Beiträge von Fiona

    Fionas Kichern wich einem breiten Grinsen. Sie freute sich!
    Chimerion hatte indes fertig gegessen und mußte schon wieder los. Seine launische Herrin wartete, wie er sagte. Der Ärmste! Er konnte einem wirklich leid tun. Fiona hatte bereits mit so mancher römischen Zicke 'Bekanntschaft' geschlossen. Doch die schlimmste von allen war Ofella gewesen, die zum Glück nun wieder in Baiae lebte.
    "Bis heute Abend, Chimerion! Ach ja, wo finden wir dich denn? Oder holst du uns ab?" Bei dem letzten Satz zwinkerte sie ihm schelmisch zu.
    Fiona würde für den Abend noch einige Decken beorgen, damit sie nicht froren. Vielleicht konnten sie ja sogar auch ein kleines Feuer machen. Wenn nicht, dann mußten sie sich einfach mit einigen Öllämpchen begnügen.
    Sie sah dem Sklaven noch nach und wandte sich dann zu ihrer Freundin. "Ach siehst du, es ist gar nicht so schlecht hier! So eine nette Feier hätten wir in der Villa Claudia nie machen können!" Fiona atmete erleichter auf. Es war doch gut, wenn man Freunde hatte!

    Fabulas Mann, dessen Namen sie noch nicht in Erfahrung bringen konnte, versuchte Fiona zu erklären, was es mit diesen Wetten auf sich hatte. Er machte dabei einen recht zwilichtigen Eindruck. Besonders als er erwähnte, er würde sich nun eher den ehrlichen Geschäften widmen und seine Frau ihm ins Wort fiel und meinte, er wäre einmal ein Trickbetrüger gewesen, wurde es Fiona heiß und kalt zugleich. Wo war sie hier bloß hingeraten? Was hatte das alles mit Hannibal zu tun? Sie wollte auf gar keinen Fall in irgendetwas hineingezogen werden. Sie wußte, wie so etwas lief. Sie waren schließlich Sklaven! Am Ende würde man sie für etwas beschuldigen, was sie gar nicht getan hatten.
    Fabula machte ja den Eindruck, eine herzensgute Frau zu sein. Aber ihr Mann schien es faustdick hinter den Ohren zu haben. Dieser begann nun gierig den Kuchen in sich hineinzuschaufeln, während er weiter erzählte. Fabula hatte ihnen beide auch einen Teller mit der Leckerei bereitet. Fiona allerdings kämpfte mit sich. Doch dann aß sie doch ein wenig davon. Der Apfelkuchen war einfach herrlich! Schade nur, daß sie ihn nicht richtig genießen konnte. Aber das ließ sie sich nicht anmerken. Sie nickte Fabula anerkennend zu, als sie in ein weiteres Stückchen ihres Kuchenstücks biß.
    Im Laufe seiner Erzählung, erfuhr sie, daß heute Rattenbeißen anstand. Alleine schon der Gedanke an die widerlichen Nager, ließ Fiona erschaudern. Ekelnd verzog sie ihr Gesicht und sah Hilfe suchend, fast schon bittend zu Hannibal, als wolle sie sagen, sag, dass das nicht wahr ist, bitte! Die Sklavin atmete erleichtert auf, als Hannibal mit dem Kopf schüttelte. Der Mann allerdings, ließ das nicht gelten und redete weiter auf sie ein. Als er schließlich Fiona fragte, ob sie nicht mitkommen wollte, schüttelte sie ebenfalls mit dem Kopf.
    "Oh, das klingt ja alles sehr verlockend, aber ich fürchte, so lange können Hannibal und ich nicht bleiben! Nicht wahr, Hannibal?" Sie sah den Sklaven mit einem bestimmten Blick an und hoffte, er würde ihr zustimmen. Wenn die beiden so lange weg blieben, dann war das sicher nicht gut. Ihr Verschwinden würde früher oder später bemerkt werden.

    Schluchzend stand Fiona da, blickte in den Garten hinaus. Nichts in der Welt hätte sie jetzt noch trösten können. Zu groß waren die Enttäuschung, der Schmerz und die Hoffnungslosigkeit. Ihre Wünsche und Erwartungen waren vergangen, wie Rauch. Doch das schlimmste für sie, war festzustellen, wie sehr sie sich doch in Epicharis getäuscht hatte. Ihre Freundlichkeit war in Wirklichkeit nur Fassade. Was allerdings tatsächlich in Epicharis vorgehen mochte, konnte Fiona nicht im Mindesten erahnen. Sie wischte ihre Tränen ab, doch immer wieder folgten neue Tränen. Ausgerechnet Epicharis! Sie hätte sie doch am ehesten verstehen müssen.


    Als Epicharis´ Erlaubnis kam, hatte Fiona eigentlich vorgehabt, zu gehen. Nur weg von diesem Platz. Doch etwas in ihr hielt sie zurück. Die Sklavin blickte zu ihrer Herrin, die ihr Gesicht betrübt von ihr abgewandt hatte. Fionas Reaktion hatte sie berührt. Es hatte sie nicht kalt gelassen. Warum konnte sie sie dann nicht einfach gehen lassen?
    Sie setzte sich wieder neben sie, fixierte den Boden mit ihrem Blick und schwieg. Sie schwieg eine ganze Weile. Nur der leichte Herbstwind strich durch die Blätter der Bäume und spielte mit ihrem Haar.
    "Gibt es irgendeine Möglichkeit für mich?" fragte sie schließlich, ohne dabei aufzublicken.

