Beiträge von Cadhla

    "Ihr nicht heiraten aus ... Liebe? Nur für Familie, und Wichtigkeit von Familie?" Das klang nun doch erstaunt, sie hatte zwar davon gehört, dass die wirklich wichtigen und reichen Römer ihre Ehen eher arrangierten, aber dass es so wenig mit Gefühlen zu tun hatte, wunderte Cadhla dann doch. Kein Wunder, dass es so wenig Glück in diesem Haus gab, dass kein Kinderlachen ausser dem Sisennas es zu erfüllen wusste, wenn es keine Liebe gab. Die ganze villa erschien ihr bisweilen als sehr leer und kalt, und nur wenig darin ließ das vage innerliche Frösteln verebben, das sie dabei stets empfand. Dann jedoch flutete all die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage zu ihr zurück und ließ sie tief durchatmen. Warum hatte sie denn auch so viele Gedanken darauf verwendet, vielleicht irgendwie doch noch frei zu kommen? Gab es überhaupt eine Art Hoffnung? Seine Finger bewegten sich unter ihr Kinn, hoben es an, und sie hatte für einen kurzen Augenblick lang den Impuls, sich aus dieser Geste zu lösen. Aber sie tat es nicht. Es war etwas in seinem Blick, das sie innehalten ließ, und sei es nur die stille Hoffnung, dass er wenigstens verstehen konnte, warum sie nicht Sklavin sein und bleiben wollte. Würde das nicht jeder Mensch wollen, frei sein? Unabhängig sein, selbst entscheiden, wohin der eigene Weg ging? Schon einmal hatte sie sich für einen langen und schweren Weg entschieden, diesen hier allerdings schien ihr das Schicksal gewiesen zu haben.


    Immerhin ... sie würde kämpfen dürfen. Wieder eine Waffe in den Händen spüren. Endlich. Es war ein kleiner Lichtblitz in der Ferne, ohne den sie diesen Tag wohl nicht hätte überstehen können. Kämpfen. Das einzige, bei dem sie sich vollkommen sicher fühlte, bei dem die Zweifel, die Gedanken, die Sorgen verstummen konnten. Und das stetige Gefühl, in dieser sich schnell ändernden Welt nicht genau zu wissen, wo ihr Platz war. Wenn es um Leben und Tod ging, dann waren die Fronten klar, dann wusste sie, was sie wollte, und was zu tun war. In Cadhlas grünen Augen lag der lebendige Schimmer wieder, der ihr zuvor gefehlt hatte, ließ das schmale, noch immer von der Sonne etwas gerötete sommersprossige Gesicht deutlicher konturiert wirken, eingerahmt von ihrem ungebändigen Haar.
    "Wenn Du mich lässt kämpfen, dann ich werden siegen," sagte sie schlicht, etwas anderes kam ohnehin nicht in Frage. Man kämpfte nicht mit halbem Herzen, man musste es gänzlich wollen, auch im Willen der Stärkere sein, um zu siegen. "Es geben keinen Weg, zu bleiben liegen wenn werden geschlagen. Wenn bleiben liegen, dann man kann gleich sterben - man muss aufstehen, sonst man nicht mehr kann tun irgendwas. Du wissen was Du müssen tun wenn lernen reiten auf Pferd und Du fallen herunter? Du wieder aufsteigen, sonst bekommen nur Angst vor Pferd, und wenn Pferd spürt Angst, dann Du nie wirst herrschen und führen Pferd." Eine kurze Pause kehrte ein, als sie sich die Worte für den Gedankenschluss zurechtlegte. "Vielleicht Leben nicht merken Angst, wenn wieder aufstehen und gehen weiter."

    "Es sein Weg der kosten viel," gab Cadhla schließlich leise und nachdenklich zu. Würde sie es noch einmal tun, hätte sie die Wahl und das Wissen um die Konsequenz dieser Wahl? Ja, die Antwort würde immer nur ja lauten. Sie konnte sich für sich selbst kein anderes Leben vorstellen. "Aber niemand gesagt hat, dass Leben sein leicht und jeder Weg sein gerade, ohne Steine, ohne Probleme. Ich lieber leben mit Schwierigkeit, mit Wissen darum dass ist richtig für mich, was ich tun, als leben ohne Gefahr, aber auch ohne Glück. Ich denken, dass immer besser ist tun Dinge, die man selber wollen tun, auch wenn ist schwerer, als tun Dinge, die man nicht wollen tun, und sein leichter als anderes Weg. Ich mir sicher bin, dass Du wirst finden eigenen Weg um erkennen, was Du wollen sein und wollen tun, Siv." Sie hatte sehr sicher gesprochen, als wollte sie diesen Worten noch mehr Gewicht verleihen, und hatte die Germanin dabei direkt angeblickt, sie nicht aus dem eigenen Blick entlassen, um dann unvermittelt zu lächeln. Wie oft hatte sie doch gezweifelt, geflucht im Stillen, ihre Wut über das Alleinsein im Kampf ausgelassen, um dann ermattet und erschöpft festzustellen, dass sie es sich gar nicht anders vorstellen konnte. Im Grunde glaubte Cadhla fest daran, dass es für jeden Menschen etwas gab, das dieser besonders gut konnte, und das ihn erfüllte, man musste es nur finden. In den Dingen des Gefühls allerdings, nun, ohne allzu viel Erfahrung konnte sie bei vielem nur raten. Und hoffen.


    Sie trat ein wenig näher, wohl darum wissend, wie leicht es Mithörer geben konnte, selbst wenn sie diese im menschenleeren Garten wohl aus weiter Ferne bereits gehört hätten - sicher war sicher, in diesem riesigen Haus mit den vielen Menschen hatte sich die Keltin ein gesundes Misstrauen bewahrt.
    "Er ... mich auch lieben. Aber er wissen wie ich, dass nicht ist Weg für ... sein zusammen. Dass er wird immer sein Römer, und ich immer werde sein Frau meines Volkes. Es nicht gibt Leben gemeinsam für ihn und mich, ich das weiss wohl. Manchmal ist nicht leicht zu wissen, zu wissen dass sein werde Sklave für lange Zeit, und nicht kann ändern mit eigener Kraft an Dingen." Langsam sog Cadhla den Atem ein, fühlt die kühle Luft ihre Lungen füllen, und blickte dann in den klaren, hellen Himmel, dessen Farben ihr so fremdartig erschienen, wenn der Abend kam. "Ich nichtmal wissen wie ist liegen bei Mann ... wissen wie geht, aber nicht wissen wie ist," gab sie dann freimütig zu und schmunzelte schief. "Auch das ist Preis von sein Kriegerin, Du geloben liegen allein und nicht haben Kind in jeder Zeit. Du hast gehabt Mann, Siv?" Nüchtern betrachtet war das alles ein Thema, das sie sich normalerweise nicht gewagt hätte, mit irgendjemandem überhaupt anzusprechen - in ihrem Leben hatte es nie wirkliche Freundinnen gegeben, die nicht auch mit ihr verwandt gewesen wären - aber bei Siv hatte sie das Gefühl, dass sie ihr vertrauen könnte.

