Beiträge von Pallas

    Die Last der Welt fiel von Pallas' Schultern, als sich die schützende Tür zwischen ihn und den Schrecken der Sklavenschaft drängte. Wie schön sie war, wie vollkommen, wie perfekt gemustert. Hörbar atmete der Brite aus, lächelte die holzgewordene Schönheit dankbar an und machte sich schließlich schnurstraks auf den Weg, um seiner Herrin zu berichten was sich ergeben hatte.

    Ein weniger großer Hasenfuß hätte sich vielleicht gewundert, dass Sciurus nicht erst Rücksprache mit seinem Herrn zu halten schien, ehe er antwortete. Ein weniger großer Hasenfuß hätte vielleicht eine Augenbraue hochgezogen, ganz wie seine Herren es taten. Vielleicht hätte ein weniger großer Hasenfuß gar Einspruch erhoben oder skeptisch sein Gegenüber gemustert. Pallas indes tat nichts dergleichen, er merkte nur, wie sein Mund trocken wurde und seine Hände nass. Sein dringendster Wunsch war es, so schnell wie möglich hier wegzukommen und so ließ die Antwort dieses Mal nicht lange auf sich warten.
    "In.. äh.. ihrem cubiculum.", erwiderte er also wahrheitsgemäß und in voller Überzeugung, dass seine Herrin sich vorerst nicht aus jenem entfernen würde.

    Gerade schürzte Pallas die Lippen und hörte, dass sich Schritte näherten, als schon die Tür aufgezogen wurde. Wie jeder auch nur halbwegs vernünftige Sklave in der Villa hatte er ordentlich Manschetten vor Sciurus und zuckte unbewusst zurück, als dessen Gesicht in der Tür erschien. Bis er antwortete dauerte es darob einen Augenblick zu lange, als dass die Stille zwischen den beiden nicht aufgefallen wäre.
    "M.. meine Herrin lässt fragen, ob dein Herr im Laufe des Tages ein wenig seiner Zeit f.. für sie erübrigen könnte.", presste er schließlich hervor und verschränkte, um möglichst unbefangen zu wirken, die Hände hinter seinem Rücken.

    Kaum Antonias Gemächern entkommen, atmete der Sklave erleichtert auf. Vielleicht würde seine Herrin nun, da sie wusste was ihr fehlt - beziehungsweise was sie zu viel hatte - ein wenig erträglicher werden. Die Erfahrungen, die er mit ihr während der letzten Schwangerschaft gemacht hatte, verdrängte er geflissentlich.
    Nach einigem Durchfragen, wo denn Gracchus sei, schickte man ihn schließlich zu seinem officium. Dort angekommen klopfte er.

    Mit rotgefrorenen Wangen und Ohren erreichte ein Bote aus Baiae die Pforte der Villa Flavia. Nachdem dieser sich als Sklave der Flavia Agrippina offenbart hatte, wurde er - nicht ohne einen besonders mitleidigen Blick zu ernten - zwecks Aufwärmung seiner Knochen eingelassen. Indes fand der Brief, dessentwegen er sich auf den Weg hierher gemacht hatte, seinen Weg durch die Villa...



    Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia
    Rom, Italien



    Mein lieber Manius,


    ich entsende dir recht viele Grüße und jeden Sonnenstrahl aus Baiae, der sich entbehren lässt!


    Ich hoffe, du bist wohl auf und Antonia und dem kleinen Minor geht es gut? Marcus und ich haben hier ein gutes Leben, auch wenn sich trotz tatkräftiger Bemühungen immer noch kein Nachwuchs einstellen will. Es ist überwiegend sonnig und ruhig, zumindest wenn man von den zahlreichen Festen absieht, die in der Stadt gefeiert werden. Mindest einmal wöchentlich lädt Agrippina zum Essen, ich habe dabei schon die kuriosesten Gestalten kennen gelernt. Und ebenso oft sind wir bei anderen geladen. Nicht immer bin ich dabei zufrieden mit Marcus' Vorliebe für guten Wein, doch die gute Damengesellschaft besänftigt mein Unbehagen diesbezüglich doch etwas.


    Sag, was macht Minor? Tut er es Serenus gleich und jagt mit einem kleinen Pferd vor einem Wagen durch Felix' Rosen? Ich würde ihn gern einmal wiedersehen, beim letzten Mal hat er noch kaum ein Wort sprechen können. Sicherlich eifert er inzwischen nach Leibeskräften seinem stolzen Vater nach. Und wie geht es Antonia? Wünscht sie sich inzwischen ein Geschwisterchen für Minor? Und was ist mit dir, mein Lieber? Hast du dich dem Rat der Ärzte gefügt und dich zumindest ein wenig zurückgenommen? Ach, ich vermisse euch alle so sehr, am liebsten würde ich auf der Stelle nach Rom reisen und euch besuchen kommen! Diese Feiern und Feste sind auf Dauer doch recht anstrengend, finde ich, auch wenn Marcus das etwas anders sieht. Vielleicht habt ihr aber auch Lust, dem tristen Rom einige Wochen zu entfliehen und uns hier in Baiae zu besuchen? Das würde uns alle sehr freuen und euch vielleicht die Möglichkeit bieten, ein wenig zu entspannen. Es gibt vieles, was wir euch hier zeigen könnten. Ihr seid in jedem Falle herzlichst eingeladen, ein paar geruhsame Wochen hier zu verbringen! Macht euch um Agrippina keine Sorgen. Wenn man weiß, worauf man bei ihr achten muss, ist sie nicht so sonderbar, wie es den anschein hat. Wir kommen inzwischen eigentlich recht gut miteinander aus und ich bin zuversichtlich, dass auch sie sich freuen und euch den Freiraum lassen wird, den ihr braucht.