    Die entstandene Stille wirkte einerseits bedrückend auf Fiona, da sie nicht mehr tun konnte, andererseits musste sie nicht die vorgeben, die was sie nicht war. Sie war weder gefasst, noch gelassen. Schwer enttäuscht war sie. In ein tiefes Loch war sie gefallen, aus der es nur schwerlich einen Ausweg gab. Sie hätte heulen können, als sie glaubte, man hätte ihr das Herz herausgerissen. Umso mehr traf es sie dann, als Epicharis sie aufforderte, von ihm zu erzählen. Es schnürte ihr die Kehle zu. Sie konnte nicht! Sie wollte nicht ihre Erinnerung mit ihr teilen. Das war das einzige, was sie schließlich noch besaß und das sollte sie nun auch noch teilen? All die schönen Stunden, die sie mit Owain verbracht hatte und wie sie gemeinsam Zukunftspläne geschmiedet hatten, die genauso wie ihr Wunsch nach Freiheit zerplatzt waren.
    "Owain hieß er", begann sie schließlich. "Ich kannte ihn schon, seit ich ein kleines Mädchen war. Wir wollten heiraten." Ihre Worte waren tonlos und leer. Fiona schien eine leblose Hülle zu sein. Die Fiona, die es bis vor wenigen Minuten noch gegeben hatte, die immer ein Lächeln für ihr Gegenüber übrig hatte und die immer freundlich war, diese Fiona war auf mysteriöse Weise verschwunden.
    Das erneute Nachfragen der Flavia, war dann auch wie Salz in Fionas Wunden. Nein, das war zu viel! Sie konnte nicht mehr! Schmerzverzerrt, begannen sich ihre Augen mit Tränen zu füllen. "Ja", antwortete sie ganz knapp. Die Tränen liefen über ihre Wangen. In ihrem Kopf spielten sich immer wieder die gleichen Szenen ab von Leid und Tod. Es trieb sie fast in den Wahnsinn. "Warum quälst du mich so?" rief sie schluchzend. Dann sprang sie von ihrem Platz auf und wäre am liebsten weggerannt. Doch selbst das tat sie nicht, da sie doch wußte, Epicharis hatte auch darüber die Gewalt.

    Der Fassungslosigkeit folgte Ernüchterung, der Ernüchterung folgte tiefe Trauer. Es war, als würde sie ihn noch einmal verlieren. Noch einmal mußte sie miterleben, wie man ihr Leben demontierte. Sie waren doch alle gleich, dachte Fiona verächtlich. Damals wie heute, es wiederholte sich alles wieder. Offenbar hatte sie nichts über den Umgang mit Römern gelernt. Wieder war sie auf ihre Verlockungen hereingefallen, wie damals ihr Vater. Als Dank dafür, hatten sie ihn und seine Familie niedergemetzelt.
    Um sich selbst zu schützen, begann sie sich vor Epicharis Augen regelrecht einzuigeln. Niemand sollte ihr oder ihren Gefühlen jemals wieder zu nahe kommen, geschweige denn ein Leid zufügen! Wie konnte sie nur so hohe Erwartungen in Epicharis setzten? Weil sie in mancher Hinsicht, wie sie selbst war? Weil sie sie durch ihre Freundlichkeit geblendet hatte und nun blind der Realität gegenüber stehen mußte?
    "Ach nichts!", antwortete, sie schnell und schickte ein scheinbar unverfängliches Lächeln hinterher.
    "Nein, du kennst ihn nicht. Ich habe ihn verloren und würde ihn nur gerne wieder finden." Sie gab sich wieder gefaßt, doch innerlich zerbrach gerade eine Welt für sie. Wenn sie mich nicht gehen läßt, dann werde ich ohne ihre Erlaubnis gehen, dröhnte es in ihrem Kopf. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr reifte in ihrem Kopf ein Plan heran.
    "Aber das weiß ich doch, Herrin!", erwiderte sie freundlich ihre letzte Bemerkung.

    Epicharis hatte ihr ihre vollste Aufmerksamkeit geschenkt. Dadurch gewann Fiona wieder an Sicherheit. Sie dachte über ihre Frage nach. Sie nahm sie ernst! Aber warum antwortete sie ihr nicht, wo doch die Antwort auf ihre Frage klar auf der Hand lag? Zweifel beschlichen Fiona wieder, ihrer Herrin könnte die Wichtigkeit ihrer Bitte nicht klar genug sein. Woher hätte sie denn auch wissen sollen? Aber sie wußte doch, wie es war, wenn man schon glaubte, das Wichtigste verloren zu haben und dann erfuhr, daß dem nicht so war. Damals, als alle glaubten, Aristides sei im Krieg getötet worden, da hatte sie doch dieses Gefühl spüren müssen!


