrieben und verschickt. Die letzten Grabsteine waren bezahlt und die Bilanz der Sterbekasse gemacht. Nun galt es darauf zu warten, dass die Lücken, die der Krieg hinterlassen hatte, irgendwann wieder mit neuen Rekruten aufgefüllt waren.


    Gleichzeitig liefen im Lager wohl die Vorbeitungen für den Winter, mit denen Priscus aber wenig zu tun hatte. Um das Füllen der Lager und das Verwalten der entsprechenden Bestandslisten hatten sich andere zu kümmern. Als Signifer gehörte das schlicht nicht zu seinen Aufgaben. Da es aber auch sonst nichts dringendes zu tun gab, konnte er derzeit recht viel Freizeit genießen, was ja auch nicht das schlechteste war.

    Der Signifer begutachtete ebenfalls das Werk, rüttelte an einer Ecke und spazierte einmal quer über das Podest und wieder zurück. "Gute Arbeit!", lobte er dann, bevor er wieder herunterstieg. Dann deutete er auf einen Handwagen, der an der Barackenwand neben dem ehemaligen Stapel Holz gelagert war. "Dann nehmt euch jetzt mal den Wagen und kommt mit", wies er sie an und ging voraus in Richtung anderes Ende der Baracke. Dort angekommen öffnete er die Tür zum Büro und deutete auf einen kleinen steinernen Altar, der dort stand. "Den heben wir jetzt auf den Wagen, fahren ihn zum Podest und stellen ihn dort auf. Und dann holt ihr euch eine Bürste und etwas Wasser und macht ihn sauber. Verstanden?" Noch während er fragte, schob er mit dem Fuß einen Holzkeil unter die Tür, damit diese sie beim Transport aus dem Büro bis zum Wagen nicht behinderte.

    Geraume Zeit später lehrte er wieder zu den Unterkünften zurück. Das Feldzeichen hatte er selbstverständlich wieder in der Principia zurückgelassen, aber es blitzte und blinkte jetzt noch mehr als zuvor schon. Als konnte er seinen Beutel mit dem Putzzeug wieder verstauen und sich erst einmal gründlich die Finger waschen. Dann nahm er noch einen Schluck Wasser und eine Handvoll Nüsse als Zwsichenmahlzeit und ging dann hinaus um zu schauen, was seine Freiwilligen machten.


    "Na, Männer, wie sieht's aus?" fragte er und blickte auf das Werk aus Balken und Brettern.

    Da die Männer keine weiteren Fragen hatten, ließ der Signifer sie bei ihren weiteren Arbeiten erst einmal alleine. Er hatte schließlich noch mehr vorzubereiten für den bevorstehenden Feiertag. Also ging er zurück in seinen Unterkunft und holte einen Lederbeutel mit verschiedenen Lappen, einem Fläschchen Öl und weiteren Dingen. Mit diesem machte er sich auf den Weg zur Principia, um das Feldzeichen zu putzen.

    "Richtig", bemerkte der Arzt nüchtern und nahm wieder Platz. "Gesundheit, Kraft und Ausdauer, Hörvermögen, Sehvermögen. Alles da. Tauglich" fasste er dann die Ergebnisse zusammen und bescheinigte sie. "Dann mal zurück zum Rekrutierungsofficium mit dir."

    Der Arzt verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. "Glauben sollst du an die Macht der Capitolinischen Trias! Aber du hast Glück, die sind auch zu dritt und drei ist auch richtig", bestätigte er dann die gegebene Antwort.


    "Halt' dir mal das linke Auge zu!", hatte er dann auch gleich eine nächste Anweisung. Als der Mann dieser nachgekommen war, hielt er zwei Finger seiner rechten Hand in die Höhe. "Wie viele Finger sind das?"