    Konnte es wirklich wahr sein, dass er so etwas noch nie empfunden hatte? Dass er wirklich etwas ganz Neues mit ihr teilte, dass sie sich beide weder gewünscht noch darum gebeten hatten - um es dann dennoch zu erhalten? Das alles war verwirrend, aber auf andere Art und Weise verwirrend als jene körperliche Nähe, die sie mit Corvinus bisher erlebt hatte. Denn dies kannte sie gar nicht, mit Liebe jedoch konnte sie weit mehr anfangen, sie hatte immer gefühlt, dass ihre Eltern sie geliebt hatten, und oft genug Liebe bei anderen beobachtet - wenn man den nicht körperlichen Teil davon bedachte. Man erkannte sie an zärtlichen Gesten, an Blicken, an dem stillen Beisammensein der Menschen, die dieses Gefühl teilten, und auch wenn es sonst nichts gab, woran Cadhla sich hätte halten können, dann war es das Wissen darum, wie es sich anfühlte, sich an seine Schulter zu lehnen und zu wissen, dass sie in diesen Momenten schwach sein durfte, ohne schwach zu wirken. Niemand sonst hatte sie jemals mit so viel Zuversicht erfüllt. "Vertrauen," flüsterte sie leise, das Wort wiederholend. War es wirklich so einfach? Insgeheim vermutete sie, dass sich das, was sich zwischen ihnen beiden entwickelt hatte, nicht mit so schlichten Worten würde fassen lassen, aber sie sprach den Gedanken nicht aus.


    Er zog sie an sich, und für diesen Moment schien es, als hätte sie nie etwas schöneres erlebt als die beruhigende Nähe dieses Mannes - sie verlagerte sich etwas, um nicht zu schwer auf ihm zu liegen, und dann schwiegen ihre Gedanken, sprachen nur noch die Berührungen ihrer Lippen auf den seinen. Ein zarter Kuss war es, noch immer vorsichtig, noch immer auskostend, wie es sich mit dieser fremdartigen Art, sich gegenseitig die Gefühle zu zeigen, verhielt, ob sie es denn richtig machte, und mit der Zeit fand Cadhla mehr Geschmack daran, kostete ihn etwas mutiger, fühlte selbst ihren Körper an den seinen geschmiegt, als sollte es so sein, als wäre jeder andere Zustand falsch und unnatürlich.
    Schneller ging ihr Atem, und jenes eigentümliche Gefühl kehrte zurück, das sie schon erlebt, aber nicht wirklich verfolgt hatte, dieses Mal hatte das Gefühl der aufsteigenden Hitze nichts Fremdes an sich, nichts beängstigendes, es war zwar neu, aber auch in seltsamer Weise richtig, ohne dass sie hätte erklären können, wieso es mit ihm richtig war und mit einem anderen nicht. Erst als sie sich darüber bewusst wurde, dass ihr Körper unwillkürlich an dem seinen entlang gerieben war, riss sie sich mit einem leisen, überraschten Keuchen los und blickte auf ihn herab.

    "Ich gehen an Morgen zu Siv und helfen ihr. Sie sicher auch müde und ich brauchen weniger Schlaf," sagte Cadhla und hielt beharrlich den Blick auf den Boden gerichtet. Was sollte sie jetzt noch sagen? Was tun? Ursus machte sie auf eine seltsame Weise hilflos, nicht ohnmächtig hilflos, aber doch hilflos, das alles war zu neu, um sich nicht in einem Strudel ihrer Gefühle zu verlieren, wann immer sie ihn sah. Eifersucht, plötzlich der aufkeimende Wunsch, ihn einfach nur zu umarmen und für einen Moment lang seine tröstliche Nähe zu fühlen, einfach nur einige Augenblicke, in denen er nur ihr gehörte und die Welt darum herum egal wurde ... aber sie konnte es ihm nicht sagen, konnte nichts tun, nicht einmal nicken oder lächeln.


    Unfähig, aus dem Kokon ihrer anerzogenen Gefühlsunterdrückung herauszubrechen, antwortete sie fast tonlos auf seinen Nachtgruß: "Gute Nacht, dominus. Ich Dir wünschen ruhigen Schlaf." Schlaf, den sie nicht mehr finden würde, nicht nach dieser Begegnung, nicht in den nächsten Tagen - die Augen kniff sie zusammen, um die jäh emporsteigenden Tränen zu unterdrücken, und wandte sich so harsch um, als hätte er sie beleidigt, um dann eiligen Schritts den gang entlang zu gehen, zu ihrer eigenen kleinen Kammer in der Nähe des cubiculums ihres Herrn, der jetzt eine Nachricht erhalten würde, die ihn sicherlich nicht freuen würde.

    Sie wollte ihn jetzt nicht anblicken, er sollte den verletzten und enttäuschten Zorn in ihren Augen nicht sehen und schon gar nicht, dass es sie überhaupt bewegte, was geschehen war. Mehr als sonst war ihr bewusst geworden, wie wenig sie in dieser Welt der Römer wirklich Platz hatte, in dieser Welt der wohlerzogenen jungen Männer mit den weichen Händen, den ob ihres leeren Lebens verzweifelten jungen Frauen, die ansonsten doch alles hatten ... nein, wo sollte sie dabei schon sehen, wohin sollte sie darin gehören, wenn nicht als Sklavin? Ebenso, wie es in seinem Leben an seiner Seite keinen Platz geben würde.
    "Ich nur müde," sagte sie schlicht und sah beharrlich auf den Boden. Mehr konnte sie nicht sagen, ohne zu lügen, und die Lüge war ihrem Wesen ebenso fremd wie allzu viel zärtliche Narreteien, die man dem Objekt der eigenen Gefühle gern im Überschwang ins Ohr flüstern mochte. Als er sie mit seiner Hand berührte, schrie in ihr alles danach, diese Liebkosung auszukosten, zu selten hatte sie jemand so berührt, und Ursus sah sie noch seltener, solche Augenblicke waren kostbar - doch sie wich aus, zuckte geradezu zurück und flüsterte: "Wenn jetzt jemand sehen ... Du nicht tun!"

    Seine Worte glitten an ihr vorüber, als wären sie nur ein leises Säuseln des Windes, denn im Grunde war es bedeutungslos, was er sagte, es war alles bedeutungslos geworden, hatte ihrer letzten Hoffnung den Todesstoß versetzt. Er wollte ihr die einzige Gelegenheit nicht geben, die ein Sklave noch hatte, außer ewig zu hoffen, und damit war alles umsonst gewesen. Das Nachdenken, das Forschen nach einer Lösung, diese ewige Hoffnung, sie könnte an ihrem ungewollten Schicksal irgend etwas selbst ändern. Gut gedient. Diese Worte klangen fast wie Hohn. Hatte sie sich denn dieses Leben ausgesucht? Hatte sie zur Hüterin seiner kleinen Verwandten werden wollen, zu einer Sklavin, auf ewig zum Gehorchen verdammt? Es tat so weh, so verflucht verdammt im tiefsten Inneren weh, und das nun sichere Wissen, wieder einmal jeglicher Entscheidung über sich selbst beraubt zu sein, ließ sie die Schultern hängen lassen, sie wich seinem Blick aus und starrte auf ihren rechten Oberschenkel, als könnte dieser ihr einen Hinweis darauf geben, was sie machen sollte. Aber im Grunde gab es auch nichts mehr zu tun. Sie würde warten müssen, bis er irgendwann in seiner Gnade beschließen würde, es wäre Zeit dazu, frei zu sein, Freigelassene in diesem ungerechten Gesellschaftssystem der Römer zu sein, das sie ohnehin ablehnte. Selbst sterben wäre wohl besser als das.


