Beiträge von Appius Aurelius Cotta

    Zitat

    Original von Quintus Didius Albinus
    " Ja vielleicht wäre ein neuer Patron von Vorteil. Ich werde dann vielleicht euch bzw. Corvinus besuchen, um dies zu besprechen. "


    "Gut, dann verbleiben wir so, Didius: Ich werde dich benachrichtigen, wenn mein Vetter Corvinus nach Roma zurückgekehrt ist."


    Das Ansuchen meines Besuchers, nun aufzubrechen, kam mir auch sehr gelegen, schienen doch alle wesentlichen Punkte zu unserer beiderseitigen Zufriedenheit abgehandelt. Ich stand daher auf und reichte ihm meine Hand.


    "Ich kann mir vorstellen, dass du ein vielgefragter Mann bist, gerade nach dem Gespräch mit dir! So danke ich dir für deinen Besuch und deine Offenheit und wünsche dir trotz all deiner Arbeit weiterhin eine gute Zeit hier in Roma! Der Sklave wird dich hinausbegleiten."


    Damit war Leone angesprochen, der die ganze Zeit bei uns im atrium gewesen war, um neue Anweisungen zu empfangen, die hiermit erteilt waren.

    In den vergangenen drei Tagen hatten Lupus und ich fast jeden Augenblick mit der Ankunft unserer Verwandten gerechnet, und Lupus war dementsprechend beschäftigt gewesen, die Sklaven bei ihren Vorbereitungen zu überwachen. Schließlich war ja auch viel zu tun: Die villa musste auf Hochglanz gebracht werden, die cubicula mussten hergerichtet werden, in den Truhen wurde die noch vorhandenen Kleidungsstücke der einzelnen gens-Mitglieder noch einmal nachgesehen - und nicht zuletzt wollten wir unseren Verwandten natürlich ein in jeder Hinsicht abwechslungsreiches Willkommens-Mahl bieten. :D


    Ich war unendlich froh und dankbar dafür, dass Lupus all diese Sklavenarbeiten mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail überwacht hatte. Fest hatte ich mir vorgenommen, ihm dafür in einer ruhigen Minute einmal ganz herzlich Dank zu sagen! Bei all diesen Vorbereitungen, vor allem aber bei den kulinarischen, hatte mein Bruder ein Geschick und eine Umsicht bewiesen, die mich wirklich immer wieder in Staunen versetzte. Mit Freude sah ich, wie gut wir uns nun, da wir beide erwachsen waren, eigentlich ergänzten: Ich der eher ruhige, stille Typ, der sich oft hinter den Schreibtisch setzte, und er der lebendige, lebensfrohe Mann mit den stets neuen Einfällen. Für so etwas wie die Vorbereitung eines Festmahls fehlte mir jeder Sinn, den aber mein Bruder in einem reichen Maße besaß.


    Marons Erkundigungen war es zu verdanken, dass wir am Morgen des Ankunftstages davon in Kenntnis gesetzt wurden, dass die Reisewagen unserer Verwandtschaft sich im Anweg auf Rom befänden. Mein Bruder hatte mich noch mal eindringlich auf den von ihm ausgeheckten Plan eingeschworen; er hatte mich teilweise sogar abgefragt, ob ich auch alles richtig verstanden hätte. Ja, großer Bruder, das hatte ich, :D, aber ich hatte mich doch nicht seinem Willen beugen können und mir einen Bart wachsen lassen; dies wollte ich dann doch dem traurigen Ereignis einer pompa funebris vorbehalten. Lupus hatte sich also in schönster Kyniker-Manier Haare und Bart wild durcheinandergewuschelt, wohingegen ich am Vormittag noch ein Bad genommen hatte; ich war auch nicht uneitel.


    Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir nach dem Gang ins balneum dann gar nicht mehr, denn deutliche Wagengeräusche und dann sogar Willkommens-Rufe drangen schon bald an mein Ohr und scheuchten mich von der Kline in meinem cubiculum auf, auf die ich mich noch zum Lesen zurückgezogen hatte, um die Zeit bis zur Ankunft zu vertreiben. Bei dem Lärm stand ich aber schnell auf und eilte zur Porta, wo ich auch sogleich unsere Verwandten erblickte. Ich hatte sie ja nun alle mehr als drei Jahre nicht mehr gesehen, Prisca sogar noch sehr viel länger nicht mehr, und so benötigte ich einen Moment, um sie alle zuzuordnen - jedenfalls die Frauen, Corvinus als einziger Mann war ja schnell erkannt!


    Sie alle sahen von der langen und sicher auch unbequemen Reise ein wenig mitgenommen aus, aber das war natürlich nichts gegen den Anblick, den Lupus bot, der unsere Verwandten nun mit dem von ihm sorgfältig vorbereiteten Text begrüßte. Zugegeben, er spielte seine Rolle hinreißend, und ich hätte gewiss lachen müssen - wenn mich nicht doch in diesem Moment in Gegenwart der Verwandten das Gefühl beschlichen hätte, einen Fehler gemacht zu haben, indem ich dem Vorschlag meines Bruders zugestimmt hatte. Aber zu spät, und ich wollte Lupus nun natürlich auch nicht desavouieren. Daher nickte ich eifrig, wenn auch vielleicht ein wenig künstlich, als Lupus mich ansprach, das von ihm Gesagte zu bestätigen.


    "Es ist eine Freude, euch endlich wieder zu sehen und hier in Roma zu haben - Corvinus, Deandra, Helena und Prisca! Ich hoffe, ihr könnt euch auch noch ein wenig an mich erinnern: Ich bin Cotta und war drei Jahre lang in Athen."


    Dies war natürlich alles mit vollem Herzen gesagt und war mir sehr leicht gefallen. Aber nun rief wieder die Rolle, die mir in der puls-Komödie zugedacht war. Ich wandte meinen Blick zu den Sklaven, die eifrig damit beschäftigt waren, das Gepäck der Herrschaften auszuladen. Dann fasste ich mir ein Herz und sagte so ernsthaft wie möglich:


    "Hoffentlich war die Reise nicht gar zu anstrengend für euch, aber Wasser und puls werden euch sicher wieder zu Kräften bringen!"