    Lieber Manius, bitte schreibe mir doch recht bald von den Neuigkeiten aus Rom! Ich kann es kaum erwarten, eure Zusage in Händen zu halten und alles für euren Aufenthalt im wamen Baiae vorbereiten zu können. Grüße mir die anderen recht herzlich, drücke Minor von mir und überreiche ihm das anliegende kleine Säcklein Murmeln mit meinen herzlichsten Grüßen.


    Die Götter mögen stets schützend ihre Hände über dich und die Deinen halten.


    [Blockierte Grafik: http://img160.imageshack.us/img160/5098/unterschriftepicharissouj4.gif]

    Donnerwetter, schoss es dem Sklaven durch den Kopf, diese Furie hatte sich ja hervorragend als nichtsahnendes Dummchen getarnt. Nun also zeigte sie ihr wahres Gesicht und eine furchterregendere Fratze hätte sie kaum aufsetzen können... metaphorisch gesprochen, natürlich, denn an ihrem schönen Gesicht hatte sich nichts geändert. Ein Umstand, der für Pallas jedoch nicht weiter hilfreich war, im Gegenteil, immer mehr schüchterte ihn das plötzliche Aufbrausen verbunden mit dem letztlichen Verfall in einen versöhnlichen Tonfall ein.
    Er kam nicht zum antworten. Allein sein Mund klappte hin und wieder auf, er setzte an, doch ehe auch nur ein Ton seine Kehle verlassen konnte, prasselte schon der nächste vorwurfsvolle Satz auf ihn nieder. Was, fragte er sich abermals, was war es, das er verbrochen hatte? Selbst wenn Charis ihn hätte antworten lassen, ihm wäre wohl nichts Sinnvolles eingefallen, nichts, das die Sklavin beschwichtigt und ihm seine Ruhe wiedergebracht hätte.
    Offenbar nahm sie nun das Szepter in die Hand, stampfte davon, als habe sie bereits ein bestimmtes Ziel. Natürlich hatte sie eines, sie war eine Frau, sie wusste sicher einen Geheimtipp, eine Adresse, die sie nun aufsuchen konnten. So kehrte für einen Moment trotz allem die Hoffnung zurück, ließ Pallas aufatmen und sich mit seinem Schicksal abfinden. Doch sie wandte sich um, unschuldig und friedvoll wie ein Kind und doch zerschmetterte sie sein wackliges Gerüst aus Hirngespinsten wie ein ungezogener Bengel, der auf einen Ameisenhaufen trat.
    'Wenn ich jemand bestimmten wüsste, würden wir dann hier herumirren? Sehe ich aus als mache ich das jeden Tag?' Dies war es, was der Sklave sagen wollte.
    "Jemand.. äh.. nein. Nein, wie gesagt, ich kenne mich in diesen Dingen nicht.. es sei denn, du weißt jemanden?" Dies war es, was tatsächlich aus seinem Mund kam. Währenddessen schloss er zu ihr auf, davon ausgehend, dass kein weiterer Wutanfall folgen würde.

    Als Charis für einen Moment laut wurde, zuckte Pallas sichtlich zusammen. In jenem Moment hatte er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem ängstlichen Nagetier, das sich seinem Todfeind gegenüber sah. Wäre es möglich gewesen, er hätte sich rücklings durch die Wand gedrückt, nur um mehr Abstand zwischen sich und seine Begleitung zu bringen.
    Er konnte nicht mit Frauen. Noch weniger konnte er mit schreienden Frauen. Die Potenzierung seiner Pein wäre schließlich nur noch mit weinenden Frauen möglich gewesen, doch glücklicherweise schien die Sklavin nicht jenen Weg einschlagen zu wollen, wofür der Britannier ehrlich dankbar war. Beschwichtigend hob er die Hände, panisch ging sein Blick in Richtung Straße, doch Charis senkte von alleine die Stimme wieder.
    "Charis..", offenbarte er, dass er sie bereits kannte, "du.. äh.. du solltest.. "
    Ansatzweise versuchte er mit Gesten zu verdeutlichen, dass sie sich zu sehr echauffierte und nur die Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Doch sie schien nicht zu stoppen, im Gegenteil, sie kam erst richtig in Fahrt. Wenigstens, so hielt er sich vor Augen, hatte ihre Stimme eine normale Lautstärke angenommen. Allerdings stellte er fest, dass nonverbales Schreien fast so schlimm für ihn war, wie tatsächliches. Auch dass sie umgehend Celerina als potentielle Kundin identifizierte erstaunte ihn.
    "Ich habe doch gar nicht gesagt, dass es Celerina.. "
    Noch mitten im Satz bemerkte er, wie dumm jener Einwand im Grunde war. Natürlich, niemand war so engstirnig, dass er in einem solchen Falle nicht zuerst die Flavia verdächtigen würde, schließlich war sie erst kürzlich entführt worden.. ganz abgesehen davon, dass allgemein bekannt war, wie prüde seine eigene Herrin war. Die Schlussfolgerungen, die Charis jedoch traf, ließen ihn die Stirn runzeln.
    "Ja.. äh.. und?", fragte er etwas verwirrt. Sie war eine Sklavin, sie würde doch sicherlich wissen, wie der.. Prozess im Allgemeinen stattfand. Eine Ehe hatte damit jedenfalls meist sehr wenig zu tun. Auch wenn seine Erfahrungen diesbezüglich eher theoretische waren.
    "Wieso sie schwanger ist?"
    Er wusste es. Ihm war es gesagt worden. Leider. Auch hier hätte er Unwissenheit bevorzugt. Vermutlich wollte seine Herrin ihm damit verdeutlichen, wie dringend jene Aufgabe war.
    "Ich weiß es nicht.. spielt doch auch keine Rolle.", log er also. Sich verlegen räuspernd stieß er sich von seiner schützenden Wand ab und nickte in Richtung der Straße.
    "Wir sollten jedenfalls weitergehen. Ich wäre nur ungern noch hier, wenn die Nacht einbricht."