    Sie fühlte seine streichelnde Hand kaum noch, denn in ihr war alles taub und leer geworden. Man hatte ihr ihren Lebenssinn genommen und nun auch noch die allerletzte Hoffnung, die ihr geblieben gewesen war - wie sollte es denn nun weitergehen? Sollte es noch irgendwie weitergehen? Konnte es das? Welchen Platz hatte sie schon noch in dieser Welt der Römer, die so selbstgerecht das Schicksal anderer entschieden und sich über das eigene stets beklagten. "Ihr seltsames Volk seid, dass erwarten sein treu von Frau, aber Mann kann zeugen Kind überall, wenn er wollen. Das nicht ist zu verstehen," sagte Cadhla schließlich mit tonloser Stimme, die nicht verhehlte, dass etwas zerbrochen war, das sie nicht einfach würde zurückfinden können wie den Lebensmut nach dem ersten Schicksalsschlag ihrer Versklavung. "Eine Familie durch Vertrauen stark wird, und keine Frau wird gern leben mit Mann, bei dem sie nicht weiss, wo er ist in Nacht und wo er noch hat Sohn." Zumindest wäre ein solches Konstrukt in ihrer Heimat undenkbar, aber dass die Römer in vielem sehr viel anders waren als ihr Volk, hatte sie inzwischen leidvoll erfahren und erleben müssen. Das Thema Liebe ließ sie einfach fallen. Was sollte es jetzt noch bringen, jetzt, da sich die Tore ihres Lebensgefängnisses endgültig hinter ihr geschlossen hatten und sie wohl nicht mehr freigeben würden?

    Zufrieden hatte sie Hektor zugenickt, als er den heißen Stein brachte, und auch seine Entschuldigung zur Kenntnis genommen - wahrscheinlich war er dann doch nicht ganz so unnütz, wie sie vermutet hatte, aber ein unnützer Sklave konnte sich wohl auch kaum in einem patrizischen Haushalt lange halten, ohne unangenehme Konsequenzen zu erleben. "Ich sein Cadhla," sagte sie zu Hektor, nachdem sie gemeinsam mit Siv der kranken Tilla den widerlich stinkenden Tee eingeflösst hatte. Aber so ekelhaft es auch schmecken mochte, es würde ihr helfen - sie kannte den Geruch gut, und Matho stieg ein wenig in Cadhlas Achtung, dass er das passende gewusst hatte. Als Hektor ging, löste Cadhla Siv bei der Bewachung der kleinen Kranken ab und verharrte schweigend und in Gedanken versunken neben dem Bett des Mädchens - es war nicht ihre erste durchwachte Nacht, und auch wenn ihr eigener Körper sich zu Anfang noch mit Müdigkeitsanfällen dagegen wehrte, wachen zu müssen, so hatte sie doch die Übung als Kriegerin, die sie darin unterstützte, wach zu bleiben und vor allem zu wissen, wie man wach blieb. Als Tillas Blase sich entleerte, war es Cadhla, die das Mädchen aus dem Bett holte, sie wusch und neu ankleidete, und zu guter Letzt auch den heißen Stein erneuerte und Tilla in ihr eigenes Bett legte, damit die Strohmatratze trocknen konnte.


    Während des Tages wurde Cadhla von anderen Sklaven abgelöst, die glücklicherweise von ihrem Herrn keine Aufgaben erhalten hatte und sich so einige kostbare Stunden des Schlafs stehlen konnte - ihre nächste Wache begann erst mitten in der Nacht wieder und so war sie es auch, die aus ihren Gedanken aufgeschreckt wurde, als Tilla begann, sich zu kratzen und nicht mehr damit aufhören wollte. Langsam neigte sie sich über das Mädchen und versuchte, ihre Handgelenke zu fassen, um sie festzuhalten - es gelang ihr erst nach einigen Momenten, im wilden Fieberschlaf war es schwer, Tilla zu bändigen, aber Cadhla hatte den Vorteil, schwerer und trainierter zu sein und konnte sie so vorsichtig auf dem Bett halten.
    "Tilla ... Tilla ... Du aufwachen ..!" sprach sie eindringlich, in der Hoffnung, sie würde durch ihre Worte wach werden und aufhören, sich zu wälzen.

    Nachdem sie Caelyn geweckt und ihr den Auftrag ihres Herrn genannt hatte, war Cadhla nur noch sehr langsam unterwegs gewesen. Sie hatte zum ersten Mal, seit sie in der villa Aurelia unterwegs gewesen war, einen solchen Unwillen, einen Befehl auszuführen, dass sie unweigerlich nur noch durch die Gänge schlenderte. Wahrscheinlich wollte Ursus ihr ohnehin nur noch irgendeine weitere Aufgabe wegen Helena aufhalsen, und hielt dann den Rest der Nacht an ihrem Bett sitzend Händchen - genau so stellte sie es sich vor, und der Gedanke allein ließ sie schon die Lippen fest aufeinander pressen. So viel Zorn hätte sie in sich selbst nicht einmal vermutet, von der Eifersucht ganz zu schweigen, und das auf eine dumme, junge Frau, die nicht sanderes in ihrem Leben jemals hatte tun müssen als vom Reichtum ihrer Eltern zu profitieren. Aber die unbestreitbare Tatsache ließ sich nicht leugnen, je mehr Schritte sie machte, desto näher kam sie dem unerwünschten Ziel, sie hätte nur stehenbleiben können, oder umkehren, um dem zu entgehen - und gerade, als sie dachte, sie sollte dies tun, hatte sie den Gang zu Helenas cubiculum erreicht und sah Ursus dort stehen. Jetzt gab es kein Zurück mehr, und so schritt sie auf ihn zu, etwas schneller nun, blickte ihn nicht an und sagte: "Du brauchen noch etwas, dominus?"

