Dieses Mal hätte Prisca zwar nicht darauf gewettet, doch es überraschte sie auch nicht völlig, dass Lupus auf ihren abrupt beendeten Flirt so gleichgültig reagierte. Er war schließlich ihr Cousin und damit kannte er die Tabus ebenso gut wie sie, die für sie beiden galten. So gesehen wähnte sich Prisca auf der sicheren Seite und sie betrachtete das Ganze mehr wie ein Spiel: Ein gegenseitiges Reizen und Necken unter guten Verwandten, wobei es mit Lupus doch etwas anderes war. Cousin hin oder her. Mit seinem Charme, gepaart mit dieser gewissen Überheblichkeit und dem selbstsicheren Auftreten beeindruckte er Prisca durchaus und auch wenn sie es nach außen hin nicht zeigte, so fühlte sie sich zu dieser Sorte Männer irgendwie hingezogen. Im Gedanken verglich sie ihren Cousin spontan mit Alexander, jenem Unbekannten, den sie zufällig auf dem Fest der Götter kennen gelernt hatte. Es waren Männer mit starken Persönlichkeiten, selbstbewusst, die geradeheraus sagten und taten was sie wollten und denen es gefiel, die Frauen mit ihren Anzüglichkeiten und Zweideutigkeiten manchmal herauszufordern, ohne dabei respektlos zu wirken. Seltsamer Weise (oder besser gesagt, zum Glück) fiel es Prisca gerade gegenüber solchen Männern nicht schwer ihre unnahbare und kühle Fassade nach außen hin aufrecht zu erhalten. Alles nur ein Spiel? Wohl eher eine Herausforderung, sich mit ihnen zu messen und womöglich diente das eigene Verhalten dabei ein wenig dem Selbstschutz gegenüber manch ungleich stärkerem Gegner.
Wenn es allerdings nach den Worten ihres Cousins ginge, so wären die Männer - zumindest bei ganz bestimmten Spielen - stets die Unterlegenen Hm, aber warum erzählt er mir jetzt ausgerechnet von dieser intriganten Hetäre? Traut er mir so etwas zu? Oder glaubt er wirklich, dass derartige Spiele uns Frauen solchen Spaß machen?, überlegte Prisca während sie die Geschichte und die folgenden Bemerkungen ihres Cousins nur mit einem müden Lächeln kommentierte. Ich eine Göttin, mit edelmütigem Herz obendrein?! … Oh, da ist er nicht der Erste der mir das sagt, nahm Prisca diese Äußerung von Lupus stillschweigend und mit besonderer Genugtuung zur Kenntnis. Sie wusste sehr wohl, dass er flunkerte, aber er tat dies sehr gekonnt.
Den Blick scheinbar gelangweilt über die Zuschauerränge schweifend wartete Prisca zunächst die Verkündung des Sieges und das langsame abebben des Jubelgeschreis ab, ehe sie sich wieder ihrem Cousin widmete. Dieses Mal wieder mit einem sehr innigen Blick, mit dem sie ihn eingehend musterte. "Nun mein lieber Cousin, was diese Geschichte angeht, so finde ich, würde diese ein sehr gutes Theaterstück abgeben. Was meinst du? … Ich frage mich nur gerade, ob ich mich von deinen Worten nun geschmeichelt fühlen soll, oder nicht. Sehe ich etwa so aus als ob ich das Intrigenspiel so gut beherrsche, oder gar lieben würde?!", schmollte Prisca absichtlich provokant, wobei ihre Augen ihn feurig anfunkelten: "Im übrigen müssten wir Frauen nicht diese Spiele spielen, würdet ihr Männer endlich aufhören uns derartige Gründe dafür zu liefern", folgte es sogleich mit vorwurfsvoll klingender Stimme. Prisca machte eine kurze Pause, in der sie Lupus weiter mit den Augen fixierte und sie schließlich wider verschmitzt zu grinsen begann.
Er durschaute natürlich sofort, dass sie den Vorschlag mit dem gemeinsamen Theaterbesuch nicht einfach so gemacht hatte. Natürlich nicht. "Du hast recht. Ich führe etwas bestimmtes im Schilde mit meinem Anliegen", gab die Aurelia ganz offen zu. Flüchtig beobachtete sie aus den Augenwinkeln die übrigen Aurelier in der Loge, ob auch niemand von ihnen mithören konnte bei dem, was sie ihm jetzt mit verschwörerisch klingender Stimme flüstern würde. Gut!"Es ist so. Ich benötige einen offiziellen Begleiter! Allerdings nicht für mich, ... sondern für einen andere Frau, weil ich wiederum mit ihrem Bruder ungestört sein möchte. Du verstehst?!", klärte Prisca ihren Cousin darüber auf, dass er ihren 'Anstands Wau Wau' spielen sollte - wenn man es so nennen wollte. Wobei es Prisca besonderen Spaß machte diesen harmlosen Theaterbesuch wie eine Intrige wirken zu lassen. Ihr Cousin hatte schließlich mit dieser Geschichte angefangen.
Ob Lupus gespannt wäre um wen es sich bei dieser Frau handelte? An der hübschen Flavia hätte er bestimmt nichts auszusetzen, aber zu viel verraten wollte Prisca wiederum nicht. "Ich hoffe ich du hast Verständnis dafür, dass ich dir hier und jetzt keine Namen nennen kann und dich um deine Verschwiegenheit bitten muss!", fügte die Aurelia schnell mit einem Seitenblick zu ihrem Onkel hinzu, nicht, dass Marcus am Ende noch mitbekommt mit wem ich mich treffen will. Der Name 'Flavius Piso' war nach wie vor ein Reizwort für ihn und außerdem machte es vielmehr Spaß, ihren Cousin ein wenig im dunkeln tappen zu lassen, damit das Ganze wie eine Verschwörung aussah. "Und? Wirst du mich dennoch begleiten? … Ich wäre dir wirklich sehr verbunden, lieber Cousin", forderte Prisca Lupus schließlich mit einem energischen Blick zu einer schnellen Entscheidung heraus. Bei keinem Anderen hätte sie sich so verhalten, nur bei Lupus gehörte das irgendwie zum Spiel dazu. Ob ich ihn damit beeindrucken kann?! Oder wird er mir daraus ein Strick drehen und seine eigene Regeln aufstellen wollen? Nein nein, wieso sollte er so etwas tun. Er ist doch mein Cousin?! Nur warum um alles in der Welt rede ich eigentlich so daher? Es handelte sich doch nur ein einfacher Theaterbesuch! Egal. Schließlich ging es der Aurelia mit darum, ihren Verwandten näher kennen zu lernen, indem sie sein Verhalten und seine Reaktionen genauestens testete ...