    Die Reaktion auf seinen Namen kannte er, hatte sich daran gewöhnt und antwortete mit einem Augenrollen. "Sagen wir, meine Herrin hat einen sonderbaren Humor. Ursprünglich hieß ich Youenn... allerdings nennt kein Mensch mich mehr so. Wenigstens hat sie mich nicht nach einem Eichhörnchen benannt.", brummte er in Erinnerung des ebenso eigenwilligen Namens, den Antonias Ehemann seinem Leibsklaven gegeben hatte.
    In der Hoffnung, dass die Sklavin es dabei belassen würde, widmete er sich schließlich dem im Grunde genommen noch unangenehmeren Thema. Für ihn zumindest. Ihre Antwort war gänzlich anders als erhofft, offenbarte sie doch damit tatsächlich, dass man ihr nicht gesagt hatte, warum sie sich nun durch die Subura und am Ende vielleicht noch das Transtiberim quälen durften. Hoffnungsvoll suchte er den Schalk in ihren Augen, denn ein kleiner Teil in ihm vermutete, dass sie ihn vielleicht nur vorzuführen gedachte, ihn absichtlich jenes fürchterliche Thema ansprechen ließ. Doch nein... entweder sie war eine gute Schauspielerin oder sie wusste wirklich von nichts. Für einen Moment zuckten seine Mundwinkel nach oben zu einem humorlosen Grinsen.
    "Das darf doch alles nicht wahr sein."
    Nochmals fixierte er die dunkelblonde Sklavin, die ihm einfach nicht den Gefallen tun wollte, Gedanken lesen zu können. Nun stand er also vor der undankbaren Aufgabe Charis in die Pläne ihrer Herrinnen einzuweihen und dies so, dass er genug, aber nicht zu viel verriet. Am Ende würde er noch bestraft werden, weil er zu detailliert ausgeplaudert hatte wie, was, wann, wo und warum sie hier waren. Denn hätte die Sklavin so viel wissen sollen wie er selbst, hätte ihre Herrin sie sicher darüber in Kenntnis gesetzt... so zumindest wollte es der Realist in ihm sehen. "Es ist... etwas... delikat.", versuchte er zwischenzeitlich sein Schweigen zu erklären, als er bemerkte, dass er wohl schon eine ganze Weile auf seine Füße gestarrt und nachgedacht hatte. Bestimmt hielt sie ihn für einen Schwachkopf. Er würde sich für einen Schwachkopf halten an ihrer Stelle. Dabei konnte er ja nun wirklich nichts dafür. Ein leidendes Stöhnen von sich gebend lehnte er sich schließlich an eine der Häuserwände und richtete seinen Blick wieder auf Charis.Dass diese sich ebenfalls nicht sonderlich wohl in ihrer Haut fühlte entging ihm natürlich.
    "Also... die Sache ist... wir sollen... ähm..."
    Ein ungebildeter Schwachkopf, setzte er in Gedanken hinzu, was seinem Selbstbewusstsein natürlich nicht sonderlich zuträglich war. "Wir suchen jemanden", offenbarte er und senkte die Stimme, als habe er Angst jemand würde sie hier belauschen, "der sich mit... naja... dem Beenden unerwünschter Schwangerschaften auskennt."
    Da, es war draußen und er lebte noch. Es war vorab so nicht zu vermuten. Hauptsache sie fragte nun nicht weiter nach.

    Er konnte nicht mit Frauen. Nein, er konnte absolut nicht mit Frauen. Gut, er konnte auch nicht mit Männern, aber mit Frauen war es jedesmal noch ein bisschen schwieriger. Es schien also nicht auszureichen, ihn mit einem solchen Auftrag loszuschicken, nein, er durfte dafür auch noch die Gesellschaft einer weiteren Sklavin genießen. Eine Auszeichnung für seine Loyalität sei es, hatte seine Herrin gesagt, dass man ihm derart Vertrauen entgegenbringe. Pah! Nackt mit Garum übergossen in eine Meute wilder Eber geschubbst zu werden hätte ihn derzeit mehr erfreut. Was dachte seine Herrin sich nur dabei, ihn, ausgerechnet ihn, loszuschicken, um sich über Abtreibungen zu erkundigen? Was wusste er denn schon darüber? Nichts. Aus dem schlichten Grund, weil er nichts darüber wissen wollte. Und nun würde er unweigerlich Dinge erfahren, die er niemals wieder würde vergessen können. An manchen Tagen war sein perfektes Gedächtnis wahrlich ein Gräuel. Ganz davon abgesehen, dass jene Aufgabe sie zwangsläufig in die Gegenden Roms führen würde, in die eigentlich nichtmal die Bewohner dieser Gegenden gerne gingen. Und das ohne Geleitschutz... er selbst hatte doch von Kämpfen keine Ahnung.
    Und zusätzlich durfte er nun also auch noch auf diese Sklavin der Flavia aufpassen. Sie auf ihre Vertrauenswürdigkeit hin prüfen, sie im Auge behalten. Bei allen Göttern, er war ein Mann, er konnte sich nur auf eine Aufgabe gleichzeitig konzentrieren! :D