    Endlich begann sie sich zu äußern. Zaghaft tastete sie sich an Fionas Bitte heran. Der Sklavin war es nicht entgangen, wie sehr sie nach den richtigen Worten suchte und die, die sie wählte, drückten ihre Wertschätzung aus, ganz ohne Zweifel! Fiona rutschte nervös auf ihrem Platz hin und her. Die Feuchtigkeit ihrer Hände kündeten davon, wie sehr aufgeregt sie war. Ein einziges Wörtchen trennte sie noch von ihrer Freiheit. Ein Ja trennte sie noch von ihrem Verlobten. Aber dieses Ja sollte ihr verwehrt bleiben. Es wäre ungerecht..! Es traf Fiona, wie einen Schlag! Ein Schlag ins Gesicht, genauso empfand sie es. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Natürlich hatte sie nächtelang auch darüber nachgedacht, was aus Minna und Kassandra wurde. Sie wußte, die Freiheit würde sie von ihrer Freundin trennen. Aber sie war immer der Überzeugung gewesen, Minna hätte es verstanden. Auch Kassandra, die viele Jahre länger als sie Sklavin gewesen war, hätte ihrem Glück sicher nicht im Wege gestanden. Fiona verstand die Welt nicht mehr! Fassungslos war ihr Ausdruck. Damit hatte sie nicht gerechnet. Ihr Traum von einer schnellen Rückkehr war wie eine Seifenblase geplatzt!
    Epicharis´ Frage nach dem Grund ihrer Bitte, echote in ihrem Kopf. Sie brauchte eine Weile, bis sie wieder die Sprache fand.
    "Es gibt jemanden, dem ich mein Herz geschenkt hatte, den ich wiederfinden muß. Es ist…" Es war wichtig für sie gewesen. Wichtiger als alles andere! Fionas Worte hatten an Klang verloren. Sie kamen gehemmt und kraftlos. Ja, sie hatte ihr Unrecht getan! Gerade eben hatte sie es getan, ohne davon die leistete Ahnung davon zu haben, was sie mit der Ablehnung von Fionas Bitte auslöste.

    Ja, Fiona war sich sicher! Dies war ein guter Moment, um eine solch wichtige Frage zu stellen. Epicharis war bester Laune, was höchstwahrscheinlich nicht nur an dem herrlichen Nachmittag und dem schönen Wetter lag. Sie war zweifellos glücklich! Die Ehe tat ihr gut und es war schön, mit ansehen zu können, wie sie in ihr erblühte. Wie die meisten anderen Sklaven war auch Fiona sich sicher, daß der Nachwuchs nicht lange auf sich warten ließe. Umso mehr schmerzte es sie, wenn sie an ihr eigenes Glück dachte. Monatelang hatte sie getrauert, hatte sich irgendwann damit abgefunden, daß die Liebe ihres Lebens tot war. Genauso tot, wie der Rest ihrer Familie. Alleine im Tod sah sie die Möglichkeit, ihren Geliebten wieder zu sehen… und nun diese Nachricht! Sie mußte sie einfach gehen lassen! Sie mußte! Niemals hatte sie gegen Epicharis aufbegehrt. Stets war sie ihr zu Diensten gewesen und hatte alles für sie getan. Sie hatte sich ihre Freiheit redlich verdient!
    Fiona zweifelte keinen Augenblick mehr daran, je länger sie darüber nachdachte, je mehr sie sich einredete, wie sehr es ihr zustand, bald wieder frei zu sein. Natürlich würde Epicharis keine Minute zögern, ihrer Bitte zu entsprechen.
    Lächelnd nahm sie neben der Herrin Platz und suchte nach den richtigen Worten. Plötzlich schien es ihr schwer zu fallen, die Frage richtig auszudrücken. Oder sollte sie zuerst erklären, warum sie ihre Freiheit zurück haben mußte? Ach, das konnte sie ihr auch noch später erklären! Jetzt war es erst einmal wichtig, sie davon in Kenntnis zu setzen, was ihr so sehr auf dem Herzen lag. "Ich… ich wollte dich fragen, nein, dich bitten… ähm… wäre es möglich, wenn… wenn du mich gehen läßt? Ich meine, mir die… Freiheit wieder zurück gibst?" Voller Erwartung, gepaart mit einer Portion Unsicherheit blickte sie Epicharis an. Es hatte sie einiges an Überwindung gekostet. Doch nun war es ausgesprochen. Nicht mehr umkehrbar. Und natürlich würde Epicharis Verständnis zeigen! Sie mußte doch wissen, was der größte Wunsch eines Sklaven war! Die Freiheit natürlich! Aber woher hätte sie es wissen sollen? Daran verschwendete aber Fiona keinen einzigen Gedanken.

    Es war einer der letzten sonnigen Tage des Jahres. Der Herbst hatte schon lange Einzug gehalten und die Bäume des Gartens in seine Farben getaucht. Besonders die Nachmittagsstunden hatten ihren Reiz und wer die Möglichkeit hatte, der war gut beraten, diese letzten sonnigen Stunden für sich zu nutzen.
    So war es Fiona nicht unrecht, als sie ihre Herrin in den Garten hinaus begleiten sollte. Allerdings trug die Sklavin eine innere Last mit sich herum, die für sie Tag für Tag an Schwere gewann. Sie war innerlich so zerrissen. Die Begegnung mit dem Alten, den sie neulich in der Stadt hatte, ließ ihr keine Ruhe mehr. Tagtäglich wuchs in ihr der Wille, nach Hause zu kehren, ihn zu finden und ihn endlich wieder in ihre Arme schließen zu können. Wenn es einen Menschen gab, der die Sehnsucht einer Liebenden kannte, dann mußte es ihre Herrin Epicharis sein! So glaubte es Fiona jedenfalls. Sie würde ihre Beweggründe verstehen. Davon war sie überzeugt. Schließlich hatte sie selbst so lange auf ihr Glück warten müssen! Schon einige Male hatte sie davon gesprochen, Fiona eines Tages wieder die Freiheit zu schenken. Sicher würde sie nun ihr Versprechen einlösen, wenn Fiona sie darum bat.
    Dieser schöne beschauliche Nachmittag, bot die ideale Gelegenheit dazu, um Epicharis darauf anzusprechen, glaubte Fiona. Sie mußte nur den geeignetsten Moment abwarten.
    Nachdem die beiden Frauen einen schönen sonnigen Platz erreicht hatten, an dem eine marmorne Bank stand, verharrten sie dort. Die Herrin nahm Platz und Fiona sah nun den richtigen Moment gekommen. "Herrin, darf ich eine Frage stellen?"

