Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Eines der Dinge, an die sich Priscus nach der Rückkehr aus dem Feldlager ins Standlager nach Mantua am schnellsten gewöhnte war die Benutzung einer normalen Latrine statt einer provisorischen Feldlatrine. Der Unterschied war freilich gering, denn ein Balken mit Loch ist nun einmal ein Balken mit Loch, egal ob eine wohlgebaute Hütte mit gekalkten Wänden drumherum steht oder ob es sich um ein Provisorium im Lagerwall handelt. Trotzdem hatte Priscus das Gefühl, hier deutlich entspannter zu sitzen und sich besser erleichtern zu können, als im Feld. Nur dann, wenn sein Blick über Kritzeleien an der Wand glitt, deren Autor nie wieder würde kriteln können, kam Schwermut bei ihm auf und die Anspannung wollte sich nicht so recht lösen. Doch auch das verging mit der Zeit, denn neue Kritzeleien kamen hinzu, erheiternde Gespräche mit anderen Kameraden ebenso und spätestens wenn man den muffigen Raum wieder verließ fühlte man sich draußen auf jeden Fall frischer.

    Nach dem Besuch der Rüstkammer, die ihm als Zeichen seines neuen Ranges nur ein struppiges Wolfsfell oder einen alten Bären mit Haarschwund anzubieten hatte, machte sich Priscus auf den Weg zum Lagerforum, um sich dort nach Alternativen umzuschauen. Er war sich nicht sicher, ob inzwischen überhaupt schon genug Händler wieder in Mantua waren, um mit guten Angeboten rechnen zu können, aber man konnte es ja mal versuchen. Zur Not musste er noch ein paar Tage länger ohne Fell auskommen, auch wenn das natürlich schwer fiel. Wenn man schon Signifer geworden war, musste man sich ja auch entsprechend kleiden. Mit Feldzeichen in der Hand und ohne Fell auf dem Kopf fühlte man sich ja geradezu nackt.


    Tatsächlich waren auch einige Händler anwesend, die üblicherweise Felle anboten. Vermutlich konnten sie sich denken, dass nach einem Feldzug der eine oder anderen Mann neu ausgestattet werden musste. Oder in Rom waren während des Krieges ein paar Tiere im Circus draufgegangen, die man jetzt nutzbringend vermarktete. Aber so genau wollte Priscus das eigentlich auch gar nicht wissen, wo denn sein Fell herkommen würde, solange es ihm gefiel. Und nicht zu teuer war.


    Gleich beim ersten Händler gab es ein großes, ziemlich dichtes Bärenfell, aber das war dem frisch ernannten Signifer definitiv zu teuer. Daneben lag irgendetwas exotisches, zumindest von der Farbe her - sofern man von einer Farbe sprechen konnte. Es war ziemlich weiß. Priscus betrachtete es nur kurz und schaute dann weiter, während der Händler natürlich anablässig auf ihn einredete. Priscus legte sich trotzdem erst einmal nicht fest und stattdessen wenig später erst einmal zum nächsten Händlerstand.