    So kam es denn, dass er zwar brav auf Charis gewartet hatte - im Gegensatz zu ihr kannte er ihren Namen, wie er generell über sämtliche Sklaven der Villa informiert war. Schließlich wollte wiederum seine Herrin stets darüber informiert sein wer da in ihrem Haus umherlief - allerdings jeden weiteren Kontakt vermieden hatte. Aus Erfahrung wusste er schließlich, dass er in 90% der Fälle ohnehin das Falsche sagen würde. Allerdings hatte er angenommen, dass sie, ebenso wie er selbst, ausgiebig über den Zweck dieses kleinen Ausflugs informiert worden war. Dass dem nicht so war offenbarte sie, nachdem sie bereits eine gute Strecke des Wegs hinter sich gebracht hatten. Völlig in Grübeleien versunken, wo man denn am besten finden würde, was sie suchten, drang die Stimme der Sklavin erst ein wenig später zu ihm durch. "Mh?", war also das erste, was sie von ihm zu hören bekam. Als jedoch die tatsächliche Frage sein Bewusstsein erreichte, blieb er abrupt stehen und starrte sie entgeistert an. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Nun musste er ihr auch noch sagen, was sie eigentlich zu tun hatten? War es denn nicht peinlich genug mit diesem Auftrag losgeschickt zu werden, musste er nun auch noch darüber sprechen? Schlagartig wurde sein Mund trocken, seine Hände fahrig und seine Stirn legte sich in Falten.
    "Du... du meinst man hat dir nichts gesagt?"
    Wundervoll. Das war ja nun eine schöne Zwickmühle in die man ihn da geritten hatte. Wenn man Charis nichts gesagt hatte, hatte das sicherlich seine Gründe. Sie sollte offenbar nicht zu viel darüber wissen. Andererseits, wenn sie nichts wissen durfte, wieso hatte man sie dann mitgeschickt? Nachdenklich schürzte er die Lippen. "Pallas.", beantwortete er daher erst einmal die Frage, die ihm unverfänglich erschien. "Ich heiße Pallas."
    Da die beiden Sklaven mittlerweile den freien Durchgang in der eher schmalen Straße zu blockieren drohten, seufzte er einmal kurz und bedeutete der jungen Frau mit ihm in eine kleine Seitengasse abzubiegen, wo er erneut stehen blieb. Dieses Gespräch wollte er nun wirklich nicht inmitten von Tagelöhnern und Imbissverkäufern führen.
    "Du hast keine Ahnung was wir hier eigentlich tun?", vergewisserte er sich also nochmals ungläubig. Eines Tages würde er hoffentlich erfahren, womit er ein solches Schicksal eigentlich verdient hatte.

    [Blockierte Grafik: http://img268.imageshack.us/img268/6853/pelleus.pngPeleus


    Hatte sich Peleus in Rom noch auf die Aussicht gefreut, nach Achaia zu reisen und so eine Art Urlaub spendiert zu bekommen, hatte sich das Ganze doch zu einer etwas anstrengenderen Episode seines Lebens entwickelt. Nicht, weil er sich besonders beeilt hätte, nicht, weil er ständig in Schwierigkeiten geraten war. Nein, es war schlicht das Wetter, dass ihm zu schaffen machte. Bei Hermes, gegen Athen war es in Rom ja richtig angenehm.
    Mit schiefem Grinsen bedachte er das Pferd, das ihn zur Villa Flavia gebracht hatte mit einem Blick. Das arme Vieh schwitzte auch nicht schlecht. Doch darum würden sich gleich andere kümmern. Eher störrisch folgte das Tier seinem zeitweiligen Herrn zum Hintereingang, wo der Bote seine beiden Briefe los wurde, etwas von 'Pferd versorgen' murmelte und sich eiligst zur Küche durchfragte.
    Bevor Peleus jedoch das Ziel seiner persönlichen Reise erreichte, kamen wohl die Briefe beim Hausherrn an.


    [FONT=john handy LET,Staccato222 BT,comic sans ms]SALVE PAPA,
    WIE GEHT ES DIR? STREITEN SICH DIE LEUTE BEI DIR NOCH? RATE WAS ICH SCHON KANN!
    ICH HABE SCHON VIEL GELERNT. GLAPHYRA HAT MIR DIE GESCHICHTE VON UL I X ES ERZÄHLT. ABER ICH HABE AUCH ZEIT ZUM SPIELEN. ICH HABE NÄMLICH DEN TEMPEL VON IUPPITER AUF DEM KAPITOL GEBAUT. NUR DIE STATUE HABE ICH NICHT RICHTIG ABBILDEN KÖNNEN WEIL ICH KEINE SITZENDE FIGUR HABE DIE AUSSIEHT WIE IUPPITER. ICH HABE AUSSERDEM EIN HOLZPFERD BEKOMMEN.
    DANKE AUF FÜR DEIN GESCHENK. ES GEFÄLLT MIR SEHR. HAST DU ES NUN ERRATEN? ICH HABE SCHREIBEN GELERNT UND DIESE ZEILEN SELBST VERFASST.
    MÖGEN DIE GÖTTER IMMER ÜBER DICH WACHEN.