    Es war schön, als Chimerion ihr zulächelte. Dadurch fühlte sie sich schon etwas weniger verloren.
    "Schade. Ich auch nicht!" scherzte sie und mußte lachen. Das Lachen jedoch verbarg ihre wahren Gedanken. In den letzten Wochen war der Wunsch nach einer Rückkehr in ihre Heimat so stark geworden, wie nie zuvor. Sie würde alles tun, um zurück nach Britannia zu kommen. Alles! So schnell, wie möglich! Doch bisher war sie die Einzige, die von diesen Bestrebungen wußte. Nicht einmal Minna hatte sie es anvertraut. Obwohl sie oft darüber nachgedacht hatte, Minna mitzunehmen. Ein Leben ohne sie, war für Fiona nur noch schwerlich vorstellbar. Aber Minna war in den letzten Tagen und Wochen so froh gestimmt. Die Hochzeit und auch der Umzug in die Villa Flavia, das alles war sehr aufregend. Irgendwie hatte es Fiona nicht fertig gebracht, ihre Freundin zu fragen. Vielleicht ein anderes Mal, stets hatte sie es aufgeschoben. Und auch jetzt sah man es ihr nicht an, was sie wirklich schon seit Wochen beschäftigte.


    Minna fand an Fionas Vorschlag auch Gefallen, die neuen Zeiten, die nun angebrochen waren, zu begießen und zu feiern. Da die beiden Sklavinnen sich aber in ihrer neuen Umgebung so gut wie gar nicht auskannten, war Minnas Frage, nach den passenden Örtlichkeiten völlig berechtigt. Chimerion kannte offensichtlich ein schönes Plätzchen und als das Wort 'Garten' fiel, sah Fiona grinsend zu Minna. Mit Gartenfesten der besonderen Art, hatte sie ja bereits ihre Erfahrungen gemacht!
    "Genau, der Garten! Das ist eine tolle Idee! Und außerdem ist ja auch bald wieder Samhain!" Fiona konnte nicht mehr an sich halten. Sie begann zu kichernd, wie es eigentlich nur alberne Mädchen taten, obwohl sie doch noch gar nichts getrunken hatte. -.^

    Ja, Fiona hoffte auf eine Antwort. Sie wollte endlich Gewissheit, jetzt da mit einem Mal alles wieder möglich war. Wenn ihr jemand die Hoffnung geben oder nehmen konnte, dann war es der Alte. Er forderte sie ja auch regelrecht dazu auf, ihm den Namen der Person zu nennen, über deren Verbleib sie Näheres wissen wollte. Fiona war völlig aufgewühlt und nicht fähig, sich auf das, was um sie herum noch geschah, zu konzentrieren. Minna die etwas abseits von ihr stand, forderte zu Recht, sie solle sie endlich aufklären, was diese Szene hier sollte. Doch Fiona hörte Minna nicht.
    "Ja, darauf hoffe ich! Owain, Briocs Sohn, weißt du etwas über ihn? Lebt er noch? Du weißt doch wer Owain ist? Ziemlich groß, dunkles Haar, blaue Augen, ja?"
    Voller Erwartung sah sie den Alten an, der eine nachdenkliche Haltung eingenommen hatte und mit einem Mal laut zu sinnieren begann "Owain… mhm, Owain, ich kannte mal einen Owain, ja mhm.. Ist schon lange her. Owain… ja! Der hat überlebt! Owain, Caradogs Sohn. Ja, der arme Kerl ist leider kurz darauf an Altersschwäche gestorben. War ja auch schon ganz schön alt der Knabe! Ach ja, und der ist mit dir verwand?"Fiona schüttelte heftig mit dem Kopf. "Nein, nicht Caradogs Sohn, den kenne ich ja auch gar nicht. Ich meine Owain, der Sohn von Brioc, dem Krieger. Der den ich meine, ist noch ganz jung!" Allmählich begann Fionas Hoffnung wieder zu schwinden.
    "Ach so! Dann meinst du gar nicht den Owain. Nun, dann laß mich mal nachdenken. Ja… Owain, ähm der Owain, der groß und dunkelhaarig ist und.." Fionas Gesicht erhellte sich wieder. Offenbar konnte sich der Alte jetzt doch an ihren Verlobten erinnern. "Ja, genau den! Lebt er noch?" fragte sie eifrig. Der Alte bemerkte, wie wichtig ihr diese Antwort war. Fiona brannte förmlich nach einer positiven Nachricht. Er wußte allerdings auch, daß er nichts über diesen Owain wußte. Aber was machte es schon aus, wenn man der Realität ein wenig auf die Sprünge half!
    "Ja weißt du, äh… als ich die Heimat verließ, da hat er sich mit einigen anderen Männern in die Wälder zurückgezogen. Also äh, da hat er noch gelebt. Ob er aber immer noch… Vielleicht! Ich.. äh.. ganz bestimmt!"
    Fionas Freude war in diesem Augenblick unbeschreiblich! Sie hätte den alten Tattergreis küssen können. Endlich! Es gab wieder einen Grund zu Leben und nach der Freiheit zu streben! Am besten sofort!
    Endlich sah Fiona auch ihre Freundin wieder, die sie immer noch mit einem fragenden, fast schon säuerlichen Blick ansah.
    "Oh Minna, entschuldige! Das hier ist große ehrwürdige Cadfael!" Fiona sprach mit solch einer Ehrfurcht, als handle es sich bei dem Alten um eine hochrangige Persönlichkeit. "Er war der Druide in unserem Dorf," flüsterte sie ihr leise zu, damit niemand sie hören konnte. Sie wußte, wie gefährlich es für den Alten werden konnte, wenn herauskam, was er in Wirklichkeit war.