    "Wenn Du wollen sein so, dann Du können auch werden so," bekräftigte Cadhla ihre Worte mit einem zuversichtlichen Klang ihrer Stimme. So war sie erzogen worden, in dem festen Wissen darum, dass derjenige, der hart arbeitete, letztlich auch sein Ziel erreichen konnte, und Siv war ein Mensch, dem sie die Entschlossenheit für einen solchen Weg zutraute. Sie hielt sich aufrecht, sie war von den Römern nicht gebrochen worden, und vor allem, sie hatte sich ihren eigenen Blick auf die Tatsachen bewahrt, ohne sich zu sehr von anderen beeinflussen zu lassen. "Du nur können vertrauen auf Dich, auf niemand sonst. Freund und Mann und Geliebter irgendwann fort und Du allein, und dann Du müssen haben Dich um sein stark, Deinen Willen, Deine Entscheidung." Das war auch eine Erfahrung, die sie hatte machen müssen, während sie zur Kriegerin ausgebildet worden war. Befreundet konnte man sein, man konnte auch verwandt sein, vielleicht sogar verliebt, aber letztendlich kämpfte man alleine und wenn man sich selbst nicht vertraute, war man verloren. Unwillkürlich lächelte sie, für einen Moment lang von einer Erinnerung erfüllt, die ihren eigenen, schweren Weg reflektierte.


    Dann schüttelte sie den Kopf. "Seit ich lernen Kampf mit Schwert, ich nicht mehr leben bei Familie, sondern allein. Für Mann Weg ist einfach. Er nehmen Schwert und gehen kämpfen, und haben Frau für Heim und Kinder. Aber wenn haben Frau Schwert, Du nicht kannst haben Mann für Heim und Kinder, sie zu stolz tun sowas. Also Kriegerin lebt allein, denn haben Schwert, Kind und Heim, das nicht geht, Du nicht kannst sein Mutter und töten Feind gleichzeitig. Man immer muss verzichten, wenn gehen Weg, den nicht gehen jeder," sagte sie nachdenklich, und atmete dann tief ein. Es hatte immer Momente gegeben, in denen sie ihren Entschluss bereut hatte, vor allem nach Kämpfen, wenn sie die einzige war, die an eine kalte Herdstelle zurückkehrte. Sivs Frage ließ Cadhlas Kopf emporschnellen, dann nickte sie langsam, als müsste sie damit eine schwere Sünde gestehen. "Ich nicht gesucht Liebe zu ihm. Nicht gewollt lieben .. Mann von Volk, das mich gemacht hat zu Sklave, zu Besitz." Das letzte Wort klang scharf und verachtungsvoll, und es sagte im Grunde alles zum Thema Sklaverei, was Cadhla hätte sagen können - sehr viel mehr Worte musste es dazu auch nicht geben, an diesem unveränderlichen Zustand der ewigen Gefangenschaft.


    "Es sein Ursus. Aurelius Ursus. Und Corvinus sicher nicht sein .. voller Freude falls jemals erfahren, weil er mich wollen haben für sein Bett," sagte die Keltin schlicht und atmete tief ein,den Blick zu Boden wendend. "Ich lange gelebt allein und nie vermisst Mann an Seite, der mir sagen was tun oder halten Hand, ich nie gebraucht. Aber er hier und er lachen und ..." Cadhla presste die Lippen aufeinander und abermals konnte man ein leises Seufzen hören. "Wenn er ist fröhlich, mein Herz lachen mit ihm, ich nicht kann ändern, auch wenn versuchen, es bleiben. Und ich haben versucht, sehr stark versucht, zu töten Gefühl in mir. Es nicht geht."

    Und doch besitzt Du ein Herz ... war es seines? Besaß sie das seine wirklich? Und woran erkannte man, dass dem wirklich so war? Ihre ganze Unerfahrenheit mit zwischenmenschlichen Gefühlen offenbarte sich in diesem Moment, in dem sie doch hätte uneingeschränkt glücklich sein sollen, und so wundervoll und strahlend seine Worte klangen, fühlte sie sich doch davon auch verunsichert. Wie sollte es weitergehen? Alles, was sie bereits kannte, kam für sie nicht in Frage. Sie konnte ihn nicht heiraten, nicht seine Kinder bekommen, nicht seine Frau werden - bei den Römern galt eine Sklavin nichts, und sie hätte auch nicht einem Manne untertan sein wollen. Und wie es bei den Römern lief, wusste sie ja auch - man lag bei den Sklavinnen und heiratete eine Römerin, der man nicht einmal treu sein musste oder wollte.


    Es war so viel leichter, seinen Kuss zu genießen, die Wärme seiner Lippen dabei zu schmecken und nicht mehr nachzudenken, denn alles, was sie zu denken gehabt hätte, wäre früher oder später in dieselbe bittere Richtung gelaufen wie schon zuvor. Dass ein Mensch so vertraut und gut schmecken konnte, raubte Cadhla den Atem, ihr kam es fast so vor, als würde sie ihn schon eine halbe Ewigkeit lang kennen, alles an ihm so wohlvertraut sein, und doch erlebte sie ihn in diesem Moment als etwas Besonderes, als einen ganz neuen Menschen. Seine Augen wirkten so hell, als hätte er die Sonne darin gefangen, und so hatte sie ihn bisher wirklich noch nie erlebt, so froh, so in dieser Welt verhaftet und gleichzeitig doch kein Teil davon. Diese Stimmung nahm sie ganz gefangen, riss sie mit, und ohne es bewusst gesteuert zu haben, lächelte auch Cadhla warmherzig und offen, als sich beider Lippen wieder trennten.


    "Es ist, wie ist," sagte Cadhla leise und strich ihm mit einer Hand über sein weiches Haar, einen Moment lang auch bei dem seltsamen Kontrast ihrer schwieligen, hartflächigen Hand und seinem so gepflegten, weichen Haar schmunzelnd. "Aber wie gehen weiter? Ich ... nie geliebt Menschen. Nicht vorher. Du bist Erster." Wieder schlichte, klare Worte, die kaum Zweifel an ihrem Gewicht und der damit einhergehenden Aussage ließen, keine Koketterie, keine Ausflüchte, sie hätte es wohl auch nicht anders gekonnt.

    Langsam entließ sie Sivs Hand aus der eigenen, die ihre langen Jahre mit einer Waffe in der Hand allzu deutlich verriet - Cadhlas Finger würden wohl nie die sanfte Weichheit erhalten, die man bei einer Patrizierin finden konnte, und auch nicht die weiche Festigkeit der Hände einer Bürgersfrau, die zwar bisweilen im Haushalt noch anpackte, aber doch schon Sklaven besaß, die ihr vieles abnehmen konnten. Cadhlas Hände verrieten, wie oft sie ihre Waffe geführt hatte, dass ihre Finger daran gewöhnt waren, hartes Tagewerk zu verrichten, und ihr Griff war für gewöhnlich auch ein sehr fester - nur wenn sie sanft sein wollte, veränderte sich das, und Sivs Hand hatte sie sehr behutsam berührt.
    "Du nicht werden wie ich denken Du bist," erwiederte sie schließlich und nach einigem Überlegen. "Du werden so wie Du denken, wie Du wollen sein, das großer Unterschied ist." Sachte lächelte sie, selbst wissend, dass dies wohl keinem Menschen wirklich gelingen konnte, aber wenn man es nicht zumindest versuchte, dann veränderte man sich gar nicht, und das konnte nicht Ziel und Sinn der Sache sein. Der Wille war manchmal schon der erste Schritt, wirklich etwas anders zu machen, und gerade Siv wünschte sie, in dieser fremden Stadt, mit diesem Leben, glücklich zu werden, wenigstens ein kleines Stück ihres Glücks zu finden.