    Dort gefiel ihm das Angebot gleich auf den ersten Blick besser. Man könnte auch sagen, er verliebte sich gleich auf den ersten Blick in ein Löwenfell! Genauergesagt ein Löwinnenfell, was zwar wegen der fehlenden Mähne nicht ganz so imposant aussah wie der Löwe, den dieser Händler auch im Angebot hatte, aber irgendwie fand Priscus die Löwin einfach besser. Grinsend stupste er ihr einmal auf die Nase und kraulte dem Fell ein wenig das Ohr. "Pass' auf, die beißt dich gleich!", witzelte der Händler, der ihn bisher beobachtet hatte. "Ist aber auch ein prächtiges Ding. Eine Berglöwin", erklärte er dann. "Noch ziemlich jung, aber schon ausgewachsen. Hier, die Krallen sind auch sehr schön", erzählte er weiter und fuchtelte Priscus mit den Löwentatzen vor der Nase herum. Auch Priscus musste grinsen, auch wenn das Fell eines Feldzeichenträgers ja nun wirklich kein lustiges Kuscheltier sein sollte. "Ja, sieht wirklich gut aus", stimmte er dann zu, auch wenn so etwas üblicherweise die Verhandlungsposition bei einem Händler nicht allzu sehr stärkte, wenn man großes Interesse zeigte. "Kann man die wohl als Signifer tragen?", fragte er dann etwas konkreter nach, denn schließlich musste so ein Fell ja auch irgendwie am Helm befestigt werden, sonst fiel es ständig herunter. "Wofür biete ich es wohl sonst hier an? Für den Legaten auf's Sofa?" fragte der Händler fast schon beleidigt zurück. "Natürlich kannst du das als Signifer tragen! Die passende Halterung für auf dem Helm gibt es bei mir sogar gratis dazu und wenn wir den Helm vorher anpassen müssen, damit der Nackenschirm nicht stört, erledigen wir das auch", bot er gleich mit an. Zweifellos war er ein Profi, der nicht zum ersten Mal einen Feldzeichenträger ausstattete. Und wusste, dass dieser Leute mit Geld umgehen konnten. Dementsprechend war es dann auch eine etwas zähere Verhandlung, bis Priscus sich schließlich mit ihm handelseinig wurde. Tatsächlich ließ er dann aber seine neue Lieblingslöwin erst einmal in diesem kleinen Zoo von anderen Fellen zurück, um später mit seinem Helm zurückzukehren und diesen tatsächlich anpassen zu lassen. Erst dann nahm er sie mit in seine Stube, wo er sie erst einmal sorgfältig auf sein Bett legte.

    Zitat

    Original von Aulus Hadrianus Fontinalis
    Fontinalis nickte,du kannst wegtreten. Und noch etwas. Mach den Leuten ein wenig Dampf, ich möchte nicht erst tief in der Nacht das Antreten machen. Abite


    Priscus bestätigte auch diese Anweisung und verabschiedete sich dann, um wie befohlen den Männern etwas Dampf zu machen. Das erleichterte Seufzen nach dem Ablegen des Gepäcks ging somit fast nahtlos in ein erschöpftes Stöhnen über die zusätzlichen Aufgaben über, das dann wiederum von einem geschäftigen Rauschen überall in den Stuben abgelöst wurde. Metall klapperte und schepperte, während es geputzt wurde, metallbeschlagene Schuhsohlen klatschten gegen Holzpfosten oder Wände, um den Dreck auszuschlagen, dazwischen schob sich das dumpfe Brummen der Mühlsteine, auf dem die Soldaten ihre Getreideration zu Mehl verarbeiteten - und aus der Ecke erklang das erleichterte Seufzen derjenigen, die sich gerade den Luxus einer festen Latrine gönnten. Zu allem warfen die frisch angezündeten Herdfeuer Schatten auf die Wände der Stuben und der Geruch von Schweiß und Leder mischte sich mit dem von angebratenen Zwiebeln und Olivenöl. Die Centurie war wieder zu Hause!

    "Danke, Centurio! Es ist schön, wieder hier zu sein", erwiderte Priscus und nahm wie befohlen bequeme Haltung an, während der Centurio die Männer musterte. Das Legionslager war tatsächlich ihre Heimat und es tat gut, wieder hier zu sein, auch wenn sie ja gar nicht weit weg gewesen waren. "Ausrüstung reinigen und verstauen, dann wieder hier antreten", bestätigte er den Befehel, der keine weiteren Fragen offen ließ. "Keine weiteren Fragen, Centurio!" Die Reinigung der Ausrüstung würde zwar Zeit kosten, die wohl jeder lieber in eine baldiges Abendessen investieren wollte, aber mit solchen Situationen musste man als Soldat eben leben. Kochen konnte man ja auch nebenbei, solange man den Dreck von den Schuhen nicht in den Kochtopf rieseln ließ.

    Einer der ersten Gänge von Priscus nach seiner Rückkehr ins Standlager führte ihn zur Rüstkammer, denn als Zeichen seines neuen Ranges brauchte er wohl ziemlich bald ein Tierfell auf dem Kopf. Bevor er danach bei zivilen Händlern fragte, wollte er es in jedem Fall auch erst einmal in der Rüstkammer versuchen.