    "Einwandfrei", bemerkte der Arzt, der inzwischen aufgestanden war und zu einem Hörrohr gegriffen hatte. "Dann steh' mal wieder auf!" lautete seine nächste Anweisung. Als der Mann wieder stand, horchte er mit dem Hörrohr erst auf seiner Brust und dann auf seinem Rücken und schien mit dem Ergebnis ebenfalls zufrieden zu sein.


    Er legte das Hörrohr wieder in das Regal hinter sich und drückte dabei dreimal kurz auf einen Blasebalg, so dass jeweils ein leiser Pfeifton zu hören war. "Wie viele Pfeiftöne hast du gerade gehört?" fragte er den Mann.

    "Hervorragend!", begrüßte der Signifer die schnelle Meldung. "Dann kommt mal mit", wies er sie an und ging voraus bis zum Ende der Barracke in Richtung des Lagerwalls. Dort steuerte er auf einen Stapel mit Balken und Brettern zu, die hinter der Barracke gelagert waren.


    "Nehmt diese Bretter und Balken, um dort vorne am Fuß des Walls ein Podest zu errichten. Zwei Balken, einer vorne auf Stützen, einer hinten auf den Wall gelegt und dann Bretter drauf, klar? Braucht nicht allzu hoch zu sein. Hauptsache, es ist ein stabiles Podest, klar? Wenn ihr fertig seid, meldet ihr euch wieder bei mir."


    Für den Fall, dass noch Unklarheiten bestanden, wartete er ab, um diese zu klären.

    Nachdem Priscus auf dem Markt des Lagerforums einige Utensilien für den bevorstehenden Festtag der Victoria gekauft hatte, verstaute er sie in dem kleinen Büro am Ende der Barracke. Dann trat er wieder hinaus ins Freie und ging hinüber zu den Stuben, wo er zumindest die Soldaten antraf, die gerade keine anderen Dienste verrichteten.


    "IV. Centurie der IX. Cohors, ich suche vier Freiwillige!", rief er mit kräftiger Stimme die Lagergasse entlang und wartete darauf, dass sich vier Männer bei ihm melden würden.

    Ein Blick auf den Kalender verriet, dass der Festtag der Victoria bevorstand. Selbst ohne den Bürgerkrieg wäre dies ein willkommener Anlass für eine Zeremonie gewesen, so dass er dies für eine siegreiche Truppe erst recht war. Da traf es sich gut, dass sich zum Markttag viele Händler auf dem Lagerforum versammelt hatten, bei denen sich Priscus nun nach geeigneten Opfergaben umschaute. Viel Geld gab die Kasse der Einheit zwar nicht her, aber immerhin ein wenig und Priscus hatte auch nicht vor, gegenüber der Göttin des Sieges geizig zu sein. Für ein blutiges Opfer reichte es aber trotzdem nicht, so dass er stattdessen etwas Wein, einen Opferkuchen und eine geschnitzte Votivfigur erstand. Außerdem kaufte er etwas Lorbeer, um daraus einen frischen Siegeskranz für das Feldzeichen flechten zu können.

    Argwöhnisch musterte der diensthabende Arzt den Mann. Nach dem Bürgerkrieg gab es ein paar Lücken und er wollte deshalb nicht ganz so streng sein bei der Musterung. Wer nichts taugte, würde das später in der Grundausbildung immer noch merken. "Salve. Irgendwelche Krankheiten? Schonmal gebrochene Knochen gehabt? Wie viele verlorene Zähne bisher?" fragte der Arzt trotzdem das übliche Standardprogramm ab, bevor er sich überhaupt erhob, um eine Untersuchung durchzuführen.

    Vom Rande des Platzes beobachtete Priscus den Aufmarsch der Rekruten. Oft genug hatte er als Optio selber solche Übungen geleitet und es juckte ihn durchaus auch ein wenig, die Männer jetzt einfach zu begleiten. Aber als Signifer hatte er nun andere Aufgaben, so dass er dazu wohl keine Gelegenheit hatte. Stattdessen schaute er ihnen eben nur beim Aufmarsch zu und merkte sich vielleicht den einen oder anderen, der seine Sache besonders gut oder besonders schlecht machte. Immerhin hatte er selber auch ab und zu kleine Sonderaufgaben zu vergeben und da war es gut zu wissen, auf wen man sich verlassen konnte und auf wen nicht.