    Dass Studienkameraden in Athen mir morgens - oder besser: mittags, wenn sie sich von ihren Gelagen ausgeschlafen hatten - von ihren abendlichen "Eroberungen" vorschwärmten, mit ihnen prahlten und mich dabei ein wenig verächtlich in die Seite stießen, hatte ich ertragen. Ja, ich hatte mit ihnen gelacht, mich sogar ehrlich für sie gefreut, denn sie schienen wirklich Spaß gehabt zu haben, und ihre leichte Häme konnte ich auch verstehen, denn es musste für sie befremdlich wirken, dass ich nie mittat.


    Dies jetzt aber von meinem eigenen älteren Bruder erfahren zu müssen, versetzte mir einen Stich, der von anderer Qualität war als der leichte Stoß in die Seite, mit dem er mich versehen hatte. Einen Moment lang muss ich betreten geschaut haben, dann aber dachte ich mir: ach was, lachte ihn an und wünschte mir, dass er viel Spaß gehabt haben möge.


    Als wir anschließend gemeinsam das officium verließen, fühlte ich mich ihm gegenüber wieder ein Stückchen unterlegener als schon zuvor, doch ich würde versuchen, bei dem, was ich konnte, mein Bestes zu geben. Und vielleicht würde ja auch bei mir eines Tages - oder eines Nachts - der Knoten mal platzen. =)

    Wenn ich wegen des Spektakels zu diesem Prozess gegen Helvetius Sulla gegangen wäre, hätte mich die Aussagen des Zeugen Annaeus Domitianus sicher nicht enttäuscht. Wie ich es schon vermutet hatte, als er den Gerichtssaal betrat, bemühte er sich, kein gutes Haar an dem Angeklagten zu lassen, und setzte dazu auch gewisse rhetorische Kniffe ein, vor allem aber einen Vergleich zwischen Pompeius Strabo und dem hier angeklagten Helvetier, der den Pompeius als charismatischen Antreiber des Aufstandes beschrieb, Helvetius Sulla aber als deren kühl planenden und zugleich fanatischen Kopf. Diese Darstellung deckte sich mit den Gerüchten, die mir zu Ohren gekommen waren, worauf ich aber nicht viel gab; die Beschreibung des Helvetius dagegen entsprach ganz dem Eindruck, den er bisher in diesem Verfahren auf mich gemacht hatte.


    Alles in allem belastete die Aussage des Annaeus den hier Angeklagten, als ob es dessen noch bedurft hätte, also schwer; dieser Eindruck der Aussage schien mir aber ein wenig durch eine zweifellos interessante, doch vielleicht in ihrer Formulierung noch nicht ganz ausgegorene Frage des Anklagevertreters verwässert zu werden. Der befragte Zeuge jedenfalls verstand die Frage nicht gleich, so dass der Ankläger gezwungen wurde, sie näher zu erläutern, um dann aber ganz auf sie zu verzichten. Dieses Intermezzo zeigte mir einmal mehr, wie anspruchsvoll es sein musste, in einem solchen Verfahren auf den Punkt genau zu denken und zu formulieren. Meine Achtung vor juristisch ausgebildeten Männern stieg ein weiteres Mal, und ich hätte nicht wissen mögen, wie ich mich mit einer solchen Aufgabe geschlagen hätte. Die kurzzeitige vermeintliche Schwächung des Standpunktes der Anklage veranlasste Helvetius Sulla zu einem ganz unappetitlichen Triumphgeheul, mit dem er deutlich das Niveau unterschritt, das ihm unfreiwillig ja sogar die Zeugenaussage attestiert hatte.

    Ich ließ Caecilius Crassus im atrium mit seinen Männern passieren und folgte selbstverständlich ins Zimmer des Cicero, zu dem Corvinus uns nun führte. Zwar war ich mir nicht sicher, ob ich noch irgendwelche wichtigen Informationen zur Klärung des ganzen Vorganges würde beisteuern können - schließlich hatten mich all die Ereignisse seit meiner Ankunft aus Athen auch ziemlich überrollt. Aber natürlich gab es für mich, wie auch für meinen Vetter, keinerlei Grund, mich der Untersuchung zu entziehen, hatten wir doch nichts zu befürchten.


    Das Zimmer Ciceros hatte ich selbst nicht ein einziges Mal betreten; irgendetwas hatte mich immer davon abgehalten; ich hätte selbst nicht sagen können, was. So betrat auch ich das cubiculum mit einer gewissen Neugierde. Offenbar war ich nicht der Einzige gewesen, der diesen Raum in den zurückliegenden Monaten nicht betreten hatte; die dünne Staubschicht, die hier alles bedeckte, ließ daran keinen Zweifel aufkommen. Dieser Staub wurde nun gehörig aufgewirbelt, als die Prätorianer ihres Amtes walteten und alles durchsuchten. Sie stießen dabei schnell auf ein Schriftstück, das augenscheinlich das Testament unseres Onkels darstellen sollte. Er vermachte darin sein Erbe Commodus, das war dem Schreiben zu entnehmen; einiges andere aber war, vorsichtig formuliert, ein wenig unklar ausgedrückt. Dass Corvinus derselben Meinung war, konnte ich in seinem Gesicht lesen.


    Die Prätorianer suchten noch eine ganze Weile weiter, fanden aber allem Anschein nach nichts mehr von Bedeutung. Ich zweifelte daran, dass sie die Untersuchung jetzt noch lange fortsetzen wollten, denn ihr Präfekt hatte doch bisher schon so akribisch gearbeitet.

    Derartige Streiche und Neckereien, wie sie mein lieber großer Bruder jetzt mit Hingabe plante, waren eigentlich nie so meine Sache gewesen. Der Originalität der witzigen Ideen, die Lupus hier vor mir ausbreitete, seiner eigenen Faszination, mit der er jetzt im Hintergrund an den Strippen zog, und auch der Komik des ganzen Vorschlages konnte ich mich jedoch nicht entziehen. Außerdem hatten mich schon in meiner Kindheit alle immer damit aufgezogen, wie ernst und langweilig ich sei; ich wollte die Verwandtschaft einfach auch einmal zum Lachen bringen. Daher versagte ich mir jetzt auch selber ein solches Lachen nicht und sagte zu Lupus:


    "Also gut! Mach alles so, wie du es jetzt gesagt hast! Um die Einkäufe und die Zubereitung der Speisen werden sich die Sklaven kümmern - ja, und du hast Recht, das sollte schnell geschehen." ;)


    Ich nickte Maron zu, der sich eilends entfernte.


    "Und da du, Lupus, dir ja dieses spectaculum ausgedacht hast, solltest du auch der Zeremonienmeister sein: Ich schlage vor, dass du von uns beiden der erste bist, der die Verwandten bei ihrer Ankunft begrüßt; dir als Älterem kommt das ja ohnehin zu."