    "Fell?", fragte der zuständige Soldat. "Einen Bären habe ich hier herumliegen, aber der ist schon ziemlich alt und verliert Haare. Heute morgen hatte ich auch noch einen ganz netten Wolf, aber den hat dir dann wohl jemand vor der Nase weggeschnappt. Ich hab' noch einen zweiten hier, aber der ist etwas auch etwas struppig." Er holte beide Felle hervor und reichte sie Priscus zur Ansicht. Wirklich begeistert war er nicht. "Würde ich wohl nehmen, aber mehr habt ihr nicht da?" fragte er nach. "Du suchst was flauschigeres?" grinste der Soldat. "Tja, musst du wohl Löwe oder so nehmen, aber sowas gibt's nur als Import, die schüttelt man schließlich nicht von den Bäumen. Musst du mal bei den Händlern fragen. Wir haben Anweisung, nur preisgünstig einzukaufen."


    Priscus nickte, gab die betrachteten Felle zurück und verließ die Rüstkammer erst einmal wieder, um sich tatsächlich draußen umzuschauen.

    Zum ersten Mal fiel Priscus nach der Rückkehr aus dem Feldlager in Verona nach Mantua die ehrenvolle Aufgabe zu, das Feldzeichen seiner Centurie an seinen Platz im Fahnenheiligtum zu tragen. Gemeinsam mit den anderen Feldzeichenträgern, die ebenfalls aus Verona zurück gekehrt waren, versammelte er sich vor der Principia, um dann in einer kleinen feierlichen Prozession die Standarten ins Innere zu tragen. Alleine hätte er es ohnehin nicht machen können, weil er keinen Schlüssel für den heiligen Raum hatte.


    Auch wenn er den Raum nicht zum ersten Mal betrat, so war es doch ein ganz besonderes Gefühl. Einen Teil er Folgen, die seine Beförderung zum Signifier hatte, realisierte er erst jetzt in diesem Moment. Er atmete tief und fast erfurchtsvoll durch, als er das Feldzeichen sicher an seinem Platz abgestellt hatte. Für weitere Gefühle war dann aber doch kein Platz, denn die Müdigkeit und der Hunger nach einem sehr langen Tag machten sich bemerkbar und alle wollten schnell wieder zurück zu ihren Unterkünften, um schnell etwas zu essen und dann schlafen zu können. Was blieb, war die Verabredung mit einigen anderen frisch ernannten und einigen erfahrenen Feldzeichenträgern, um ein paar Detail ihrer neuen Aufgabe zu besprechen. Auch der Aquilifer, der jetzt hinter ihnen die Tür zum Fahnenheiligtum wieder abschloss, würde mit dabei sein.

    Es war wirklich ein schönes Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Erschöpft vom langen Marsch zurück aus Verona, liefen für Priscus die letzten Schritte seit dem Betreten des Lagers mehr oder minder automatisch ab. Der Heerzug hatte auf der Lagerhauptstraße angehalten und die Soldaten der jeweiligen Centurien waren dann einzeln zu ihren Unterkünften geschickt worden. Priscus' Füße fanden ihren Weg von alleine und alles kam ihm angenehm vertraut vor. Mit einem wohligen Seufzen stellte er vor den Baracken das Gepäck ab und nahm mit dem Feldzeichen Aufstellung, damit der Centurio die Meldung ihres Eintreffens entgegen nehmen konnte. "Die verbleibenden Soldaten der Centurie melden ihre Rückkehr ins Standlager in Mantua", meldete er als ranghöchster der zurückgekehrten Soldaten und wartete mit den Kameraden auf den Befehl zum Wegtreten und vielleicht einen netten Willkommensgruß.

    Es war eine ziemlich schwere Tour gewesen, die die Offiziere für die Rückverlegung der letzten Truppen von Verona nach Mantua geplant hatten. Auf dem Hinweg hatte man sich zwei Tage Zeit genommen, der Rückweg war für einen Tag angesetzt worden. Fast 30 Meilen an einem Tag! Erst auf der Via Postumia nach Südwesten, dann am Mincius entlang direkt nach Süden. Es zahlte sich aus, die Tage vorher schon für das Niederlegen des Lagers verwendet zu haben, denn so hatte man gleich mit Beginn des Tages losmarschieren können. Und ab der Hälfte der Strecke standen auf dem Fluss kleine Transportschiffe bereit, um zumindest einen Teil des Gewichtes aufzunehmen und den Marsch damit angenehmer zu machen. Priscus erinnerte sich noch an die eine oder andere Übung, die hier um Fluss absolviert wurde und bei der sie ihn in voller Ausrüstung durchquert hatten. Diesmal ging es einfach nur flußabwärts neben dem Wasser her und damit tatsächlich auf einer halbwegs angenehmen Strecke.