    Als Siv sie dann aber nach ihren Wünschen fragte, seufzte Cadhla leise, denn eigentlich war die Frage unausweichbar gewesen, sie hatte trotzdem gehofft, sie würde nicht darauf antworten müssen - aber Siv war so offen gewesen, es wäre unfair gewesen, ihr nicht aufrichtig ihre eigenen Wünsche zu sagen. Dass die andere dies vielleicht ausnutzen konnte, daran dachte sie gar nicht, denn das war etwas, was in ihrer Sippe nicht vorgekommen war, und ihr darob fremd war.
    "Ich mir wünschen zu sein frei in Entscheidung, wohin gehen .. ich wieder will kämpfen, weil ich weiss, dass ich kann gut ... und .. vielleicht irgendwann, leben mit Mann, den ich können und dürfen lieben. Vielleicht auch haben Kind. Aber so, in diese Leben, ich nicht will Kind, das komme auf Welt und sein Sklave wie ich. Das nicht ist guter Beginn für Kind." Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann, etwas nachdenklicher fort. "Ich nie gehabt Mann oder Kind, wenn Du nehmen Schwert zu schützen Stamm, Du schwören, zu nehmen niemals Mann, alle Deine Familie, alle Deine Verwandten. Du leben alleine, und sein alleine, wenn kehren heim ..." Ihre Züge verschleierten sich einige Momente lang, dann sagte sie leise: "Aber es haben geschworen nicht verhindern, dass ... wachsen Liebe zu Mann, den nicht dürfen lieben und von dem wissen, dass er nicht können lieben zurück."

    Den Kopf leicht schief legend, versuchte sie seinen Worten zu folgen, was ihr immernoch mehr als genug schwer fiel, vor allem, wenn er Worte benutzte, die sie bisher nicht oft gehört hatte - wahrscheinlich würde sie einem Finanzverwalter inzwischen sehr gut zuhören können, aber bei Unterhaltungen über Kinderpflege noch immer kapitulieren müssen - aber sie hatte doch eine deutliche Verbesserung feststellen können zwischen dem, was sie bisher gelernt hatte und den ersten Tagen in der fremden, großen Stadt.
    "Das heißt, wenn Du nicht wollen geben mir Freiheit, ich können tun egal was, ich niemals würde erhalten Freiheit?" faßte sie seine Worte knapp zusammen und war kurz davor, die ganze Sache aufzugeben. Er hatte nicht geklungen, als wollte er dies überhaupt möglich machen, und nun, nachdem sie die letzten Tage und Wochen über die Hoffnung auf baldige Freiheit gehegt und immer weiter aufgebaut hatte, war dies wie ein Bad im eiskalten Wasser, das sie aus diesem schönen Traum herausschreckte. Wenigstens war es dunkel genug, dass er ihre Augen nicht direkt sehen konnte, den Schmerz über die Worte von der Dunkelheit verschluckt wurde und sie plötzlich wieder nur Cadhla, die Sklavin, war, ohne eine Aussicht darauf, trotz eigener Anstrengung irgendwann frei zu sein. Es war so endlos bitter, von der Laune eines anderen Menschen abhängig zu sein, dass sie in den ersten Augenblicken gar nichts mehr sagen konnte und wollte.


    Da kam es gerade recht, dass er das Ehefrauenthema weiterführte und sie hoffen konnte, damit ein wenig Zeit zu gewinnen. Es tat so weh, dieser Gedanke daran, wohl niemals wieder frei zu sein. Was sollte sie schon mit dem römischen Bürgerrecht, es interessierte sie nicht und würde sie nie interessieren. Sie wollte keine Römerin sein, niemals. "Wenn Du heiraten, dann Du doch auch verpflichtet zu sein treu, ich wissen dass geben Göttin, die wacht auch darüber, dass Mann und Frau sind treu zueinander .. Iu...Iuno? sein Göttin für Ehe, und wenn Du nicht sein treu und liegen bei anderen Frauen, dann sie zornig und Du nicht glücklich in Ehe sein kannst." Auch wenn sie diese Göttin nicht kannte, wusste sie doch, dass auch einige der Sklaven zu ihr beteten und sie einen großen Tempel in Rom hatte, was ja nur bedeuten konnte, dass sie für die Römer wichtig war und auch entsprechend in Ehren gehalten werden sollte. Und ein zweites Mal innerhalb kurzer Augenblicke trafen sie seine Worte wie ein Dolch tief ins Innere. Er hatte ja Recht. So sehr Recht, dass es schmerzte.
    "Ich nie glücklich geliebt," sagte sie leise, so schlicht wie sie zuvor die Tatsachen festgestellt hatte. Glücklich lieben hieße, gemeinsam leben zu können - und wenn man es danach bemaß, würde sie es niemals werden.

    Vielleicht war dies der Ausgleich zum kämpferischen Talent, welches ihr die Götter überreichlich geschenkt hatten - sie tat sich schwer mit Gefühlsdingen, erkannte die eines anderen Menschen nicht immer, und selten wirklich zuverlässig, und überhaupt blieben dabei immer so viele Unsicherheiten übrig, dass sie selten wirklich Vergnügen dabei empfand, sich in andere einzufühlen zu versuchen. Letztendlich blieben immer Unsicherheiten, wenn ein Mensch mit einer Waffe in der Hand einen anderen angriff, war das eindeutig, klar und immer verständlich. Dies aber, dieses seltsame, tiefe Sehnen nach der Nähe eines Menschen, das war unberechenbar. Es passierte einfach, und man konnte es weder verhindern noch ausschalten, allerhöchstens unterdrücken, und nicht einmal das wollte sie mehr.


    "Nein," sagte sie leise, nachdem sie ihm schweigend zugehört hatte, sich gegen seine Finger nicht zur Wehr gesetzt hatte und es einfach genossen hatte, ihn sich nahe zu fühlen. Die Wärme seines Körpers schien so angenehm zu sein, wie ein sicherer Halt in einer chaotischen, wenig vorhersehbaren Welt, dass sie sich liebend gern daran geschmiegt hätte, einfach nur für einen einzigen Moment. Einen ewigen Moment. "Nein. Mein Herz mir nicht mehr gehört, schon viele Tage nicht. Ich nicht gewusst, und lange nicht gesehen, aber nun ich weiss, dass ist, wie es ist. Es gehören Dir." Sie hätte singen sollen, tanzen, glücklich sein, dass ihre Gefühle erwiedert wurden, und doch, ein Teil von ihr freute sich, ein anderer Teil fürchtete sich vor dem, was kommen würde. Denn dass dieser Weg kein leichter sein würde, das wusste sie jetzt schon, mit dem sicheren Instinkt einer Kriegerin, die das Nahen der Gefahr vorahnte.