    Und nicht nur als Älterem, sondern offenbar auch als demjenigen, der sich trotz kynischer Schule mit Wein besser auskannte als ich; ich merkte gar nicht so genau, was ich immer so trank. O, hoffentlich würde mich nie jemand vergiften wollen; einen entsprechenden Beigeschmack des Weines würde ich sicher nicht bemerken. :D

    Ich war froh darüber, dass der Präfekt der Prätorianergarde meinen Vetter und mich nun nicht warten ließ auf eine Erklärung für sein Erscheinen. Ganz überraschend war diese Erklärung freilich nicht nach dem, was Corvinus mir in eiligen Worten mitgeteilt hatte, nachdem er von seinem Besuch zurückgekehrt war. Offenbar zog die - sicherlich frevelhafte, eher aber doch absonderliche - Tat Ciceros nun doch noch eine offizielle Ermittlung nach sich. Aber natürlich, Caecilius Crassus tat mit seinem Besuch in unserer villa nur seine Pflicht, und dass die Prätorianer in besonderer Alarmbereitschaft waren nach dem frevelhaften Mord an consul Prudentius Commodus, während des Partherfeldzuges und in Abwesenheit des Kaisers, war nur verständlich.


    Ich war daher in einer eher gelassenen Stimmung und hörte die Fragen des praefectus an. Wie es ihm zukam, antwortete Corvinus zuerst und versorgte Caecilius Crassus mit den wichtigsten Informationen und insbesondere auch mit den beiden Schriftstücken, die in jüngster Zeit mit Cicero in Verbindung gestanden hatten. Mir blieb es daher nur noch, meine persönliche Situation betreffend, Stellung zu nehmen:


    "Ich selbst bin erst vor gut drei Monaten hierher gekommen. Schon am meinem Ankunftstag wurde ich von der Auskunft der Sklaven überrascht, dass mein Onkel Cicero bereits seit Längerem verschwunden sei. Mein letzter persönlicher Kontakt zu meinem Onkel ist Jahre her: Vor meiner Ankunft hier in Roma verbrachte ich drei Jahre in Achaia zu Studienzwecken."

    Da mein cubiculum zentral und damit auch geräuschanfällig gelegen war, war mir nicht verborgen geblieben, dass offenbar eine ganze Reihe von Männern unsere villa betreten hatten. Ich hatte mich natürlich gleich gefragt, wer das wohl sein möge, zumal ich mir nicht sicher war, ob ich an diesen Männern nicht sogar Rüstungen vernehmen konnte; damit würde sich der Kreis der Kandidaten innerhalb des Stadtgebiets von Rom ja schon beträchtlich verkleinern. Obwohl voller Neugierde und auch Anspannung, blieb ich zunächst einmal ruhig in meinem Zimmer, da ja auch Corvinus noch in der villa anwesend war. Ich harrte also der Dinge, die da kommen sollten. Und sie kamen schnell in Gestalt Leones, der mich sofort ins atrium kommen hieß, wo niemand anders mich erwartete als die Prätorianer. Der Herr Corvinus sei schon da.


    Dass es Prätorianer waren, die in die villa gekommen waren, war nach meinem - richtigen - akustischen Eindruck keine wirkliche Überraschung mehr für mich. Und doch war dies natürlich nicht irgendein Besuch. Ich stand sofort auf, richtete nervös mein Haar und begab mich ins atrium, wo tatsächlich Corvinus schon in ein Gespräch mit einem Prätorianer vertieft war. Als ich näher hinzutrat, erkannte ich in diesem den iudex prior des iudicium imperialis in der Verhandlung gegen Helvetius Sulla. In unsere villa war also niemand Geringeres gekommen als der Prätorianerpräfekt persönlich.


    "Salve, Caecilius Crassus! Ich kenne dich vom Prozess gegen Helvetius Sulla als iudex prior. Ich hingegen dürfte dir unbekannt sein: Appius Aurelius Cotta."


    Weitere Begrüßungen und Bewillkommnungen hatte sicherlich schon mein Vetter ausgesprochen.

    Trotz der Größe der Räumlichkeiten dauerte es zu meiner Freude gar nicht lange, bis Lupus an die Tür klopfte.


    "Ach, Lupus, du brauchst doch hier nicht zu klopfen! Immer herein!",


    sagte ich lachend zu ihm. Obwohl er doch soviel älter war als ich, hatte er immer noch eine gewisse Scheu an sich, was den Umgang mit den selbstverständlichen Annehmlichkeiten unseres patrizischen Lebens anging, aber auch den Umgang mit mir betreffend. Dies war sicherlich den langen Jahren seiner kynischen Lebensweise geschuldet. Und es war ja auch nicht das Schlechteste, all die angenehmen Dinge, die uns umgaben, nicht als selbstverständlich zu nehmen. Mit solchen Überlegungen wollte ich mich aber gar nicht so lange aufhalten, sondern meinem Bruder schnellstmöglich den Brief vorlegen - dazu aber kam es erst einmal nicht, denn Lupus überschüttete mich mit einem kleinen Redeschwall, der vor Einfällen nur so blitzte. Hatte ihn seine philosophische Lebensweise etwa besonders hellhörig gemacht? Verblüffenderweise sprach Lupus nämlich von sich aus von der Ankunft unserer Verwandten aus Germania hier in Roma. Bevor ich näher auf all seine Einfälle eingehen konnte, wollte ich ihm aber nun doch endlich den Brief zeigen.


    "Du fragst mich, Lupus, wann unsere Verwandten zurückkommen. Nun, sieh mal, was ich hier habe!"


    Mit diesen Worten reichte ich ihm schmunzelnd das Schreiben, und wartete einige Augenblicke, bis er es durchgelesen haben würde.


    "Die größte und angenehmste Überraschung für unsere lieben Verwandten wirst sicherlich du sein. Aber das mit dem puls ... hm, verstehe ich dich richtig, du willst ihnen einen Streich spielen?"


    Ich überlegte einen Moment. Mein Bruder wusste natürlich, dass ich in solchen Dingen immer eher etwas skeptisch und abwartend gewesen war; hier aber konnte auch ich mir spontan ein Grinsen nicht verkneifen.


    "Du meinst, wir lassen ihnen zunächst einmal puls vorsetzen - und dann hinterher natürlich ein richtiges Willkommensmahl, wie es sich gehört? Ja, warum eigentlich nicht?! Um die Speisen und den Wein sollen sich die Sklaven kümmern. Maron?"