    MINIMUS
    [/FONT]



    Manius Flavius Gracchus, Villa Rustica Flavia, bei Athen, Achaia


    Teuerster Gemahl,


    Wochen und Monate zogen vorüber, Sonne und Mond tanzten unablässig ihren Reigen, seit du Rom verlassen musstest. Und so vergeht auch kein Tag, keine Stunde, welche nicht schwer auf meinem Herzen lastet, sorge ich mich doch unablässig um dein Wohl im fernen Achaia, das mir nie weiter von der urbs aeterna entfernt schien, als dieser Tage. Doch lässt du uns über deinen genauen Gesundheitszustand im Ungewissen, was mich das Schlimmste befürchten lässt. Wie geht es dir, wie verläuft die Heilung, wirst du bald, wirst du überhaupt zurückkehren können? Jene Fragen treiben mich um, lassen mir keine Ruhe und halten mich wach, auch da ich dein kleines Ebenbild stets vor mir sehe und an dich erinnert werde.
    Niemals hätte ich für möglich gehalten, wie trübe und trist Tage sein können, die hell im Licht der Sonne strahlen, wie unvollständig eine Münze ist, der eine Seite fehlt. Ich sollte es wohl nicht schreiben, sollte dich nicht zusätzlich mit meinen albernen Klagen belasten, doch ich vermisse dich, wünschte, du wärest niemals fortgegangen und hättest dich stattdessen hier in Rom der Rekonvaleszenz hingegeben.


    Nichtsdestotrotz wird es dich freuen zu hören, dass dein Sohn sich prächtig entwickelt. Noch nie habe ich ein so aufgewecktes, lernbegieriges und kluges Kind gesehen, denn kein Tag vergeht, an dem er mich und seine Lehrer nicht mit Fragen überhäuft und stets immer mehr wissen möchte. Doch sehe ich mich gezwungen, dir einige Sentenzen in dem Brief, den er dir schickte und welcher gleichzeitig mit dem meinen angekommen sein sollte, zu erläutern.
    Ich hoffe du siehst es mir nach, doch ich verschwieg Minor den wirklichen Grund deiner Abreise. Zu verstörend, zu aufwühlend glaubte ich, wäre die Wahrheit. Als ich ihm deinen Brief vorlas, fragte er natürlich, warum du fortgegangen bist, was dich so überstürzt aufbrechen ließ, dass du nicht einmal ein Wort des Abschieds an ihn richten konntest. Ich log, um seinet- und um deinetwillen.
    In seiner Epistel fragt er dich, ob 'die Leute sich noch streiten'. Diese Frage beruht auf dem, was ich ihm erzählte. Für ihn bist du im Auftrag des Imperators unterwegs, um den Frieden zu sichern, um Streit zu schlichten. Vergib mir diese Notlüge, doch sah ich keinen anderen Weg. Anstatt sich nun in Sorge um dich zu grämen, ist er stolz, dass sein Vater für eine wichtige Mission ausgewählt wurde. Und ist es so nicht besser?


    Obgleich Minor dir natürlich von seinen Erlebnissen selbst berichtet hat, möchte ich dir dennoch nicht vorenthalten, was sich in Rom und in der Villa in jüngerer Vergangenheit zugetragen hat.
    Furianus ist zurückgekehrt, wie du sicher schon gehört hast. Als ältester Sohn von Felix riss er umgehend das Ruder an sich und Aristides schien nicht allzu unglücklich darüber. Doch will ich ihm keinen Vorwurf machen, schließlich ist Furianus ja in der Tat derzeit das rechtmäßige Oberhaupt der Familie. Aber mache dir keine Sorgen, bislang hat er nichts getan, wofür man ihn vom tarpeiischen Felsen stoßen könnte und so nehme ich an, dass seine Zeit in Hispania alle plebejischen Züge, die er einst hatte, getilgt hat. Auch wenn im Senat wohl über einige Unstimmigkeiten während seiner Amtszeit debattiert wird. Derzeit führt er desweiteren einen Prozess gegen diesen - ich scheue mich ja, dieses Subjekt so zu bezeichnen - Senator Germanicus Avarus. Der Germanicer scheint der Ansicht zu sein, dein Neffe habe ihn verleumdet. Da der Prozess jedoch noch im Gange ist, kann ich dir hierzu leider nicht viel mehr berichten.
    Generell ist es im Hause momentan ohnehin eher still. Du weißt, wie es ist, hin und wieder kommen entfernte Verwandte, bleiben für einige Zeit und verschwinden schließlich wieder. Ich kann es ihnen nicht verdenken, ist Rom doch gegenwärtig mehr ein Schmelztiegel, als eine Stadt. Doch was klage ich, in Achaia sind die Temperaturen sicher ähnlich unangenehm.
    Celerina ist, soweit ich das beurteilen kann, nun seit geraumer Zeit glücklich mit Senator Aurelius Corvinus verheiratet. Hin und wieder treffe ich sie und sie scheint äußerst zufrieden mit dieser Verbindung zu sein. Auch ihre Entführung hat sie nun wohl einigermaßen verarbeitet, sodass sie nicht mehr Tage allein in ihrem Gemächern verbringt.
    Jene Subjekte übrigens, die die arme Epicharis als Geisel mit sich schleppten, sind nun gefangen und zurück in der Villa. Doch sorge dich nicht, sie sind sicher eingesperrt in jenen finsteren Löchern, die für Abschaum dieser Art vorgesehen sind und warten dort lediglich auf ihre angemessene Strafe. Marcus ist, wie du dir denken kannst, alles andere als zimperlich mit ihnen. Und ich muss gestehen, ich hätte ihm eine derartige Härte nicht zugetraut, wirkte er doch immer wie ein gutmütiger Onkel auf mich.