    Chimerion beugte sich etwas näher zu ihr heran und sprach dann ganz leise. "Eine launische Herrin? Na so was kennen wir doch auch, nicht wahr, Minna?" Sie sah zu iher Freundin hinüber und zwinkerte ihr zu. Nur ungern dachte sie an die Zeit zurück, als Claudia Ofella, die Frau ihres alten Herrn, noch in Rom weilte und allen Sklaven der claudischen Villa das Leben schwer machte. Doch diese Zeit war nun endgültig vorbei! Darüber freute sich Fiona eigentlich am meisten. Plötzlich hatte sie eine famose Idee, die sie gleich Minna mitteilen wollte. Doch dann fragte Chimerion sie nach ihrer Heimat. "Wirklich, du hast schon einiges über Britannia gehört. Warst du schon mal dort?" Sie war ganz aufgeregt und ihre Augen leuchteten. "Ach ja, gelegentlich ist es neblig, meistens morgens. Und ja, Regen gibt es auch viel, eigentlich fast immer, aber sonst ist es ganz schön dort," sagte sie lachend. "Ja, die Krieger fahren mit ihren Streitwagen in die Schlacht. Das haben sie jedenfalls früher getan. Mein Vater hat mir immer Geschichten erzählt, von einer Königin, die gegen die Römer gekämpft hat. Boudicca hieß sie. Sie hat lange, bevor ich geboren wurde, gelebt. Sie hätte beinahe die Römer aus Britannia vertrieben! Leider nur beinahe. Ja, aber sie ist auch mit einem Streitwagen in die Schlacht gezogen. Wild wehten ihre roten Locken im Wind und ihr Gesicht war blau bemalt." Fiona kam ganz ins schwärmen. Sie hatte die Geschichten ihres Vaters immer geliebt.
    Doch nun begann Chimerion von sich zu erzählen. Da hörte sie aufmerksam zu.
    "Nein, uns hat man zu Sklaven gemacht. Mein Vater war ein angesehener Mann in unserem Volk und ich hätte eines Tages die Frau eines.." Fiona begann zu stocken. Sie konnte den Satz nicht vollenden. Es hätte zu wehgetan. Sie kämpfte mit ihren Tränen. Nein, dies war kein Tag zum weinen und wehklagen, dies war ein Tag zum feiern! Sie sah wieder zu den beiden und etwas unstetes war in ihrem Blick."Was haltet ihr davon, wenn wir heute Abend ein wenig feiern. Ich besorge uns etwas zu trinken und dann stoßen wir auf unsere neue Zukunft an!"

    Fionas Gesicht erhellte sich bei den Worten Chimerions und sie konnte sogar wieder über den Spaß lachen, den er gemacht hatte. "Ja, jetzt kenne ich dich auch," antwortete sie lächelnd. Jetzt ging es ihr schon ein wenig besser und sie fühlte sich nicht mehr so ganz verloren. Wahrscheinlich wäre es in einigen Wochen genauso wie es in der Villa Claudia gewesen war. Dann kannte sie auch alle hier und hatte vielleicht schon die eine oder andere Freundschaft geschlossen.
    "Epicharis? Ach, sie ist eigentlich ganz nett. Sie behandelt uns gut und ist auch sehr freundlich zu Minna und mir. Früher, bevor wir ihr geschenkt wurden, da war es.." Fiona stockte, als sie Minnas Stimme hörte. Offenbar war sie auf der Suche nach ihr gewesen.
    "Ich hatte Hunger gehabt. Allerdings das Essen ist … irgendwie anders!" Sie grinste schelmisch Chimerion zu und wandte sich dann wieder zu ihrer Freundin. "Das ist übrigens Chimerion! Äh Chimerion, das ist Minna!" Die beiden machten sich miteinander bekannt und Minna setzte sich zu ihnen. Sie wusste nicht, wie Minna den Umzug in die Villa Flavia aufgenommen hatte, wie sie sich hier fühlte. Auch sie verband einiges mit de alten Zuhause, auch wenn es dies in Wirklichkeit niemals gewesen war. Ihr wahres Zuhause war weit, weit weg von hier und mit Sicherheit hätte auch Minna sich nichts Sehnlicheres gewünscht, dort wieder zurückzukehren.
    Mit einer gewissen Sehnsucht in ihren Augen antwortete sie auf Chimerions Frage: "Aus Britannia. Ich komme aus Britannia!"