    Damit wandte ich mich an meinen servus, der Lupus wieder hierher in das officium begleitet hatte.


    "Maron, du hast gehört, was alles noch fehlt. Sorge dafür, dass alles angeschafft wird!"


    Mich verwunderte ein wenig, dass Lupus sich selbst offenbar in unserer Vorratskammer und im Weinkeller umgesehen hatte - das war doch Arbeit für Sklaven. Oder war etwa er es gewesen, der unsere Weinvorräte dezimiert hatte? :D

    Nach einem ausgedehnten ientaculum mit meinem Bruder Lupus - wir hatten uns immerhin Jahre nicht gesehen, und es gab viel zu erzählen - und Sisenna hatte ich mich wie üblich wieder in das officium Corvini begeben, das ich nach wie vor in Beschlag genommen hatte, bis Corvinus mir nach seiner Ankunft hoffentlich ein eigenes zuweisen würde. :D


    Mein erster Gang an jedem meiner Tage seit meiner Ankunft hier in der villa Aurelia in Roma nach dem ientaculum führte mich hierher. Wenn ich das officium betrat, hatte normalerweise schon einer der Sklaven die Post auf den Schreibtisch gelegt und ein Tablett mit einer Wasserkaraffe und einem Becher bereitgestellt. Am heutigen Tage fehlte trotz großer Sommerhitze das Tablett. Verwundert blieb ich in der Tür stehen und wollte mich schon zu Maron umdrehen, der mich wie jeden Vormittag in das officium begleitete, um eventuelle Anweisungen entgegenzunehmen, die sich aus der Lektüre der Post häufig ergaben. Als ich mich aber schon halbwegs zu meinem Sklaven umgewandt hatte, sah ich aus den Augenwinkeln heraus, dass jemand einen neuen Brief auf den Schreibtisch gelegt hatte. Offenbar hatte also ein anderer Sklave als sonst die Post geholt, der von dem Tablett mit der Wasserkaraffe nichts wusste.


    Durch diese Änderung der üblichen Vorgänge in der villa Aurelia in Roma war meine Neugierde geweckt. Ich wandte mich doch nicht an Maron, sondern ging direkt auf den Schreibtisch zu. Eigentlich hatte ich mich setzen wollen, doch schon mein erster Blick auf das Schreiben belehrte mich eines Besseren: Ein freudiges Lachen ging über mein Gesicht, und an Hinsetzen dachte ich einstweilen nicht mehr. Das Schreiben war nämlich von niemand anderem als von Corvinus. Und seine Nachrichten waren gut: Offenbar waren alle ihn begleitenden Familienmitglieder wohlauf, und sie alle waren nur noch wenige Tagesreisen von Roma entfernt!


    Mit strahlendem Lächeln verkündete ich die frohen Neuigkeiten sogleich an Maron, der sie entsprechend freudig quittierte. Währenddessen stand ich immer noch im Raum und überflog noch einmal den Brief in meinen Händen: "Marcus Corvinus Appio Cottae s.d." stand da. Ich schmunzelte: Wenn Corvinus gewusst hätte, dass er stattdessen auch hätte schreiben können: "Marcus Corvinus Lucio Lupo s.d.". Aber dies wusste er natürlich noch nicht, und es würde für ihn und für alle anderen eine freudige Überraschung bei ihrer Ankunft sein - wenngleich dies natürlich auch ein Grund gewesen wäre, den erschöpften Boten Brix, von dem in dem Schreiben die Rede war, wieder zurück zu der Reisegesellschaft zu schicken. Dies würde ich natürlich aber nicht tun und gab Maron darum jetzt auch gegenteilige Anweisungen: Er sollte veranlassen, dass man sich um diesen Boten angemessen kümmere, und er sollte mir sofort meinen Bruder herschicken, damit ich auch ihm den Brief vorlegen könnte. Sisenna würde ich später - allein oder zusammen mit Lupus - selbst Bescheid sagen.


    Als Maron das officium verlassen hatte, um meine beiden Aufträge auszuführen, setzte ich mich endlich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch und blickte zufrieden aus dem Fenster. An das Tablett mit der Wasserkaraffe verschwendete ich keinen Gedanken mehr. Stattdessen wartete ich ungeduldig auf meinen Bruder Lupus.

    Die Worte des gewieften Politikers mir gegenüber waren wirklich gut überlegt und ließen ihm jedes Hintertürchen offen, das musste ich sagen; von so jemandem ließ sich eine Menge lernen. Ich überlegte einen Moment lang und nahm einen Schluck Wein, dann griff ich die letzte Äußerung des comes wieder auf.


    "Aurelius Sophus ist, wie schon gesagt, seit einiger Zeit verreist, und ich kann dir keine Auskunft darüber geben, ob und wann er wiederkommt. Vielleicht ist es für dich von Interesse, einen neuen Patron zu bekommen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass mein Vetter Corvinus alles andere als abgeneigt wäre, denn er ist sehr von dir angetan."


    Ich sah Didius Albinus aufmerksam an.


    "Ich würde dich benachrichtigen, sobald er aus Germania zurückgekehrt ist. Dann könntest du dich in dieser Angelegenheit mit ihm persönlich besprechen."


    Es käme natürlich darauf an, dass der Didius dann seinen Einsatz erneut in die Waagschale werfen würde. Aber das musste ich jemandem wie ihm selbstverständlich nicht erklären.



    Sim-Off:

    ;)

    Ich horchte auf, als der Angeklagte endlich doch auf die Frage des Anklagevertreters einging, warum er, Helvetius Sulla, es zu einer derartigen Eskalation der Ereignisse hatte kommen lassen. Die neuerliche Invektive gegen die Regierung des Imperiums durch einen Kaiser überhörte ich, um desto aufmerksamer zu lauschen, als der Angeklagte endlich seine Verantwortung für den Terror einräumte, der in Hispania verübt worden war.


    Bei einem Mann aus der gens Helvetia, der zweifellos nur die beste Bildung genossen hatte, konnte man nun eine gute Begründung für dieses schändliche Tun erwarten. Und diese kam auch in der Form, die ich fast befürchtet hatte: Der Angeklagte nannte den idealen Staat Platons als sein Vorbild, und zwar offenbar nach dem Modell der "Politeia".