    Dass er noch fragte ... dass er noch wissen wollte, warum es sinnlos war, er musste es doch wissen. Sicher, wahrscheinlich war es für einen Römer normal, eine Sklain zu begehren und sich dabei nichts weiter zu denken, Corvinus hatte schließlich bisher auch keinen Hehl daraus gemacht, dass Frauen aller Art für ihn interessant waren und er ihre Vorzüge gern und ausgiebig genoss. Und sie konnte seinen Blick nicht deuten, nur hoffen, etwas darin zu entdecken, von dem sie hoffte, es wäre da, bei dem sie hoffte, sie wäre nicht die einzige, die so empfand. Die Lippen langsam aufeinander pressend, wandte sie den Blick ab,weg von seinem Gesicht, hin zum Gras, auf dem sie lagen, aber leider gab ihr das grüne Halmkonglomerat keinerlei Aufschluss darüber, was sie nun sagen oder tun sollte. Gras hatte immerhin nicht allzu viele Erfahrungen mit der Liebe, es wurde zumeist eher unfreiwilliger Zeuge derselben.


    "Es sein sinnlos zu ... hoffen, dass es geben gleiches Gefühl von Dir, dass ich haben für Dich," sagte sie schließlich, blickte ihn dabei aber nicht an, sie klammerte sich noch immer an das unschuldige (und zerdrückte) Gras, welches sich gerade Mühe gab, nicht unter dem Gewicht der Körper zu kapitulieren. Aber im Grunde war Gras so einiges gewöhnt. "Du sein Patrizier, und ich sein Sklavin, es niemals gibt Weg für Menschen wie mich zu hoffen, dass Mensch wie Du ..." Cadhla schüttelte den Kopf, denn was sie sagen wollte, konnte sie ohnehin nicht in Worte packen. Dafür war ihr Latein einfach zu mangelhaft, zu wenig ausgereift, und für alles, was über die bloße Bewältigung des Alltags hinausging, musste sie sich einem Kampf mit den Buchstaben stellen, für den ihr die Anregungen und die Erfahrungen fehlten. "Und selbst wenn Hoffnung nicht seien umsonst, es geben keine Lösung, ausser Unglück für haben Gefühl wie das. Du wissen, was ich meine."


    Ihre Mundwinkel hoben sich ein wenig, zu einem müden, fast bitteren Lächeln, aber wenigstens war es jetzt heraus. Sie fühlte sich besser, erleichtert, denn sie hatte das Gefühl lange genug mit sich herumgeschleppt, ohne wirklich damit umgehen zu können, und es sich nun doch von der Seele gesprochen zu haben, entfaltete eine befreuende Wirkung. Auch wenn er es wahrscheinlich nicht verstehen würde, vielleicht war es auch erheiternd für ihn, dass eine Sklavin so für ihn empfinden konnte - aber damit würde sie leben müssen. Es war gesagt, und man konnte die Worte nicht mehr zurücknehmen.

    Sie hatte immer gedacht, die Nähe anderer würde ihr das Leben schwerer machen, und während sie in der Ausbildung zur Kriegerin gewesen war, war dies auch zutreffend gewesen - Nähe lenkte ab, und sie richtete allzu oft die Gedanken auf eine Richtung, die man selbst nicht wollte. Aber manchmal konnte Nähe auch wohltuend sein, die Nähe ihrer Mutter beispielsweise, die sie in ihre Arme nahm, oder die eines Freundes, der einem in schweren Zeiten die Hand auf die Schulter legte, wenn man selbst nicht mehr alleine weitergehen konnte. Dergestalt war die Nähe zu ihrem Herrn jetzt auch nicht mehr unangenehm, nicht mehr verwirrend, diese Nähe war etwas, was sie kannte und folglich verwirrte sie diese auch nicht, weil sie diese richtig einordnen konnte, ohne den erschreckenden körperlichen Kontext erdulden zu müssen. Jetzt hatte die Nähe zu ihm fast etwas Vertrautes, etwas Vertrauliches, als seien sie seit langer Zeit schon Freunde, die über schwerwiegende Dinge mit Leichtigkeit sprechen konnten, ohne eine gegenseitige Verletzung fürchten zu müssen. In diesem Augenblick fühlte sich Cadhla auch nicht länger als Sklavin, vielmehr wie jemand, dem vertraut wurde, und seien es nur Gedanken, die er sonst niemandem gegenüber aussprach.


    "Ich Dich gekostet zweitausendfünfhundert Sesterzen, das ich weiss sehr gut, und es sein nicht wenig Geld. Ich nicht denken Du kaufen Sklave weil haben zuviel Geld, da kaufen besser anderes, weil Mensch leicht wird krank und kann sterben, ich denken Du kaufen Sklave aus gutem Grund, und ich haben Talent das ist selten für Frau," erklärte sie ihre Überlegungen im Bezug auf Investitionen - das Gespräch mit einem der älteren Haussklaven, der sich vornehmlich um die Rechnungen und finanziellen Angelegenheiten der gens Aurelia kümmerte, war sehr aufschlussreich und interessant gewesen. "Wenn ich Dir also bringen zweitausendfünfhundert Sesterzen, ich sein dann frei?" Das war der heikle Punkt, der, um den sie sich die letzten Tage über immer wieder Gedanken gemacht hatte, seit sie durch Ursus auf die Spur dieser Überlegung gesetzt worden war. "Ich nicht können gehen arbeiten für Geld, aber ich können gehen kämpfen, und Du verdienen durch Wetten auf mich Geld, bis ich Dir haben erbracht genug um kaufen mich frei von Ketten und Sklaverei." Gladiatoren waren beliebt in Rom, und noch beliebter waren die Wetten auf Gladiatoren, und Cadhla hatte zudem aufgrund seiner Reaktionen eines gemerkt - man würde sie als Frau leicht unterschätzen, und damit konnte man sehr viel Geld verdienen.


    Was die ganze Sache mit der Liebe anging, war sie weit weniger eloquent als er, aber vielleicht würde ihm das nicht weiter auffallen. Man konnte sich über Liebe viele Gedanken machen, und noch mehr um die eine Liebe begleitenden Umstände, aber letztlich fühlte sich Cadhla dieser Thematik gegenüber unwissend wie ein Kind.
    "Du meinen, Du werden haben Ehefrau und nebenher schlafen bei anderen Frauen zu Vergnügen? Aber warum? Es Dir nicht reichen zu haben sicher Frau zuhause, die gebären Deine Kinder? Es im Grunde nichts anderes ist als Flucht davor, zu machen Sache ernsthaft und binden an einen Menschen, weil dieser Mensch können sterben oder werden böse auf Dich. Du nicht gehabt hast viel glückliches Liebe bisher, oder?" Während sich andere Menschen mit Ausflüchten bedienten, höflich waren oder einen Gesprächspartner vielleicht gar schonten, wenn sie merkten, dass das Thema heikel war, ging Cadhla auch hier vor wie eine Kriegerin - direkter Stoß ins Herz, um zu sehen, was passierte.