    Auch Fiona mußte schmunzeln. Pustulas Fähigkeiten, im Bezug auf das Essen waren doch wesentlich besser gewesen. Bei ihr gab es auch manchmal ein paar besondere Schmankerl, die sie ihr gelegentlich zugesteckt hatte. Fleisch, Meeresfrüchte oder Gemüse, was vom Abend zuvor übrig geblieben war, wertete gelegentlich die gut schmeckenden Mahlzeiten auf. Aber das gehörte jetzt alles der Vergangenheit an.


    Der Sklave mit dem langen Haar hatte sich ihr vorgestellt und er verriet ihr auch, wem er gehörte. Fiona kannte die anderen flavischen Herrschaften noch nicht persönlich. Sie und Minna hatten sie aus der Ferne betrachten können, an der Hochzeit.
    "Meine Freundin Minna und ich, sind zusammen mir unserer Herrin hier eingezogen. Du weißt bestimmt, die Hochzeit unserer Herrin Epicharis mit Flavius Aristides. Ich habe bis vor einigen Tagen noch in der Villa Claudia gewohnt. Nun, ich kann nicht behaupten, dass es dort schöner war als hier. Aber hier ist alles noch so fremd für mich. Ich kenne hier eigentlich niemanden außer Hannibal und Bridhe." Letztere hatte sie schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen. Fiona überlegte, ob sie nicht schon wieder zu viel erzählte, was der Sklave gegenüber eigentlich gar nicht wissen wollte. Die wenigsten Sklaven interessierten sich für die Probleme ihrer Leidensgenossen. Wäre das anders gewesen, hätte sie vielleicht längst einen Entschluß gefaßt, bei der großen Frage, die sie schon seit Wochen bewegte.

    Hier ging es zu, wie in einem Taubenschlag. Die einen gingen, die anderen kamen. Aber niemand schien Fiona rechte Beachtung schenken zu wollen. Die Sklaven hatten mit sich genug zu tun und nutzten ihre kurzbemessene Essenspause um sich zu stärken und auszuruhen, damit sie anschließend wieder ihrem Tagewerk nachgehen konnten. Fiona war in diesem Raum wohl die einzige, die es nicht so eilig hatte. Hin und wieder nahm sie einen Bissen und sah dann wieder kauend auf um zu beobachten, was in diesem Raum vor sich ging. Das Essen war nicht besonders gut, allerdings auch nicht übermäßig schlecht. Es war nahrhaft und sättigend, doch ihm fehlte es an jeglichem Geschmack. Gewürze und Kräuter hütete der Koch wohl, wie einen Schatz und ging daher recht spärlich damit um.
    Überraschend sah sie auf, als sie schließlich doch angesprochen wurde. Ein fremdartiger Sklave mit langem schwarzem Haar hatte sich in ihre Nähe gesetzt und sah sie nun fragend an.
    "Was? Oh, das Essen? Ich habe schon besseres bekommen. Aber man kann es essen." Sie sah nicht besonders glücklich aus, was aber weniger an der Qualität des Essens lag. Vielmehr vermisste sie die Sklaven der Villa Claudia, die ihr größtenteils ans Herz gewachsen waren. Hier stand sie nun wieder völlig am Anfang. Nun war es Zeit, einen Neuanfang zu wagen. "Ich bin Fiona und wie heißt du?" sagte sie nun mit einem leichten Lächeln.

    Nach der Vermählung Epicharis´mit dem Flavier hatten sich auch einige grundlegende Dinge für Fiona und Minna geändert. Als 'lebendiges Hochzeitsgeschenk' wechselten die beiden Sklavinnen nicht nur den Besitzer. Auch ihre mittlerweile zur Gewohnheit gewordene Umgebung änderte sich sozusagen über Nacht.
    Die beiden Frauen waren nicht zum ersten Mal in der falvischen Villa. Beiden war die Villa vom letzten Saturnalienfest noch gut in Erinnerung. Doch hier nun zu leben war doch etwas völlig anderes. Fiona zumindest fühlte sich völlig fremd. Gerüchteweise hatten sie so einiges über die Villa und deren Bewohner gehört, was ihnen der Umzug nicht unbedingt leichter machte. Ob an diesen Gerüchten etwas Wahres war, mußten sie nun selbst feststellen.


    Die wenigen Habseligkeiten, die Fiona aus der Villa Claudia mitgebracht hatte, waren schnell in einer kleinen Kiste verstaut. Das einfache Bett, das man ihr zugewiesen hatte, unterschied sich nur wenig von dem, in der Villa Claudia. Der Raum in dem sie mit einigen anderen Sklavinnen schlief war ähnlich trist, wie sie es bereits gewohnt war. Zum Glück war sie nicht alleine gekommen. Minna, ihr beste Freundin, war bei ihr. Das machte die Sache etwas leichter. Trotzdem hatte sie ein ungutes Gefühl im Bauch. Außer Bridhe und Severus, die sie auf einem römischen Fest kennengelernt hatte und mit denen sie im Jahr zuvor zusammen Samhain gefeiert hatte, kannte sie nur noch Hannibal. Ihn hatte sie einige Wochen vor der Hochzeit kennengelernt, damals, als sein Herr aus dem Krieg zurück gekehrt war und Epicharis mit seinem Besuch überrascht hatte.
    Ansonsten kannte sie niemanden und das war doch angesichts der großen Anzahl an Sklaven, die in der Villa Flavia tätig waren, recht dürftig!
    Die anderen wirst du bestimmt auch ganz schnell kennenlernen, hatte Pustula, die claudische Köchin sie getröstet, als sie sich von ihr verabschiedete. Das war gut gesagt! Wenn ihr beim Essen sitzt, dann kommt meist das eine zum anderen, hatte sie ihr noch als guten Tipp mitgegeben. Nun saß sie beim Essen und beobachtete die anderen, die kamen und gingen. Ob Pustula recht behalten sollte, mußte sich erst noch herausstellen.