    Nach meinen eigenen Studien war mir diese Skizze des Platon natürlich auch wohlbekannt, und einige Zeit lang, ich muss es gestehen, hatte auch mich diese Vision fasziniert: ein Gemeinwesen zu regieren, wie die menschliche Seele regiert werden sollte - das klang zweifellos bestechend, gerade wenn man jung war, und es stand zu befürchten, dass noch viele Menschen dieser Vision erliegen würden. Dass allerdings ein gestandener Mann wie Helvetius Sulla sich davon angezogen gefühlt hatte, erklärte sich mir nur aus einem ungezügelten eigenen Machtwillen heraus, in dem er sich selbst an die Stelle des herrschenden Philosophen und über die vielen, seiner Meinung nach Unwissenden, gesetzt hatte. Dass ihn gerade dieser ungezügelte Machttrieb als Philosoph und damit zum Regieren disqualifizierte, hatte er geflissentlich übersehen. Wenn ich natürlich auch nicht in das Herz dieses Menschen schauen konnte, so stand für mich nun doch fest: Die ursprünglichen Motive des Helvetius Sulla mochten einer gewissen edlen Denkungsart entsprungen sein; seine eigene Gier nach Macht hatte dann aber jeden Gedanken an das Gemeinwohl vertrieben und ihn nur noch sich selbst sehen lassen. Er hatte einen Konflikt heraufbeschworen, deren Preis Unschuldige hatten zahlen müssen.


    Einem konfliktreichen Höhepunkt schien nun aber auch diese Verhandlung zuzustreben, als der angekündigte Zeuge Annaeus Domitianus den Verhandlungssaal betrat. Trotz der Größe des Raumes war es vom ersten Moment an so, als schwirrten lauter unsichtbare Pfeile zwischen dem Annaer und dem Helvetier durch die Luft. Gerichtsverhandlungen konnten umso vieles dramatischer sein als Gladiatorenkämpfe und selbst als die Tragödie. Ich lehnte mich gespannt nach vorne.

    Ich versuchte ein Mann zu sein, jeden Tag, seitdem ich hier in der villa Aurelia in Roma angekommen war, versuchte ich nun schon ein Mann zu sein, die Klarsicht eines Mannes zu zeigen, die Durchsetzungsfähigkeit, die Selbstbeherrschung. Gerade meine ersten Tage hier hatten mir in dieser Hinsicht einiges abgefordert, vor allem, was die Sorge um Sisenna und ihre Betreuung anging. Aber auch mein eigener Weg war ja noch so ungewiss, und ich war keineswegs sicher, dass ich die in mich gesetzten Erwartungen würde erfüllen können.


    Vielleicht war es deshalb, dass ich mich in dieser absonderlichen, "schlammigen" Situation gegenüber einer Sklavin wieder wie ein kleiner Junge benahm und mich stark schüttelte, so dass ich sie erneut mit Dreck vollspritzen konnte. Als ich mir wieder meiner Rolle und ihrer Rolle bewusst wurde, hörte ich natürlich sofort damit auf, obwohl es mir gut getan hatte, einmal wieder so albern sein zu können. Ich wurde wieder ernst, wie ich es meistens war, und zu dieser ernsten Stimmung tat das, was Cadhla mir nun über sich erzählte, ein Übriges.


    Kämpferin war sie in ihrer Heimat gewesen, Reiterin; also wirklich so etwas wie eine Amazone, wie ich es schon einmal kurz über sie gedacht hatte, als sie mir an ihrem Ankunftstag vorgestellt wurde. In einem ruhigen Ton erzählte sie davon, wie ihr Dorf von römischen Truppen besiegt worden war, dass viele ihrer Genossen getötet worden waren und sie selbst - das sagte sie nicht, aber ich konnte es mir natürlich denken -, und sie selbst in die Sklaverei verschleppt worden war.


    Dass die Dinge in der Welt unterhalb des Mondes so gingen - wer wusste das nicht. Auch ich wusste, wie man zu Sklaven kam, wenn diese Ware knapp wurde; keiner hatte es mir so richtig erzählt, jeder wusste es einfach. Ich hatte mir darüber auch nie Gedanken gemacht, mir höchstens gesagt, dass ich mir keinen solchen Ruf zu erwerben gedachte, jeden Morgen nach dem ientaculum erst einmal einen Sklaven auszupeitschen als munteren Start in den Tag. Nun stand diese Sklavin hier vor mir, und ihre Geschichte ging mir ein wenig zu Herzen. Etwas aber ließ mir doch einen kalten Schauer den Rücken hinunter rinnen: der sachliche Ton, in dem sie das alles geschildert hatte. Empfand sie denn keine richtige Trauer mehr? Oder Wut? Oder war sie etwa so eiskalt, dass sie Rachepläne schmiedete? Sie war Kriegerin, konnte nach eigenen Angaben - im Gegensatz zu mir - mit Speeren umgehen und mit anderen Waffen. Würde sie sich eines Tages, gewandt wie eine Katze, von hinten anschleichen und mir ein Messer, und sei es eines aus der culina, in den Rücken rammen? Schwebte etwa Sisenna in Gefahr?


    Die Gedanken in meinem Kopf überstürzten sich, und es machte mir große Mühe, nicht vollends den Überblick zu verlieren und in Panik zu verfallen. In diesem Moment keimte in mir die Erinnerung auf an dieses Gefühl, das ich kurz zuvor gehabt hatte, als Cadhla noch im Wasser des Teichs gesessen hatte, offenbar voller Angst und Misstrauen mir gegenüber - das Gefühl oder besser der Gedanke, es könne mir noch von Nutzen sein, wenn ich über die Fähigkeit verfügte, anderen Respekt vor mir einzuflößen. In dieser Situation mit all den bedrängenden Fragen in meinem Kopf schien es mir unabdingbar, diesen Zug nun auszuspielen. Ich trat einen Schritt von Cadhla zurück, sah sie stechend an und fragte mit kalter, zynischer Stimme:


    "Wir Römer haben dir nichts Gutes getan. Hasst du uns? - Hasst du mich?"


    Bei der letzten Frage fiel meine Maskerade. Würde ich diese Rolle vielleicht eines Tages virtuos spielen können - in diesem Augenblick vor Cadhla konnte ich es nicht. "Hasst du mich?", und meine Stimme war weich geworden, ein bisschen höher im Ton, zögernd; meine Augen, fragend sicherlich, doch auch hoffend.