    Doch genug von den heimischen Sorgen. Belaste dich nicht damit, denn auch wenn du als Bewahrer der Familie nicht hier bist und eingreifen kannst, so tun wir alle unser Bestes, um die Flavia weiterhin so zu schützen, wie du es stets getan hast. Ich hoffe, diese Nachrichten aus der Heimat haben dich vielmehr erfreut, dir ein wenig die trüben Gedanken vertrieben, alle finsteren Wolken der Ödnis beiseite geschoben und die Sonne dein Gemüt erhellen lassen.


    Und auch wenn in Rom alles seinen geregelten Gang geht, auch wenn ich weiß, dass ich dich nicht um etwas bitten darf, das noch nicht möglich ist, so hoffe ich, dass du bald Achaia hinter dir lassen kannst und zu mir, deinem Sohn und deiner Familie zurückkehrst.


    So schließe ich mit der Versicherung, dass du fortwährend einen Platz in meinen Gedanken und in denen Minors einnimmst; Dass wir stets für dich beten und die Götter darum ersuchen, dir ihre Gunst und ihren Schutz zu gewähren.


    In Liebe,


    [Blockierte Grafik: http://img139.imageshack.us/img139/7316/unterschriftantonia.png]

    Fast ein wenig beleidigt nahm er Nordwins Erwiderung zur Kenntnis. Natürlich war er ihr Leibsklave... aber was wusste er schon von den Wünschen seiner Herrin? Die kaufte sich etwas, wenn sie es wollte, damit war die Sache dann aber auch erledigt.
    "Wüsstest du denn, was deine Herrin sich wünscht?", brummte Pallas und verschränkte die Arme. Nun jedoch ein wenig in seiner Ehre gekränkt, überlegte er fieberhaft, was als Geschenk geeignet sein mochte. Schließlich hatte man auch als Sklave einen Ruf zu verlieren.
    "Kunst.", platzte es endlich aus ihm heraus. "Sie mag Kunst... du weißt... alte Vasen, kaputte Statuen und solche Sachen. Sie hat sogar zwei lebensgroße Statuen von Merkur und Apollo in ihrem Cubiculum. Ahja... Merkur hat es ihr ganz besonders angetan, vielleicht findet sich da irgendetwas."

    Ein wenig geistesabwesend nickte Pallas, schien froh darüber, dass nach diesem Gespräch wohl der Verdrängungsmechanismus, der ihm zeitlebens gute Dienste geleistet hatte, einsetzen konnte. Automatisch beantwortete sein Gesicht Bridhes Lächeln mit einem ebensolchen und er richtete den Blick auf seine Essenschüssel. Erst als langsam ihre Worte wie zäher Teer in sein Bewusstsein tropften hob er den Blick.
    "Gehen?", wiederholte er etwas stupide. "Wohin gehen? Was meinst du?"
    Ob es am Tonfall lag, am vorigen Thema oder schlicht und ergreifend Einbildung gewesen war, für den Britannier klang ihre Aussage nicht nach einem 'Ich gehe zurück in mein Cubiculum'.

    Wie seine Mutter sich gefühlt hatte? Er hatte nie darüber nachgedacht und im Grunde war es ihm auch einerlei. Seine Mutter war eine Sklavin und er gewiss nicht ihr einziger Nachkomme. Und auch wenn er sich schon oft gefragt hatte, ob seine Geschwister mit einem ähnlichen Gedächtnis beladen waren wie er selbst, so hatte er nie nach ihnen gefragt oder im Geheimen nach ihnen gesucht. Es stand ihm nicht zu, wie er fand.
    Er sagte nichts. Nicht einmal sein Gesichtsausdruck änderte sich. Reglos sah er Bridhe an und beschloss, nichts weiter zu dem Thema zu äußern, um des lieben Friedens willen. Eine Diskussion war, wie er glaubte, ohnehin müßig. Sie hatte ihre Ansicht und er hatte seine. Keiner von beiden würde nachgeben oder sich überzeugen lassen. So zog er lediglich ein schiefes Lächeln, als das Kind sich langsam wieder beruhigte.
    Als die ehemalige Sklavin letztlich seine Hand ergriff legte er jedoch die Stirn in Falten. Wie es früher war? Seine Freundin? Bitte? Das 'Bitte' war es wohl, das ihn am meisten verwirrte. Er hatte Tränen erwartet, Vorwürfe und ähnliches, eine Bitte jedoch hatte er nicht mit einbezogen. Nachdenklich betrachtete er ihr Gesicht, während nur das leise Wimmern des Kindes den Raum mit Ton erfüllte. Es konnte nicht so sein wie früher, niemals mehr, dessen war er sich sicher. Nicht allein aufgrund jenes Vorfalls, nein, vielmehr weil sie nun eine Freigelassene war und er nach wie vor ein Sklave. Sie standen nicht mehr auf derselben Ebene... trotzdem nickte er.
    "Gut.", hörte er sich selbst sagen, um einen versöhnlichen Tonfall in der Stimme bemüht. "Vergessen wir die ganze Geschichte."