    Sim-Off:

    Huhu, flavische Sklaven, wo seid ihr? :)

    "Ja, das sind sie," mußte Fiona schließlich zugeben. Sie hatte niemals zuvor die Sklaven in ihrer Heimat mit denen verglichen, die es hier in Rom gab. Für sie waren das immer zwei Paar Schuhe gewesen. Aber wahrscheinlich nur deswegen, weil sie es früher aus einer anderen Perspektive betrachtet hatte. Nun war selbst in dieser, ihrer Ansicht nach, mißlichen Lage. Es war ihr bewußt, daß es sie jede Zeit hätte schlimmer treffen können. Trotzdem wehrte sich alles in ihr, jemals dieses Schicksal voll akzeptieren zu können. "Ja, vielleicht wird sich eines Tages etwas ändern." Sie lächelte etwas melancholisch, da sie doch genau wußte, daß sich niemals etwas ändern würde. Und falls doch, dann erst in vielen, vielen Jahren, wenn Fiona längst nicht mehr war.


    Derweil war sie auch kurz nach Fabula in den größeren Wohnraum eingetreten und sah sich erwartungsvoll um. Eigentlich mußten sie nur dem herrlichen Duft des Apfelkuchens folgen, der sie zielsicher dorthin führte. Sicher, dieser Raum konnte bei weitem nicht mit den feinen Zimmern und Sälen der Villa Claudia mithalten, doch sie fand ihn auf seine Weise ganz gemütlich. Ihr Blick fiel unweigerlich auf den kompakten Mann mit der Halbglatze, der am Tisch saß und förmlich den Kuchen hypnotisierte. Der Mann sah seinerseits auch auf, begrüßte Hannibal und erhob sich schließlich, als er Fiona sah. Fabula ließ es sich nicht nehmen, sie vorzustellen. Dadurch errötete etwas doch dann lächelte freundlich. Es gefiel ihr, wie freundlich man sie hier aufnahm und wehrte sich auch nicht gegen die Behauptung, sie sei mit Hannibal zusammen, obwohl sie ihn doch erst an diesem Tag kennengelernt hatte. Fiona kam der Aufforderung nach und nahm Platz. Verwundert sah sie zu Hannibal. "Wetten? Welche Wetten?" Sie verstand jetzt gar nichts mehr und wußte nicht, was sie sagen sollte. Verwirrt verfolgte sie Fabula, die noch zwei weitere Teller herbeiholte, um diese vor Fiona und Hannibal auf dem Tisch abzustellen. Wieder traf ihr fragender Blick den flavischen Sklaven. Der verführerische Duft des Apfelkuchens konnte sie im Augenblick gar nicht locken. Zuerst wollte sie Klarheit über den Sinn und Zweck ihres Besuches erfahren und was noch wichtiger war, was hatte es mit diesen Wetten auf sich! Von Hannibal erhoffte sie sich einige Antworten auf ihrer Frage.

    Fiona ließ sich nicht von den Geräuschen ihrer Umgebung ablenken. Der Blick war fest auf Hannibal gerichtet, der sie nachdenklich an sah. Er stimmte ihr zum einem zu, mit dem was sie gesagt hatte, gab aber auch zu bedenken, daß es Sklaven in jedem Volk gab. Sie nickte. "Ja, das stimmt. Auch wir kennen die Sklaverei und es sind zumeist die Bauern, die unfrei sind." Ihre eigene Familie war im Besitz solcher Sklaven gewesen. "Sie leben mit uns, arbeiten mit uns und essen mit uns." Ihrer Meinung nach, hatten es ihre Sklaven besser gehabt. Wobei sie sich früher, bevor sie selbst dieses Schicksal erlitten hatte, nur sehr selten Gedanken darüber gemacht hatte. Seine Wünsche bauten sie aber wieder auf und gerade seit dem Treffen mit dem Alten hatte sie wieder neue Hoffnung geschöpft. "Danke! Ja, das wünsche ich mir auch." Sie konnte wieder etwas lächeln.