    Ich wartete gar nicht auf die Antwort, sondern wandte meinen Blick von der Keltin ab. Die Sonne war fast untergegangen, es dämmerte, und die Vögel ließen nurmehr ihr monotones Krächzen hören wie an jedem Abend. Meine Haut fing an zu jucken, weil der Schlamm an mir allmählich trocknete; ein Blick auf Cadhla zeigte mir, dass es ihr genauso erging. Ein Lachen zuckte um meine Mundwinkel, denn nun sah sie wirklich immer mehr aus wie ...


    "eine gorgo. Du wolltest noch wissen, was eine gorgo ist."


    Ich erklärte nun mit Armen und Beinen, so dass der trocknende Schlamm nur so von mir abbröckelte:


    "Eine gorgo hat Flügel. Ihre Haare sind Schlangen. Sie ist sehr hässlich. Wer sie anschaut, wird zu Stein. Du siehst jetzt aus wie eine gorgo."


    Bei diesen Erklärungen und den Verrenkungen, die ich dabei machte, musste ich selber schon wieder schmunzeln, wurde aber ernst, als ich daran dachte, dass Cadhla mich ganz und gar nicht in einen Stein verwandelt hatte und dass sie auch nicht hässlich war - und dass wir uns außerdem schleunigst waschen mussten, woran die gewissenhafte Sklavin mich nun selbst erinnerte. Waschen ja, nur wo und wie? Wir waren beide eigentlich viel zu schmutzig, um direkt in die villa zu gehen, selbst wenn wir beide den Eingang für die Sklaven benutzten. Es rächte sich jetzt also doch, dass ich Maron ausgerechnet heute einen freien Abend gegeben hatte.


    Nein, ich konnte noch soviel überlegen; mir fiel nichts ein. Vielleicht aber wollte mir auch nichts einfallen; von einem weiblichen Sklaven war ich seit meiner Kindheit nicht mehr gewaschen worden, aber ich sah jetzt keine Alternative, zumal Cadhla sich ebenfalls reinigen musste. Unsicher sah ich sie an - von Respekt-Einflößen war keine Rede mehr. Mir kam es so vor, als sei sie stark errötet, aber das mochten auch ihre Sommersprossen sein, die in der Dämmerung so aussahen; bei solch schwachem Licht hatte ich die Sklavin schließlich noch nie gesehen. In der Kindersprache, die ich keineswegs Sisenna gegenüber, wohl aber bei Cadhla gebrauchen musste, obwohl die wahrscheinlich in meinem Alter war, sagte ich zögernd:


    "Wir müssen uns waschen, aber wo? Wir sind so schmutzig ..."


    Dabei strich ich mir noch einmal lächelnd durch die Haare und streifte zwischen meinen Fingern verklumpten Schlamm heraus.

    Die neue Auskunft des comes überraschte mich nun doch, und das in zweierlei Hinsicht:


    Zunächst einmal war natürlich nicht zu übersehen, dass er eine ansehnliche Karriere gemacht hatte, und bei dem Eindruck, den er bisher auf mich gemacht hatte, mochte es schon stimmen, dass er diese Laufbahn allein eigenen Kräften zu verdanken gehabt hatte. Dennoch verwunderte mich der ziemlich abweisende Ton, in dem er über seine Familie sprach. Darüber würde ich mich noch erkundigen, allerdings natürlich nicht bei ihm selbst; ich wollte ihm schließlich nicht zu nahe treten.


    Zum anderen hatte er doch gerade noch davon gesprochen, dass er sich zur Ruhe setzen wolle. Nun aber hielt er Ausschau nach einem Posten, der seinen Qualifikationen entsprach. An diesem zweiten Punkt wollte ich nun doch nachhaken:


    "Ich höre wohl, dass deine Entscheidung, dich zur Ruhe zu setzen, noch nicht ganz feststeht. Einem Mann wie dir stehen sicherlich viele Türen offen, vor allem auch mit den richtigen Beziehungen."


    Die Reform der curia mochte auch für ihn überraschend gekommen sein; möglicherweise war er verbittert, durch eine solche Dekretierung von oben das Amt zu verlieren, das die Krönung seiner bisherigen Laufbahn darstellte. Und vielleicht war ja eine derartige Verbitterung auch der Grund dafür, dass er den Gedanken in Erwägung gezogen hatte, sich zur Ruhe zu setzen. - Ich war jedenfalls gespannt auf seine Antwort.


    Sim-Off:

    Du hast editiert, nicht wahr? 8)

    Glücklich sah ich, dass Flavia Agrippina sich über meine Nachricht augenscheinlich freute. Ihr Blick war auch meinen Sklaven bis hin zum Mehlstand gefolgt, so dass ich mich schon dorthin in Bewegung setzen wollte. Einen Moment lang aber blieb ich ein bisschen unschlüssig stehen. Maron und der andere Sklave - wie hieß er noch gleich? - waren schon so weit zu dem Mehlstand vorgeeilt, dass ich auf dem Weg dorthin höchstselbst den Prellbock für die Vestalin in dem Gedränge hätte abgeben müssen. Maron aber erriet offensichtlich meine Gedanken, kam zu uns zurück und geleitete uns zu dem Mehlstand. Auf dem Weg dorthin wollte ich den Gesprächsfaden mit so einer interessanten Partnerin natürlich nicht abreißen lassen.


    "Wie schon gesagt, bin ich erst vor Kurzem aus Achaia von meinem Studienaufenthalt zurückgekehrt. Deshalb bin ich über die Verhältnisse in Roma gar nicht mehr so im Bilde. Vor einigen Tagen habe ich hier in Roma jedenfalls im Tempel des Mars Ultor geopfert. Dabei hat mir in zuvorkommendster Weise der Priester Flavius Aquilius beigestanden. Dem Namen nach ist er natürlich ein Verwandter von Dir"


    Diesen Satz ließ ich im Raume hängen, in der Hoffnung, Flavia Agrippina damit zu einer Äußerung zu bewegen. Inzwischen waren wir aber auch bei dem Mehlstand angekommen. Ich war gespannt, wie schwer der Sack werden würde, den die Vestalin meinen Sklaven aufbrummen würde. :)

    Mit jedem Augenblick erfüllte der Duft des Weihrauchs den Raum um den Opferaltar herum mehr. In einem Zustand völliger Entspanntheit und inniger Andacht verfolgte ich, wie sich schwere Rauchschwaden von dem Kohlebecken erhoben, höher stiegen und sich schließlich aufzulösen schienen.