    Am Abend, als die Dämmerung schon fast bevor stand, erreichte die Truppe dann tatsächlich das vertraute Standlager von Mantua. Schon von weitem waren die Mauern und Türme zu sehen gewesen und hatten Priscus und den anderen letzte Kraft gegeben. Kurz vor erreichen des Tores nahm Priscus das Feldzeichen, das bisher recht lässig auf seinen Schultern ruhte, aufrecht nach oben und trug es zum ersten Mal als Feldzeichenträger durch das Lagertor.

    Der Centurio grüßte ebenfalls und wandte sich dann wieder seinen Aufgaben zu. Auch wenn der Abmarsch erst in zwei Tagen beginnen sollte, gab es einiges zu tun: Teile der Lagerverschanzung und der Sicherungen im Vorfeld konnten schon abgebaut werden, Material konnte schon für den Transport vorbereitet werden und Händler mussten informiert werden, dass vereinbarte Lieferungen nun doch nicht mehr benötigt wurden oder direkt nach Mantua geliefert werden sollten.


    Auch Unteroffiziere wie Priscus waren beschäftigt, sowohl mit Aufgaben in der Truppe als auch mit ihren persönlichen Dingen. Noch einmal überprüfte jeder, ob er nicht noch Beutegut zu verkaufen hatte, um es beim Rückmarsch nach Mantua nicht tragen zu müssen, und ob die eigene Ausrüstung in marschtauglichem Zustand war. Für den Rückweg war zwar nur ein Tag angesetzt und am Abend kam man zurück ins Standlager und musste nicht schanzen, aber gerade deshalb rechneten alle mit einem langen und anstrengenden Weg. Immerhin kannte man die Strecke schon vom Hinweg und konnte sich darauf einstellen.


    Am nächsten Tag ging es so genauso geschäftig weiter und weitere Teile der Verschanzung wurden niedergelegt. Auch die Gräben wurden größtenteils schon zugeschüttet und die Wälle dadurch abgetragen. Was blieb, war ein vergleichsweise dünner Zaun aus Seilen und Schanzpfosten, der gerade gut genug war, um die Grenze zwischen Lager und Außenwelt zu markieren. All dies sparte Zeit für den geplanten Aufbruch am nächsten Morgen, für den schon vor Sonnenaufgang geweckt wurde. Noch in der Dämmerung packten die Männer ihre Sachen. Ganz nach der alten Gewohnheit übernahm Priscus dabei für seine Centurie die Endkontrolle und überwachte das Verladen von Material auf die Tragtiere, wie er es früher als Optio auch immer getan hatte. Erst dann griff er nach dem ihm anvertrauten Feldzeichen, legte es zusätzlich zu seinem Gepäck auf die Schulter und nahm seinen Platz an der Spitze der Kolonne ein. Inzwischen war der Tag angebrochen und es konnte endlich losgehen, zurück nach Mantua.

    Der Centurio war an diesem Morgen ebenfalls schon früh auf den Beinen gewesen und fast schon ein wenig verschwitzt von den vielen Dingen, die er organisierte, als der Reiter ihm Meldung machte. "Salve. Sehr gut. Hier sind die beiden Briefe", erwiderte er die Meldung und händigte dem Soldaten zwei Wachstafeln aus, die er am Abend zuvor nach der Besprechung verfasst und versiegelt hatte. Die eine ging zurück an den Praefectus Castrorum in Rom, der andere an die Kameraden, die schon in Mantua waren.


    Ad Praefectus Castrorum Leg I Traiana


    Der Marschbefehl wurde am heutigen Tage zugestellt und unverzüglich den Offizieren und Mannschaften bekannt gegeben. Mit der Vorbereitung des Abmarsches wird zur Stunde begonnen. Du erhältst weitere Meldung, wenn die Truppen wieder das Standlager in Mantua erreicht haben.


    Diese Nachricht wurde dem Reiter Obsidius Antias zur Übermittlung nach Rom übergeben.