    Priscus hatte sich relativ schnell daran gewöhnt, dass sein neuer Rang ihn am Morgen weniger von Stube zu Stube führte, um dort die Soldaten zu beaufsichtigen und Befehle zu verteilen, sondern häufiger in das kleine Büro am Ende der Barracke. Dort, wo auch der Centurio seine Räumlichkeiten hatte, gab es ein kleines Zimmer, das als Schreibstube der Einheit diente. Hier wurde die Kasse aufbewahrt mit den Geldern, die die Soldaten dem Signifer zur Verwaltung anvertraut hatten. Hier wurden auch die Stärkemeldungen und andere Listen verfasst und in Kopie gelagert. Hier kamen auch alle diejenigen an, die irgendwas von den Centuria wollten und nicht genauer wusste, wo sie hin mussten. Und hier gab es einen Stuhl und einen Tisch an den sich der Signifer setzen konnte und vorgeben konnte, wichtige Dinge zu tun, wenn er einfach mal seine Ruhe haben wollte.


    Da Priscus aber eher selten zu den Leuten gehörte, die einfach ihre Ruhe haben wollten, war er meistens dann doch nach der morgentlichen Durchsicht durch die anstehenden Verwaltungsaufgaben wieder draußen zu finden, um den Soldaten beim Dienst zuzuschauen.

    Wie vereinbart trafen sich einige Tage später alle frisch ernannten Feldzeichenträger, einige erfahrene Kameraden und der Aqulifer der Legion erneut am Fahnenheiligtum. Priscus trug erstmals stolz sein Löwinnenfell auf dem Helm, das er bei einem Händler auf dem Lagerforum gekauft hatte und das von nun an untrennbar mit seinem Rang verbunden sein sollte. Auch der Kamerad, der ihm in der Rüstkammer das Wolfsfell weggeschnappt hatte, war mit seinem neuen Kopfschmuck anwesend. Priscus nahm es ihm nicht übel, denn auch wenn er deshalb etwas länger hatte suchen müssen, war er mit seiner Löwin nun doch sehr glücklich.


    Für lange Diskussionen bleib ohnehin keine Zeit, denn der Aquilifer begann bald, den Männern einen kleinen Vortrag über ihre Pflichten zu halten. Eine lange Liste von Feiertagen kam darin vor, an denen dieses oder jenes mit den Feldzeichen zu machen war. Dazu persönliche Verhaltensregeln, was das Auftreten gegenüber Kameraden und Vorgesetzten Betraf. Und nicht zuletzt eine Menge Verwaltungskram vom führen der Kasse der Einheit bis hin zum Beurkunden von Verträgen für jene Kameraden, die sich mit dem Lesen und Schreiben schwer taten. Priscus schwirrte schon bald der Kopf, auch wenn ihm viele der Aufgaben nicht neu waren. Schließlich war er lange genug bei der Legion, um den Signifer schon das eine oder andere Mal bei der Verrichtung seiner Pflichten beobachten zu können.


    Zum Glück hatte der Aquilifer auch einen Sinn für's Praktische und so schlossen sich an den Vortrag tatsächlich ein paar handfeste Übungen an, bei denen die erfahrenen Männer ihren frisch ernannten Kollegen zur Hand gingen. Das fing damit an, wie man das Feldzeichen trägt, aufnimmt und absetzt, wie man es schwenkt und bei dieser oder jener Gelegenheit präsentiert. Selbst zur Pflege der Feldzeichen gab es Hinweise, damit bloss kein Fleck den Schein der Auszeichnungen trüben konnte. Und am Ende gab es sogar Hausaufgaben, indem die Männer einige typische Dokumente anfertigen und an den Aquilifer schicken sollten.