    Erst als Flavius Aquilius seine Stimme zum Gebet erhob, wurde ich einen Moment lang aus meiner Andacht entführt. Ja, auch in diesem heiligen Augenblick konnte ich mich für kurze Zeit des Gedankens an die Freude nicht erwehren, die dem Marspriester anzumerken gewesen war, nachdem ich ihm die Mitteilung gemacht hatte von Corvinus baldiger Rückkehr. Ich freute mich natürlich vor allem für diesen meinen Vetter, dass ihn in Roma offenbar ein so enger Freund erwartete. Aber selbstverständlich empfand ich auch Freude für Flavius Aquilius, dessen wirklich einnehmendes und frohes Lachen sein Glück über diese Nachricht zum Ausdruck gebracht hatte. Ja, ich freute mich in diesem Moment so sehr, dass mir selbst ein Schmunzeln über das Gesicht huschte; unwillkürlich hob ich meinen Kopf, und beinahe wäre mir dabei mein toga-Stück vom Kopf gerutscht. Dies war mir Mahnung und Warnung genug; augenblicklich wandte ich meine ganze Konzentration und Inbrunst meines Herzens wieder dem Gotte zu und dem Gebet des Marspriesters. Als dieser geendet hatte, sammelte ich mich erneut, räusperte mich ein wenig und begann dann zu sprechen:


    "O Mars, Gott des Krieges, Gott der Stärke, himmlischer Streiter! Heute bin ich zu dir gekommen, um dir dieses Opfer darzubringen, von dem der Weihrauch, der hier verbrennt, ein Vorgeschmack ist. Ich bringe dir, großer Gott, dieses Opfer dar, für die verstorbenen Mitglieder meiner gens Aurelia, besonders für diejenigen, die erst vor Kurzem verstorben sind: die Eltern meines Vetters Corvinus, die Mutter von Prisca und die Mutter von Sisenna. Auch für meine Verwandten Sophus und Cicero bringe ich dieses Opfer dar, von denen wir nicht wissen, wo sie sind. Verleih ihnen und uns allen etwas von deiner unbezwingbaren Stärke, du Beschützer der Schwachen und großer Feldherr. Sieh gnädig nieder auf dieses Opfer!"


    Ich hoffte inständig, niemanden bei meiner Aufzählung vergessen zu haben, und betete noch inbrünstiger zu Mars, falls es doch der Fall sein sollte.

    Das Urteil in diesem Prozess gegen den Hochverräter Helvetius Sulla stand fest, ebenso natürlich mein eigenes abschließendes Urteil über sein Tun. Dennoch hatte ich mich zu diesem Prozess nicht nur eingefunden, um den Hochverräter zu bestaunen wie ein exotisches Tier, sondern um mehr zu erfahren über seine Beweggründe, ja vielleicht sogar, um den Charakter eines solchen Menschen studieren zu können und meine Menschenkenntnis auf diese Weise zu schulen.


    Der Angeklagte, der vor einiger Zeit von Prätorianern in den Gerichtssaal gebracht worden war, war zweifellos ein ganz und gar gebrochener Mann. Dazu hätte ich der Information gar nicht bedurft, dass er bei der Niederschlagung des Aufstands und seiner Ergreifung verletzt worden war und einige Zeit im valetudinarium zugebracht hatte; ein Blick auf seine eingefallene Gestalt sagte mir bereits genug. Dass dieser Mann aber ganz und gar nicht dazu bereit sein würde, sich hier vor dem öffentlichen Gericht als Besiegter und Gebrochener einfach nur vorführen zu lassen, offenbarten gleich die ersten Worte seiner langen Verteidigungsrede.


    Inhaltlich enthielt sie selbst für einen erst vor Kurzem Zugereisten und Unkundigen wie mich wenig Neues. Dass Helvetius Sulla seinen Helfershelfer bei dem Aufstand, Pompeius Strabo, belasten würde, um sich selber in einem besseren Licht erscheinen zu lassen, konnte niemanden überraschen. Und dass die Verhältnisse in Hispania vor dem Aufstand nicht zum Besten bestellt gewesen waren, war reichsweit bekannt gewesen. Die grellen Farben, die Helvetius Sulla für die Schilderung dieser Verhältnisse auftrug, machten allerdings schon einen gewissen Eindruck auf mich, vor allem da ich mich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass der Angeklagte selbst von der Wahrheit seiner Worte auch in ihrer Drastik überzeugt war. Natürlich zweifelte ich jedoch keinen Moment daran, dass der Kaiser mit der Unterstützung des Senats nach seiner siegreichen Rückkehr vom Partherfeldzug rasch und durchgreifend Abhilfe in Hispania schaffen würde.


    Was mir von der Verteidigungsrede Helvetius Sullas wohl am meisten in Erinnerung bleiben würde, war daher nicht ihr Inhalt, sondern der Impetus, mit dem sie vorgetragen wurde. Von einer Satzperiode zur nächsten schien sich der Mann immer weiter hineinzusteigern, und seine gebrochene Gestalt schien noch einmal aufzuleben. Mir schien es so, als sei der Hochverräter immer noch davon überzeugt, im Kern richtig gehandelt zu haben, weil er seiner Ansicht nach nicht anders hatte handeln können. Dies war es wohl, was er in seiner Rede zu vermitteln suchte. Nur Kalkül? Ich war mir nicht sicher, Kalkül war gewiss auch dabei, doch vielleicht nicht nur; vielleicht gab es in diesem Mann wirklich einen edlen, unbestechlichen Kern, der jedoch hinfort gerissen worden war über alle Grenzen hinweg durch persönlichen Ehrgeiz, durch Hybris und Fanatismus. So wunderte es mich auch wenig, dass Helvetius Sulla durchaus nicht einging auf die interessante Frage des Vertreters der Anklage, warum er nach dem Abtreten Pompeius Strabos nicht deeskalierend gewirkt habe, sondern stattdessen das Gericht der Befangenheit bezichtigte.


    Für einen kurzen Moment ging mir der Gedanke durch den Kopf, ob dies vielleicht etwas sei, was man häufig antreffen könne: einen gewissen Edelmut gepaart mit Fanatismus auf der einen Seite, dagegen auf der anderen Seite Gesetzestreue in Verbindung mit Mediokrität. - Aber nein, die Geschichte unseres Volkes lehrte ganz anderes und enthielt unzählige Beispiele von Männern, bei denen sich gerade Edelmut mit persönlicher Bescheidenheit und Treue zu den Gesetzen verknüpft hatte.


    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Verfahren zu und dem Zeugen, der soeben aufgerufen worden war.