    Immer tiefer gingen sie hinein in dieses Viertel. Eines wußte Fiona, wenn sie Hannibal nun verlieren würde, dann wäre auch sie verloren. Allein fand sie bestimmt nicht mehr zurück. Erstaunt blickte sie auf, als Hannibal stehen blieb und ihr verkündete, einer seiner Freude würde hier wohnen. Er schritt auf eine Tür zu und klopfte an. Fiona blieb einige Schritte hinter ihm zurück und wartete erst einmal ab, was passierte. Ihr war bei der ganzen Sache nicht wohl. Hier in diesem Viertel, in dem alles so fremd für sie war, fühlte sie sich nicht wirklich wohl.
    Kaum hatte Hannibal geklopft, schon öffnete sich die Tür und eine recht korpulente Frau trat heraus, die sie sofort fürchterlich zu beschimpfen begann. Aber dann erkannte sie Hannibal und sofort verschwand der Ärger aus ihrer Stimme. Sie lächelte und stellte sich vor. "Salve Fabula. Ich bin Fiona," antwortete sie schüchtern. Sie folgte Hannibal ins Innere des Hauses, in dem es verführerisch nach Apfelkuchen roch. Fabula begann gleich, sie ausufragen und Fiona wurde mit jeder Frage verlegener, mußte aber schließlich auch lachen, als Hannibal ihr eröffnete, Fabula sei immer ein wenig eigen. "Nein, nein, wir haben uns erst kennengelernt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden," antwortete sie schließlich, meinte es aber nicht ernst, mit dem was sie sagte.

    Ja das war tatsächlich Siv. sie gesellte sich gleich zu den beiden Sklavinnen. Minna und sie unterhielten sich erst in ihrer eigenen Sprache, wechselten jedoch schnell ins Lateinische, damit auch Fiona sie verstehen konnte.
    Fiona organisierte drei Becher mit Getränken und reichte sie an Siv und Minna weiter. Freudig lächelnd wandte sie sich an die aurelische Sklavin."Siv, wie geht es dir? Wir haben uns ja schon so lange nicht mehr gesehen!" Jul oder die Saturnalien, wie es die Römer nannten, war scheinbar so lange her gewesen. Fiona hatte Minna damals zu dem germanischen Julfest begleitet, das sie in einem Wäldchen außerhalb Roms gefeiert hatten. Sie hatte dunkle Erinnerungen daran. Damals wollte sie ihr Leben wegwerfen, weil sie es nicht mehr ertragen konnte. Doch den letzten Schritt hatte sie nicht machen können. Nun war sie heute hier, an diesem strahlenden Tag und die Gedanken von damals hatten anderen Platz gemacht. Fiona hatte es Minna noch nicht erzählt, was sie bewegte. Die Hochzeit und all die Vorbereitungen hatten sie davon abgehalten. Vielleicht nach der Hochzeit, wenn wieder Ruhe eingekehrt war, wollte sie es ihr sagen.
    "Ist Cadhla auch mit dir gekommen? Und Tilla? Sag, wie geht es euch allen? Wir haben schon so lange nichts mehr von euch gehört!" Seitdem die Verlobung von Corvinus und Deandra gelöst worden war, war auch der Kontakt zu den beiden Familien unterbrochen, was Fiona als sehr schade empfand. Seitdem war es trist in der Villa Claudia geworden. Doch nun war diese großartige Hochzeit gekommen, die allerhand Leben in Minna und Fionas Dasein zurückbrachte.

    Fiona folgte dem flavischen Sklaven, der offensichtlich genau wußte, wohin er sie führen wollte. Dies war nicht der Weg, den sie sonst immer nahm, wenn sie Besorgungen zu machen hatte.
    Vorerst führte ihr Weg an schönen Stadthäusern und Gärten vorbei. Das war das Rom, welches Fiona in all der Zeit kennen gelernt hatte. Sie mochte es sogar, denn besonders die Gärten fand sie sehr schön. Fiona konnte Hannibal nur zustimmen. Ja, Rom war schön und prächtig. Die gewaltigen Bauten waren schon sehr beeindruckend, besonders das riesengroße Kollosseum, auf das sie nun zusteuerten. Sie folgte ihm weiter und genoß diesen überaus schönen Stadtrundgang. Doch alsbald schlug Hannibal in eine Seitengasse ein. Alles war plötzlich vollkommen anders. Es war, als seien sie in einer ganz anderen Stadt angekommen. Hier war nichts vom Glanz und der Schönheit Roms zu sehen. Hier standen sie Häuser eng aneinander, der Dreck lag auf den Straßen und es stank erbärmlich nach allerlei Unrat.
    In solch einer heruntergekommenen Gegend war sie nur einmal in all der Zeit gekommen, seitdem sie in Rom war. Damals, in den ersten Monaten ihrer Gefangenschaft, hatte sie und einige andere Sklaven ein Gift für Deandra besorgen müssen. Mit niemandem sollte sie darüber sprechen. Daran hielt sie sich auch jetzt. Damals waren sie allerdings bei Nacht losgezogen. Nun war es helllichter Tag und selbst wenn es die gleiche Gegend von damals gewesen wäre, hätte sie sie nicht wieder erkannt.
    Fiona blieb angewidert stehen, als sie eine Ratte sah. Sie mochte die kleinen Nager nicht. Auch jetzt mußte sie Hannibal zustimmen. Dieser Teil Roms gehörte nicht zu den Plätzen, an denen sie sich gerne aufhalten wollte. Sie sah sich die Menschen an, die ihr hier begegneten und allmählich begriff sie auch, was Hannibal ihr damit sagen wollte und weswegen er sie hierher geführt hatte. "Ja Hannibal, unser Leben ist im Vergleich zu diesen Menschen viel besser und ich wollte nicht hier leben müssen. Das kannst du mir glauben. Aber ich wollte auch nicht, daß man mich nach Rom bringt. Ich wollte nicht, daß man meine Familie tötet und mein Haus niederbrennt. Ich möchte wieder das haben, was man mir genommen hat. Verstehst du das? Es war Unrecht, was man mir angetan hat und das kann ich nicht vergessen."