    Niemand hatte Cadhla jemals gesagt, dass es weiblicher wirkte, wenn man bei einem Kuss die Augen schloss - verträumter, mädchenhafter, unschuldiger. Aber all diese Attribute trafen auf die jungfräuliche Kriegerin weit weniger zu als auf die meisten anderen Frauen, und wie sie einem Feind in die Augen blickte, wenn sie ihn tötete, so blickte sie auch dem Menschen, den sie liebte, offen und geradewegs in seine Augen. In diesem ersten, wirklich bewusst geteilten Kuss wollte sie jede Nuance seiner Mimik erkunden, und wenn sie ihn schon mit den Lippen nicht vollkommen ertasten konnte, dann doch wenigstens mit ihrem Blick vereinnahmen und dieses Bild so tief in sich aufnehmen, wie es nur ging. Für einen Mann waren seine Lippen sehr weich, aber im Grunde hatte sie auch keine wirklichen Vergleichsmomente - sie genoss nur die Zartheit der Berührung, dass er ihr die Zeit ließ, es auf ihre Weise zu tun, so langsam, wie sie es tun musste, um den Kuss vollkommen auskosten zu können.


    Ihre Kopfhaut prickelte, als seine Finger sich durch ihr Haar tasteten, und unwillkürlich löste sich ein leises Seufzen von ihren Lippen, sie hielt inne, betrachtete ihn schweigend, die eigenen Lippen nur einen winzigen Lufthauch breit von den seinen entfernt. Der Moment hätte ewig dauern können, und es kam ihr so vor, als hätte sie jedes Zeitgefühl verloren, wenn sie in seine Augen blickte. Er sah so schön aus, trotz des erhitzten Gesichts, trotz des Schmutzes, den sie sicherlich beide inzwischen auf ihren Körpern, Kleidern und Armen hatten, und nun schloß sie die Augen doch, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, diese wollte sie ihm diesmal nicht zeigen. Sie hatte schon zu oft geweint, wenngleich bis zu diesem Tag aus Schmerz, nicht aus reinem, puren Glück, gemischt mit einer bitteren Erkenntnis, die trotz der Intensität des Kusses nicht zu verdrängen war - selbst wenn er ihre Gefühle in irgendeiner Weise teilen sollte, es wäre kein gemeinsames Leben für diese beiden Menschen möglich. Nicht zwischen einem Patrizier und einer Sklavin, so weit hatte sie die römische Gesellschaft verstanden. Nicht einmal für einen Patrizier und eine Freigelassene.
    "Es sein so sinnlos und doch sein da," flüsterte sie leise, und in diesen Worten lag die ganze Aussichtslosigkeit ihrer Situation.

    "Manchmal brauchen einfach Mensch der sieht Dinge anders als man selbst. Du erkennen viel mit zwei Augen, aber mehr mit vier," sagte Cadhla lächelnd und sah Siv offen und warmherzig an. In diesem Moment flog ihr Herz der fremden jungen Frau einfach zu, weil sie so vieles so gut verstehen konnte, auch wenn sich beide an der lateinischen Sprache elend abmühen mussten. Im Grunde brauchte es nicht unbedingt dieselben Worte, wenn man sich im tiefsten Inneren gut verstand, denn Worte waren auch nur Behelfsmittel. In Sivs Augen erkannte Cadhla mehr von dem, was ihr selbst vertraut war, was sie sich bei einem Menschen zu erkennen wünschte, als ihre Worte es ihr jemals hätten sagen können, und damit war die Keltin vollkommen zufrieden.


    "Sie Deine Mutter gewesen, ich kennen keine Mutter die hassen Kind. Vielleicht nicht immer können zeigen, und vielleicht auch machen viel falsch, aber wenn haben Kind, dann doch immer ist Liebe da, weil neues Leben schenkt Glück." Das war dann der etwas naivere Teil ihrer Lebenssicht, aber sie hatte es eben nie anders kennengelernt, auch wenn ihr Volk in ständiger Bedrohung von außen gelebt hatte, war die Sippe innerlich doch stets intakt und zufrieden gewesen, die Kinder glücklich und mit wenig Sorgen aufgewachsen, da die Erwachsenen die Sorgen schulterten.


    Langsam ging sie auf Siv zu, ließ den Korb auf dem Boden stehen und streckte eine Hand aus, die Hand der Germanin ergreifend - ohne Zugzwang drehte sie diese so, dass sie die Handfläche Sivs sehen konnte und blickte darauf. "Du haben starke Lebenslinie, sehen hier?" Sie fuhr mit einem Finger jene Linie entlang, die von der Handwurzel halbwegs senkrecht empor stieg und sich knapp unterhalb des Mittelfingers verästelte.


    "Das ist Hand von Kriegerin, aber Du auch kannst kämpfen ohne führen Waffe in Hand. Solange Du führen Schwert in Herz, Du immer bist stark. Solange Du aufstehen, wenn gefallen auf Boden, Du bist mehr Kriegerin als viele Krieger, die können nur kämpfen und nichts sonst. Du hast Wahl zu sein zufrieden in Zeit des Friedens und in schlechter Zeit gleichzeitig, andere nur sind zufrieden wenn kämpfen dauernd."
    Wieder umspielte ein leichtes Lächeln ihre Mundwinkel, und der sonstige Ernst schien für den Moment geschwunden, in dem sie sprach, Siv direkt anblickte, selbst die grünen Augen der Keltin schienen ihr Lächeln spiegeln zu können. "Du selbst entscheiden, was wichtig für Dich. Liebe, oder Freiheit, oder Familie .. ich nicht weiss was Du Dir wünschen. Aber ich hoffen, Du irgendwann wirst erkennen."

    Der Kampf wogte hin und her, und sie hätte nicht sagen können, wer nun gerade der Stärkere war - als ihm endlich aufging, dass sie keinen Spaß machte, dass dieser Kampf so ernst war, wie ein Kampf nur ernst sein konnte, begann sich Ursus zu wehren, und Cadhla musste sich anstrengen, die Oberhand zurück zu erobern - auch wenn sie ihre Anstrengungen keineswegs abreißen ließ, spürte sie nun doch auch die Gegenwehr so, wie es in einem Kampf sein sollte. Er schonte sie nicht, kämpfte deutlich härter als jemals zuvor, und sie würde nicht nur einen blauen Fleck am Leib davontragen, das wusste sie, ihr Fuß schmerzte noch vom Aufschlag auf dem Boden, aber das durfte sie nicht zeigen, nicht einmal beachten, sonst würde es zum Nachteil werden. Beider Blicke trafen sich, sie sah in seinen Augen das Erkennen seinerseits ob der sich abzeichnenden Lage, und den aufflackernden Funken, den sie nicht recht einordnen konnte, hörte seine Stimme, die sich tief in ihr Innerstes schnitt, in ihrem Kopf, aber vor allem ihrem Herzen verhallte, ein Echo hinterließ, das in ihr zu dröhnen begann, sich ausdehnte, ihr keinen Platz mehr ließ, den Gedanken zu vollenden, der ihre Handlungen gelenkt hatte ...