    Centurio Atius Tlepolemus, Lagerkommandant in Verona


    Ad Tribunus Legionis Primae Plotius Basilus


    Wir haben heute durch den Praefectus Castrorum Marschbefehl erhalten, unser Lager bei Verona zu räumen und nach Mantua zurückzukehren. Unter Berücksichtigung der Wetterlage habe ich den Abmarsch für in drei Tagen angesetzt. Ich beabsichtige, die Strecke in einem Tag komplett marschieren zu lassen.


    Centurio Atius Tlepolemus, Lagerkommandant in Verona

    "Gut. Lass' dir von meinem Tesserarius einen Schlafplatz zuweisen. Ich gebe dir dann vor deiner Abreise noch einen Brief für den Praefectus Castrorum mit. Und in Mantua kommst du sowieso vorbei, nehme ich an? Dann gebe ich dir für dort auch noch einen Brief mit." Der Centurio wirkte geschäftig und schien es kaum abwarten zu können, die Räumung des Lagers zu organisieren.


    Eine Stunde später waren dann alle Centurionen und Optiones des Lagers versammelt, was nicht allzu viele waren. "Wir haben Befehl erhalten, das Lager abzubauen und nach Mantua zurückzukehren", begann Atius Tlepolemus ohne Umschweife, um dann das detaillierte Vorgehen zu besprechen. Ausstehende Arbeiten vor Ort wurden diskutiert, der Zustand der verbleibenden Verletzten und die erwartete Wetterlage in den nächsten Tagen. Als alles geklärt war, wurde der Abmarsch für in drei Tagen angesetzt und das große Packen konnte beginnen.

    "Wurde aber auch mal Zeit", brummte Atius Tlepolemus und griff nach der Tabula. "Steh bequem! Was trinken?", fragte er, während er die Tabula zu lesen begann. Seine Stimmung hellte sich mit jeder Zeile deutlich auf. "Palicanus!" rief er laut und wenig später stand der gerufene im Zelt. "Alle Centuriones und Optiones in einer Stunde zu mir! Wer heute noch auf Einsatz außerhalb des Lagers wollte, bleibt bis auf weiteres drinnen. Wegtreten!" Der Soldat salutierte und eilte wieder aus dem Zelt. Atius Tlepolemus wandte sich wieder dem Boten zu. "Wie sieht es aus in Rom? Alles glatt gelaufen? Und hast du Order, heute schon wieder umzukehren oder bleibst du eine Nacht hier?"

    Auch wenn das Lager von Mantua nicht belagert worden war und vor seinen Toren keine Schlacht geschlagen wurde, so machte sich der Bürgerkrieg doch auch hier im Lazarett bemerkbar. Wann immer es möglich gewesen war, hatte man nämlich Verletzte aus dem Lazarett des Feldlagers bei Verona zurück ins Standlager nach Mantua verlegt. Hier war es nämlich sauberer, hier gab es ein Dach über dem Kopf und überhaupt war hier alles weitaus weniger provisorisch als draußen im Zelt. Für die zum Teil schwer verletzten Soldaten war die Verlegung zwar eine gehörige Anstrengung gewesen, dafür waren ihre Heilungschancen hier deutlich besser. Die Kapazität war allerdings auch hier begrenzt und alle Plätze belegt, aber dafür konnten Soldaten hier ja auch noch besser als im Feld in ihren festen Unterkünften versorgt werden, wenn sie keiner ständigen ärztlichen Aufsicht bedurften. So herrschte auch hier in Mantua ein sehr geschäftiges ein und aus am Valetudinarium von all den Sanitätern und Ärzten, die sich um die Verletzten bemühten. Hinzu kamen die Händler, die schlau genug waren, gerade jetzt Heilkräuter und andere nützliche Dinge in besonders großen Mengen anzubieten und die entsprechend gern gesehene Gäste im Lager waren.

    Die Tage vergingen und inzwischen war so ziemlich alles Routine geworden, was in einem Marschlager zur Routine werden konnte. Es hatte keine direkten Anweisungen gegeben, wie lange das Lager aufrecht zu erhalten war oder wann es geräumt werden sollte, also entschieden die amwesemdem Offiziere nach Lage. Für Priscus war bedeutete das, dass er nichts zu entscheiden hatte, was ihm durchaus Recht war. Viele Verletzte waren inzwischen entweder abstransportiert worden oder soweit wieder fit, dass man nur noch das Ende der Heilung abwarten musste. Dementsprechend vertrieb man sich die Zeit mit Wache stehen, ein paar Aufbauübungen und den verbleibenden Reparaturen an beschädtigtem Material und Kriegsbeute. Die meisten Händler waren inzwischen weitergezogen, so dass es von der Beute auch nicht mehr so viel zu verkaufen gab.