    Wie ein Hund, der aufmerksam den Worten seines Herrn lauschte, von denen er jedoch keine einzige Silbe auch nur im Ansatz verstand, sah Pallas auf Nordwin, nickte ab und an oder gab ein "Mh" von sich.
    "Hippopotamus.", warf er schließlich hilfreich ein, auch wenn er nicht glaubte, dass der Germane sich den Namen des seltsamen Tieres merken konnte. Jeder Mensch schien damit Schwierigkeiten zu haben. Ein Umstand, der dem Britannier zeitlebens nie Probleme bereitet hatte. Allerdings war das graue Riesenvieh aus Africa nun das geringste ihrer Probleme. Was schenkte man jemandem, der bereits alles hatte?
    "Also...Schmuck und Kleidung und Parfum und solche Sachen hat sie mehr als genug, ich denke das wird auch nicht das Richtige sein. Vielleicht ein Haustier? Wobei... mit dem Kind und so... wahrscheinlich eher nicht. Vielleicht ein Ausflug irgendwohin? Eine neue Sklavin? Ich weiß es nicht..."

    Das schlechte Gewissen ob seines Ausbruchs, das sich bei der erschreckten Reaktions Bridhes zu manifestieren begann, wuchs umso mehr, als nun auch noch das Kind anfing zu schreien. Er hasste dieses Geräusch, dieses grelle, ohrenbetäubende flehentliche Weinen, dass Kinder von sich zu geben im Stande waren. Er hasste es beim Kind seiner Herrin und er hasste es bei diesem hier, wenngleich er selbst wohl der Grund für den Laut war. Geknickt senkte er den Blick wieder und hob ihn erst, als Bridhe wieder sprach.
    Ihre Erklärung schürte erneut den Ärger, doch um nicht wieder laut zu werden presste er die Kiefer aufeinander, schürzte für einen Moment die Lippen und zog letztlich ein Gesicht, als habe er in die sauerste Zitrone aller Zeiten gebissen. Er schwieg, einzig der bohrende Blick verriet erneut, dass die Britannierin mit ihrer Vermutung, ihn wieder verärgert zu haben Recht hatte.
    "Mein Leben war nicht schlecht.", setzte er schließlich an, um Ruhe in der Stimme bemüht. "Du scheinst zu glauben, dass ich furchtbar gelitten habe. Doch das war nicht so. Nicht, weil ich ein Sklave bin jedenfalls. Mir ging es immer gut, mir hat nie etwas gefehlt, ich hatte immer ein Dach über dem Kopf und Herren, die sich meines Werts bewusst waren. Was weitaus mehr ist, als ich in irgendeinem Dorf unter Kelten hätte erwarten können. Ich bin weder besonders stark, noch besonders talentiert in handwerklichen Dingen. Für mich wäre dein Leben eben die Hölle gewesen, die du scheinbar als Sklavin erlebt hast."
    Einige Sekunden verstrichen, in denen seine Worte langsam im Raum verhallten. Schließlich setzte er erneut an.
    "Ich bin nicht böse. Ich bin... "
    Ja, was war er überhaupt? Er war böse... auf eine Art. Er war traurig, er war enttäuscht... doch für das, was er wirklich war, fand er nicht das richtige Wort. In Ermangelung dessen zuckte er mit den Schultern.

    Pallas' Stirn wurde in immer tiefere Falten gelegt, je mehr die Wortanzahl stieg. Der Schrank musste für seine Herrin schnüffeln? Und die Vorlieben seiner Herrin? Bei allen Göttern... die Überwindung des letzten Abstands zwischen dem germanischen Sklaven und ihm selbst trug im übrigen nicht sonderlich zur Konzentrationssteigerung bei. Aber scheinbar wollte er tatsächlich nur für die neue Flavia, beziehungsweise Ex-Claudia, einige Informationen sammeln.
    "Wie lange hast du Zeit?", brummte der Sklave mit schiefem Grinsen und drehte die Augen zur Decke. Antonias Vorlieben... herrje... mit viel, viel Zeit hätte er sicher eine ellenlange Liste anfertigen können und hätte noch nicht alle Dinge aufgeschrieben, die seiner Herrin gefielen. Wenn das Balg allerdings unbeachtet bleiben sollte schränkte das die Sache nun wiederum ein wenig ein. Mit Betonung auf wenig.
    "Also... zu Essen nichts, nein. Ähm..."
    Es war wirklich nicht allzu leicht die Frage zu beantworten, wie Pallas bei längerem Nachdenken bewusst wurde. Denn zwar hatte die Claudia allerlei Dinge, für die sie sich interessierte, doch besaß sie bereits so viel, dass höchstens der Anbau eines weiteren Raumes, um all das Zeug zu lagern ein passendes Geschenk schien.
    "Wie teuer darfs denn sein?"