    Abrupt lösten sich ihre Finger von seinem Hals, und sie sah wohl, dass sie ein Mal dort hinterlassen hatte, ohne darüber zu denken, dass man sich darüber Gedanken machen würde, sobald man es sah. Nein, in diesem Moment war sie vollkommen blind für die gesamte Umgebung, für diese Welt, die so fremd war und so viele ihrer Fragen einfach grundsätzlich offen ließ. Sie sah auch das Gras nicht, das die beiden durch ihr Wälzen und Kämpfen plattgedrückt hatten, sie sah weder den Garten noch den Himmel, auch für den würzigen, klaren Geruch der Luft hatte sie keinen Sinn mehr verfügbar, sie sah allein seine Augen, diesen flackernden Blick zwischen Ungewissheit und so vielem anderen, das sie nicht zu deuten imstande war.


    Und in diesem Augenblick wusste sie es endlich in einer solchen Klarheit, als sei ein Schleier von ihrem Inneren gelüftet worden, den sie zuvor nicht einmal wahrgenommen hatte. Es war geschehen, und es wäre besser gewesen, es hätte sich niemals ereignet. Sie wusste, dass sie einen Menschen, den sie liebte, nicht töten konnte, niemals töten würde ... in diesem Moment war es leicht, lächerlich einfach, sich herabzubeugen und die Lippen auf die seinen zu legen, aus eigenem Willen, und wie schon einmal schmeckte sie ihn, nur lag sie diesmal obenauf, konnte nach eigenem Willen seinen Mund kosten und in dieser Empfindung versinken, ohne sich irgendwo noch festhalten zu wollen.

    "Du nicht kannst sein wie Dein Vater, Du nur kannst sein wie Du bist," sagte Cadhla schlicht, nachdem sie seine Worte nachdenklich und ernst angehört hatte. Letztendlich war das die einzige, wirkliche Wahrheit, die sie aus ihren bisherigen Überlegungen hatte herausdestillieren können - sonst spielte man nur eine Rolle, war nicht mit dem Herzen bei all dem, was man tat, was man tun musste, und wurde niemals glücklich. Für sich selbst hatte sie schon erkannt, dass die Rolle einer Sklavin sie niemals zu dem würde führen können, was sie sich vom Leben erwartete. Es gab sicherlich Sklaven, die sich in der relativen Sicherheit ihrer Existenz wohlfühlten, aber Cadhla hatte ihr Leben lang kämpfen müssen, es nicht tun zu dürfen, erfüllte sie eher mit dem Gefühl der Ohnmacht denn der Beruhigung. Andere Menschen hätten sich wahrscheinlich anders entschieden. Sinnierend folgte ihr Blick dem Spiel seiner Finger mit ihrem Haar, und ohne dass sie es wollte, musste sie für einen Moment lang lächeln. Dass er sich solchen kindlichen Ablenkungen hingeben konnte, wobei er doch noch vor wenigen Momenten etwas ganz anderes gewollt hatte - manchmal schien es ihr, als sei ihr Herr gänzlich zwischen dem Leben als Mann und einem noch nicht ganz erwachsen werden wollenden Kind gefangen, zumindest, wenn er so etwas tat.


    "Kampf ist einziges, was ich wirklich beherrschen, wofür ich habe Talent," fügte sie seinen Worten noch hinzu, als er die Kriegerschulen ansprach. "Du mich wohl zuerst gekauft um bringen Haushalt in Ordnung und räumen auf, aber Du wissen so gut wie ich dass es geben viele Frauen die können dies tun, aber wenige, die können kämpfen wie ich." Das war ihre einzige Hoffnung, dass ihr dieser Umstand vielleicht zum Vorteil gereichen konnte. "Es also Dein Vorteil wäre mich machen zu besserer Kämpferin als ich schon sein, dann Du haben Geld für mich sinnvoll investiert." Kein Zweifel, entweder hatte sie irgendwann neulich Bankiers zugehört oder sie hatte ein Buch erwischt, in dem es um Finanztechnik ging, solche Worte hörte man in ihrer klaren, reinen Form selten bei Sklaven, schon gar nicht so nüchtern vorgebracht, als ginge es tatsächlich allein um ein Geschäft. Was er allerdings über Frauen sagte, ließ sie den Kopf wieder schieflegen, über die Worte nachdenken, um auch ihren Sinn zu erfassen, nicht allein den Klang.


    "Wenn Du suchen Frau, die Dir ist ebenbürtig, die Dich faszinieren, dann Du nicht solltest suchen Entspannung bei Sklavinnen, weil Du nicht wirst bekommen was Du suchen. Das nur flüchtiges Vergnügen ist, dominus, und wenn genossen, dann schon vorbei und irgendwann auch das nicht mehr helfen. Es sein wie Bier, ich denken, wenn Du trinken manchmal einen Becher, dann er schmeckt gut, wenn Du trinken jeden Abend zehn Becher, dann Du irgendwann brauchst fünf Becher um fühlen normal, und dann schmecken nichts mehr. Keine Sklavin Dir kann sein jemals ebenbürtig, und Liebe, falls Du das wirklich suchen, Du so niemals wirst haben." Wieder klang eine nüchterne Sachlichkeit in ihren Worten mit, während sie ihn in ihrem Blick hielt, seinen Augen in nichts auswich - vielleicht gab es niemanden sonst, der es wagen würde, solche Worte zu ihm zu sprechen, aber sie tat es. Und doch konnte sie die tiefe Sehnsucht auch nachvollziehen, die er empfinden musste nach jemanden, der ihn vollkommen verstand - letztendlich wünschte sich doch jeder Mensch einen solchen Partner.

    Sie war nicht zu schnell zum Schlafraum gegangen, in dem sie vor kurzem auch noch genächtigt hatte - im Grunde hatte sie in sich eine solche Wut entdeckt, dass sie glaubte, unmöglich gelassen Ursus' Worte an seine Sklavin weitergeben zu können, und noch weniger wieder in den Raum der Aurelia Helena zurückkehren zu können, um sich dieses Schauspiel noch länger anzusehen, mit dem sie nicht viel anfangen konnte.
    Leise betrat sie den Schlafraum und ging durch die Dunkelheit in Richtung von Caelyns Bett, um sich daneben leicht niederzuknien, dann berührte sie die Sklavin an den Schultern und rüttelte sie langsam.
    "Caleyn? Caelyn? Du aufwachen, Dein dominus haben Aufgabe für Dich," sagte sie leise, aber nachdrücklich, rüttelte so lange weiter, bis sie sich sicher war, dass die junge Frau wach genug war, ihre Worte auch zu verstehen. "Dominus Ursus wollen dass Du herrichten freies Gästezimmer für Besucher, und Du Dich kümmern jetzt und morgen um ihn, weil er getan hat wichtiges für Familie. Er sein in Raum von dominus Ursus und da warten darauf, dass Du kommen und tun, wie dominus hat gesagt. Du mich hast verstanden?" Sicher war sicher - sonst hieß es am Ende noch, Cadhla hätte absichtlich irgend etwas seines Auftrags unterschlagen oder vergessen, und auf Ärger hatte sie heute noch weniger Lust als sonst. Es war der erste Tag seit langem, an dem sie glaubte, es nicht mehr ertragen zu können, der persönliche Besitz eines anderen Menschen zu sein.