    Aus Richtung Rom gab es keine konkreten Neuigkeiten, nur Gerüchte, nach denen die Truppen erfolgreich waren. Und so wurde weiter gewartet und Priscus wartete genauso wie die anderen täglich auf Erfolgsmeldungen oder Befehle aus Rom.

    Auch wenn die Dienstgrade unter den Zurückbleibern nicht ganz so viel bedeuteten, da es vor allem erst einmal darauf ankam, dass die anstehende Arbeit gemacht wurde von jemandem, der qualifiziert dafür war und unabhängig von seinem Rang, so ergriff Priscus doch gerne die eine oder andere Gelegenheit, wenn sie sich ergab, um sich mit den neuen Tätigkeiten in seinem Aufgabenbereich anzufreunden. Und das bedeutete zunächst einmal vor allem Verwaltungskram. Immerhin war er für die Kasse seiner Einheit verantwortlich, vor allem auch für die Sterbekasse der Kameraden. Und aus der gab es gerade jetzt doch einiges zu bezahlen. Also nutzte er die freie Zeit, wenn sie sich ergab, um zunächst einmal eine saubere Aufstellung der Namen aller Soldaten seiner Centurie zu machen und dann ihren Status zu erfassen, gefolgt von einer Angabe, ob sie denn Geld aus der Sterbekasse oder wofür auch immer erhalten sollten oder vielleicht sogar Spareinlagen bei ihm eingezahlt hatten, aus dem Geld das sie durch die Beute der Lagerplünderung erhalten hatten. Auszahlen konnte er aber erst einmal nichts - die Kasse war schließlich mit nach Rom gezogen. Und ob er später überhaupt noch für diese Leute verantwortlich war, oder einer anderen Einheit zugeteilt wurde, das wusste er auch nicht. Aber es war in jedem Fall eine gute Übung, diese Liste zu machen und irgendwer würde sie am Ende schon gebrauchen können.

    Die Verkleinerung des Lagers hatte eine Menge Arbeit bedeutet, denn sie musst von nur wenigen Händen erledigt werden. Aber sie vereinfachte das Leben enorm und zeigte einmal mehr, dass die Legionäre buchstäblich zusammen rückten, wenn es die Situation erforderte. Mit dem einfacheren Tagesablauf blieb jetzt soger wieder ab und zu Gelegenheit für so etwas wie Freizeit, die die meisten für das Abfassen eines Briefes an Freunde oder Verwandte nutzten, soweit sie schreiben konnten. Wer es nicht konnte, ließ sich von Kameraden helfen, denn alle wollten wohl ihre Geschichte erzählen und vor allem vermelden, dass sie noch am Leben waren.


    Auch diejenigen, die im Tagesablauf mit Verwaltungsaufgaben betraut waren, hatten viel zu schreiben und auch einiges zu lesen. Entlassungen für Invaliden wurden vorbereitet, die Todeslisten fertiggestellt, nachdem nicht mehr damit gerechnet wurde, dass noch weitere der im Lager versorgten Schwerverletzten sterben würden, und alles musste natürlich für das Oberkommando dokumentiert werden, das Richtung Rom gezogen worden war. Umgekehrt kamen von dort auch Nachrichten und Briefe, unter anderem die Mitteilung, dass Priscus nun nicht mehr Optio, sondern Signifer war. Einerseits freute ihn die Nachricht und machte ihn stolz, schließlich war dies ein äußerst ehrenvoller Posten, den er nun bekleidete. Andererseits bedeutete die Änderung im Marschlager hier bei Verona erst einmal nicht viel, denn seine Aufgaben hatte er weiterhin zu verrichten und solange sie nicht wieder in reguläre Centurien aufgeteilt waren, war der Bedarf für einen Signifer ohnehin nicht allzu hoch. Zumal ihr Feldzeichen im Moment vor Rom stand.