    Man sagte bisweilen, dass Hundebesitzer ihren Tieren ähnelten - oder umgekehrt. Bei Sklaven war es nicht selten ebenso und auch Pallas hatte die ein oder andere Eigenart seiner Herrin übernommen. So zog er verwundert eine Augenbraue nach oben, ganz in flavischer Manier. Er fand sich dazu berechtigt, schließlich gehörte er auch irgendwie zum Haushalt und damit zur Familie.
    "Claudia Antonia... ja, das ist meine Herrin. Warum?"
    Was war nun wieder? Hatte sie wieder ihre zickige Phase gehabt und sie an seinem Gegenüber ausgelassen? Und dieser wollte sich nun an Antonias Leibsklaven dafür rächen? Ha, aber nicht mit ihm! Das würde er petzen, ohja. Der würde sich wundern... für jeden blauen Fleck ein Peitschenhieb, das ließe sich sicher irgendwie machen. Unbewusst versteifte der ohnehin recht steife Britannier sich, Nordwin nachdenklich und abwartend ansehend.

    Laut knallte Pallas' Faust auf den Tisch, fest pressten sich seine Kiefer aufeinander, als er Bridhe fixierte.
    "Oh nein, so nicht. Du wirst nun nicht gehen und mich mit einem schlechten Gewissen zurücklassen! Ich bin nicht derjenige, der sich schuldig fühlen sollte!"
    Vermutlich war niemand überraschter als er selbst über jene Reaktion. Sie passte nicht zu ihm, zum ruhigen, zurückhaltenden und stillen Sklaven, der stets einsteckte und sich selbst zurücknahm, wenn es zu einer Konfrontation kam. Ein Indiz mehr dafür, dass ihre Worte ihn hart getroffen hatten und er noch immer nicht verwunden hatte, was sie damit indirekt zum Ausdruck gebracht hatte.
    Die Worte waren derartig unkontrolliert aus seiner Kehle gedrungen, dass er erstaunt über sich selbst inne hielt, unstet die Augen hin und her huschen ließ und einige Male zu schnell blinzelte, als helfe es ihm dabei, wieder Herr seines Körpers zu werden.

    Pallas, ohnehin von eher schreckhafter Natur, zuckte erschrocken zusammen, als sein Name durch den Raum gebrüllt wurde. Dies zog eine Kettenreaktion nach sich, in welcher er zunächst die Wachstafeln, die er in Händen hielt, reflexartig in die Luft warf, nur um ein weiteres Mal zusammenzuzucken und letztlich mit Mühe und Not die Tafeln wieder auffing.
    „Bei allen Göttern!“, blaffte er, als er sich endlich umdrehte, um den Grund für den Lärm näher zu betrachten. Uh… der Kerl war… ein Schrank. Verglichen mit ihm selbst zumindest. In Hinblick auf seine körperliche Unversertheit sah der Britannier also von einer allzu patzigen Schimpftirade ab und runzelte stattdessen die Stirn.
    Wenn er sich richtig erinnerte – und Pallas erinnerte sich immer richtig, er konnte gar nicht anders – war das einer der Sklaven, die mit der Großcousine seiner Herrin in die Villa gekommen waren. „Äh…“, entgegnete etwas ratlos und wenig eloquent auf den Redeschwall des Germanen.
    „Zeit? Wo…für?“

    Die Luft im Raum schien immer dünner zu werden. Mit keiner Wimper zuckte Pallas, als Bridhe sich setzte, sein Blick war nach wie vor fest auf seine Schale mit Essen geheftet, auch wenn er mittlerweile dazu übergegangen war, es böse anzustarren anstatt es in sich hinein zu schlingen. Heiß brannte die Wut in seinem Blut, jener Mischung aus Britannierin und Grieche, jenes Blut, das das Ergebnis einer langen Zuchtreihe von Sklaven war, auf welche Pallas durchaus mit einem gewissen Stolz sah. Er hatte einen enormen Wert, allein durch seine Herkunft, das wusste er. Doch eine Mitsklavin so abfällig über jene Abstammung sprechen zu hören hatte ihn hart getroffen. Kälte schien aus den sonst so treuherzigen blauen Augen, als er endlich den Blick vom Essen losriss und die Ex-Sklavin fixierte.
    „Danke, aber kleine Kinder sehe ich in letzter Zeit genug.“, erwiderte er. Seine Herrin war in nahezu jeder wachen Minute mit ihrem Nachwuchs beschäftigt und für ihn sah ein Säugling wie der andere aus, ganz gleich ob die Mutter nun Patrizierin oder Sklavin war. Jedes einzelne ihrer damaligen Worte hätte er allerdings wiederholen können, nicht allein weil er ohnehin nichts vergaß. Vielmehr hatte sich Buchstabe um Buchstabe in sein Innerstes gebrannt. Und sein ohnehin sehr wackliges Selbstbewusstsein damit zum Einsturz gebracht, einer Mischung aus Zorn und Unsicherheit Platz gemacht, bei welcher Bridhe gegenüber eindeutig der Zorn tonangebend war.
    „Ist es mittlerweile nicht unter deiner Würde dich mich jemandem wie mir abzugeben?“, zischte er. Einst hatte es gewisse Gemeinsamkeiten zwischen ihnen beiden gegeben, wie er geglaubt hatte. Allein die Heimat hatte ein Band geknüpft. Mittlerweile jedoch war Pallas klar geworden, dass sie kaum etwas anderes als ein bemitleidenswertes Produkt römischer Willkür in ihm gesehen hatte.