    Mittlerweile hatte sich mein Sklave Maron schon in Bewegung gesetzt. Er schien uns zunächst gegen den Strom der Marktbesucher führen zu wollen, damit wir uns dann links halten konnten. Ich wandte meine Augen für einen Moment von meiner Gesprächspartnerin, richtete mich zu meiner vollen, für einen Römer gar nicht einmal unerheblichen Körpergröße auf und reckte den Hals. Richtig, ein ganzes Stück weiter links vor uns konnte jetzt auch ich einen Stand erkennen, der von großen, prall gefüllten Mehlsäcken umgeben war. Auf einem Tisch, hinter dem der Händler stand, waren weitere, aber leere Säcke in verschiedenen Größen ausgebreitet. Über die meisten der Marktbesucher hinweg winkte ich einem der anderen Sklaven, die noch bei meiner Sänfte standen, denn ich konnte mir beim Anblick der Säcke denken, dass wir noch jemandem zum Tragen der Waren für die Virgo Vestalis Maxima benötigen könnten. Ihr wandte ich mich nun wieder zu:


    "Es ist mir eine Freude, Flavia Agrippina, Dich persönlich kennenzulernen. Vielleicht habe ich sogar für Dich auch noch eine gute Nachricht: Ich erwarte Claudia Aureliana Deandra, wie sie jetzt heißt, und noch einige Mitglieder der gens Aurelia schon in wenigen Tagen hier in Roma. Sicherlich würden alle sich sehr darüber freuen, Dich wieder in der villa Aurelia begrüßen zu können."

    Während ich selbst nun auch endlich vollständig entkleidet da stand, bedachte ich bei mir, dass ich es eigentlich immer noch nicht recht fassen konnte, nach so vielen Jahren meinen Bruder wiederzusehen. Und was war? Wir unterhielten uns, als wäre nichts gewesen! Ich spürte eine große Dankbarkeit dafür, dass die Verbindung zwischen Lupus und mir durch all die Jahre hindurch und trotz unserer offenbar sehr verschiedenen Lebensumstände so gut geblieben war. Und ich wünschte mir so, dass diese Verbindung immer so belastbar bleiben würde! Daher fügte ich an seine Erzählungen über sein Leben bei den Kynikern und anderen Philosophenschulen an:


    "Ich kann deine Suche nach Wahrheit und Sinn sehr gut verstehen, Lupus. Du weißt, ich war immer schon ein ziemlich nachdenklicher Mensch, auch als Kind, und solche Fragen haben mich immer beschäftigt. Ich bilde mir auch überhaupt nicht ein, endgültige Antworten gefunden zu haben durch mein Studium der Philosophie in Athen. Vielleicht ist es überhaupt so - und du hast es gerade selbst angedeutet -, dass sich diese Fragen gar nicht so sehr durch eine bloße Theorie beantworten lassen, sondern nur durch ein sittlich gutes Leben. Ehrlich gesagt, bewundere ich dich dafür, dass du so ernsthaft gesucht und auch nach der Wahrheit gelebt hast. Vielleicht gelingt es uns beiden ja, hier gemeinsam so etwas wie eine epikureische Freundschaft zu leben."


    Diese ganze Rede über Philosophie, deren Länge mich anschließend selber überraschte, hatte ich in einem sehr ernsten Ton gehalten. Den letzten Satz hatte ich aber wieder lächelnd gesagt, wohl wissend, dass eine echte Freundschaft nach Epikur hohe sittliche Anforderungen stellte. Aber ich war überzeugt davon, dass mein älterer Bruder mich dabei wie ein Art kathegemon würde anleiten können.


    Währenddessen hatte Lupus sich zur ersten Reinigung ins kalte Wasser begeben. Dabei war mir nicht entgangen, dass sein Körper unter den Zumutungen der kynischen Lebensweise keineswegs gelitten hatte, im Gegenteil. Die souveräne Gelassenheit seines Ganges verriet mir auch, dass er sich selbst dessen offenbar durchaus bewusst war. Obwohl mir klar war, dass ein solcher Gedanke hier völlig unpassend war, konnte ich der Konkurrenz unter Brüdern nicht ganz widerstehen; und ehrlich gesagt, war ich mir nicht so sicher, zu wessen Gunsten sie ausfallen würde. Fest stand, dass Lupus ein auffallend schöner Mann sein würde, wenn er eines - hoffentlich baldigen - Tages nicht nur gewaschen, sondern auch richtig frisiert und gekleidet sein würde.


    Vom Wasser aus kommentierte Lupus nun die vielen Nachrichten, die ich ihm über unsere gens mitgeteilt hatte. Als die Rede auf Sisenna kam, schmunzelte ich:


    "Lupus, über Sisenna will ich dir mal gar nicht so viel erzählen - du musst sie einfach sehen und liebhaben!"


    Mein Bruder hatte für seinen Ankunftstag in Roma einen ausgesprochen heißen Tag erwischt. Als ich ihm zusah, wie er sich im frigidarium reinigte, überlegte ich einen Moment lang, ob ich nicht doch zu ihm ins Wasser steigen sollte, um mich zu erfrischen. Ein Blick in das kühle Nass belehrte mich jedoch schnell eines Besseren, denn Lupus reinigte sich offenbar mit solcher Intensität, dass das Wasser bereits eine deutliche Verfärbung zeigte. Als er nun von mir aus dem Wasser gezogen werden wollte, sah er auch schon anders, irgendwie heller aus, als noch zuvor. Da ich meinen trickreichen Bruder kannte, zwinkerte ich natürlich Maron zu, mir dabei zu helfen, Lupus aufzurichten; schließlich wollte ich von ihm nicht doch noch in die Brühe gezogen werden. :D

    "Mit dem Verlust für die "regio" meinte ich auch eher das Territorium, die Städte, die Menschen - was immer daraus jetzt politisch-administrativ auch werden wird."


    Ich schmunzelte. Humor hatte der Mann also auch! Darauf deutete auch seine Bemerkung über die Arbeitsweise des Senats hin, die mich ungemein beruhigte: Dann würde ja auch von Corvinus, von anderen Mitgliedern der Gens und vielleicht gar eines Tages auch von mir nichts Unmögliches verlangt werden. ;)


    Diese Gedanken an meine gens erinnerten mich daran, dass ja auch Didius Albinus zum Glück nicht allein auf dieser Welt lebte.


    "Was machen eigentlich deine Verwandten? Ein großer Teil deiner gens lebte doch in Hispania, wenn ich mich recht erinnere?"