    Wenn es so etwas wie Normalität gab in einem Lager voller Verwundeter, dann war sie inzwischen eingekehrt. Die Menge an Sterbefällen als Spätfolge der Verletzungen hatte deutlich abgenommen, soweit Priscus das mitbekommen hatte. Die Sanitäter und Ärzte gingen Tag für Tag ihrer Arbeit nach bei der Kontrolle der Heilung, aber operieren mussten sie kaum noch. Irgendwie war es auch gelungen, die Versorgung mit Heilkräutern und Verbandsmaterial sicherzustellen, so dass das Lager immer mehr einem gut organisierten Lazarett glich. Hinzu kam, dass der eine oder andere Soldat auch wieder soweit wiederhergestellt war, dass er bei den verschiedenen Aufgaben besser mithelfen konnte. Einige von diesen hatte sich Priscus in den letzten Tagen genommen, um Zelte umräumen zu lassen. Die standen nämlich zum Teil noch etwas verstreut in der Gegend mit großen Lücken dazwischen, wo früher die nach Rom weitergezogenen Kameraden gelagert hatten. Oder die verstorbenen. Da die weiten Wege das Leben aber nicht leichter machten, rückte man nun enger zusammen, so dass die ganze Kohorte auf eine Fläche auskam, die sonst eher für eine Centurie vorgesehen war.

    Es gab nichts, was Priscus an diesen Tagen im Lager bei Verona nicht tun musste. Er unterstand mit den verletzten Soldaten seiner Einheit einem anderen Centurio aus ihrer Kohorte, der selber so verletzt worden war, dass er den Marsch auf Rom nicht hatte antreten können. Jeden Morgen ließ er sich aus seinem Nachtlager helfen und vor sein Zelt setzen, um von dort zumindest einen Blick auf das Lager werfen zu können und in dieser Form irgendwie seinen Aufgaben als ranghöchstem Offizier der Kohorte nachzukommen. Piscus und der Signifer einer weiteren Centurie regelten als Unteroffiziere, was zu regeln war. Priscus im Lager, der Signifer bei der Logistik außerhalb. So fiel es Priscus dann auch hin und wieder zu, den Sanitätern bei der Versorgung der besonders schwer verletzten Kameraden zu helfen. Nicht immer bedeutete eine schwere Verletzung gleich das Ende der Soldatenkarriere für diesen Soldaten, denn auch schwere Schnittwunden und Knochenbrüche hatten eine Chance auf Heilung. Aber im Moment konnten diese Kamerade erst einmal nichts anderes machen, als mit Verbänden umwickelt in ihren Zelten zu liegen und sich buchstäblich bei jedem Kleinscheiß helfen zu lassen - inklusive sich über einen Eimer halten und anschließend den Hintern abwischen zu lassen, weil man das mit verbundenen Armen, Beinen oder einem steifen Hals nun einmal nicht selber kann.

    Nachdem ein großer Teil des Heeres nach Süden Richtung Rom abmarschiert war, wurde es im Lager bei Verona ruhiger, aber deshalb nicht weniger geschäftig. Im Gegenteil, hatten die verbleibenden Soldaten umso mehr zu tun. Die Ärzte und Sanitäter sowieso, die sich weiterhin täglich darum kümmerten, dass es den Verletzten besser ging. Aber auch die, die zurückgeblieben waren, um den Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten, sich um die Gefangenen zu kümmern und für die notwendige Logistik zu sorgen, hatten gut zu tun. Wache machte nur eine sehr kleine Besetzung, auch unter Beteiligung einiger Verletzter, aber immerhin brauchte man hier nun nicht mehr mit Angriffen zu rechnen. Auch bei den Versorgungstrupps, die in der Umgebung Nahrungsmittel beschafften, waren einige Verletzte mit dabei, soweit es ihr Zustand zuließ. Dementsprechend viel hatte Priscus in seiner Centurie zu organisieren, da sich die Aufgaben und die Einsatzfähigkeit seiner Leute fast jeden Tag änderten. Außerdem waren natürlich die meisten kampffähigen Offiziere und Unteroffiziere mit nach Rom gezogen, so dass er sich zusammen mit seinen Kollegen aus den anderen Centurien ihrer Kohorte auch um jene Männer kümmern musste, die normalerweise unter einem anderen Kommando standen.